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Was Motten und Rost nicht fressen können

„Was ist wichtig im Leben?“, fragt uns Jesus. Sind wir blind für die himmlischen Schätze? Verzehren wir uns im Hinterherrennen hinter irdischen Schätzen? Oder lassen wir uns die Augen öffnen für das, was Gott uns schenkt? Wir können behutsam damit umgehen, können realistisch eine oft harte Wirklichkeit ins Auge fassen, auch wenn wir manchmal nur kleine Schritte gehen können.

Eine Motte auf einem Stück Stoff
Die Motte ist neben dem Rost in der Bibel das Symbol für die Vergänglichkeit irdischer Schätze (Bild: Ian LindsayPixabay)

direkt-predigtErntedankfestgottesdienst am Sonntag, den 22. Oktober 1989 um 13.30 Uhr in Albig
Landfrauenchor: Vom Aufgang der Sonne

Nachdem der Chor der Landfrauen unseren Gottesdienst zum Erntedankfest so schön eröffnet hat, heiße ich Sie alle hier in Ihrer Kirche zu Albig herzlich willkommen! Ich bin heute sozusagen als Vertreter des Vertreters des Vertreters hier eingesprungen, da Herr Pfarrer Schüßler aus gesundheitlichen Gründen diesen Gottesdienst nicht gut halten kann (es ist wohl nichts Ernstes, aber er kann im Augenblick einfach nicht so lange stehen und muss seinen Rücken schonen).

Zu Beginn noch einen herzlichen Dank allen Mitwirkenden: Zunächst einmal den Helfern, die den Altarraum so festlich geschmückt haben, besonders auch den Kindern vom Kindergottesdienst, die uns nachher zur Besinnung ein Märchen-Stück vorspielen werden, und natürlich den Landfrauen, die uns im Gottesdienst mit noch zwei weiteren Liedern erfreuen werden!

Nun singen wir aber erst einmal selber, und zwar das Lied 381, 1-5:

1) Die Ernt ist nun zu Ende, der Segen eingebracht, woraus Gott alle Stände satt, reich und fröhlich macht. Der alte Gott lebt noch, man kann es deutlich merken an so viel Liebeswerken, drum preisen wir ihn hoch.

2) Wir rühmen seine Güte, die uns das Feld bestellt und oft ohn unsre Bitte getan, was uns gefällt; die immer noch geschont, ob wir gleich gottlos leben, die Fried und Ruh gegeben, dass jeder sicher wohnt.

3) Zwar manchen schönen Segen hat böses Tun verderbt, den wir auf guten Wegen sonst hätten noch ererbt; doch hat Gott mehr getan aus unverdienter Güte, als Mund, Herz und Gemüte nach Würde rühmen kann.

4) Er hat sein Herz geneiget, uns Sünder zu erfreun, und gnugsam sich bezeuget durch Regn und Sonnenschein. Wards aber nicht geacht‘, so hat er sich verborgen und durch verborgnes Sorgen zum Beten uns gebracht.

5) O allerliebster Vater, du hast viel Dank verdient; du mildester Berater machst, dass uns Segen grünt. Wohlan, dich loben wir für abgewandten Schaden, für viel und große Gnaden. Herr Gott, wir danken dir.

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“
Psalm 8:

4 Wenn ich sehe die Himmel, deiner Finger Werk, / den Mond und die Sterne, die du bereitest hast:

5 was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, / und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?

6 Du hast ihn wenig niedriger gemacht als Gott, / mit Ehre und Herrlichkeit hast du ihn gekrönt.

7 Du hast ihn zum Herrn gemacht über deiner Hände Werk, / alles hast du unter seine Füße getan:

8 Schafe und Rinder allzumal, / dazu auch die wilden Tiere,

9 die Vögel unter dem Himmel und die Fische im Meer / und alles, was die Meere durchzieht.

10 HERR, unser Herrscher, / wie herrlich ist dein Name in allen Landen!

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Wenn wir Erntedankfest feiern, guter Gott, dann müssen wir aufpassen. Aufpassen, dass wir nicht nur uns selbst feiern, was wir alles geleistet, geerntet, erwirtschaftet haben. Denn ohne dich, den Schöpfer, ohne dich, der uns das Leben gab, könnten wir nichts tun. Herr, erbarme dich unser!

