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Gleichmacher

Eine Teepflückerin, die in Sri Lanka den ganzen Tag hart arbeitet, um ihre Mindestmenge Tee abzuliefern, muss bangen, ob sie überhaupt den Mindestlohn von 1 DM, oder mehr, je nach gepflückter Menge, für ihre Arbeit bekommt. Bleibt sie unter der Mindestmenge, so ist ihr Arbeitstag verloren. Jesus erzählt ein Gleichnis von Tagelöhnern, die bei unterschiedlicher Arbeitszeit alle denselben Lohn bekommen.

Teepflückerinnen in Sri Lanka
Teepflückerinnen in Sri Lanka (Bild: jürgen SchefflerPixabay)

#predigtGottesdienst am 22. Januar 1978 in der Stadtkirche Friedberg
Lied EKG 187, 1-3 (EG 288):

1. Nun jauchzt dem Herren, alle Welt! Kommt her, zu seinem Dienst euch stellt, kommt mit Frohlocken, säumet nicht, kommt vor sein heilig Angesicht.

2. Erkennt, dass Gott ist unser Herr, der uns erschaffen ihm zur Ehr, und nicht wir selbst: Durch Gottes Gnad ein jeder Mensch sein Leben hat.

3. Er hat uns ferner wohl bedacht und uns zu seinem Volk gemacht, zu Schafen, die er ist bereit zu führen stets auf gute Weid.

Herr, unser Gott, wir bekennen, dass wir immer wieder Schranken aufrichten zwischen uns und anderen, denen es schlechter geht als uns. Wir versuchen, unser schlechtes Gewissen gegenüber denen, die unsere Hilfe brauchen, zu verdrängen. Vergib uns unser Versagen und zeige uns Möglichkeiten, ohne schlechtes Gewissen zu leben, das doch keinem nützt, und unsere Kräfte einzusetzen, wo wir gebraucht werden.

Lesung: Jeremia 9, 22-23

22 So spricht der HERR: Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums.

23 Sondern wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und mich kenne, dass ich der HERR bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden; denn solches gefällt mir, spricht der HERR.

Glaubensbekenntnis
Lied EKG 260, 4+7 (EG 373, 3+6)

4. Jesu, hilf siegen und lass mich nicht sinken; wenn sich die Kräfte der Lügen aufblähn und mit dem Scheine der Wahrheit sich schminken, lass doch viel heller dann deine Kraft sehn. Steh mir zur Rechten, o König und Meister, lehre mich kämpfen und prüfen die Geister.

7. Jesu, hilf siegen und lass mir’s gelingen, dass ich das Zeichen des Sieges erlang; so will ich ewig dir Lob und Dank singen, Jesu, mein Heiland, mit frohem Gesang. Wie wird dein Name da werden gepriesen, wo du, o Held, dich so mächtig erwiesen.

Gnade sei mit uns und Friede von Gott, unserm Vater, und Jesus Christus, unserm Herrn. Amen.

Wir hören aus dem Evangelium nach Matthäus 20, 1-15:

1 Denn das Himmelreich gleicht einem Hausherrn, der früh am Morgen ausging, um Arbeiter für seinen Weinberg einzustellen.

2 Und als er mit den Arbeitern einig wurde über einen Silbergroschen als Tagelohn, sandte er sie in seinen Weinberg.

3 Und er ging aus um die dritte Stunde und sah andere müßig auf dem Markt stehen

4 und sprach zu ihnen: Geht ihr auch hin in den Weinberg; ich will euch geben, was recht ist.

5 Und sie gingen hin. Abermals ging er aus um die sechste und um die neunte Stunde und tat dasselbe.

6 Um die elfte Stunde aber ging er aus und fand andere und sprach zu ihnen: Was steht ihr den ganzen Tag müßig da?

7 Sie sprachen zu ihm: Es hat uns niemand eingestellt. Er sprach zu ihnen: Geht ihr auch hin in den Weinberg.

8 Als es nun Abend wurde, sprach der Herr des Weinbergs zu seinem Verwalter: Ruf die Arbeiter und gib ihnen den Lohn und fang an bei den letzten bis zu den ersten.

9 Da kamen, die um die elfte Stunde eingestellt waren, und jeder empfing seinen Silbergroschen.

10 Als aber die ersten kamen, meinten sie, sie würden mehr empfangen; und auch sie empfingen ein jeder seinen Silbergroschen.

