Bild: Pixabay

Der Rabe und die Friedenstaube

Der Überlebenskasten, den Noah gebaut hat, erinnert mich an unsere Erde. Sie treibt im Weltall, einer lebensfeindlichen Umwelt, und die Frage ist, was wir Menschen brauchen, damit unser Leben keine sinnlose Odyssee durchs Weltall ist. Wo ist unsere Luke zum Himmel, wie erfahren wir, dass die Erde ein auf Dauer bewohnbarer Planet ist, auf dem es sich zu leben lohnt?

Taube und Rabe auf einem Draht
Ob sich die Taube und der Rabe miteinander unterhalten können? (Bild: roshanjoshiPixabay)

#predigtAbendmahlsgottesdienst am 4. Sonntag nach Epiphanias, den 2. Februar 2014, um 10.00 Uhr in der evangelischen Pauluskirche Gießen

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

Ich begrüße alle herzlich zum Gottesdienst in der Pauluskirche mit dem Wort zur Woche aus Psalm 66, 5:

Kommt her und sehet an die Werke Gottes, der so wunderbar ist in seinem Tun an den Menschenkindern.

Heute geht es im Gottesdienst um einen Teil der Geschichte von der Sintflut. Handelt auch sie von den wunderbaren Werken Gottes? Hält sie nicht eher furchtbare Erinnerungen der Menschheit wach? Die Predigt hält Pfarrer Schütz zum Thema: „Der Rabe und die Friedenstaube.“

Wir singen das Lied 304, in dem Gott auch dafür gelobt wird, dass er die jungen Raben gut versorgt:

1. Lobet den Herren, denn er ist sehr freundlich; es ist sehr köstlich, unsern Gott zu loben, sein Lob ist schön und lieblich anzuhören. Lobet den Herren!

2. Singt umeinander dem Herren mit Danken, lobt ihn mit Harfen, unsern Gott, mit Psalmen, denn er ist mächtig und von großen Kräften. Lobet den Herren!

3. Er kann den Himmel mit Wolken bedecken und gibet Regen, wann er will, auf Erden; er lässt Gras wachsen hoch auf dürren Bergen. Lobet den Herren!

4. Der allem Fleische gibet seine Speise, dem Vieh sein Futter väterlicherweise, den jungen Raben, die ihn tun anrufen. Lobet den Herren!

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

Raben und Tauben kommen gar nicht so selten in der Bibel vor. In den Speisegeboten der Tora sind Tauben reine Tiere, die als Opfer für Gott und zum Essen geeignet sind, während Raben als unrein gelten und nicht gegessen werden dürfen (3. Buch Mose – Levitikus 11, 15 und 5. Buch Mose – Deuteronomium 14, 14). Raben spielen trotzdem eine wichtige Rolle in der Bibel. Im Psalm 147 tauchen sie ausdrücklich im Dankgebet für Gottes Schöpfung auf:

1 Halleluja! Lobet den HERRN! Denn unsern Gott loben, das ist ein köstlich Ding, ihn loben ist lieblich und schön.

3 Er heilt, die zerbrochenen Herzens sind, und verbindet ihre Wunden.

5 Unser Herr ist groß und von großer Kraft, und unbegreiflich ist, wie er regiert.

6 Der HERR richtet die Elenden auf und stößt die Gottlosen zu Boden.

7 Singt dem HERRN ein Danklied und lobt unsern Gott mit Harfen,

8 der den Himmel mit Wolken bedeckt und Regen gibt auf Erden; der Gras auf den Bergen wachsen lässt,

9 der dem Vieh sein Futter gibt, den jungen Raben, die zu ihm rufen.

11 Der HERR hat Gefallen an denen, die ihn fürchten, die auf seine Güte hoffen.

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Von der Friedenstaube erzähle ich nachher in der Predigt. Aber wie kommt es eigentlich zu dieser Wertschätzung der Taube? Was für ein Bild haben die Menschen der Bibel von diesem Vogel?

Der Prophet Hosea hält die Taube offenbar für ein ziemlich dummes Tier, wenn er das Volk Israel, er nennt es hier mit dem Stammesnamen Ephraim, mit einer Taube vergleicht (Hosea 7):

11 Ephraim ist wie eine törichte Taube, die sich leicht locken lässt. Jetzt rufen sie Ägypten an, dann laufen sie nach Assur.