Ohne dich, Gott, wäre keine Welt, keine Erde da, kein Acker und keine Fabrik, keine Schule und kein Büro, kein Verstand und keine Arbeitskraft; du hast uns das alles anvertraut. Lobsinget Gott, erhebet seinen Namen!

Gott, du hast uns Aufgaben und große Verantwortung gegeben. Wir ver-danken dir alles, deshalb Erntedank: Dir, dem Schöpfer, danken wir. Wir danken dir durch Jesus Christus, unsern Herrn. „Amen.“

Landfrauenchor: Herr, gib uns Frieden

Und nun hören wir die Lesung aus dem 1. Buch Mose – Genesis 1, aus der Schöpfungsgeschichte. Aufgepasst! Das ist nicht ein naturwissenschaftlicher Bericht über die Weltentstehung! Das ist eine Glaubens-Geschichte, die uns in gewaltigen, herrlichen Bildern nur zwei Dinge nahebringen will: 1. Wer der Herr der Welt ist, und 2. wie herrlich die Schöpfung ist!

1 Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.

2 Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser.

3 Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht.

4 Und Gott sah, dass das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis

5 und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag.

6 Und Gott sprach: Es werde eine Feste zwischen den Wassern, die da scheide zwischen den Wassern.

7 Da machte Gott die Feste und schied das Wasser unter der Feste von dem Wasser über der Feste. Und es geschah so.

8 Und Gott nannte die Feste Himmel. Da ward aus Abend und Morgen der zweite Tag.

9 Und Gott sprach: Es sammle sich das Wasser unter dem Himmel an besondere Orte, dass man das Trockene sehe. Und es geschah so.

10 Und Gott nannte das Trockene Erde, und die Sammlung der Wasser nannte er Meer. Und Gott sah, dass es gut war.

11 Und Gott sprach: Es lasse die Erde aufgehen Gras und Kraut, das Samen bringe, und fruchtbare Bäume auf Erden, die ein jeder nach seiner Art Früchte tragen, in denen ihr Same ist. Und es geschah so.

12 Und die Erde ließ aufgehen Gras und Kraut, das Samen bringt, ein jedes nach seiner Art, und Bäume, die da Früchte tragen, in denen ihr Same ist, ein jeder nach seiner Art. Und Gott sah, dass es gut war.

13 Da ward aus Abend und Morgen der dritte Tag.

14 Und Gott sprach: Es werden Lichter an der Feste des Himmels, die da scheiden Tag und Nacht und geben Zeichen, Zeiten, Tage und Jahre

15 und seien Lichter an der Feste des Himmels, dass sie scheinen auf die Erde. Und es geschah so.

16 Und Gott machte zwei große Lichter: ein großes Licht, das den Tag regiere, und ein kleines Licht, das die Nacht regiere, dazu auch die Sterne.

17 Und Gott setzte sie an die Feste des Himmels, dass sie schienen auf die Erde

18 und den Tag und die Nacht regierten und schieden Licht und Finsternis. Und Gott sah, dass es gut war.

19 Da ward aus Abend und Morgen der vierte Tag.

20 Und Gott sprach: Es wimmle das Wasser von lebendigem Getier, und Vögel sollen fliegen auf Erden unter der Feste des Himmels.

21 Und Gott schuf große Walfische und alles Getier, das da lebt und webt, davon das Wasser wimmelt, ein jedes nach seiner Art, und alle gefiederten Vögel, einen jeden nach seiner Art. Und Gott sah, dass es gut war.

22 Und Gott segnete sie und sprach: Seid fruchtbar und mehret euch und erfüllet das Wasser im Meer, und die Vögel sollen sich mehren auf Erden.

23 Da ward aus Abend und Morgen der fünfte Tag.

24 Und Gott sprach: Die Erde bringe hervor lebendiges Getier, ein jedes nach seiner Art: Vieh, Gewürm und Tiere des Feldes, ein jedes nach seiner Art. Und es geschah so.

25 Und Gott machte die Tiere des Feldes, ein jedes nach seiner Art, und das Vieh nach seiner Art und alles Gewürm des Erdbodens nach seiner Art. Und Gott sah, das es gut war.

