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Geborgenheit in Gott und Rachewünsche

Der Psalm 139 kennt die Brüche in unserem Seelenleben – den Zwiespalt zwischen dem Vertrauen zu Gott und dem Hass auf böse Menschen. Gott weiß: Menschen ohne Liebe können zu blutgierigen Ungeheuern werden. Erst recht versteht Gott die Gefühle der Menschen, die solcher Blutgier machtlos ausgeliefert sind. Wir dürfen uns von Gott die Rache wünschen. Ausführen dürfen wir sie nicht.

Ein Herz, das aussieht wie aus getrocknetem Lehm, sehr brüchig
Gott kennt die Brüche in unserem Seelenleben (Bild: Dimitri WittmannPixabay)

#predigtTaufgottesdienst am 4. Sonntag nach Trinitatis, den 8. Juli 2001, 10.00 Uhr in der evangelischen Pauluskirche Gießen
Musik und Einzug der Täuflinge mit Eltern und Paten

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

Ich begrüße alle herzlich mit dem Wort aus dem Brief an die Galater 6, 2:

Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.

Heute taufen wir die Kinder … und … . Die beiden sind uns gemeinsam mit ihren Eltern und Paten und anderen Verwandten und Freunden herzlich willkommen!

Wie es sich so gefügt hat, haben beide Familien für ihre Kinder einen Taufspruch aus dem Psalm 139 ausgewählt. Das ist Grund genug, diesen Psalm ganz in den Mittelpunkt dieses Gottesdienstes zu stellen.

Lied 506, 1+4+5:

1) Wenn ich, o Schöpfer, deine Macht, die Weisheit deiner Wege, die Liebe, die für alle wacht, anbetend überlege: so weiß ich, von Bewundrung voll, nicht, wie ich dich erheben soll, mein Gott, mein Herr und Vater.

4) Dich predigt Sonnenschein und Sturm, dich preist der Sand am Meere. Bringt, ruft auch der geringste Wurm, bringt meinem Schöpfer Ehre! Mich, ruft der Baum in seiner Pracht, mich, ruft die Saat, hat Gott gemacht; bringt unserm Schöpfer Ehre!

5) Der Mensch, ein Leib, den deine Hand so wunderbar bereitet, der Mensch, ein Geist, den sein Verstand dich zu erkennen leitet: der Mensch, der Schöpfung Ruhm und Preis, ist sich ein täglicher Beweis von deiner Güt und Größe.

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. „Amen.“

1 HERR, du erforschest mich und kennest mich.

So beginnt der Psalm 139, der uns durch diesen Gottesdienst begleiten wird.

2 Ich sitze oder stehe auf, so weißt du es; du verstehst meine Gedanken von ferne.

3 Ich gehe oder liege, so bist du um mich und siehst alle meine Wege.

Zu dir, Gott, beten wir, nicht weil wir dir etwas Neues erzählen müssten, sondern damit wir uns vergewissern: Du bist für uns da!

4 Denn siehe, es ist kein Wort auf meiner Zunge, das du, HERR, nicht schon wüsstest.

5 Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Und so endet der Psalm 139:

23 Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz; prüfe mich und erkenne, wie ich’s meine.

24 Und sieh, ob ich auf bösem Wege bin, und leite mich auf ewigem Wege.

Gott, auch in der Beichte verraten wir dir nichts Neues. Du kennst uns besser als wir selbst: was wir brauchen und ersehnen, worauf wir stolz sind, wo wir versagen und was wir nicht gern eingestehen. Hilf uns, dass wir vor uns selbst nicht weglaufen. Wir bitten dich, Gott, um Vergebung:

Herr, erbarme dich! „Herr, erbarme dich, Christe, erbarme dich, Herr, erbarm dich über uns!“

Gott, woher kennst du uns so gut? Du bist die Schöpferkraft, die das Universum ewig durchdringt, und bist jedem einzelnen Geschöpf unmittelbar verbunden. Mit Psalm 139 beten wir:

13 Du hast meine Nieren bereitet und hast mich gebildet im Mutterleibe.

14 Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele.

15 Es war dir mein Gebein nicht verborgen, als ich im Verborgenen gemacht wurde, als ich gebildet wurde unten in der Erde.

16 Deine Augen sahen mich, als ich noch nicht bereitet war, und alle Tage waren in dein Buch geschrieben, die noch werden sollten und von denen keiner da war.

Lasst uns Gott lobsingen! „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen. Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat; nun ist groß Fried ohn Unterlass, all Fehd hat nun ein Ende.

