Bild: Pixabay

„An der Frucht erkennt man den Baum“

Trauerfeier für eine alte Frau, die sich für ihre Bestattung den Vers aus dem Matthäusevangelium ausgewählt hat, in dem es um die Frucht geht, an dem man den Baum erkennt.

"An der Frucht erkennt man den Baum": Ein Orangenbaum mit leuchtend orangenen Früchten
An den Früchten erkennt man den Baum (Bild: Hans BraxmeierPixabay)

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen.

Liebe Gemeinde, wir sind hier versammelt, um von Frau W. Abschied zu nehmen, die im Alter von [über 80] Jahren gestorben ist.

Wir erinnern uns an die Verstorbene, zeichnen ihren Lebenslauf nach, versuchen, ihr gerecht zu werden.

Wir besinnen uns auf uns selbst, was wir empfinden bei diesem Abschied, was der Gedanke an den Tod bei uns auslöst.

Wir denken auch an Gott, von dem unser Leben herkommt und zu dem es im Tode zurückkehrt.

Zu ihm beten wir mit Worten aus dem Psalm 37:

3 Hoffe auf den HERRN und tu Gutes, bleibe im Lande und nähre dich redlich.

4 Habe deine Lust am HERRN; der wird dir geben, was dein Herz wünscht.

5 Befiehl dem HERRN deine Wege und hoffe auf ihn, er wird‘s wohl machen

6 und wird deine Gerechtigkeit heraufführen wie das Licht und dein Recht wie den Mittag.

7 Sei stille dem Herrn und warte auf ihn. Entrüste dich nicht über den, dem es gut geht, der seinen Mutwillen treibt.

16 Das Wenige, das ein Gerechter hat, ist besser als der Überfluss vieler Gottloser.

39 Der Herr hilft den Gerechten, er ist ihre Stärke in der Not.

Wir singen das Vertrauenslied 376, das wir auch beten können, wenn wir zeitweise von Gottes Hilfe nicht viel spüren:

1. So nimm denn meine Hände und führe mich bis an mein selig Ende und ewiglich. Ich mag allein nicht gehen, nicht einen Schritt: wo du wirst gehn und stehen, da nimm mich mit.

2. In dein Erbarmen hülle mein schwaches Herz und mach es gänzlich stille in Freud und Schmerz. Lass ruhn zu deinen Füßen dein armes Kind: es will die Augen schließen und glauben blind.

3. Wenn ich auch gleich nichts fühle von deiner Macht, du führst mich doch zum Ziele auch durch die Nacht: so nimm denn meine Hände und führe mich bis an mein selig Ende und ewiglich!

Liebe Trauergemeinde!

Auf ein langes, erfülltes Leben blicken wir zurück, wenn wir an Frau W. denken. Ein Leben voller Arbeit, aber nicht nur für die Arbeit, ein langes Leben, das sie bis zuletzt bewusst und in Würde geführt hat, ein Leben, das nicht vom Leid verschont blieb und auch nicht ohne Liebe auskommen musste.

Erinnerungen an das Leben der Verstorbenen

Frau W. wusste, dass sie nicht mehr lange zu leben hatte und fand in einem Hospiz den Ort, wo man ihr die Schmerzen linderte, soweit das überhaupt möglich war, und wo sie in Ruhe und in Würde von dieser Welt Abschied nehmen konnte. Am Tag vor ihrem Tod, hat sie Ihnen gesagt: „Ich glaube, den nächsten Tag erlebe ich nicht mehr.“ Sie sind dann viele Stunden bei ihr geblieben; in der Nacht ist sie dann wirklich gestorben.

Vorher hatte sie ihre Angelegenheiten geordnet und auch gesagt, was ihr für ihre Bestattung wichtig war. Zum Beispiel sollte unbedingt ich als ihr Gemeindepfarrer die Trauerfeier halten, und sie hatte auch die Lieder ausgesucht. Außerdem hatte sie noch eine Lebensweisheit notiert, die ihr wichtig war:

Und wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her.