26 Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alle Tiere des Feldes und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht.

27 Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Weib.

28 Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter den Himmel und über das Vieh und über alles Getier, das auf Erden kriecht.

29 Und Gott sprach: Sehet da, ich habe euch gegeben alle Pflanzen, die Samen bringen, auf der ganzen Erde, und alle Bäume mit Früchten, die Samen bringen, zu eurer Speise.

30 Aber allen Tieren auf Erden und allen Vögeln unter dem Himmel und allem Gewürm, das auf Erden lebt, habe ich alles grüne Kraut zur Nahrung gegeben. Und es geschah so.

31 Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut. Da ward aus Abend und Morgen der sechste Tag.

2:1 So wurden vollendet Himmel und Erde mit ihrem ganzen Heer.

2 Und so vollendete Gott am siebenten Tage seine Werke, die er machte, und ruhte am siebenten Tage von allen seinen Werken, die er gemacht hatte.

2:3 Und Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn, weil er an ihm ruhte von allen seinen Werken, die Gott geschaffen und gemacht hatte.

2:4 So sind Himmel und Erde geworden, als sie geschaffen wurden.

Glaubensbekenntnis

Und nun kommen die Kinder des Kindergottesdiensts zu Wort, und zwar in einem Märchenspiel, das sehr viel mit unserem heutigen Thema zu tun hat. Es ist das Märchen der Gebrüder Grimm vom Fischer und seiner Frau:

Das Märchen vom Fischer und seiner Frau

Vor der Predigt singen wir das Lied 230, 1-8:

1) Ich singe dir mit Herz und Mund, Herr, meines Herzens Lust; ich sing und mach auf Erden kund, was mir von dir bewusst.

2) Ich weiß, dass du der Brunn der Gnad und ewge Quelle seist, daraus uns allen früh und spat viel Heil und Gutes fleußt.

3) Was sind wir doch? Was haben wir auf dieser ganzen Erd, das uns, o Vater, nicht von dir allein gegeben werd?

4) Wer hat das schöne Himmelszelt hoch über uns gesetzt? Wer ist es, der uns unser Feld mit Tau und Regen netzt?

5) Wer wärmt uns in Kält und Frost? Wer schützt uns vor dem Wind? Wer macht es, dass man Öl und Most zu seinen Zeiten findt?

6) Wer gibt uns Leben und Geblüt? Wer hält mit seiner Hand den güldnen, werten, edlen Fried in unserm Vaterland?

7) Ach Herr, mein Gott, das kommt von dir, du, du musst alles tun, da hältst die Wach an unsrer Tür und lässt uns sicher ruhn.

8) Du nährest uns von Jahr zu Jahr, bleibst immer fromm und treu und stehst uns, wenn wir in Gefahr geraten, treulich bei.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Zur Predigt hören wir einen Text aus dem Evangelium nach Matthäus 6, 19-23:

19 Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo sie die Motten und der Rost fressen und wo die Diebe einbrechen und stehlen.

20 Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo sie weder Motten noch Rost fressen und wo die Diebe nicht einbrechen und stehlen.

21 Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.

22 Das Auge ist das Licht des Leibes. Wenn dein Auge lauter ist, so wird dein ganzer Leib licht sein.

23 Wenn aber dein Auge böse ist, so wird dein ganzer Leib finster sein. Wenn nun das Licht, das in dir ist, Finsternis ist, wie groß wird dann die Finsternis sein!

Liebe Gemeinde!

Schätze im Himmel und Schätze auf der Erde, wir haben gehört, wie Jesus beide vergleicht. Das Märchen vom Fischer und seiner Frau hat ja bereits anschaulich gemacht, wohin es führt, wenn man als Mensch nicht genug kriegen kann, ja am Ende sogar den Platz Gottes selbst einnehmen will.

Schätze im Himmel – Schätze auf der Erde – Jesus sieht dazwischen einen Gegensatz, wie man ihn sich größer nicht vorstellen kann. Irdischer Reichtum nützt uns nichts, himmlischer Reichtum, Glaube, Hoffnung, Liebe, das bleibt, das wissen wir als Christen.