Der Herr sei mit euch! „Und mit deinem Geist!“

Dankbar sind wir für zwei Kinder, die du wunderbar gemacht hast, Gott, die du von allen Seiten mit deiner Liebe umgibst. Dankbar bringen wir sie in die Kirche und taufen sie im Namen Jesu Christi, unseres Herrn. „Amen.“

Christen glauben, dass die Taufe auf den Willen Jesu zurückgeht. Im Taufevangelium nach Matthäus 28, 16-20, hören wir Jesu Einladung, uns auf ein Leben als Kinder Gottes einzulassen:

16 Die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte.

17 Und als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder; einige aber zweifelten.

18 Und Jesus trat herzu und sprach zu ihnen: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.

19 Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes

20 und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.

Herr, dein Wort ist unseres Fußes Leuchte und ein Licht auf unserem Wege. Halleluja. „Halleluja, Halleluja, Halleluja!“

Liebe Tauffamilien und liebe Gemeinde! Beide Kinder, die wir heute taufen, sind noch sehr jung – … ist fünf Monate alt und … wird morgen erst ganze drei Monate. Totzdem sieht man schon die unterschiedliche Persönlichkeit dieser Kinder – keineswegs sehen alle Babies gleich aus, und jedes von ihnen fordert seine Eltern auf seine eigene Weise. Gemeinsamkeiten gibt es allerdings auch – zum Beispiel dass sich in beiden Familien auch die Väter liebevoll um ihr erstgeborenes Kind kümmern, und – was vorhin schon erwähnt wurde, dass die Eltern beider Kinder einen Taufspruch aus demselben Psalm ausgesucht haben. Die beiden Verse kamen auch schon in den Eingangsgebeten vor.

Der Psalm 139 ist durchdrungen von einem unmittelbaren Gottvertrauen zu Gott. So hat später Jesus vertrauensvoll zu seinem Vater im Himmel gebetet – und uns erlaubt und ermutigt, das gleiche zu tun – Gott selber lebendig in uns zu spüren, den Heiligen Geist, der uns trägt und tröstet, der uns ermutigt und in die Verantwortung ruft.

Sie, liebes Ehepaar …, haben für die kleine … als Taufspruch Psalm 139, 5 ausgewählt:

Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.

Gott ist einfach da, er trägt uns und umgibt uns. Wir können nicht tiefer fallen als in seine Hände, und wir sind beschirmt von guten Händen. Diese Nähe bedroht nicht und engt nicht ein, sondern sie schafft Wärme und Geborgenheit.

Gott erfüllt als unendlich große liebende Kraft das ganze Weltall und ist zugleich an uns kleinen Lebewesen auf unserem kleinen blauen Planeten interessiert – auch an diesem Menschenkind.

Und Sie, liebe Familie …, haben für den kleinen … Psalm 139, 14 als Taufspruch ausgesucht:

Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele.

Zum Staunen ist der Mensch – ein Wunderwerk Gottes! Dass jeder Mensch wunderbar gemacht ist, wird nicht dadurch geschmälert, dass Medizin und Genforschung große Fortschritte machen. Wie unvorstellbar kompliziert sind die Abläufe, die funktionieren müssen, damit wir leben können! Gottes Schöpferkraft geht Wege, die selbst größter medizinischer Sachverstand nur mit Bewunderung nachvollziehen kann. Dankbar empfangen wir auch als moderne Menschen unsere Kinder aus Gottes Hand und freuen uns über das Wunder dieses Lebens.

Wunderbar gemacht – damit ist allerdings nicht technische Perfektion in jeder nur denkbaren Hinsicht gemeint. Menschen sind keine genormten Produkte, die einem bestimmten Standard entsprechen müssen. Wunderbar gemacht ist auch das Kind, das von Geburt an mit gesundheitlichen Einschränkungen leben muss.

Ohnehin gehört es zum menschlichen Leben dazu, immer wieder auch bedürftig zu sein, Bedürfnisse zu haben. Am neugeborenen Kind ist das jedem offensichtlich; auch das gesündeste Kind kann ohne die Sorge und Liebe anderer Menschen nicht überleben und zur Selbständigkeit heranwachsen. Und auch als erwachsene Menschen sind wir ja nur relativ selbständig und bleiben angewiesen auf Unterstützung, auf sozialen Kontakt, auf Liebe, sonst bliebe unser Leben leer und unerfüllt.