12 Aber indem sie hin- und herlaufen, will ich mein Netz über sie werfen und sie herunterholen wie Vögel unter dem Himmel; ich will sie strafen, wie es ihrer Gemeinde verkündet ist.

So ist die Taube ein Bild für Menschen, die keine klare Linie in ihrem Leben haben, die hin- und hergerissen sind zwischen Gut und Böse oder sogar zwischen verschiedenen Arten des Bösen. Aber für den Propheten Jesaja ist die Taube mit ihrem Gurren auch ein Geschöpf, das sich ihrem Schöpfer in der Not anvertraut (Jesaja 38):

14 Ich zwitschere wie eine Schwalbe und gurre wie eine Taube. Meine Augen sehen verlangend nach oben: Herr, ich leide Not, tritt für mich ein!

Wenn wir uns zerrissen fühlen und uns danach sehnen, ein gutes Leben zu führen, rufen wir ebenso zu dir: Ich leide Not, tritt für mich ein.

Herr, erbarme dich! „Herr, erbarme dich, Christe, erbarme dich, Herr, erbarm dich über uns!“

Als in Israel einmal kein Regen fiel und die Menschen in einer Hungerkatastrophe fast zu Grunde gingen, wurde der Prophet Elia auf wunderbare Weise errettet, indem er auf Gott hörte und sich der Versorgung durch – Raben anvertraute (1. Könige 17). Gott sprach zu Elia:

3 Wende dich nach Osten und verbirg dich am Bach Krit, der zum Jordan fließt.

4 Und du sollst aus dem Bach trinken, und ich habe den Raben geboten, dass sie dich dort versorgen sollen.

5 Er aber ging hin und tat nach dem Wort des HERRN und setzte sich nieder am Bach Krit, der zum Jordan fließt.

6 Und die Raben brachten ihm Brot und Fleisch des Morgens und des Abends, und er trank aus dem Bach.

Lasst uns Gott lobsingen! „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen. Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade; ein Wohlgefalln Gott an uns hat, nun ist groß Fried ohn Unterlass; all Fehd hat nun ein Ende.“

Der Herr sei mit euch „und mit deinem Geist.“

Gott, Schöpfer von Tieren und Menschen, du hast uns inmitten einer Welt erschaffen, in der wir mitverantwortlich sind für unsere Umwelt, für die Lebensbedingungen auf unserer Erde. Wir sollen sie bebauen und bewahren, damit wir uns auch weiterhin von und mit Pflanzen und Tieren ernähren können und unseren Nachkommen eine Erde hinterlassen, auf der sie gut und gerne leben. Hilf uns, dass wir die Bilder und Geschichten der Bibel begreifen und ernstnehmen als Ermahnung und Ermutigung, um als deine Kinder auf deiner Erde zu leben. Darum bitten wir dich im Namen Jesu Christi, deines Sohnes, unseres Herrn. „Amen.“

Wir hören aus dem 1. Buch Mose – Genesis 8, 1-12. Es ist der Predigttext für den heutigen Sonntag:

1 Da gedachte Gott an Noah und an alles wilde Getier und an alles Vieh, das mit ihm in der Arche war, und ließ Wind auf Erden kommen, und die Wasser fielen.

2 Und die Brunnen der Tiefe wurden verstopft samt den Fenstern des Himmels, und dem Regen vom Himmel wurde gewehrt.

3 Da verliefen sich die Wasser von der Erde und nahmen ab nach hundertundfünfzig Tagen.

4 Am siebzehnten Tag des siebenten Monats ließ sich die Arche nieder auf das Gebirge Ararat.

5 Es nahmen aber die Wasser immer mehr ab bis auf den zehnten Monat. Am ersten Tage des zehnten Monats sahen die Spitzen der Berge hervor.

6 Nach vierzig Tagen tat Noah an der Arche das Fenster auf, das er gemacht hatte,

7 und ließ einen Raben ausfliegen; der flog immer hin und her, bis die Wasser vertrockneten auf Erden.