11 Und als sie den empfingen, murrten sie gegen den Hausherrn

12 und sprachen: Diese letzten haben nur eine Stunde gearbeitet, doch du hast sie uns gleichgestellt, die wir des Tages Last und Hitze getragen haben.

13 Er antwortete aber und sagte zu einem von ihnen: Mein Freund, ich tu dir nicht Unrecht. Bist du nicht mit mir einig geworden über einen Silbergroschen?

14 Nimm, was dein ist, und geh! Ich will aber diesem letzten dasselbe geben wie dir.

15 Oder habe ich nicht Macht zu tun, was ich will, mit dem, was mein ist? Siehst du scheel drein, weil ich so gütig bin?

Liebe Gemeinde!

Wie das Reich Gottes beschaffen ist, also wie es zugeht, wenn der Geist Gottes, der Geist Jesu auf das Verhalten der Menschen Einfluss gewinnt, macht Jesus immer wieder in Gleichnissen deutlich. Den Stoff dieser Vergleiche nimmt er aus dem Alltag. Eben hörten wir von einem Arbeitgeber, der den bekannten „Hier-bin-ich-Herr-im-Haus-Standpunkt“ vertritt und auf seine Rechte als Eigentümer des Weinbergs pocht: „Steht es mir nicht frei, mit dem Meinigen zu tun, was ich will?“

Äußerst ungewöhnlich ist aber, wozu dieser Unternehmer sein Recht ausnützt: dass er nämlich allen Arbeitern gleich viel Lohn auszahlt, so dass ihr Bedarf für den Tag gedeckt ist – ohne Unterschied, ob sie für ihn viel oder wenig gearbeitet haben.

Im Alltag, den wir kennen, geht es in der Regel anders zu. Ein genaues Gegenstück zum Gleichnis Jesu stellt folgende Situation dar:

Eine Teepflückerin, die in Sri Lanka den ganzen Tag hart arbeitet, um ihre Mindestmenge Tee abzuliefern – den Tee, den wir später als Ceylontee in gemütlichen Stunden genießen –, diese Teepflückerin muss bangen, ob sie überhaupt den Mindestlohn von 1 DM, oder mehr, je nach gepflückter Menge, für ihre Arbeit bekommt. Bleibt sie unter der Mindestmenge, so ist ihr Arbeitstag verloren.

Selbst wenn uns dieses Beispiel als ungerecht erscheint, so würden wir doch den Maßstab, dass jeder bei der Arbeit und in der Schule nach seinen Leistungen eingestuft werden sollte, nicht grundsätzlich in Frage stellen, so wie es der Weinbergbesitzer tut.

Können wir es uns vorstellen, dass eine ganze Schulklasse mit einer 1 unter ihrer Klassenarbeit nach Hause kommt, da sich alle nach ihren Fähigkeiten und Bedingungen so viel Mühe wie möglich gegeben haben?

Oder ist es für uns vorstellbar, es gäbe überhaupt keine Noten, stattdessen würde jeder Schüler individuell auf seine Fortschritte und Lücken auf bestimmten Gebieten aufmerksam gemacht?

Oder erinnern wir uns an tarifliche Auseinandersetzungen. Wie schwer sind prozentuale Lohnerhöhungen durch Sockelbeträge zu ergänzen; also Lohnanhebungen, die für die Bezieher niedriger und hoher Einkommen gleich hoch sind. „Gleichmacherei“ lautet ein oft gehörter Vorwurf an die Adresse derer, die erreichen wollen, dass der Abstand zwischen den kleinen und großen Einkommen nicht noch größer wird.

Als Gleichmacher wird auch der Weinbergbesitzer in Jesu Gleichnis beschimpft; so klagen ihn die an, die den ganzen Tag gearbeitet haben: „Diese Letzten haben nur eine Stunde gearbeitet, und du hast sie uns gleichgemacht, die wir die Last und die Hitze des Tages getragen haben.“

Die Gefühle, die diese Arbeiter bewegen, können wir uns lebhaft vorstellen: Ärger darüber, dass sie nicht klüger waren und auch erst später zur Arbeit gekommen sind. Ärger, dass ihre Mehrarbeit nicht mit mehr Lohn abgegolten wird. Neid vielleicht auf das Schwein, das die anderen gehabt haben.