Unsere von Liebe erfüllte Seele erkennt, wie wunderbar Gottes Werke sind. Wunderbar sind diese Kinder, weil es gut ist, dass sie auf der Welt sind, weil sie willkommen geheißen werden auf der Erde. Sie gehören hierher und sind geliebt und werden das Gesicht dieser Erde ein ganz kleines bisschen mitprägen. Sie sind wichtig in Gottes Schöpfung und dürfen selbstbewusst und liebevoll heranwachsen.

Von Geburt an sind unsere Kinder auch Gottes Kinder, von ihm geschaffen und von ihm ihren Eltern anvertraut. In der Taufe machen wir das öffentlich deutlich – diese Kinder gehören zu Gott, der ihr Schöpfer ist, der sie in Jesus zu sich ruft, der als der Heilige Geist die Liebe selbst ist.

Lied 212, 1-3+6: Voller Freude über dieses Wunder

Liebe Tauffamilien, liebe Gemeinde! Schon vor seiner Taufe ist ein Kind ein Gotteskind. In seiner Taufe wird diese Tatsache ein für allemal besiegelt. Bei der Konfirmation oder noch später wird dann die persönliche Entscheidung fallen: Wie steht der heranwachsende, der erwachsene Mensch selber dazu? Sagt er dazu Ja oder Nein? Heute und in den Jahren der Erziehung eines Kindes sind es Eltern und Paten und darüber hinaus viele andere erwachsene Gemeindeglieder, die Verantwortung dafür tragen, dass ein ihnen anvertrautes Kind den Glauben als etwas Wertvolles und Lebendiges erfährt. In unserem eigenen Glauben, so unterschiedlich er ausgeprägt ist, finden Kinder ein Gegenüber, an dem ihr eigener Glaube im Laufe der Zeit wachsen kann. Was unser Glaube ist, das sprechen wir gemeinsam aus in den Bildworten des Apostolischen Glaubensbekenntnisses – stellvertretend auch für unsere beiden Taufkinder:

Glaubensbekenntnis und Taufen
Lied 619:

1) Er hält die ganze Welt in seiner Hand, er hält die ganze Welt in seiner Hand, er hält die ganze Welt in seiner Hand, Gott hält die Welt in seiner Hand.

2) Er hält das winzigkleine Baby in seiner Hand, er hält das winzigkleine Baby in seiner Hand, er hält das winzigkleine Baby in seiner Hand, Gott hält die Welt in seiner Hand.

3) Er hält die Sonne und den Mond in seiner Hand, er hält die Sonne und den Mond in seiner Hand, er hält die Sonne und den Mond in seiner Hand, Gott hält die Welt in seiner Hand.

4) Er hält auch dich und mich in seiner Hand, er hält auch dich und mich in seiner Hand, er hält auch dich und mich in seiner Hand, Gott hält die Welt in seiner Hand.

Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Liebe Gemeinde! Unsere Gedanken sind heute vor allem bei den Kindern, die wir getauft haben. Mit Worten aus dem Psalm 139 haben wir das Vertrauen ausgesprochen, dass Gott sie ins Leben gerufen hat, dass er ihr Leben will und ein Leben lang bei ihnen bleibt.

Aber unsere Gedanken sind in dieser Woche auch bei einem anderen Kind gewesen, das verschleppt und getötet worden ist, gar nicht weit von hier.

Betroffen macht uns auch die Nachricht, dass Frau Hannelore Kohl ihrem Leben selbst ein Ende gesetzt hat, da sie ihre Krankheit nicht mehr ertragen konnte.

Wo ist Gott, fragen wir, wenn Menschen keinen Ausweg mehr wissen aus Schmerzen oder Einsamkeit? Wo ist Gott, wenn Menschen zu Unmenschen werden und Kinder zu ihren Opfern?

Um zu erfahren, wo Gott ist, fragen wir ihn am besten selbst. Wir können dazu die Worte des 139. Psalms benutzen:

1 HERR, du erforschest mich und kennest mich.

2 Ich sitze oder stehe auf, so weißt du es; du verstehst meine Gedanken von ferne.

3 Ich gehe oder liege, so bist du um mich und siehst alle meine Wege.

4 Denn siehe, es ist kein Wort auf meiner Zunge, das du, HERR, nicht schon wüsstest.

5 Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.

