Bild: Kinder vom Kindersonntag

Pädagogische Gnade

Gottes Gnade „nimmt uns in Zucht“, damit übersetzt Luther ein Wort, das wir im Griechischen besser verstehen würden: sie tut, was ein Pädagoge tut, eine gute Erzieherin. Gottes pädagogisch wirkende Gnade, Liebe, Solidarität erzieht uns dazu, dass wir „besonnen, gerecht und fromm in dieser Welt leben“, also: Vernunftgeleitet. Treu der Wegweisung Gottes. Im Vertrauen auf Gott.

Christvesper an Heiligabend, Donnerstag, 24. Dezember 2009, um 18.00 Uhr in der evangelischen Pauluskirche Gießen
Eine aus Knetmasse von Kindern gestaltete Krippenlandschaft
Kinder vom Kindersonntag der Evangelischen Paulusgemeinde Gießen haben diese Krippenlandschaft gestaltet

Guten Abend, liebe Gemeinde!

In der Christ-Vesper begrüße ich alle herzlich mit dem Wort aus dem Evangelium nach Johannes 1, 14: „Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit.“

Bei der Besinnung auf das Wunder der Heiligen Nacht schauen wir uns in diesem Gottesdienst auch Szenen der Weihnachtsgeschichte an, wie sie die Kinder beim letzten Kindersonntag gestaltet haben, und wir dürfen auf Bilder gespannt sein, die unsere Konfirmandinnen und Konfirmanden zum Thema Weihnachten gemalt haben.

Nun singen wir das Lied 30, Strophe 1 bis 3:

1. Es ist ein Ros entsprungen aus einer Wurzel zart, wie uns die Alten sungen, von Jesse kam die Art und hat ein Blümlein bracht mitten im kalten Winter wohl zu der halben Nacht.

2. Das Blümlein, das ich meine, davon Jesaja sagt, hat uns gebracht alleine Marie, die reine Magd; aus Gottes ewgem Rat hat sie ein Kind geboren, welches uns selig macht.

3. Das Blümelein so kleine, das duftet uns so süß; mit seinem hellen Scheine vertreibt’s die Finsternis. Wahr‘ Mensch und wahrer Gott, hilft uns aus allem Leide, rettet von Sünd und Tod.

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

Von einer Rose haben wir gesungen, einer Blume, die mitten im Winter aufblüht. Ein Kind wird geboren in der Kälte eines Viehstalls, hinein in die Kälte einer Welt voll von Krieg und Not. Mit der Wärme seines Herzens durchdringt es die Kälte, durch das Licht seiner Liebe wird es im Dunkeln hell.

Kommt, lasst uns anbeten! Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Was haben die Alten gesungen in den Psalmen und Prophetenbüchern der Heiligen Schrift? „Es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen“ (Jesaja 11, 1). Von Jesse war die Art, damit ist Isai gemeint, der Vater des Königs David, auf ihn geht der Stammbaum Jesu zurück. Davids ganz besonderer Nachkomme sollte der Messias sein, der Gesalbte, der Christus, der für Israel und die Welt Heil und Frieden bringen würde. Nun wird er geboren, im Stall zu Bethlehem, er wird „wahr Mensch und wahrer Gott“, er rettet von Sünd und Tod. Wir rufen zu Gott:

Herr, erbarme dich! „Herr, erbarme dich, Christe, erbarme dich, Herr, erbarm dich über uns!“

Ein kleines Blümlein, das mitten im Winter aufblüht, wie kann es die Kälte dieser Welt überstehen? Maria, das junge Mädchen, die Magd Gottes, die Mutter Jesu, sie bringt ihr Kind zur Welt, wickelt es in Windeln, umsorgt es mit ihrer Fürsorge; und Josef ist auch da, der seine Vaterpflichten annimmt und das Kind beschützt und ihm Vorbild ist, so gut und so lange er kann. Nicht ewig werden sie ihr Kind vor allem bewahren können. Aber dieses Kind: uns wird es helfen im Leid, uns wird es retten vom Tod, uns macht es glückselig!