8 Danach ließ er eine Taube ausfliegen, um zu erfahren, ob die Wasser sich verlaufen hätten auf Erden.

9 Da aber die Taube nichts fand, wo ihr Fuß ruhen konnte, kam sie wieder zu ihm in die Arche; denn noch war Wasser auf dem ganzen Erdboden. Da tat er die Hand heraus und nahm sie zu sich in die Arche.

10 Da harrte er noch weitere sieben Tage und ließ abermals eine Taube fliegen aus der Arche.

11 Die kam zu ihm um die Abendzeit, und siehe, ein Ölblatt hatte sie abgebrochen und trug’s in ihrem Schnabel. Da merkte Noah, dass die Wasser sich verlaufen hätten auf Erden.

12 Aber er harrte noch weitere sieben Tage und ließ eine Taube ausfliegen; die kam nicht wieder zu ihm.

Herr, dein Wort ist unseres Fußes Leuchte und ein Licht auf unserem Wege. Halleluja. „Halleluja, Halleluja, Halleluja!“

Glaubensbekenntnis

Wir singen im Lied auf dem grünen Liedblatt von Gottes Schöpfung und ihrer Bedrohung durch Menschen, die wie Kain nicht Hüter ihres Bruders sein wollen. Wir singen von der großen Flut und von der Hoffnung auf Gott:

Einmal wurd es am Himmel hell, hier und da
Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Liebe Gemeinde, indem die Bibel die furchtbare Sintflutgeschichte erzählt, macht sie sich Gedanken darüber, ob Gott nicht tagtäglich Grund genug dafür hätte, die Erschaffung der Menschen zu bereuen. Heutzutage müsste Gott zur Vernichtung des Lebens auf der Erde nicht einmal selbst die Himmelsschleusen öffnen; wir Menschen schaffen es mit Hilfe des Klimawandels ganz allein, dass die Meeresspiegel steigen und Unwetter unsere Städte verwüsten. Übrigens bin ich mir sicher: Schon in der Bibel ist die Sintflut kein Akt der Willkür Gottes nach dem Motto: Heute schaffe ich mir Menschen als neues Spielzeug, morgen werfe ich sie in den Müll, weil ich die Geduld mit ihnen verloren habe. Nein, in der Sintflutgeschichte erzählt die Bibel schlicht von den normalen Folgen, die es hat, wenn Menschen sich an die guten Regeln Gottes nicht halten wollen und einander umbringen, ihre Umwelt sinnlos ausbeuten und zerstören.

Kinder, die sich über die Arche Noah mit ihren vielen Tieren freuen, ahnen instinktiv, dass der eigentliche Sinn der Sintflutgeschichte in der Rettung der Familie Noah und all der vielen Tiermännchen und -weibchen liegt. Das ist das Außergewöhnliche, das Erzählenswerte an der Geschichte. Denn Katastrophen gab es schon immer und auch die Angst vor dem Untergang der ganzen Welt. Das Überleben des Menschen war schon immer bedroht, früher mehr durch Naturgewalten, heute mehr durch Kulturgewalten, die der Mensch selber entfesselt hat. Klimawandel, Atomenergie oder Atomwaffen, Gentechnik sind nur Stichworte für Entwicklungen, die die Menschheit nur schwer kontrollieren kann.

Und nun erzählt die Bibel von der Sintflut mit einer Hoffnungsperspektive. Sie schert sich nicht darum, ob es denkbar ist, alle Tierarten der Erde in einem einzigen Schiff von 150 Meter Länge und 25 Meter Breite mit drei Stockwerken, also auf nicht einmal einem Dutzend Quadratkilometern unterzubringen und über ein Jahr lang zu ernähren; im Urtext steht auch gar nichts von einem Schiff, sondern Noah soll schlicht einen „Kasten“ bauen, dessen Tür Gott selbst fest verschließt. Im Deutschen ist für diesen Kasten das Wort „Arche“ gebräuchlich geworden; sie ist eine Rettungskiste für das Leben auf der Erde ohne jedes Fenster oder Bullauge; jedenfalls hören wir nur von einem einzigen Fenster, nicht größer als eine Dachbodenluke, die sich auch oben im Dach befindet, also sozusagen mitten im Deckel von dem Kasten. Von dort hat man keine Aussicht auf das, was sich draußen abspielt, höchstens den Blick nach oben, zum Himmel.