Aber am Erntedankfest geht es doch auch um die irdischen Schätze, um das, was uns von Gott hier auf der Erde geschenkt ist, als Frucht des Ackers, des Weinbergs, auch als Frucht unsrer Hände und unsrer Maschinen Arbeit.

Und jetzt heißt es genau aufpassen: Auch auf die Ernte 1989 in unserer Bundesrepublik, in unserer Europäischen Gemeinschaft, scheint ja in gewisser Weise das Wort Jesu zuzutreffen: „Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo sie die Motten und der Rost fressen und wo die Diebe einbrechen und stehlen.“ Nun, es sind nicht Motten und Rost, die den Bauern und Winzern Sorgen machen, sondern es ist gerade die übergroße Ernte, die die Preise drückt; und es ist dieser Teufelskreis, der zum Einsatz von immer mehr Dünger und Pflanzenschutzmitteln zwingt. Es sind weniger Einbrecher und Diebe, die die Existenz der Betriebe bedrohen, sondern es sind EG-Kommissionen und Regierungen, die durch ihre Strukturvorgaben der Landwirtschaft das Leben schwer machen. Viele sehen sich an die Wand gedrückt, haben alles mögliche versucht und ausprobiert, aber sie kommen kaum mehr über die Runden.

Vielleicht ist Ihnen das Bild eines Winzers aus der Zeitung in Erinnerung, der demonstrativ seinen Mostkrug ausleert, weil sich das Geschäft offensichtlich für ihn nicht mehr rentiert. Es ist einfach eine paradoxe Situation entstanden: Je mehr die Bauern und Winzer produzieren, um so schlechter geht es ihnen. In der Lesung haben wir die Aufforderung Gottes gehört (1. Buch Mose – Genesis 1, 28):

Füllet die Erde und machet sie euch untertan.

Aber wir scheinen das irgendwie missverstanden zu haben, denn die Ergebnisse unseres beeindruckenden Fortschritts machen die Erde immer mehr kaputt, führen immer wieder zu großen Erntevernichtungsaktionen, während zugleich 160 Millionen Menschen vom Hungertod bedroht sind.

Irdische Schätze sind von Rost und Motten bedroht, heute auch von den Folgen der Technisierung und des Fortschritts in der Landwirtschaft…

Aber wir können ja nun nicht einfach sagen: Also verzichten wir aufs Säen und Ernten, aufs Planen und Arbeiten. Wir sammeln nur noch himmlische Schätze. Ganz so kann Jesus das ja wohl auch nicht meinen. Und selbst wenn das jemand wollte, niemand kann ganz aussteigen aus vorgegebenen Zwängen. Aber wie meint Jesus denn sein Wort von den irdischen und den himmlischen Schätzen?

Ich denke, er will zum Nachdenken anregen – und zwar über unser Lebensziel. Ist das Sammeln irdischer Schätze unser Lebenszweck? Ist Arbeit unser ganzes Leben? Dann, so sagt Jesus, dann ist wirklich alles verloren. Denn weder irdische Schätze noch die Früchte unserer Arbeit können wir mit ins Grab nehmen. Für die Ewigkeit zählen nur himmlische Werte, zählt nur das, was Paulus mit den drei Worten „Glaube, Hoffnung, Liebe“ umschreibt. Wir können das gleiche auch so sagen: Für den Himmel zählt nur, was wir uns von Gott schenken lassen.

Aber da würden viele widersprechen. „Es wird einem doch nichts geschenkt heute!“ Ich kann das gut verstehen. Viele haben ein sehr hartes Leben, müssen sich durchbeißen, ihnen wachsen nicht die Trauben in den Mund. Verglichen mit anderen Menschen haben sie es nicht leicht. Aber wird ihnen wirklich nichts geschenkt? Ich sprach gerade in dieser Woche mit einem Mann, der sagte auch: „Es wird einem nichts geschenkt.“ Ich fragte ihn dann, ob ihm denn nicht eine Menge Kraft, Tatkraft, Energie, in seinem Leben geschenkt worden sei, den Eindruck hatte ich nämlich, und das konnte er durchaus bejahen. Das sind doch auch Geschenke Gottes, unsere Gaben, unsere Talente, die wir so selbstverständlich hinnehmen – manche merken erst, wenn es nicht mehr so geht mit den Kräften, wie wertvoll z. B. das Geschenk der Gesundheit ist.

