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Maria Magdalena sieht Jesus

Ähnlich wie Elisa seinen Lehrer Elia sah, als er in den Himmel aufgenommen wurde, sieht im Neuen Testament Maria Magdalena ihren Lehrer Jesus auf seinem Weg zum Vater im Himmel. Gibt Jesus ihr eine doppelte Portion seines Geistes, wie damals Elisa zwei Teile des Geistes von Elia empfing? Macht Jesus eigentlich sie zu seiner Nachfolgerin in der Leitung der Gemeinde?

Skulptur einer trauernden Frau
Skulptur einer trauernden Frau (Bild: cocoparisiennePixabay)
direkt-predigtAbendmahlsgottesdienst am Ostersonntag, 4. April 2010, um 10.00 Uhr in der Pauluskirche Gießen und am Ostermontag, 5. April 2010, um 10.00 Uhr in der Thomaskirche Gießen

Guten Morgen, liebe Gemeinde! Am Ostersonntag begrüße ich alle herzlich im Gottesdienst in der Pauluskirche mit dem Ostergruß: „Christus ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!“

Unser Thema lautet heute: „Maria Magdalena kommt und verkündet“. Wir fragen uns, was es bedeutet, dass man auf die erste Verkünderin der Osterbotschaft so wenig hören wollte, und versuchen, ihr heute aufmerksam zuzuhören.

Das erste Lied 105, Strophe 4 bis 15, singen wir im Wechsel. Herr Pfarrer Schütz singt die Strophen des Evangelisten, wir Frauen die Strophen der Frauen und die Männer übernehmen die Strophen der Engel:

4. Drei Frauen gehn des Morgens früh; Halleluja, Halleluja, den Herrn zu salben kommen sie. Halleluja, Halleluja.

5. Sie suchen den Herrn Jesus Christ, Halleluja, Halleluja, der an dem Kreuz gestorben ist. Halleluja, Halleluja.

6. Wer wälzt uns fort den schweren Stein, Halleluja, Halleluja, dass wir gelangn ins Grab hinein? Halleluja, Halleluja.

7. Der Stein ist fort! Das Grab ist leer! Halleluja, Halleluja. Wer hilft uns? Wo ist unser Herr? Halleluja, Halleluja.

8. Erschrecket nicht! Was weinet ihr? Halleluja, Halleluja. Der, den ihr sucht, der ist nicht hier. Halleluja, Halleluja.

9. Du lieber Engel, sag uns an, Halleluja, Halleluja, wo habt ihr ihn denn hingetan? Halleluja, Halleluja.

10. Er ist erstanden aus dem Grab, Halleluja, Halleluja, heut an dem heilgen Ostertag. Halleluja, Halleluja.

11. Zeig uns den Herren Jesus Christ, Halleluja, Halleluja, der von dem Tod erstanden ist! Halleluja, Halleluja.

12. So tret’t herzu und seht die Statt, Halleluja, Halleluja, wo euer Herr gelegen hat. Halleluja, Halleluja.

13. Wir sehen’s wohl, das Grab ist leer. Halleluja, Halleluja. Wo aber ist denn unser Herr? Halleluja, Halleluja.

14. Ihr sollt nach Galiläa gehn; Halleluja, Halleluja, dort werdet ihr den Heiland sehn. Halleluja, Halleluja.

15. Du lieber Engel, Dank sei dir. Halleluja, Halleluja. Getröstet gehen wir von hier. Halleluja, Halleluja.

16. Nun singen alle voller Freud: Halleluja, Halleluja. Der Herr ist auferstanden heut. Halleluja, Halleluja.

17. Des solln wir alle fröhlich sein. Halleluja, Halleluja, und Christ soll unser Tröster sein. Halleluja, Halleluja.

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

Zwei Tage nach Jesu Tod am Kreuz, frühmorgens. Mit Maria Magdalena und den anderen Jüngerinnen gehen wir zu seinem Grab. Die letzte Ehre wollen wir ihm erweisen, ihn salben mit Öl. Aber das Grab ist offen, der Leib Jesu nicht zu finden. Stattdessen: zwei Männer an seiner Stelle mit glänzenden Kleidern. Sie sagen (Lukas 24, 5-6):

Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?