Es ist wichtig, den Ton dieser Worte zu beachten. Dass Gott alle unsere Wege sieht, das kann auch Angst machen. Viele fürchten den Richter, der nur auf unsere Verfehlungen achtet und vor dem wir nicht bestehen können. Aber du, Gott, bist um uns als einer, der uns versteht, von ferne, ohne dass wir uns ausführlich erklären oder rechtfertigen müssten. Wir sind dir vertraut genug, dass du uns kennst, und zugleich auch noch fremd genug, dass du neugierig auf uns bist, sogar in unserem ganz normalen Alltag. Du bist Zeuge, wie unsere innersten Gedanken sich formen, noch bevor wir sie aussprechen. Und all das nicht, um uns wie eine Stasi oder Gestapo zu kontrollieren, sondern um uns unter deiner schützenden Hand Geborgenheit zu schenken.

6 Diese Erkenntnis ist mir zu wunderbar und zu hoch, ich kann sie nicht begreifen.

Begreifbar ist das nicht, nur nachvollziehbar in einem kindlichen Vertrauen, das sich auf ein Wunder einlassen kann. Können wir das nicht, müssten wir fliehen vor Gott, vor dem Glauben, vielleicht vor jedem Gedanken, ob es Liebe und Sinn und Hoffnung in dieser Welt gibt. Aber:

7 Wohin soll ich gehen vor deinem Geist, und wohin soll ich fliehen vor deinem Angesicht?

8 Führe ich gen Himmel, so bist du da; bettete ich mich bei den Toten, siehe, so bist du auch da.

9 Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer,

10 so würde auch dort deine Hand mich führen und deine Rechte mich halten.

Nein, Gott, wir machen uns etwas vor, wenn wir versuchen, vor dir wegzulaufen. Wenn du der Urgrund von allem bist, gibt es keinen Ort, wo du uns nicht wiederfindest. Selbst wenn wir mit Lichtgeschwindigkeit in die Weiten des Alls fliegen könnten, würdest du dort auf uns warten; bis ans Ende der Welt gingest du uns nach wie ein Vater oder eine Mutter, die sich Sorgen um ihr Kind machen. Sogar noch weiter: Selbst das Reich der Toten liegt nicht außerhalb deines Zugriffs. Auch da bist du.

Und wenn ich voller Verzweiflung bin, keinen Ausweg mehr sehe?

11 Spräche ich: Finsternis möge mich decken / und Nacht statt Licht um mich sein -,

12 so wäre auch Finsternis nicht finster bei dir, / und die Nacht leuchtete wie der Tag. Finsternis ist wie das Licht.

Dieser Psalm kennt auch die abgrundtiefe Verzweiflung. Den Wunsch, dass alles aufhört, dass die Finsternis des Todes alles zudecken soll. Wer nichts anderes sieht als Dunkelheit und Hoffnungslosigkeit, dem ist zu wünschen, dass er so beten kann: Bei dir ist selbst Finsternis wie das Licht! Lass mich aushalten, durchhalten, standhalten! Lass mich nicht ohne Begleitung und ohne ein offenes Ohr durch diese Dunkelheit gehen! Sei du selbst meine Zuflucht; sei du das Licht in meiner Finsternis, rette du mich aus meinen Ängsten!

So ist der Psalm 139 nicht nur ein Schönwetterpsalm – sondern in ihm kommt auch das vor, was uns an die Nieren geht:

13 Denn du hast meine Nieren bereitet und hast mich gebildet im Mutterleibe.

Gott schafft in uns das Organ für unsere innersten Gefühle, in der hebräischen Sprache sind das die Nieren. Dass uns etwas an die Nieren gehen kann, dass wir fühlen und sehnen, lieben und trauern, Schmerz und Freude, Angst und Zorn empfinden, das ist von Gott so gewollt. Ein Gott, der mit uns mitfühlt, erschafft uns als sein Ebenbild.

14 Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele.

15 Es war dir mein Gebein nicht verborgen, als ich im Verborgenen gemacht wurde, als ich gebildet wurde unten in der Erde.

16 Deine Augen sahen mich, als ich noch nicht bereitet war, und alle Tage waren in dein Buch geschrieben, die noch werden sollten und von denen keiner da war.

So gut kennt uns Gott. Doch umgekehrt können wir ihn nicht fassen. Er ist uns immer wieder fremd.

17 Aber wie schwer sind für mich, Gott, deine Gedanken! / Wie ist ihre Summe so groß!

18 Wollte ich sie zählen, so wären sie mehr als der Sand: / Am Ende bin ich noch immer bei dir.

Doch wenn wir voll Gottvertrauen sind, wenn wir am Ende allen Grübelns über Gottes Ratschlüsse immer noch bei ihm bleiben, können wir doch nicht das Böse in der Welt übersehen. Verglichen mit Gottes Güte belastet es uns um so mehr, was Menschen anderen Menschen antun und wie verzweifelt viele sind.