Jesus will unsere Einstellung ändern. Was ist wirklich wichtig im Leben? Können wir durch irdische Schätze oder auch durch unsere Arbeit, unsere Anstrengung, unser Lebensglück sichern? Jesus sagt: Nein! Nur der Glaube macht ein Leben sinnvoll. Nur im Vertrauen auf Gott finden wir den Halt im Leben und im Sterben. Darum geht es in dem Vergleich zwischen den irdischen und den himmlischen Schätzen.

Hilft das auch was im Alltag? Darüber muss jeder Betroffene eigentlich selber nachdenken, dem muss man selber nachspüren – woran hängt eigentlich mein Herz? Wie wichtig ist es mir, dass meine Kinder den gleichen Beruf übernehmen, mein Lebenswerk fortsetzen? Welche Rolle spielt die Arbeit in meinem Leben und wenn die Arbeit, der Betrieb, die Familie nicht da wäre, welchen Sinn hätte dann mein Leben?

Ich denke, wenn wir im Sinne Jesu unsere Einstellung überprüfen oder ändern, dann wird sich auch manche unserer wirtschaftlichen Entscheidungen ändern. Man wird dann weder den Fortschritt um jeden Preis anstreben noch ausschließlich schwarzsehen. Manche suchen voller Mühe nach einem Weg, trotz der wirtschaftlichen Zwänge auch unserer gefährdeten Umwelt gerecht zu werden. Ich kenne auch Landwirte, die sich bemühen, in ihrem Betrieb sozial gefährdeten jungen Menschen eine Chance zu geben.

Es ist sicher heute viel schwieriger als noch vor hundert Jahren, Erntedankfest zu feiern. Das liegt vielleicht daran, dass wir es uns viel zu sehr angewöhnt haben, in natürliche Kreisläufe einzugreifen. Das hat unbestreitbar viel Gutes bewirkt, unseren Lebensstandard gehoben, unser Leben erleichtert. Aber vielleicht waren wir auch ein bisschen so eingestellt wie die Frau des Fischers: wir würden am liebsten dem lieben Gott vormachen, wie die Natur richtig zu funktionieren hat! Die Frau des Fischers hat sich ja so darüber geärgert, dass nicht sie den Mond und die Sonne auf- und untergehen lassen konnte. Sie wollte sein wie Gott – und landete – Gottseidank – wieder in ihrem alten Pott! Auch wir können dankbar sein, wie gut Gottes Natur den menschlichen Eingriffen bisher getrotzt hat. Wir sind – Gottseidank – nicht so mächtig geworden wie Gott!

Vor solch einem Hochmut will Gott uns warnen! Wenn er vor dem Horten irdischer Schätze warnt, will er uns ja nicht vernichten oder Strafen androhen. Er weist uns nur darauf hin, wie wir uns selber mit der Vernichtung unserer Lebensgrundlagen bedrohen. Und ich will am Erntedankfest nicht nur jammern und klagen oder gar anklagen; nein, vielmehr soll die Mahnung Jesu uns eine Hilfe werden, um wirklich dankbar sein zu können für das, was wir geschenkt bekommen haben, und um wirklich Hoffnung schöpfen zu können für die Zukunft. Vielleicht ist sogar die schwierige Situation unseres Wirtschaftens und Erntens eine Mahnung, ein Fingerzeig Gottes, haushälterischer mit dem umzugehen, was uns geschenkt ist, mit der Erde, die Gott uns anvertraut hat.

Das klingt so schwierig und so hoch! Hoffnung behalten, die Erde bebauen und bewahren. Große Worte. Viele sind froh, wenn sie überhaupt die Kraft für den nächsten Tag aufbringen. Ich denke manchmal, wenn ich mit Winzern und Landwirten oder ihren Angehörigen spreche: Sie brauchen schon einen starken Willen oder einen starken Glauben, um heutzutage überhaupt durchzuhalten, um nicht zu verzweifeln. Das ist vielleicht auch ein Grund zur Dankbarkeit heute, dass man die Kraft bekommt, nicht einfach das Handtuch zu werfen…

Was ist aber, wenn wir Jesus einfach nicht glauben können? Wenn wir dabei bleiben: es wird einem nichts geschenkt, alles ist so verfahren, und auch Gott kann uns nicht helfen?