Er ist nicht hier, er ist auferstanden.

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Wir folgen den Frauen, wie sie wieder weggehen vom Grab, wie sie die Botschaft des Engels weitersagen, wie sie den elf Jüngern und den andern Männern gegenüberstehen, Maria von Magdala und Johanna und die anderen Jüngerinnen. Aber was tun die Männer, die Apostel (Lukas 24, 11)?

Es erschienen ihnen diese Worte, als wär’s Geschwätz, und sie glaubten ihnen nicht.

Wir rufen zu Gott:

Herr, erbarme dich! „Herr, erbarme dich, Christe, erbarme dich, Herr, erbarm dich über uns!“

Zwei Tage nach Jesu Tod am Kreuz, spätnachmittags. Mit Kleopas und einem anderen Jünger gehen wir traurig nach Emmaus. Ein Fremder begegnet uns, der uns gut zuredet, aber wir lassen uns nicht trösten. Als wir ihm von den Frauen erzählen, die uns mit ihrem Gerede erschreckt haben, „leeres Grab, Engel, Jesus lebt“, da wird er ärgerlich: Wie dumm seid ihr eigentlich, wie schwer von Begriff! Habt ihr gar nichts von den Propheten gelernt (Lukas 24, 26)?

Musste nicht Christus dies erleiden und in seine Herrlichkeit eingehen?

Lasst uns Gott lobsingen! „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen. Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat; nun ist gross Fried ohn Unterlass, all Fehd hat nun ein Ende“.

Der Herr sei mit euch „und mit deinem Geist.“

Sind auch wir schwer von Begriff? Sind auch wir zu dumm für Ostern? Herr Jesus Christus, lass uns der Osterbotschaft Glauben schenken und lernen, was es mit ihr auf sich hat. Darum bitten wir dich, Gott, im Namen Jesu Christi, unseres Herrn. „Amen.“

Wir hören die Lesung aus einem Brief des Paulus, 1. Korinther 15, 1-8 und 11:

1 Ich erinnere euch aber, liebe Brüder, an das Evangelium, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenommen habt, in dem ihr auch fest steht,

2 durch das ihr auch selig werdet, wenn ihr’s festhaltet in der Gestalt, in der ich es euch verkündigt habe; es sei denn, dass ihr umsonst gläubig geworden wärt.

3 Denn als erstes habe ich euch weitergegeben, was ich auch empfangen habe: Dass Christus gestorben ist für unsre Sünden nach der Schrift;

4 und dass er begraben worden ist; und dass er auferstanden ist am dritten Tage nach der Schrift;

5 und dass er gesehen worden ist von Kephas, danach von den Zwölfen.

6 Danach ist er gesehen worden von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal, von denen die meisten noch heute leben, einige aber sind entschlafen.

7 Danach ist er gesehen worden von Jakobus, danach von allen Aposteln.

8 Zuletzt von allen ist er auch von mir als einer unzeitigen Geburt gesehen worden.

11 Es sei nun ich oder jene: so predigen wir, und so habt ihr geglaubt.

Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. Halleluja. „Halleluja, Halleluja, Halleluja!“

Glaubensbekenntnis

Wir singen aus dem Lied 114 die Strophen 1 bis 3:

1. Wach auf, mein Herz, die Nacht ist hin, die Sonn ist aufgegangen. Ermuntre deinen Geist und Sinn, den Heiland zu umfangen, der heute durch des Todes Tür gebrochen aus dem Grab herfür der ganzen Welt zur Wonne.

2. Steh aus dem Grab der Sünden auf und such ein neues Leben, vollführe deinen Glaubenslauf und lass dein Herz sich heben gen Himmel, da dein Jesus ist, und such, was droben, als ein Christ, der geistlich auferstanden.

3. Vergiss nun, was dahinten ist, und tracht nach dem, was droben, damit dein Herz zu jeder Frist zu Jesus sei erhoben. Tritt unter dich die böse Welt und strebe nach des Himmels Zelt, wo Jesus ist zu finden.