Lasst uns Gott lobsingen! „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen. Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat; nun ist groß Fried ohn Unterlass, all Fehd hat nun ein Ende.“

Der Herr sei mit euch „und mit deinem Geist.“

Vater Jesu Christi, lass uns hören auf die Worte der Weihnachtsbotschaft und ihren Sinn begreifen. Darum bitten wir dich im Namen Jesu Christi, unseres Herrn. „Amen.“

Während wir die vertrauten Worte des Weihnachtsevangeliums nach Lukas 2 hören, sind oben an der Wand Fotos von der Krippenlandschaft zu sehen, die unsere Kindersonntagskinder am Eingang der Kirche gestaltet haben.

kinderkrippe-maria-josefDrei Mal unterbreche ich die Lesung, dann singen wir je eine Strophe aus dem Lieb 46: „Stille Nacht“.

1 Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde.

2 Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war.

3 Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeder in seine Stadt.

4 Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, weil er aus dem Hause und Geschlechte Davids war,

5 damit er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger.

6 Und als sie dort waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte.

7 Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.

Wir singen aus dem Lied 46 die Strophe 1:

1) Stille Nacht, heilige Nacht! Alles schläft, einsam wacht nur das traute, hochheilige Paar. Holder Knabe im lockigen Haar, schlaf in himmlischer Ruh, schlaf in himmlischer Ruh.

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8 Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde.

9 Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr.

10 Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird;

11 denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.

12 Und das habt zum Zeichen: ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.

13 Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen:

14 Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.

kinderkrippe-engelchoereWir singen die 2. Strophe:

2) Stille Nacht, heilige Nacht! Hirten erst kundgemacht, durch der Engel Halleluja tönt es laut von fern und nah: Christ, der Retter, ist da, Christ, der Retter, ist da!

15 Und als die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Lasst uns nun gehen nach Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat.

16 Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen.

17 Als sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, das zu ihnen von diesem Kinde gesagt war.

18 Und alle, vor die es kam, wunderten sich über das, was ihnen die Hirten gesagt hatten.

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Wir singen die 3. Strophe:

3) Stille Nacht, heilige Nacht! Gottes Sohn, o wie lacht Lieb aus deinem göttlichen Mund, da uns schlägt die rettende Stund, Christ, in deiner Geburt, Christ, in deiner Geburt.

19 Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen.

20 Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.

Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. Halleluja! „Halleluja, Halleluja, Halleluja.“

Glaubensbekenntnis

Wir singen das Lied 48:

1. Kommet, ihr Hirten, ihr Männer und Fraun, kommet, das liebliche Kindlein zu schaun, Christus, der Herr, ist heute geboren, den Gott zum Heiland euch hat erkoren. Fürchtet euch nicht!

2. Lasset uns sehen in Bethlehems Stall, was uns verheißen der himmlische Schall; was wir dort finden, lasset uns künden, lasset uns preisen in frommen Weisen. Halleluja!

3. Wahrlich, die Engel verkündigen heut Bethlehems Hirtenvolk gar große Freud: Nun soll es werden Friede auf Erden, den Menschen allen ein Wohlgefallen. Ehre sei Gott!

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Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Liebe Gemeinde, ein Redakteur einer Gießener Tageszeitung schrieb vor ein paar Tagen über das Missverständnis, mit dem Ende der Weihnachtsmärkte sei die Weihnachtszeit vorbei. Er stellte richtig: die Adventszeit ist vorbei, Weihnachten beginnt erst heute Abend. Aber was ist Weihnachten? Worin besteht das Wunder dieser Nacht?

Wenn man Kinder, Jugendliche, Konfis fragt, was für sie das Wichtigste an Weihnachten ist, dann antworten die meisten: „die Geschenke“. Aber das ist ja noch nicht das Besondere an Weihnachten. Geschenke gibt es auch zum Geburtstag, an Ostern und am Nikolaustag.

konfis-geschenkfestekonfis-blitzbaumWenn man genauer nachfragt, wissen sie, dass das nicht alles ist; sie haben durchaus ihre eigenen Vorstellungen auch von der Weihnachtsgeschichte der Bibel. Als ich sie in der letzten Konfi-Stunde vor Weihnachten bat, ein Weihnachtsbild zu malen, hat nur einer die Geschenke unter dem Weihnachtsbaum gemalt.