Dieser Überlebenskasten, den Noah gebaut hat, der auf dem lebensfeindlichen Wasser schwimmt, bis er auf dem Berg Ararat auf Grund läuft, erinnert mich an die Situation unseres Planeten Erde. Sie treibt im Weltall, einer lebensfeindlichen Umwelt, und die Frage ist, was wir Menschen brauchen, damit dieses Leben auf der Erde für uns nicht einfach eine sinnlose Odyssee durchs Weltall ist. Wo ist unsere Luke zum Himmel, wie erfahren wir, dass die Erde ein auf Dauer bewohnbarer Planet ist, auf dem es sich wirklich zu leben lohnt? Wie wird die Erde ein Ort nicht des Todes, der Gier, der Vergewaltigung, der Ausbeutung und Unterdrückung, sondern ein Ort des Lebens, wo man füreinander da ist und im Frieden miteinander lebt?

150 Tage treibt die Arche über das Wasser, bis die Bibel sagt: „Da gedachte Gott an Noah und an alles wilde Getier und an alles Vieh, das mit ihm in der Arche war, und ließ Wind auf Erden kommen, und die Wasser fielen.“ Der Wind, der das lebensbedrohliche Wasser zum Sinken bringt, wird im Hebräischen mit dem Wort bezeichnet, das auch Geist bedeutet. Gottes eigener Geist, sein Lebensatem, seine Energie und Kraft, seine Hoffnung und Liebe, sorgt dafür, dass das das Leben nicht mehr in den Fluten der Sinnlosigkeit untergehen kann. Ohne diesen heiligen Geist ist unser Leben nur ein Dahinvegetieren, führt die Menschheit nur einen Überlebenskampf ohne Sinn und Verstand.

Fünf Monate nach dem Einzug von acht Menschen und Vertretern aller Tierarten in die Arche strandet die Arche auf dem Gebirge Ararat. Dann dauert es noch einmal über zwei Monate, bis man durch die Dachluke die Spitzen der höchsten Berge erkennen kann. Und noch einmal wartet Noah vierzig Tage lang, bis er als Kundschafter einen Raben durch die Dachluke aussendet. Hören wir, was weiter geschieht, aus der Sicht dieses Raben. Später wird noch ein anderer Vogel zu Wort kommen, eine Taube. Zwei unserer Konfirmandinnen, Laura und Adelina, leihen den Vögeln ihre Stimme.

Ich bin der Rabe Korax. Diese Flut gefällt mir gar nicht! Monatelang in einem großen Kasten auf dem Wasser herumzuschwimmen, zusammen mit Tausenden von anderen Tieren, das ist nichts für mich. Besonders haben mich diese Tauben genervt mit ihrem Ruck-guh, Ruck-guh! Ich brauche Freiheit!

Aber dankbar bin ich dem Noah doch. Draußen ist ja das ganze Leben auf der Erde untergegangen. Ohne Bäume und Sträucher überlebt dort auch kein Vogel. Wir Vögel hätten uns noch einmal ganz neu aus den Wassertieren entwickeln müssen! Und dabei wäre bestimmt nicht wieder eine so schöne und intelligente Vogelart herausgekommen wie wir Raben. Vor einer Woche hat Noah mich durch die Dachluke der Arche hinausfliegen lassen. Seitdem fliege ich immer hin und her und warte, bis das Wasser endlich wieder da ist, wo es hingehört, in den Flüssen und Seen und im Meer.

Aber was sehe ich da? Noah streckt wieder seine Hand durch die Dachluke der Arche und lässt eine Taube in die Luft fliegen. Sie kommt auf mich zu.

Hallo, Rabe, bitte tu mir nichts! Verstehst du, ich fürchte mich ein bisschen hier draußen.

Vor mir musst du keine Angst haben. Ich mag Tauben nicht so sehr, nicht einmal zum Fressen. Aber wenn du schon mal da bist, können wir uns auch unterhalten. Ich heiße Korax.

Findest du es auch nicht blöd, mit mir zu reden, Korax, wo du mich doch gar nicht magst?

Ist ja sonst keiner da zum Reden. Und mit dem Nicht-Mögen, nimm es nicht persönlich. Das ist so eine Raben- und Taubensache. Wir Raben finden euch Tauben dumm, und ihr Tauben findet uns Raben besserwisserisch, habe ich mal gehört.