5. Geh mit Maria Magdalen und Salome zum Grabe, die früh dahin aus Liebe gehen mit ihrer Salbungsgabe, so wirst du sehn, dass Jesus Christ vom Tod heut auferstanden ist und nicht im Grab zu finden.

Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Liebe Gemeinde!

Ist Ihnen vorhin in der Schriftlesung etwas aufgefallen? Der Apostel Paulus untermauert seinen eigenen Glauben an die Auferstehung Jesu Christi, indem er sich auf viele Zeugen beruft. Zuerst habe ihn Petrus gesehen, den er mit seinem aramäischen Namen Kephas nennt, dann die Zwölf, später 500 Männer auf einmal und Jakobus und alle Apostel. Zuletzt sei er ihm selbst, dem Paulus erschienen. Aber Paulus erwähnt keine einzige Frau. Hat er nicht gewusst, was später in den Evangelien aufgeschrieben wird, dass die ersten Zeugen der Auferstehung Zeuginnen waren? Oder lässt er die Frauen bewusst weg? Kann es sein, dass er sich nicht auf das Zeugnis von Frauen berufen wollte, weil Frauen in der Antike vor Gericht nicht als beweiskräftige Zeugen zugelassen waren? Oder wollte er den Frauen in seinen Gemeinden keine Argumente in die Hand geben, mit denen sie hätten begründen können, dass auch sie das Wort verkünden und die Gemeinde leiten konnten?

Die Evangelisten Markus, Matthäus, Lukas, Johannes erwähnen die Frauen als Verkünderinnen der Osterbotschaft, allen voran Maria Magdalena. Aber auch sie tun sich schwer damit:

Markus unterstellt ihnen, dass sie vor lauter Angst gar nicht weitersagen, was der Engel ihnen aufträgt. In einem späteren Nachtrag wird Maria Magdalena mit einer anderen Frau gleichgesetzt, die von sieben Dämonen besessen gewesen war, und als sie die Botschaft ausrichtet, glauben ihr die Männer nicht. Lukas berichtet, dass die männlichen Jünger erst einmal für Unsinn halten, was die Frauen berichten. Matthäus erzählt nicht ausdrücklich, wie die Frauen ihre Botschaft weitergeben und wie die Jünger darauf reagieren. Nur bei Johannes erhebt eine Frau ihre Stimme gegenüber den männlichen Jüngern, kommt und verkündet ihnen, dass sie den Herrn gesehen hat.

Hören wir nun, was sie nach dem Evangelium des Johannes 20 am Ostermorgen als erste von allen Jüngerinnen und Jüngern erfahren hat und weiterzusagen hat:

11 Maria aber stand draußen vor dem Grab und weinte.

Maria wird beschrieben in ihrer Trauer. Sie geht nicht ins Grab, obwohl es offen ist, sie weint um Jesus, dem sie als Jüngerin und persönlich eng verbunden war. In dieser Schilderung des Johannes ist sie allein, keine andere Frau ist bei ihr.

Als sie nun weinte, schaute sie in das Grab

12 und sieht zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, einen zu Häupten und den andern zu den Füßen, wo sie den Leichnam Jesu hingelegt hatten.

13 Und die sprachen zu ihr: Frau, was weinst du?

Mit Tränen in den Augen wirft Maria einen Blick in das Grab, und da sieht sie zwei Engel, die sozusagen die leere Stelle bewachen, wo der tote Jesus gelegen hatte. Bei Johannes sind es nicht die Engel, die der Maria die Auferstehung Jesu kund tun, sie stellen ihr nur eine einzige Frage: „Frau, was weinst du?“

Sie spricht zu ihnen: Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben.

Maria sucht den toten Leib ihres Herrn, dem sie bis zu seinem Tod gefolgt ist, auf den sie gehört hat, den sie nicht verlassen hat wie die männlichen Jünger.