Ein zweiter malte zwar ebenfalls einen Christbaum, aber die Blitze, die an ihm herunterzucken, sind für mich ein Zeichen, dass hinter Weihnachten mehr steckt als nur ein Baum- und Geschenkefest.

konfi-kind-geborenAlle anderen hielten sich an die Grundbotschaft der biblischen Geschichte: Uns ist ein Kind geboren, ein Kind, das eine ungeheure Bedeutung hat, nicht nur für die Kirche, für uns alle, für die ganze Welt.

Ich möchte diese Bilder auch deshalb zeigen, weil unser heutiger Predigttext sehr wenig bildhaft ist. Er kommt ganz ohne die Erwähnung von Maria und Josef, Hirten und Engeln, Stall und Krippe aus. Aber gerade das sind für viele Menschen wesentliche Bestandteile der Weihnachtsbotschaft, auch für Konfis, hier ein Beispiel: konfis-stall-bethlehemAnders sieht es aus im heutigen Predigttext. Da schreibt ein unbekannter Christ lange nach dem Tod des Apostels Paulus einen Brief im Namen des Paulus an einen gewissen Titus. In diesem Brief kommt im Kapitel 2, Verse 11 bis 14, eine Art Weihnachtsgruß vor.

Ich lese den Text gleich vor, in der Übersetzung von Martin Luther, und ich warne vorher: Er ist nicht leicht zu verstehen. Ich erspare es mir und Ihnen nicht, uns damit auseinanderzusetzen, aber damit das nicht zu anstrengend wird, illustriere ich manches, was ich sage, mit Bildern unserer Konfis. Sollten Sie denken, dass manches vielleicht etwas zu weit hergeholt ist, dann haben Sie vermutlich Recht.

Mich erinnert der Weihnachtsgruß aus dem Titusbrief an das Lied der Engel in der Weihnachtsgeschichte nach Lukas. Darum lasse ich im Hintergrund, während ich vorlese, einen sehr beeindruckenden Engel erscheinen, den eine Konfirmandin gemalt hat (Titus 2):

konfis-grosser-engel11 Denn es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen

12 und nimmt uns in Zucht, dass wir absagen dem ungöttlichen Wesen und den weltlichen Begierden und besonnen, gerecht und fromm in dieser Welt leben

13 und warten auf die selige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gottes und unseres Heilandes Jesus Christus,

14 der sich selbst für uns gegeben hat, damit er uns erlöste von aller Ungerechtigkeit und reinigte sich selbst ein Volk zum Eigentum, das eifrig wäre zu guten Werken.

Soweit der Weihnachtsgruß aus dem Titusbrief. Was mich daran an die Engel aus dem Lukasevangelium erinnert, ist die Herrlichkeit Gottes, die uns erscheint und irgendetwas mit uns auf der Erde zu tun hat. Was genau, werden wir sehen, denn nun gehe ich am Text noch einmal entlang und versuche ihn uns begreiflich zu machen.

konfis-netter-engel„Es ist erschienen“, heißt es da. Erscheinen kann der Stern von Bethlehem, erscheinen können Engel, die vom Himmel oder im Traum erscheinen. Manchmal sehen sie nicht so gewaltig aus wie der Engel der ersten Konfirmandin, dieser hier sieht sehr nett aus.

„Es ist erschienen allen Menschen“ kann man aber auch nüchterner übersetzen: Etwas ist neu ins Licht der Öffentlichkeit getreten, allen Menschen bekannt gemacht worden, zur Welt gekommen. Das ist überhaupt der Grund, weshalb Lukas und Matthäus in ihrem Weihnachtsevangelium so viele Engel erwähnen: Hier wird von Gott etwas aller Welt offenbart, öffentlich gemacht, und dazu benutzt er seine Boten, die Engel. konfis-josefs-engelEin Konfirmand hat hier zum Beispiel den Josef gemalt, wie er auf seinem Bett liegt und von einem Engel träumt. Der hat eine wichtige Botschaft für ihn: Er soll Maria nicht verlassen, von der er meint, dass sie ihn betrogen hat, sondern er soll sie als Ehefrau und das Kind als sein Kind annehmen, denn es ist kein Kind der Schande, sondern ein heiliges Kind.