Ja, stimmt. Irgendwie weißt du ja auch sehr viel, und es ist blöd, wenn man sich selber dann so dumm fühlt. Ich heiße übrigens Jona.

Jona, ein schöner Name. ich wusste gar nicht, dass Tauben Namen haben. Für mich sahen bisher immer alle Tauben gleich aus. Aber nun sag mal, was machst du eigentlich hier draußen?

Noah hat mich rausgeschickt, um zu erkunden, wie es auf der Erde aussieht. Weil du ja nicht zurückgekommen bist, als du das machen solltest.

Ich lasse mich halt nicht so gerne von Menschen zähmen und für ihre Zwecke einspannen. Auch wenn ich Noah dankbar bin, dass er mich gerettet hat. Vielleicht kann einer meiner Nachkommen später einmal einem seiner Nachkommen auch mal das Leben retten.

Und du selbst magst dem Noah keinen kleinen Gefallen tun und ihm sagen, wann er wieder aus der Arche raus kann?

Nein. Ich verstehe auch nicht ganz, warum er nur dieses eine Fenster in der Arche hat und dann noch ganz oben, wo man nur den Himmel sieht und nichts von der Umgebung. Wenn das Fenster wenigstens seitlich wäre, dann könnte er selber kucken, was draußen los ist.

Vielleicht war das ja Absicht von Gott. Der hat ja dem Noah den genauen Bauplan von der Arche vorgegeben. Vielleicht wollte Gott nicht, dass die Menschen in der Arche genau zusehen, wie die Menschen und Tiere draußen umkommen. War ja schlimm genug, dass die Menschen sich selber und so viele Tiere ins Unglück gestürzt haben. Da sollten die anderen Menschen nicht noch an der Luke hocken und Katastrophenfernsehen kucken.

Das ist ein Argument. Und nun sollen wir Tiere den Menschen auf die Sprünge helfen, dass sie auf der Erde einen wirklich guten neuen Anfang hinkriegen?

Weiß nicht. Ich bin ja nur eine dumme Taube. Und außerdem finde ich es ziemlich blöd, hier immer nur herumzufliegen. Nirgends ist auch nur ein Baum, wo ich mich mal ausruhen könnte.

Hast wohl keine Ausdauer wie ich? Na gut, Jona, du musst mich nicht die ganze Zeit bespaßen. Flieg zurück zu Noah in die Arche. Ich gönne dir die Zeit und den Raum zum Ausruhen. Und Noah weiß, dass er noch etwas Geduld haben muss, bis er aussteigen kann.

Soweit das Gespräch der Vögel. Ganz so dumm fand ich die Taube nicht, denn sie wusste immerhin, dass ihre Kräfte nicht ausreichen würden, um es genau so zu machen wie der Rabe. Um mit dem Leben auf der Erde wirklich klarzukommen, werden wohl die meisten Menschen genau wie die Taube Jona ihre Zeiten und Orte brauchen, um sich auch einmal zurückzuziehen und Kräfte zu sammeln. Das kann manchmal auch ziemlich lange dauern, gerade wenn es große Katastrophen im Leben gegeben hat und man noch nicht weiß, wie lange es noch dauert, bis sich die Lage normalisiert.

Interessant fand ich übrigens, dass es im hebräischen Text heißt: Die Taube fand keinen Platz für die Sohle ihres Fußes. Das klingt merkwürdig für eine Taube. Aber für uns Menschen wäre es passend. Wir brauchen festen Boden unter unseren Füßen, ohne festen Stand mit beiden Beinen auf dem Erdboden verlieren wir die Bodenhaftung und das realistische Augenmaß für das, was uns auf der Erde möglich ist.

Eine Woche vergeht, und wieder belauschen wir den Raben Korax.

Ich fliege hin und her und her und hin, und die Zeit vergeht. Wie halte ich das eigentlich aus ohne Nahrung und Süßwasser? Irgendwas hat Gott gemacht, damit ich das alles überlebe.