Jesus kennt die Blindheit für das, was uns gut tut. „Das Auge ist das Licht des Leibes“, sagt er. „Wenn dein Auge böse ist, so wird dein ganzer Leib finster sein.“

Ein hartes Wort ist das, unser Auge kann „böse“ sein, wenn wir das Gute nicht sehen, nicht sehen wollen, das Gott uns schenkt. Wenn wir blind sind – z. B. für das, was wir als Nahrung für die Seele brauchen. Wenn wir blind werden für die Schönheit der Natur, für das Lächeln eines Menschen, für Gesten der Freude oder der Traurigkeit.

Ich erinnere mich an eine Patientin der Nervenklinik, die an einer merkwürdigen Augenentzündung litt, die Ärzte konnten das nicht erklären – psychisch bedingt, sagt man dann. Aber was heißt das, was sollte das heißen in ihrem Fall? Sie hatte sich in den Jahren zuvor nur abgestrampelt: Feldarbeit und Arbeit im Wingert, nach Hause gerannt, die Eltern versorgt, gekocht, gewaschen, wieder auf’s Feld, wenn’s nötig war. Daneben noch gebaut und immer und überall im Einsatz. Sie hat es immer gut gemeint und gewollt. Und doch war dann plötzlich Schluss. Die Bilder verschwammen ihr vor den Augen, sie bekam es sehr mit der Angst zu tun. Im Gespräch wurde deutlich: Sie fühlte sich hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, wieder ihre Arbeit tun zu können wie bisher – und der Einsicht, dass sie eigentlich eine Pause braucht. Wie schwer ist das für viele: einzusehen, dass man nicht unendliche Kräfte hat, dass zu jeder Arbeit auch das Ausruhen gehört, selbst für Gott ist das so, wie wir es in der Schöpfungsgeschichte lesen können. Die Frau jedenfalls merkte deutlich, dass ihre Erkrankung ein Fingerzeig Gottes sei, dass sie nun ihr Leben anders gestalten musste, bestimmte Arbeiten abgeben, die Familie daran gewöhnen, sich auf die veränderte Situation einzustellen, sich Pausen gönnen, Zeiten zur Besinnung und zum Kraftschöpfen.

Was ist wirklich wichtig im Leben? Diese Frage stellt uns Jesus. Sind wir blind für die himmlischen Schätze? Verzehren wir uns im Hinterherrennen hinter den irdischen Schätzen? Oder lassen wir uns von Jesus die Augen öffnen – für das, was Gott uns schenkt – in der weiten Schöpfung, in unseren eigenen kleinen Kräften. Wir können dankbar dafür sein, können behutsam damit umgehen, können realistisch auch eine harte Wirklichkeit ins Auge fassen, wir können den Mut bewahren, im Alltag weiterzumachen, auch wenn wir manchmal nur kleine Schritte gehen können.

Vergessen Sie nicht: die himmlischen Schätze sind geschenkt! Jesus will uns davor bewahren, uns zu überfordern – uns und auch die Schöpfung, in die er uns hineingesetzt hat. Amen.

Und der Friede Gottes, der viel größer ist, als unser Denken und Fühlen erfassen kann, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

Lied 230, 13-15:

13) Wohlauf, mein Herze, sing und spring und habe guten Mut! Dein Gott, der Ursprung aller Ding, ist selbst und bleibt dein Gut.

14) Er ist dein Schatz, dein Erb und Teil, dein Glanz und Freudenlicht, dein Schirm und Schild, dein Hilf und Heil, schafft Rat und lässt dich nicht.

15) Was kränkst du dich in deinem Sinn und grämst dich Tag und Nacht? Nimm deine Sorg und wirf sie hin auf den, der dich gemacht.

Lasst uns beten.