Dahinter melden sich noch andere Gefühle und Gedanken. Angst und Misstrauen zum Beispiel. Wo kommen wir hin, wenn Leistung nicht mehr angemessen entlohnt würde? Wer sich die Hände schmutzig macht, wer Opfer auf sich nimmt, der würde bestraft. Wer faulenzt, würde noch belohnt. Der Weinbergbesitzer mag gütig sein, aber Güte und Vertrauen kann man ausnutzen.

Haben sie recht mit ihren Gefühlen und misstrauischen Anfragen?

Haben auch die Pharisäer recht, die Jesus Vorwürfe machen? Wie er denn einfach die Unterschiede zwischen den rechtschaffenen und den sündigen Menschen verwischen könne? Er ermutige durch sein Zusammensein mit den Heruntergekommenen doch geradezu noch andere zur Sünde.

Haben auch die recht, die uns jüngeren Menschen vorhalten: „Früher hatten wir es auch nicht besser, ihr hättet mal die Nachkriegszeit miterleben müssen, euch geht‛s viel zu gut?“

Der Weinbergbesitzer gibt diesen allen nicht recht.

„Nein“, sagt er zu den murrenden Arbeitern. „Du hast kein Recht, dich über mich zu beklagen. Ich tue dir nicht Unrecht, wenn ich dir nicht mehr gebe als den anderen. Du bekommst ja, was du zum Leben nötig hast. Ich gebe dir ja auch nicht weniger als den anderen. Aber sollen die anderen wirklich weniger bekommen als du, so dass sie nicht genug zum Leben haben?“

„Aber die haben den ganzen Tag herumgelungert, während ich geschuftet habe. Willst du sie dafür auch noch belohnen?“

„Vielleicht sind die anderen Faulenzer“, sagt der Weinbergbesitzer. „Aber werde ich sie dadurch ändern, dass ich sie durch Lohnentzug strafe? Wenn sie zu wenig Geld für ihre Familien haben, vertrinken sie den Rest aus Verzweiflung. Willst du sie in diesem Teufelskreis stecken lassen?“

Und zu den Pharisäern sagt Jesus, damals wie heute: „Ihr habt Unrecht, wenn ihr glaubt, mehr gelten zu können als die Sünder. Ihr seid frömmer und rechtschaffener als sie, aber dass ihr euch darauf etwas einbildet, das ist eure Sünde: euer in Demut verpackter Hochmut. Ihr nennt die anderen Sünder oder Weihnachtschristen, aber ihr versucht nicht, sie zu verstehen. Ihr ahnt nicht, dass sie sich erst ändern können, wenn ihr ihnen vollen Lohn auszahlt, das heißt, wenn ihr sie bedingungslos annehmt. Dann können auch sie sich selbst annehmen; sie stehen und fallen nicht mehr mit ihrem Versagen, können aus neuem Selbstvertrauen heraus auch neu Verantwortung für sich selbst uns andere übernehmen.“ So wie der Zöllner, bei dem Jesus einkehrte und der daraufhin vierfach zurückgab, was er durch Betrug zusammengerafft hatte.

Und die, die sagen: Euch geht es viel zu gut? Ich kann sie verstehen, wenn sie enttäuscht sind und glauben, zu kurz gekommen zu sein. Doch sie haben Unrecht, wenn sie drohen: Wartet ab, euch soll es erstmal so schlecht gehen wie uns damals! Sie haben Unrecht, wenn sie Härte, Strenge und schwere Zeiten für die besten Erzieher halten und meinen, dass zu viel Freiheit und zu viel Verständnis für die Wünsche der Jugendlichen schädlich sind.

Das Gleichnis Jesu zeigt den anderen Weg. Den Weg, auf Vertrauen hin den vollen Lohn zu zahlen, auch wenn er nicht voll verdient war. Es ist der Weg, durch Zuwendung, durch Vertrauen, durch das Freilassen des anderen zu erziehen, so dass der andere Mensch selber zur Liebe, zum Vertrauen, zur Verantwortung fähig wird.

Je mehr Spaß zum Beispiel das Lernen macht, je mehr Dinge in der Schule gelernt werden, die die Schüler selbst lernen wollen, desto überflüssiger werden Zensuren als Druckmittel. Und je weniger Druck von Lehrern und Eltern durch die Noten auf die Schüler ausgeübt wird, desto mehr Spaß kann die Schule machen.

