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Ist Gott da? Der grausame? Der Erlöser?

Trauerfeier für eine Frau, die plötzlich durch den Tod ihren Lieben entrissen wurde. Gibt es Gott? Warum passt er nicht auf? Gibt es keine Bewahrung? Ähnliche Fragen stellt schon Hiob in der Bibel.

Ist Gott da? der grausame? der Erlöser? So könnte sich dieser skeptisch dreinblickende Engel auf dem Friedhof fragen
Ein skeptisch dreinblickender Engel auf einem Friedhof (Bild: TanteTatiPixabay)

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen.

Liebe Trauergemeinde, wir sind versammelt, um Abschied zu nehmen von Frau S., die im Alter von [über 60] Jahren völlig unerwartet gestorben ist.

Wir können es nicht fassen, was geschehen ist. Es tut einfach weh. Wir müssen diesen Weg miteinander gehen, um ihr die letzte Ehre zu erweisen, und es ist gut, diesen Weg nicht allein zu gehen. Auf Worte Gottes hören wir – ob sie uns Trost bringen?

Wir versuchen in Worte zu fassen, was auf unserer Seele liegt, und beten mit Worten aus dem Psalm 77 (bis Vers 8 Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift © 1980 by Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart):

2 Ich rufe zu Gott, ich schreie, ich rufe zu Gott, bis er mich hört.

3 Am Tag meiner Not suche ich den Herrn; unablässig erhebe ich nachts meine Hände, meine Seele lässt sich nicht trösten.

4 Denke ich an Gott, muss ich seufzen; sinne ich nach, dann will mein Geist verzagen.

5 Du lässt mich nicht mehr schlafen; ich bin voll Unruhe und kann nicht reden.

6 Ich sinne nach über die Tage von einst, ich will denken an längst vergangene Jahre.

7 Mein Herz grübelt bei Nacht, ich sinne nach, es forscht mein Geist.

8 Wird der Herr mich denn auf ewig verstoßen und mir niemals mehr gnädig sein?

9 Ist‘s denn ganz und gar aus mit seiner Güte?

10 Hat Gott vergessen, gnädig zu sein, oder sein Erbarmen im Zorn verschlossen?

11 Ich sprach: Darunter leide ich, dass die rechte Hand des Höchsten sich so ändern kann.

12 Darum denke ich an die Taten des HERRN, ja, ich denke an deine früheren Wunder

13 und sinne über alle deine Werke und denke deinen Taten nach.

15 Du bist der Gott, der Wunder tut.

16 Du hast dein Volk erlöst mit Macht.

17 Die Wasser sahen dich, Gott, die Wasser sahen dich und ängstigten sich, ja, die Tiefen tobten.

20 Dein Weg ging durch das Meer und dein Pfad durch große Wasser; doch niemand sah deine Spur.

21 Du führtest dein Volk wie eine Herde.

Lieber Herr S., liebe Trauernde!

Wenn man von einem geliebten Menschen Abschied nimmt, dann muss man nicht die Daten dieses Lebens in allen Einzelheiten aufzählen. Die Erinnerung ist sowieso unauslöschlich in Ihren Herzen. Was wir hier tun, ist, innezuhalten, um uns gemeinsam zu erinnern und uns dessen zu vergewissern: Auf dem Weg der Trauer, der grausam schmerzt und durch einsame Stunden führt, kann es auch Begleitung und sogar Trost geben.

Trauer lastet um so mehr auf unserer Seele, je mehr man einen Menschen von ganzem Herzen geliebt hat. Dankbar sind Sie, lieber Herr S., dass Sie mit Ihrer Frau über Jahrzehnte hin in Ihrer Ehe glücklich zusammengelebt haben. Dankbar sind auch die anderen in der Familie für alle Liebe, die sie von Frau S. erfahren haben.

Was ist in einem Leben wichtiger als die Menschen, für die man da ist, die uns anvertraut sind? Auch wenn Frau S. in schweren Zeiten aufwachsen musste, so war ihr doch das Glück eines guten Elternhauses beschieden.

Erinnerungen an das Leben der Verstorbenen

So gab es viel Freude und Leid – im Großen und Ganzen aber ein Leben, in dem die Zufriedenheit überwog. Um so schwerer fällt nun der plötzliche Abschied, auf den niemand gefasst war.

Sie, lieber Herr S., haben gemeint, dass man sich in einer solchen Situation sogar fragt, ob es denn da oben im Himmel einen Gott gibt. Passt er denn nicht auf? Gibt es keine Bewahrung? Kann er ein solches Unglück zulassen?

Ich fand in einem Buch der Bibel nicht Antworten auf diese Fragen, sondern Erfahrungen eines Menschen, der sich ähnliche Fragen stellt. Hiob heißt der Mann, der sich von Gott ungerecht behandelt weiß und gegen ihn klagt und am Ende von Gott selbst Recht bekommt: Ja, man darf so reden und klagen!