Mir fällt auf, das bei Johannes nicht die Rede davon ist, dass sie Salben dabei hat, um das zu tun, was damals Frauen normalerweise taten, um einem Toten die letzte Ehre zu erweisen. Sie kann nur an eins denken: Er ist nicht da, wo er sein müsste. Wollen seine Feinde sogar noch seine letzte Ruhe stören? Wollen die Behörden verhindern, dass das Grab Jesu benutzt wird, um einen Aufstand anzuzetteln? Sie sucht verzweifelt den toten Leib Jesu, so wie heute manch ein Trauernder verzweifelt den Ort sucht, wo ein lieber Freund oder Angehöriger sich hat anonym bestatten lassen. Sie braucht etwas zum Anfassen für ihre Trauer, wie auch heute Trauernde ein letztes Mal einen Verstorbenen ansehen oder sogar anfassen möchten, um Abschied zu nehmen.

14 Und als sie das sagte, wandte sie sich um und sieht Jesus stehen und weiß nicht, dass es Jesus ist.

Es hat in der Geschichte der Kirche Ausleger dieser Erzählung gegeben, die der Maria schwere Vorwürfe gemacht haben, dass sie Jesus nicht gleich erkannt hat. Aber anders als bei den Jüngern, die nach Emmaus gehen, wird Jesus ihr keine Vorwürfe machen. Dass sie ihn jetzt noch nicht erkennt, ist ein Anzeichen dafür, dass die Auferstehung nicht einfach eine Wiederbelebung des toten Körpers Jesu ist, der genauso aussieht wie vorher. Maria muss ihn neu erkennen, muss zu einer Erkenntnis kommen, die ihre vorherigen Vorstellungen übersteigt.

15 Spricht Jesus zu ihr: Frau, was weinst du? Wen suchst du?

Jesus stellt Maria die gleiche Frage wie die Engel, und er fügt eine zweite Frage hinzu: Wen suchst du? Ihr Weinen kann ein Ende finden, wenn sie den erkennt, den sie sucht. Aber noch sind ihre Augen noch nicht offen genug, um ihn so zu erkennen, wie er jetzt auf eine ganz neue Weise lebendig da ist.

Sie meint, es sei der Gärtner, und spricht zu ihm: Herr, hast du ihn weggetragen, so sage mir, wo du ihn hingelegt hast; dann will ich ihn holen.

Maria antwortet auf keine der Fragen, klammert sich vielmehr an die einzige Hoffnung, die ihr in ihrer verzweifelten Trauer verblieben ist: sie will den toten Leib Jesu zurückholen, den vermutlich der Friedhofsgärtner irgendwo anders hingebracht hat.

16 Spricht Jesus zu ihr: Maria! Da wandte sie sich um und spricht zu ihm auf hebräisch: Rabbuni!, das heißt: Meister!

Als Jesus Maria mit Namen anredet, wendet sie sich um. Zum zweiten Mal wird das erwähnt, erst jetzt wendet sie sich wirklich zu ihm hin. Und mit dieser Wendung wendet sich auch ihre ganze Situation, ihr ganzes Leben. Sie hört auf, nach dem toten Jesus zu suchen. Den Mann, den sie in seiner veränderten Gestalt nicht mit ihren Augen erkennen konnte, erkennt sie an seinem Wort, an seiner Stimme, als er sie mit Namen ruft. Auch wir können Jesus erkennen, indem wir sein Wort hören, das in der Bibel steht, indem wir uns persönlich angeredet wissen von dem Vater Jesu Christi (Jesaja 43, 1):

„Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein!“

Maria antwortet Jesus, indem auch sie ihn anredet, aber nicht mit seinem Namen, sondern auf Hebräisch mit „Rabbuni“, mein verehrter Rabbi. Er ist ihr Tora-Lehrer und sie seine Schülerin gewesen, obwohl es ungewöhnlich für einen Rabbiner war, weibliche Jünger zu unterrichten (weiter mit Johannes 20).