Sie gab in ihrem Leben die Hoffnung nicht auf, egal was kam, und selbst zuletzt, als sie ihr Leben loslassen musste, da war sie nicht verlassen und nicht ohne Hoffnung. Die Worte, die wir nachher singen werden, haben wir mit ihr gemeinsam noch wenige Tage vor ihrem Tod gebetet:

Von guten Mächten wunderbar geborgen

Als wir uns überlegt haben, was für ein Bibelwort ich dieser Ansprache zugrundelegen sollte, fanden Sie in den Notizen von Frau W. einen Bibelspruch, den sie sich abgeschrieben hatte (Matthäus 12, 33)

An der Frucht erkennt man den Baum.

Dass ihr dieses Wort gefiel, hat sicher auch damit zu tun, dass sie immer gern für ihre Balkonblumen gesorgt, dass sie Rosen geliebt und dass sie sich viele Jahre um die Pflege der Hecken und Bepflanzungen rund um das Haus gekümmert hat, in dem sie wohnte. In einem der ersten Jahre hat sie eine Edeltanne auf den Rasen vor ihrem Fenster gepflanzt, die innerhalb von über 30 Jahren inzwischen das Haus überragt. „An der Frucht erkennt man den Baum.“

Vielleicht hat Frau W. bei diesem Wort auch an die Menschen gedacht, mit denen man ja wie mit Bäumen durchaus unterschiedliche Erfahrungen machen kann. Ursprünglich lesen wir den Satz bei Jesus in diesem Zusammenhang (Matthäus 12, 33):

Nehmt an, ein Baum ist gut, so wird auch seine Frucht gut sein; oder nehmt an, ein Baum ist faul, so wird auch seine Frucht faul sein. Denn an der Frucht erkennt man den Baum.

Jesus will damit sagen, dass es weniger darauf ankommt, wieviel Geld ein Mensch hat oder welches Ansehen er unter den Menschen hat oder wie bedeutend er sich selber vorkommt. Vielmehr kommt es auf die Früchte an, die er bringt.

Aber welche Frucht kann man von einem Menschen erwarten? Es geht nicht um irgendwelche großartigen Leistungen, die der Mensch aus eigener Kraft erbringen muss. Nein, es geht darum, dass der Mensch wie ein guter Baum sich damit beschenken lässt, dass er gute Früchte hervorbringt – und jeder Mensch ist sehr gut geschaffen, sogar nach Gottes Ebenbild, wie man in der Bibel schon auf ihren ersten Seiten in der Schöpfungsgeschichte lesen kann. Nach Gottes Ebenbild – das bedeutet nicht, dass wir wie Gott aussehen. Nein, wir sind Gott dann ähnlich, wenn wir Liebe empfangen und weitergeben. Paulus beschreibt die Frucht, die ein Mensch bringen soll, so (Galater 5, 22-23):

Die Frucht aber des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut [und Selbstbeherrschung].

An erster Stelle dieser Liste steht wieder – sicher nicht zufällig – die Liebe, denn sie ist es, die unserem Leben Sinn gibt und die auch noch bleibt, wenn wir im Sterben unser irdisches Leben loslassen und aufgeben müssen.

In der Ewigkeit empfängt uns Gott, der Vater Jesu Christi, mit eben dieser Liebe, die er uns in seinem Sohn offenbart hat, so dass wir ewigen Frieden erfahren und uns im Himmel für immer freuen können.

Im Vertrauen auf diese Liebe Gottes lassen wir Frau W. in ihrem Tode los und trösten uns damit, dass sie bei Gott für immer gut aufgehoben bleibt. Amen.

Wir singen das Lied 65 auf dem Liedblatt:
Von guten Mächten treu und still umgeben

Hinweise zur Veröffentlichung anonymisierter Texte von Trauerfeiern auf dieser Homepage

Schreibe einen Kommentar

Mit dem Abschicken des Kommentars stimmen Sie seiner Veröffentlichung zu (siehe Datenschutzerklärung). Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.