Allmählich tut sich was auf der Erde: Das Wasser sinkt immer mehr, die ersten Baumspitzen sind zu sehen. Da setze ich mich doch gleich mal oben drauf auf einen Baum. Ah, das ist ein Ölbaum. Hängt da nicht noch eine Olive dran? Hmm, lecker, nur ziemlich lange in Wasser eingelegt, aber ich will nicht wählerisch sein. Hauptsache, ich kriege mal wieder was in den Magen.

Oh, da drüben kommt ja wieder eine Taube aus der Arche geflogen. Hallo, bist du Jona? Ich kann euch Tauben einfach nicht auseinanderhalten!

Hallo Korax, ja, ich bin Jona.

Warum gibt es von euch Tauben eigentlich sieben Paare in der Arche und von uns Raben nur eins?

Wir Tauben sind reine Tiere, und ihr Raben seid unrein.

Ach so. Aber das macht mir nichts. Dafür werden wir von den Menschen auch nicht gegessen oder für Gott als Opfer verbrannt.

Jeder hat seine eigenen Probleme, lieber Korax. Mich jedenfalls will Noah nicht seinem Gott opfern. Er will von mir wissen, ob man auf der Erde wieder leben kann.

Na ja, das siehst du ja. Das wird wohl noch etwas dauern. Immerhin kucken die Spitzen der Baumkronen schon wieder aus dem Wasser heraus. Und ich habe sogar noch eine Olive futtern können.

Hast du mir keine übrig gelassen, lieber Korax?

Tut mir leid, liebe Jona, es war die einzige an diesem Baum. Und die war schon in meinem Magen, als ich dich sah.

Macht nichts. Aber ich werde gleich wieder zurückfliegen. Und weißt du, was ich dem Noah mitbringe?

Du willst ihm was schenken?

Ja, einen Zweig von diesem Ölbaum. Dann weiß er, dass die Bäume nicht mehr vom Wasser bedeckt sind. Bald wird man wieder Nahrung finden auf der Erde. Die Menschen werden Holz haben, um sich Häuser zu bauen. Und im Schatten ihrer Ölbäume werden sie friedlich beieinander sitzen und keinen Krieg mehr anfangen.

Du hast vielleicht Illusionen! Meinst du wirklich, die Menschen hätten etwas gelernt aus der Katastrophe? Friedlich unter dem Ölbaum sitzen, das glaubst du doch selber nicht. Du kennst doch die Menschen. Grund für einen Streit finden sie immer.

Mag sein. Ich bringe ihnen jedenfalls den Ölzweig.

Du bist ja eine richtige Friedenstaube. Vielleicht gibst du den Menschen ja zu denken.

Tatsächlich denken die Menschen noch heute an die Taube in der Arche Noah, wenn sie sich Frieden ersehnen für ihre Erde. Und als Jesus sich von Johannes taufen ließ, sah er den Geist Gottes wie eine Taube auf sich herabkommen.

Obwohl der Rabe klüger und vielleicht sogar sympathischer war, wurde die Taube zur Friedenstaube und nicht der Rabe zum Friedensraben. Vielleicht weil die Taube in ihrer Normalität und Nervigkeit, manchmal auch in ihrer Dummheit, der Mehrheit der Menschen ähnlicher ist als ein neunmalkluger Rabe. Vielleicht auch weil die Taube nicht so stark ist und als Einzelgänger nicht überleben kann; sie braucht ihren Rückzugsort, sie braucht Unterstützung, und sie ist bereit, Noah zu helfen und ihm ein Zeichen zu bringen, dass Gott das Wasser hat sinken lassen, dass es bald wieder möglich ist, auf der Erde im Frieden zu leben.

Nach weiteren sieben Tagen lässt Noah die Taube noch einmal fliegen, dieses Mal kehrt sie nicht zurück. Offenbar findet sie bereits genug zum Fressen und genug Platz für ihre kleinen Füße, um sich auszuruhen. Noah lässt sich und allen anderen in der Arche etwas mehr Zeit, um den Neuanfang auf der Erde zu wagen. Er wartet einen Monat, bis er das Dach der Arche abdeckt und sieht, dass die Wasser sich auf der Erde verlaufen haben. Und weitere zwei Monate später ist die Erde trocken genug, um sie neu zu besiedeln. Ich denke, das alles wird uns nicht deswegen so genau erzählt, weil wir es für eine gegebene historische Tatsache halten sollen, sondern weil nicht nur Tauben, sondern erst recht wir Menschen nach schlimmen Ereignissen in unserem Leben Zeit brauchen, um sie zu bewältigen. Gott schenkt uns die Möglichkeiten zum Neuanfang. Nutzen müssen und dürfen wir sie selber. Dabei dürfen wir uns Zeit gönnen und in Ruhe und Gelassenheit die Herausforderungen in Angriff nehmen.