Je mehr sich ältere Menschen, die leidvolle Erfahrungen hinter sich haben, auf die junge Generation mit ihren anders gearteten Problemen und Wünschen einlassen – mit Abstand zwar, aber mit Verständnis, desto leichter wird es für sie, selbst nicht nur aus der Vergangenheit zu leben, sondern neue, schöne Erfahrungen zu machen, wie es sich in den vielen guten Großeltern-Enkel-Beziehungen zeigt. So haben, wenn der Weinbergbesitzer den Lohn austeilt, alle ihren gleichen Anteil, die Kinder, die, im Bild gesprochen, erst um die 11. Stunde mit der Arbeit begonnen haben, und die Alten, die 12 Stunden Arbeit hinter sich haben, unter anderen, schwereren Bedingungen als heute.

Im Fernsehen begann gestern die Fernsehspielreihe „Die Straße“. Dort wurde ein Jugendtreffpunkt gezeigt, der besonders für die Mitglieder einer Rockerbande offensteht. Überall waren sie herumgeschubst worden, keiner hatte sie gern gesehen; die jungen Leute hatten mit der Flucht in Alkohol und Gewalt reagiert. Im Treffpunkt finden sie Sozialarbeiter, die zum erstenmal auf ihre Aggressivität nicht mit Hinauswurf oder Drohungen reagieren. Sie fragen nach den Gründen für die Gewaltausbrüche und suchen das Gespräch mit den Jugendlichen.

Ein Polizist meint dazu: An denen beißen Sie sich die Zähne aus.

Es ist in dem Film eine Kirchengemeinde, die den Jugendtreff eingerichtet hat. Einer Kirchengemeinde steht solch ein Versuch gut an, sich in einer scheinbar aussichtslosen Arbeit zu engagieren. Denn sie vertraut auf Jesus, der in seinem Leben und in seinem Sterben am Kreuz den Menschen in völlig auswegloser Lage nahe war und von dem wir bekennen, dass er auferweckt wurde. Unser Herr ist einer, der seine Güte ausnutzen ließ bis zum Letzten. Sein Weg ist verheißungsvoll, auch für uns; der Weg des Weinbergbesitzers, der uns die bedingungslose Liebe schmackhaft machen will. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Lied EKG 274, 1-4 (EG 391):

1. Jesu, geh voran auf der Lebensbahn! Und wir wollen nicht verweilen, dir getreulich nachzueilen; führ uns an der Hand bis ins Vaterland.

2. Soll’s uns hart ergehn, lass uns feste stehn und auch in den schwersten Tagen niemals über Lasten klagen; denn durch Trübsal hier geht der Weg zu dir.

3. Rühret eigner Schmerz irgend unser Herz, kümmert uns ein fremdes Leiden, o so gib Geduld zu beiden; richte unsern Sinn auf das Ende hin.

4. Ordne unsern Gang, Jesu, lebenslang. Führst du uns durch raue Wege, gib uns auch die nöt’ge Pflege; tu uns nach dem Lauf deine Türe auf.

Herr, wir danken dir, dass du uns Vertrauen und Hoffnung schenkst. Wir dürfen zuversichtlich in deiner Welt leben und neue Aufgaben zu übernehmen wagen oder alte Verpflichtungen mit neuem Mut fortsetzen. Lasst uns beten mit dem Gebet des Franz von Assisi…

Herr Jesus Christus, wir bringen in dieser Fürbitte vor dich die Trauer der Angehörigen von sechs Verstorbenen, die in der vergangenen Woche beerdigt wurden: … . Sei du den Trauernden nahe und gib ihnen Hilfe durch Menschen, die ihnen im Leid zur Seite stehen.

Wir bringen vor dich auch die Freude der Eltern von … über die Taufe ihres Kindes und der Eheleute …, die gestern hier getraut wurden. Sei du ihnen mit deiner Liebe und deiner Hoffnung ein Begleiter, zu dem sie Vertrauen haben können. Amen.

Vater unser
Lied EKG 140 (EG 157):

Lass mich dein sein und bleiben, du treuer Gott und Herr, von dir lass mich nichts treiben, halt mich bei deiner Lehr. Herr, lass mich nur nicht wanken, gib mir Beständigkeit; dafür will ich dir danken in alle Ewigkeit.

Abkündigungen und Segen

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