Im Buch Hiob 30 lese ich folgende Verse:

20 Ich schreie zu dir, aber du antwortest mir nicht; ich stehe da, aber du achtest nicht auf mich.

21 Du hast dich mir verwandelt in einen Grausamen und streitest gegen mich mit der Stärke deiner Hand.

Gott antwortet nicht. Gott scheint mich nicht zu beachten. Gott ist auf einmal nicht mehr der Gott des kindlichen Glaubens, der behütet und hilft, sondern er hat sich in einen grausamen Feind verwandelt. Statt zu helfen, kämpft er gegen mich.

Was für ein Gebet, das Hiob da zu beten wagt! Er betet zu Gott, indem er wütend gegen ihn angeht. Er versteckt seine Gefühle nicht, sondern lässt zu, was er empfindet – ja, er lässt sich geradezu gehen, denn er ist machtlos gegenüber einem Gott, den er jetzt nur als grausamen Feind vor Augen hat.

Aber indem er fühlt und Gefühle zeigt, indem er betet und seinem Gott keine Ruhe lässt, ist er dennoch kein schwacher Mensch, sondern er strahlt eine innere Stärke aus. Letzten Endes weiß er – trotz allem kann ich mich auf niemanden anders verlassen als eben doch auf Gott. Der hält es aus, dass ich so mit ihm rede. Der hält mich fest, auch wenn ich mich gehen lasse. Der wird mich irgendwann Trost erfahren lassen, auch wenn ich jetzt untröstlich bin.

Denn obwohl Hiob weiß (Hiob 19):

21 Die Hand Gottes hat mich getroffen!

hält er zugleich an seiner Hoffnung fest:

25 Aber ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und als der letzte wird er über dem Staub sich erheben.

Der Grausame, der ihn schlägt, der ist Gott. Aber der Erlöser, auf den er hofft, auch der ist Gott. Und beide sind ein- und derselbe – letzten Endes, so unglaublich es scheint – ein liebender Gott.

Dieser Gott lässt sich nicht einfach ergründen, auch nicht einfach abhaken. Fragt man sich: warum ist das geschehen? warum bin ich so gestraft? – dann erfährt man keine einfache Antwort auf diese Fragen.

Zu kurz würde greifen, wer nach irgendeiner Ursache suchen wollte für diesen Tod, so als ob alles dann leichter zu ertragen wäre, oder als ob man dann vielleicht doch noch etwas hätte tun können. Nein, es ist nicht zu ändern, hier hat niemand die Macht gehabt, am Lauf des Schicksals zu drehen. Das tut dem besonders weh, der gern Verantwortung trägt und alles tun würde, um zu helfen und zu retten. Es fällt schwer, nichts tun zu können, sondern ertragen zu müssen, was niemand ändern kann.

Zu kurz würde erst recht greifen, der die Trauer wegreden wollte; das geht nicht. Es tut einfach weh, wenn sie nicht mehr da ist, die man geliebt hat. Die Tränen kommen ganz von selbst immer wieder, und das ist auch gut so.

Ist Gott da? Der grausame? Der Erlöser? Ein liebender Gott?

Gott hat uns Menschen zu seinem Bilde geschaffen, weil er sich uns Menschen so vorgestellt hat, dass wir Bilder seiner Liebe sein sollten, die füreinander da sind, barmherzig miteinander umgehen, als fühlende und mitfühlende Wesen – gegen alle Kälte und Hartherzigkeit in dieser Welt.

Gott hat uns Menschen so sehr geliebt, dass er selber Fleisch und Blut angenommen hat in der Person des Menschen Jesus Christus.

Gott wurde zum Erlöser, indem er sich selber töten ließ, aus Liebe, damit Sünder Vergebung und Erlösung finden. „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“ – wir Christen sehen in Jesus diesen Erlöser. In seinem Gesicht erkennen wir die Liebe Gottes.

Vielleicht sind das zu große Worte an diesem Tag. Vielleicht ist es genug, uns heute einfach an die Erfahrung des Hiob zu halten, als er einfach nicht weiter wusste.

Aber ich will doch sagen: Wo Frau S. jetzt ist, da ist sie in Gottes Liebe geborgen. Sie ist nicht gebunden an den Leib, den wir hingeben, damit er Staub und Asche werde. Sie ist nicht verloren. Sie ruht in Gott und ist so allen nahe, die um sie trauern.

Und es ist gut, dass vertraute Menschen einfach da sind und einem beistehen, obwohl auch sie einem die Last der Trauer nicht abnehmen können. Amen.

Orgelmusik: Ave Maria

Wir hören Worte aus dem Lied 533 im Gesangbuch:

Du kannst nicht tiefer fallen als nur in Gottes Hand

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