Der Titusbrief spricht allgemeiner von der Neuigkeit, die an Weihnachten öffentlich bekanntgemacht wird: Erschienen ist „die heilsame Gnade Gottes“. Gnade ist eine bestimmte Art von Liebe, bei der die Betonung nicht auf dem Gefühl, sondern auf dem praktischen Für-jemanden-da-Sein liegt. Modern könnten wir Gnade mit „Solidarität“ übersetzen: Gott lässt uns Menschen nicht im Stich, die er ja geschaffen hat nach seinem Bilde, nach dem Bild eben dieser Liebe; das heißt, wir sind genau so liebebedürftig, wie wir dazu berufen sind, Liebe zu empfangen und weiterzuverschenken.

konfis-krippen-engelBei einem Kind ist das jedem offensichtlich; wir Erwachsenen vergessen das oft, dass auch wir Liebe brauchen. Heilsam, heilbringend, rettend, befreiend ist Gottes Liebe, indem Gott sich an unsere Seite stellt, vor allem wenn wir verletzt und gedemütigt, krank oder tieftraurig oder voller Schuldgefühle sind.

Was macht nun Gottes Gnade, wenn sie uns zur Seite steht? „Sie nimmt uns in Zucht“, damit übersetzt Luther ein Wort, das wir im Griechischen besser verstehen würden: sie tut, was ein Pädagoge tut, eine gute Erzieherin. Es mag uns vielleicht nicht gefallen, dass Gott uns auf diese Weise liebt und zur Seite steht, denn wir sind doch keine kleinen Kinder mehr, aber da steht es: „die Gnade Gottes erzieht uns“, wenn wir uns auf sie einlassen.

Auch Jesus wurde erzogen von seinen Eltern, was hier im Bild einer Konfirmandin angedeutet wird:

konfis-eltern-jesuUnd wozu erzieht uns Gottes pädagogisch wirkende Gnade, Liebe, Solidarität? Sie erzieht uns dazu, dass wir „besonnen, gerecht und fromm in dieser Welt leben“.

Besonnen heißt: vernunftgeleitet. Im Gegensatz zu einer weitverbreiteten Meinung muss man nicht Verstand und Vernunft an der Kirchentür abgeben, sondern Gott will, dass wir unsere Geistesgaben, die er uns geschenkt hat, sinnvoll einsetzen.

Gerecht heißt: treu dem Gesetz, indem wir auf die Wegweisung Gottes in der Bibel hören, mit unserem Verstand darüber nachdenken und entsprechend handeln.

Fromm heißt: im Vertrauen auf Gott, also in dem Bewusstsein, dass wir Gutes und Sinnvolles nur mit der Hilfe Gottes und durch die Kräfte, die er uns schenkt, zustandebringen.

konfis-vater-mutter-jesuDas Stichwort „gerecht“ oder „treu dem Gesetz“ wird näher erläutert. Wir sollen bestimmte Dinge sein lassen, nämlich „absagen dem ungöttlichen Wesen und den weltlichen Begierden“. Das ist eine Erziehung zum Befolgen der Gebote 1 und 10: Keine anderen Götter haben als den Einen, der zur Liebe befreit. Und: Nicht begehren, was unser Nächster hat. Es ist wichtig zu begreifen: nicht alles, was Spaß macht, wird hier abgelehnt, sondern die Begierden dieser Welt sind in erster Linie eine Habgier, die andere Menschen samt ihrem Besitz für eigensüchtige Zwecke benutzt und ausbeutet. Und ungöttlich ist alles, was in unserem Leben wichtiger wird als die Liebe, zu der Gott uns befreit hat.

konfis-krippenbildUnd auch das Stichwort „fromm“, „im Gottvertrauen“, wird weiter ausgeführt. Alles, was wir tun, geschieht nämlich, indem wir zugleich „warten“, und zwar auf eine „selige Hoffnung“. An dieser Stelle wird besonders deutlich, wie kompakt dieser Text ist, denn in diesem Stichwort ist alles zusammenfasst, worauf die Menschen des Volkes Israel damals seit Jahrhunderten warteten und worauf wir in unseren Tagen immer noch unsere Hoffnung setzen: dass es endlich Gerechtigkeit für alle Menschen gibt, dass in allen Familien und Gemeinschaften und auch zwischen Völkern und Religionen endlich Frieden einkehrt. „Selige Hoffnung“ ist abgekürzte Redeweise für die beglückende Erfüllung der Menschheitssehnsüchte.