17 Spricht Jesus zu ihr: Rühre mich nicht an! denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater.

Dieser Vers ist nun merkwürdig. Warum soll Maria Jesus nicht anfassen dürfen, während er das seinem zweifelnden Jünger Thomas später erlaubt? Erst einmal geht es an dieser Stelle gar nicht um das Thema „Zweifel“. Maria zweifelt ja nicht, sie glaubt Jesus auf sein Wort hin. Dass Maria ihn nicht anfassen soll, hat einen anderen Grund. Er ist „noch nicht aufgefahren zum Vater“; auf dem Weg zum Vater darf sie ihn nicht aufhalten, aber sie darf ihn sehen. In einem Buch über Maria Magdalena macht die amerikanische Theologin und Dichterin Jane Schaberg darauf aufmerksam, dass diese Szene an eine andere Himmelfahrt in der Bibel erinnert. Als Gott den großen Propheten Elia „im Wetter gen Himmel holen wollte“ (2. Könige 2, 1), war Elia mit seinem Schüler Elisa auf dem Weg. Drei Mal versuchte Elia seinen Schüler sozusagen von sich abzuschütteln: „Bleibe du hier, denn der Herr hat mich woanders hin entsandt“. Aber der Schüler Elisa blieb an seinem Lehrer Elia dran (2. König 2, 2.4.6):

„So wahr der Herr lebt und du lebst: ich verlasse dich nicht.“

Am Ende gingen beide gemeinsam über den Jordan (7.8), und Elisa durfte eine letzte Bitte an Elia richten, bevor er von ihm genommen wurde. Elisa erbat „zwei Anteile von seinem Geist“ (9), und Elia sagte (2. Könige 2, 10):

„Du hast Schweres erbeten. Doch wenn du mich sehen wirst, wie ich von dir genommen werde, so wird’s geschehen; wenn nicht, so wird’s nicht sein.“

Bei Elia und seinem Schüler Elisa kam es also am Ende doch dazu, dass der Schüler den Lehrer loslassen musste, ihn nicht mehr festhalten, nicht mehr anfassen konnte, nämlich als für Elia die Zeit gekommen war, in den Himmel aufgenommen zu werden (2. Könige 2, 11-12). Während beide noch

„miteinander gingen und redeten, siehe, da kam ein feuriger Wagen mit feurigen Rossen, die schieden die beiden voneinander. Und Elia fuhr im Wetter gen Himmel. Elisa aber sah es und schrie: Mein Vater, mein Vater, du Wagen Israels und sein Gespann! und sah ihn nicht mehr.“

Daraufhin riefen damals die anderen Jünger des Propheten Elia aus (2. Könige 2, 15):

„Der Geist Elias ruht auf Elisa“,

und sie erkannten ihn als Nachfolger des Propheten und als ihren neuen Lehrer an.

Ähnlich wie Elisa seinen Lehrer Elia sah, als er in den Himmel aufgenommen wurde, sieht hier im Neuen Testament Maria Magdalena ihren Lehrer Jesus auf seinem Weg zum Vater im Himmel. Gibt Jesus also ursprünglich ihr eine doppelte Portion seines Geistes, wie damals Elisa zwei Teile des Geistes von Elia empfing? Will Jesus eigentlich sie zu seiner Nachfolgerin in der Leitung der Gemeinde machen oder ihr wenigstens große Mitverantwortung gemeinsam mit Petrus und dem Jünger, den er liebte, übertragen?

Jedenfalls hat Maria bis zuletzt zu Jesus gestanden und so viel von Jesu Botschaft verstanden, dass er sie als Apostelin mit einer klaren Botschaft zu den anderen Aposteln sendet (Johannes 20, 17):

Geh aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.

Seine Jünger nennt Jesus „Brüder“ und erinnert damit an Psalm 22, 23:

„Ich will deinen Namen kundtun meinen Brüdern, ich will dich in der Gemeinde rühmen.“

An der Botschaft, die Maria persönlich von Jesus empfängt und seinen Geschwistern in der Gemeinde weitergeben soll, sind mir drei Dinge besonders wichtig.

Erstens: Jesus spricht zu Maria nicht von Auferstehung, sondern vom Aufstieg in den Himmel. Vielleicht weil Auferstehung missverstanden werden könnte als einfache Rückkehr seines Körpers auf die Erde. Als Mensch auf dieser Erde ist er tatsächlich gestorben. Aber er versinkt nicht im Abgrund eines dunklen Totenreiches, sondern wird wie Elia von Gott in den Himmel aufgenommen.