Sei gelobt, mein Herr, durch unsere Mutter, die Erde! So hat einst Franz von Assisi zu dir gebetet, Gott. Und wir stimmen am Erntedankfest in sein Lob ein. Sei gelobt, mein Herr, durch unsere Mutter, die Erde! Sie ernährt und trägt uns und zeugt vielerlei Früchte, buntfarbige Blumen und Kräuter.

Wenn du uns unsere Erde als Mutter gegeben hast, dann hilf uns, die Erde auch wie eine Mutter zu achten – sie nicht auszubeuten und ihr nicht Gewalt anzutun. Lass uns dankbar empfangen, was die Erde hervorbringt, hilf uns beim Verteilen der reichen Gaben, die uns unsere Erde beschert. Lass uns dabei weder die Flüchtlinge, die Übersiedler, Aussiedler, Asylsuchenden im eigenen Land noch die Hungernden in der Welt vergessen. Hilf uns dabei, mit den großen Sorgen fertigzuwerden, mit denen unsere heimische Landwirtschaft zu kämpfen hat. Und hilf uns auch, dass wir uns selber im Alltag nicht überfordern.

Vor allem schenk uns ein dankbares Herz! Dann kommen wir zu dir mit unserem Glück und unseren Sorgen, und du führst uns zusammen, so dass wir vieles gemeinsam tun können: gemeinsam feiern und gemeinsam Probleme lösen. Amen.

Vater unser

Bevor wir nun das Heilige Abendmahl miteinander feiern und die Kinder nach Hause entlassen, hören wir noch die Abkündigungen und ein drittesmal die Landfrauen:

Glockenläuten klingt übers Tal

Und nun entlassen wir erst einmal die Kinder aus dem Gottesdienst mit dem Segen Gottes, damit ihnen die Zeit während des Abendmahls nicht zu lang wird.

Es segne und behüte Euch Gott,
der Allmächtige und Barmherzige,
der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.
Amen.

Nochmals vielen Dank für Eure Mithilfe im Gottesdienst und auf Wiedersehen!

Nun feiern wir das heilige Abendmahl miteinander. Wer kommen will, mag gleich nach vorn kommen, wer nicht mitmachen will, mag auf seinem Platz bleiben.

Christus spricht: „Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten. Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer an mich glaubt, der hat das ewige Leben!“

Gott, schenke uns mit deinem Abendmahl die Gewissheit, dass du uns liebhast, dass du uns festhältst, dass du uns niemals allein lassen wirst. Stärke uns für unsere Wege, die wir vor uns haben. Amen.

Abendmahl

Wir sagen Dank für Brot und Wein,
für unsern gestillten Hunger
und unsere gestillte Sehnsucht,
für Nähe und Geborgenheit, für Liebe und Vertrauen,
für Verständnis und Vergebung
von Gott und unter uns Menschen.
Wir sagen Dank für Jesus.
Er ist das Brot, das den Hunger stillt
und uns zum Leben Kraft gibt.
Er begleitet uns in unserem Leben
auch auf weiten Wegen,
und wenn wir einmal sterben müssen,
auch dann lässt er uns nicht allein.
Amen.

Vor dem Segen singen wir das Lied 375:

1) Lobet den Herrn und dankt ihm seine Gaben, die wir aus Gnad von ihm empfangen haben jetzt an dem Tisch und sonst an allen Enden, wo wir uns wenden.

2) Er tut auch wohl durch seine Engelscharen uns Tag und Nacht vor Leibes Gfahr bewahren, damit der Feind an uns sein‘ bösen Willen nicht mög erfüllen.

3) Derhalben seid in Gott getrost, ihr Frommen, denn ihr sollt Schutz und Brot genug bekommen und überdies nach diesem armen Leben bei Christo schweben.

4) Das danket ihm, ihr Leut, von Herzensgrunde und bittet ihn desgleich‘ zu aller Stunde, dass er uns nur als seinen lieben Erben helf selig sterben;

5) So sind wir recht an Leib und Seel genesen und reich genug in dieser Welt gewesen und haben auch den besten Schatz gefunden und überwunden.

Und nun lasst uns mit Gottes Segen in den Sonntag und in die neue Woche gehen:

Der Herr segne euch und er behüte euch.
Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig.
Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden.
„Amen, Amen, Amen!“

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