konfis-engel-ueber-stallAber wieso müssen wir immer noch warten? Ist nicht mit der Geburt Jesu in Bethlehem die „Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gottes“ endlich geschehen? Haben nicht die Engel von dieser Herrlichkeit, dieser Ehre Gottes in der Höhe gesungen, die sich endlich gewaltig durchsetzt, indem Friede auf Erden geschieht?

Es ist wie in der Geschichte mit dem geheimnisvollen Laden, in dem man Frieden kaufen kann oder sogar geschenkt bekommt. Am Ende bekommt der Käufer ein Tütchen mit Samen in die Hand: Es gibt den Frieden nicht fertig geliefert, mit dem Kind in der Krippe wird der Same des Friedens auf der Erde eingepflanzt, und mit der Geburt von uns allen konnten weitere Samenkörner dieses Friedens aufgehen; in unserem Leben selbst entscheidet es sich, ob dieser Same gedeiht oder ob wir ihn vor der Zeit absterben lassen.

konfis-engel-und-kuhIn unserem eigenen Leben also, mitten in unserer heutigen Wirklichkeit an der Schwelle zum Jahr 10 des 3. Jahrtausends nach Christi Geburt, dürfen wir also die „Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gottes“ erwarten, und wir erinnern uns vielleicht: Erscheinung heißt, dass die Ehre Gottes öffentlich sichtbar und wirksam wird. Wo wir Frieden wirken, einen Streit schlichten oder gar nicht erst vom Zaun brechen, da wird etwas von Gottes Herrlichkeit offenbar.

Begonnen hat dieses Warten, diese Hoffnung, der Anfang des Friedens auf der Erde mit der Geburt „unseres Heilandes Jesus Christus“, wobei Heiland einer ist, der uns heilt in unseren Zerrissenheiten sowohl seelisch als auch in unseren menschlichen Beziehungen.

konfis-bruchbudeWenn wir dieses Bild eines Konfirmanden betrachten, dann ahnen wir etwas davon, dass der Stall vielleicht weniger bunt und schön war, sondern eher eine Bruchbude, und wie sehr Maria und Josef wohl gefroren haben mögen, als sie ihr Kind dort betreuen mussten.

Ein Heiland ist einer, der in die unheile Welt mitten hineingeht, um sie zu heilen. Denn Jesus hat „sich selbst für uns gegeben, damit er uns erlöste von aller Ungerechtigkeit“. Es gibt keine Ausrede für uns, wir können nicht sagen: Ich kann die Gebote eben nicht halten, ich kann nicht über meinen Schatten springen, ich bin eben jähzornig, ich bin nicht zur Treue veranlagt. All das zählt nicht, Jesus kauft uns frei aus all dem, was wir angeblich nicht schaffen, und traut uns zu, neu anzufangen. Mag sein, dass das auch eine Zumutung ist, aber der Same des Friedens, der Liebe, der Gerechtigkeit soll ja aufgehen in unserem Leben.

Das Ganze muss übrigens keine Angelegenheit für Einzelkämpfer bleiben, denn zu guter Letzt heißt es: Jesus „reinigte sich selbst ein Volk zum Eigentum, das eifrig wäre zu guten Werken“.

konfis-besuch-krippeWir können viele Dinge besser in der Gemeinschaft planen und tun: uns gegenseitig ermutigen und trösten, Kranke besuchen, Kindern im Kindergarten vorlesen, ein Familienzentrum aufbauen und vieles mehr. Wo Leute auf Jesus hören, hier in der Kirche und überall in allen Ländern, wo heute ja auch Weihnachten gefeiert wird, da kommt ein ganzes Volk zusammen, das sozusagen ins Eigentum Jesu übergeht. So bilden Christen ein Grenzen überschreitendes Volk von Menschen aus allen Völkern, eine weltweite Gemeinschaft von Christen, die darauf brennt, Gutes zu tun.

konfis-flucht-nach-aegyptenJesus selbst musste übrigens schon als Baby aus einer Not heraus Grenzen überschreiten, ins Ausland gebracht werden. König Herodes wollte ihn töten lassen. Ein Konfirmand stellt hier die Flucht der Heiligen Familie nach Ägypten dar. Ihm war besonders wichtig, wie winzig sich die Fliehenden angesichts der endlos weiten Wüste und der riesigen Pyramiden gefühlt haben und dass sie doch Oasen gefunden haben und überleben konnten.