Zweitens: Indem Jesus zu seinem Vater geht, legt er Wert darauf, dass dieser Vater auch der Vater seiner Brüder und Schwestern ist. „Mein Vater ist euer Vater, mein Gott ist euer Gott.“ Diese Verkündigung klingt zurückhaltender als das Bekenntnis des Thomas zu Jesus, nachdem er seinen Zweifel überwunden hat: „Mein Herr und mein Gott!“ (Johannes 20, 28) Das Johannesevangelium spiegelt verschiedene Auffassungen davon wider, in welcher Weise Jesus Gottes Sohn war: In der Botschaft der Maria Magdalena ist er der Menschensohn. Er lebt vom Geist Gottes erfüllt nach Gottes Ebenbild. Er wird von Gott im Himmel aufgenommen. Er ebnet allen Menschen den Weg zum Vater. Thomas auf der anderen Seite scheint Jesus mit Gott gleichzusetzen, so dass die Kirche später spitzfindige Dogmen entwickeln musste, um zu erklären, dass Christen trotzdem nicht an mehrere Götter glauben. Ich meine, man sollte in der Kirche auf beide Weisen an Jesus Christus glauben dürfen.

Drittens: Dass Jesus diesen Auftrag einer Frau gibt und dass Maria Magdalena ihn mit Augen des Glaubens bei seinem Aufstieg in den Himmel sehen darf, ist auch eine deutliche Botschaft an die männlichen Jünger, die sich schwer damit taten, wenn Jesus mit Frauen wie der Samariterin am Brunnen redete oder als er von einer Frau gesalbt wurde. An sich hätten die Jünger auf Grund der Botschaft der Maria Anlass gehabt, mit Freude anzuerkennen: „Der Geist Gottes ruht auf Maria Magdalena“. Aber tun sie das auch?

18 Maria von Magdala geht und verkündigt den Jüngern: Ich habe den Herrn gesehen, und das hat er zu mir gesagt.

Maria kommt zu den Jüngern und verkündet mutig und freudig, was ihr Jesus aufgetragen hat. Und damit endet ihr Auftritt. Wir erfahren nicht, ob die Jünger daraufhin überhaupt etwas sagen. Was folgt, ist ein abrupter Szenenwechsel. Jesus erscheint noch einmal allen Jüngern gemeinsam, zunächst ohne, eine Woche später mit Thomas, und den Heiligen Geist bekommen sie alle. Von Maria Magdalena oder anderen Frauen ist mit keinem Wort mehr ausdrücklich die Rede. Ihre Verkündigung hängt in der Luft, scheint ohne Wirkung zu verpuffen. Bis heute tun sich ja manche Christen und ganze Konfessionen schwer damit, einer Frau die Aufgabe der Verkündigung zuzutrauen. In dieser Frage hat unsere evangelische Kirche Gott sei Dank dazugelernt.

Ich frage mich am Ende meiner Predigt: Ist das, was ich gepredigt habe, als Osterbotschaft bei Ihnen angekommen? Oder haben Sie gedacht: „Was für ein langweiliger theologischer Vortrag! Da komme ich überhaupt nicht drin vor.“ Ich würde mich freuen, ehrliche und auch kritische Rückmeldungen von Ihnen zu bekommen. Und noch mehr freue ich mich, wenn auch unter uns die eine oder der andere von Herzen froh werden kann über die Osterbotschaft. Jesus ist auferstanden, ist aufgestiegen zu seinem Vater und unserem Vater im Himmel, und von dort spricht er uns alle mit Namen an, unter anderem auch durch das Wort der Verkündigung der Maria. Amen.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben. Amen.