Hallo Korax, wie geht‘s?

Hallo Jona, mir geht‘s gut. Und du – hast du deinen Auftrag erfüllt?

Ja, das habe ich. Noah weiß, dass er bald die Arche öffnen kann.

Und nun? Fliegst du gleich wieder zurück in die Arche?

Nein, jetzt komme ich hier draußen allein zurecht. Und die Menschen werden das auch schaffen, wenn sie sich an mich und an den Ölzweig erinnern. Denn nur, wenn die Menschen Frieden schaffen und bewahren, können sie überleben. Und wir Tiere mit ihnen.

Dazu kann ich nur sagen: Amen.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben. Amen.

Wir singen das Lied 395:

Vertraut den neuen Wegen, auf die der Herr uns weist

Im Abendmahl sind wir eingeladen, zu spüren, dass Gott es trotz allem gut mit uns meint. In Jesus Christus steht er treu und liebevoll zu uns. Im Brot schenkt er uns seine Liebe. Mit dem Kelch feiern wir die Versöhnung Gottes mit den Menschen.

Gott, nimm uns an, so wie wir sind, mit unserer Angst, mit unseren Zweifeln, mit unserer Verzweiflung. Gott, nimm von uns das Dunkle, das uns von dir trennt, Sünde, Unglauben, Lieblosigkeit. In der Stille bringen wir vor dich, was unsere Seele belastet:

Beichtstille

Wollt Ihr Gottes Liebe und Vergebung annehmen, so sagt laut oder leise oder auch still im Herzen: Ja!

Auf euer aufrichtiges Bekenntnis spreche ich euch die Vergebung eurer Sünden zu – im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Der Herr sei mit euch. „Und mit deinem Geiste.“

Erhebet eure Herzen! „Wir erheben sie zum Herren.“

Lasset uns Dank sagen dem Herrn, unserem Gott. „Das ist würdig und recht.“

Würdig und recht ist es, Gott ernst zu nehmen als den der groß ist in seiner Güte und Freundlichkeit zu uns Menschen. Würdig und recht ist es, uns selber anzunehmen als Menschen mit aufrechtem Gang, von Gott geliebt und verantwortlich für unser Leben. Zu dir rufen wir und preisen dich, Heiliger Gott:

Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth; alle Lande sind seiner Ehre voll. Hosianna in der Höhe. Gelobet sei, der da kommt im Namen des Herrn. Hosianna in der Höhe.

Vater unser und Abendmahl

Jesus ist Gottes geliebter Sohn, erfüllt vom Geist des Friedens, der auf ihn herabkam wie eine Taube. Nehmt und gebt weiter, was euch gegeben ist – den lebendigen Leib der Liebe Gottes.

Herumreichen des Korbs

Die Pointe der Sintflutgeschichte ist das Versprechen Gottes, dass er niemals die Erde von sich aus vernichten will. Wir feiern dieses Versprechen, indem wir den Kelch empfangen, den Jesus uns austeilt, den Kelch des neuen Anfangs, den Kelch der Versöhnung zwischen Gott und Mensch, den Kelch des Friedens zwischen den Völkern.

Austeilen der Kelche

Reicht einander die Hände zum Zeichen, dass wir zueinandergehören wie die Menschen und Tiere, die mit Noah in der Arche gerettet wurden. Lasst uns durch die Luke unserer Arche zum Himmel blicken und auf die Zeichen Gottes achten, die uns zeigen wollen, wie wir in der Welt auf seinen Wegen des Friedens gehen können. Geht hin in seinem Frieden. Amen.

Fürbitten

Wir singen das Lied auf dem gelben Liedblatt:

Friede und Licht auf dem verlornen Gesicht
Abkündigungen

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

Schreibe einen Kommentar

Mit dem Abschicken des Kommentars stimmen Sie seiner Veröffentlichung zu (siehe Datenschutzerklärung). Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.