Dass es auch in der christlichen Gemeinschaft immer wieder Menschen wie Herodes gibt, dass die Kirche immer wieder einen Reinigunsprozess braucht, wie es im Titusbrief heißt, ist hochaktuell. Ein krasses Beispiel: Leider kommt es viel zu häufig vor, dass im Namen Gottes Verbrechen wie Kindesmissbrauch begangen und vertuscht werden, nicht nur in Irland, auch hierzulande, und es kostet oft viel Zeit und Mut, darüber eine Öffentlichkeit herzustellen und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Noch wichtiger ist, dass die Opfer in der Gemeinschaft der Christen einen Ort finden, wo ihre Not gehört wird, wo man für ihre verwundete Seele da ist, wo ihr zerstörtes Vertrauen behutsam wieder aufgebaut werden kann.

Problematisch an den krassen Fällen ist allerdings, dass wir sie auch benutzen können, um mit dem Finger von uns wegzuweisen. Wir wissen ja, dabei zeigen mehrere Finger auf uns zurück. Auch wir haben Grund, uns immer wieder nach unserer eigenen sauberen Weste zu fragen. konfis-heilige-familieWo setzen wir Menschen unter Druck, wo haben wir zu wenig Zeit für ein Kind, wo hören wir nicht richtig zu? Mache ich vor lauter Schreibtischarbeit zu wenig Besuche, kommt vor lauter Arbeit oder Ehrenamt die eigene Familie zu kurz? Es geht nicht darum, uns ein schlechtes Gewissen zu machen, sondern um die selige Hoffnung: auch wir dürfen Frieden finden für unsere Seele, denn Jesus selbst reinigt uns, indem wir uns ihm anvertrauen, auch mit dem, was in uns und an unserem Verhalten nicht in Ordnung ist. Er vergibt uns, und wir dürfen den Samen für Friede, Freude, Liebe wieder wachsen lassen in unserem Leben. Amen.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben. Amen.

Wir singen das Lied 542 vom Stern über Bethlehem, der uns zur Krippe führt und auch wieder zurück zu uns nach Haus:

Stern über Bethlehem, zeig uns den Weg

Heiliger Gott, du lässt dich erkennen und anbeten in dem Kind in der Krippe. Du lässt deine Friedensgeschichte mit uns Menschen dort anfangen, wo es keiner vermuten würde, du lässt die Geschichte weiterverkünden durch Hirten, denen keiner glauben würde, du vertraust dennoch darauf, dass wir der Verkündigung der Hirten unser Vertrauen schenken.

Schenke uns den Frieden, der mit Jesus beginnt, wo wir aufhören, uns überall selber behaupten zu müssen, wo wir Schuld zugeben und um Vergebung bitten können, wo wir erste Schritte zur Versöhnung tun, wo wir barmherzig mit uns sind und aufhören, uns zu überfordern, wo wir barmherzig mit dem sind, der uns auf die Nerven geht. Schenke uns Trost, wo wir nicht weiter wissen, trockne unsere Tränen, die wir an Weihnachten weinen, und lass uns die Liebe zeigen, die wir für andere Menschen übrig haben.

In der Stille bringen wir vor dich, Gott, was wir persönlich auf dem Herzen haben.

Stille und Vater unser
Abkündigungen

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

Wir singen das Lied 44 und gehen dann mit dem Orgelnachspiel hinaus in die Heilige Nacht:

1) O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit! Welt ging verloren, Christ ist geboren: Freue, freue dich, o Christenheit!

2) O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit! Christ ist erschienen, uns zu versühnen: Freue, freue dich, o Christenheit!

3) O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit! Himmlische Heere jauchzen dir Ehre: Freue, freue dich, o Christenheit!

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