Wir singen ein Lied, das zum Ostermorgen passt. Markus Bernard hat es vor fünf Jahren für den Ostergottesdienst geschrieben:

1. Wenn dich früh der erste Strahl erreicht, der dir nicht mehr von der Seite weicht, wenn Korn für Korn in dein Glücksglas rinnt, dann spürst du, du bist frei! Und dann kommt ein neuer Morgen, und die Tage werden wieder hell. Vertrieben sind Kummer und Sorgen, die Sonne strahlt sie weg ganz schnell.

2. Ist des Tages Morgenstund vorbei und vom Schmutz die letzte Wunde frei, wenn hoffnungsvoll in die Welt du schaust, dann spürst du, du bist frei…

3. Wenn vom Gras der letzte Rauhreif weicht und das Blütenmeer einem Schauspiel gleicht, wenn du frische neue Hoffnung tankst, dann spürst du, du bist frei…

4. Dafür braucht es gar kein weit‘res Wort, wanderst du an einen andern Ort, voll Glück über dieses Freudentag, du spürst ja, du bist frei…

Im Abendmahl ist der lebendige Christus unter uns, der Sohn des Vaters im Himmel. Durch ihn sind auch wir Kinder des himmlischen Vaters. Durch ihn sind wir eine Gemeinschaft von Geschwistern.

Gott, lass uns nicht um uns selber kreisen in Verzagtheit oder Übermut, in Egoismus oder Gleichgültigkeit. In der Stille bringen wir vor dich, was unsere Seele belastet:

Beichtstille

Wollt Ihr euch verwandeln lassen durch Gottes Vergebung und die Hoffnung auf die Auferstehung der Toten? Dann sagt laut oder leise oder auch still im Herzen: Ja!

Auf euer aufrichtiges Bekenntnis spreche ich euch die Vergebung eurer Sünden zu – im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Der Herr sei mit euch. „Und mit deinem Geiste.“

Erhebet eure Herzen! „Wir erheben sie zum Herren.“

Lasset uns Dank sagen dem Herrn, unserem Gott. „Das ist würdig und recht.“

Würdig und recht ist es, an die Auferstehung und den Aufstieg Jesu Christi in den Himmel zu glauben, an die Gemeinschaft der Brüder und Schwestern, die im Vertrauen auf Jesus wächst, und an ein ewiges Leben, das hier durch deinen Geist der Liebe beginnt und dort im Himmel vollendet sein wird. Zu dir rufen wir und preisen dich, Heiliger Gott:

Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth; alle Lande sind seiner Ehre voll. Hosianna in der Höhe. Gelobet sei, der da kommt im Namen des Herrn. Hosianna in der Höhe.

Vater unser und Abendmahl

Gott, Vater Jesu Christi und unser Vater, lass uns dich erkennen im Vertrauen auf dein Wort, das uns Orientierung und neue Einsichten schenkt, das tröstet und befreit. Lass uns dich verkündigen am Feiertag und auch im Alltag, gemeinsam mit allen Menschen, die etwas von dir verstanden haben. Lass uns im Vertrauen auf deine Auferstehung auch aufstehen aus Vorurteilen und Gleichgültigkeit, aus Angewohnheiten und zwanghaften Gedanken. Lass Menschen Gerechtigkeit widerfahren, die Böses erlitten haben durch Menschen, die sich christlich nennen. Hilf uns, dass wir Täter zur Rechenschaft ziehen und Opfern zur Seite stehen. Lass uns im Glauben vorankommen Schritt für Schritt, unser Leben hindurch, bis wir vollendet werden in deinem Reich, wenn es an der Zeit ist. Verwandle uns schon hier auf Erden durch den lebendigen Glauben an Jesu Christi Auferstehung. Amen.

Wir singen das Lied 99:

Christ ist erstanden von der Marter alle; des solln wir alle froh sein, Christ will unser Trost sein. Kyrieleis.

Wär er nicht erstanden, so wär die Welt vergangen; seit dass er erstanden ist, so lobn wir den Vater Jesu Christ‘. Kyrieleis.

Halleluja, Halleluja, Halleluja! Des solln wir alle froh sein, Christ will unser Trost sein. Kyrieleis.

Abkündigungen

Geht mit Gottes Segen in das Osterfest:

Der Herr segne euch und behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

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