Was ist mit Menschen, die einem seelisch Belasteten den letzten Lebensmut nehmen? Was ist mit Menschen, die nicht einmal davor zurückschrecken, ein Kind zu missbrauchen oder zu töten? Gott weiß, dass ein Mensch ohne Liebe und ohne Vertrauen so sehr verzweifeln kann, dass er zu einem blutgierigen Ungeheuer wird. Erst recht versteht Gott die Gefühle der Menschen, die solcher Blutgier machtlos ausgeliefert sind. Sie dürfen so beten:

19 Ach Gott, wolltest du doch die Gottlosen töten! Dass doch die Blutgierigen von mir wichen!

20 Denn sie reden von dir lästerlich, und deine Feinde erheben sich mit frechem Mut.

21 Sollte ich nicht hassen, HERR, die dich hassen, und verabscheuen, die sich gegen dich erheben?

22 Ich hasse sie mit ganzem Ernst; / sie sind mir zu Feinden geworden.

Für uns Christen ist es ungewohnt, dass Hass- und Rachegefühle erlaubt sein sollen. Jesus hat doch geboten, die Feinde zu lieben. Aber er hat nicht gesagt, dass es keine Feinde gibt. Jesus verstand sehr gut, dass man den hassen kann, der eine Kinderseele zerbricht. Die Feindesliebe, zu der er aufruft, schaltet den Hass nicht einfach aus. Sie schaltet vielmehr das Denken ein und hilft zu unterscheiden: zwischen Fühlen und Handeln. Wir dürfen uns von Gott die Rache wünschen. Ausführen dürfen wir sie nicht. Denn auch Rache macht kein Unrecht ungeschehen. Und es hilft niemandem, wenn wir unser Herz verhärten und durch bitteres Unrecht anderer Menschen selber verbittert werden. Letzten Endes ist Feindesliebe wie jede Liebe ein Wunder – Gott selbst schafft in uns das Vertrauen, dass Liebe stärker ist als jeder Hass, stärker sogar als die eigenen Rachegefühle in uns.

Der Psalm 139 kennt die Brüche in unserem Seelenleben – den Zwiespalt zwischen dem Vertrauen zu Gott und dem Hass auf die bösen Menschen. Nur Gott kann die Brüche heilen – die in unserer Welt und die in unserer Seele. Darum schließt der Psalm mit der Bitte um Selbsterkenntnis:

23 Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz; prüfe mich und erkenne, wie ich’s meine.

24 Und sieh, ob ich auf bösem Wege bin, und leite mich auf ewigem Wege.

Amen.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben. Amen.

Lied 445, 1+5+6:

1) Gott des Himmels und der Erden, Vater, Sohn und Heilger Geist, der es Tag und Nacht lässt werden, Sonn und Mond uns scheinen heißt, dessen starke Hand die Welt und was drinnen ist, erhält:

5) Führe mich, o Herr, und leite meinen Gang nach deinem Wort; sei und bleibe du auch heute mein Beschützer und mein Hort. Nirgends als von dir allein kann ich recht bewahret sein.

6) Meinen Leib und meine Seele samt den Sinnen und Verstand, großer Gott, ich dir befehle unter deine starke Hand. Herr, mein Schild, mein Ehr und Ruhm, nimm mich auf, dein Eigentum.

Abkündigungen

Barmherziger Gott, guter himmlischer Vater! Schenke uns das Vertrauen zu dir, damit wir lieben und Verantwortung tragen können! Behüte die Kinder, die uns anvertraut sind! Lass Eltern finden, was sie brauchen, damit sie stark genug sind, für ihre Kinder da zu sein!

Wir bitten für alle, die sich geängstigt und von dir gestraft fühlen; lass sie spüren, dass du gerade den Mühseligen und Beladenen nahe bist, dass du jeden Verzweifelten aufrichten willst! Lass alle Menschen spüren, dass sie vor dir nicht fliehen und dich nicht leugnen müssen, sondern in dir den ruhenden Pol der Welt finden können. Lass uns in dir finden, was wir brauchen: Trost und Ansporn, Orientierung und Mut, damit wir zuversichtlich leben und unserer Verantwortung gerecht werden.

Schließlich bringen wir auch vor dich, was wir in den Nachrichten hören – die Grausamkeiten, die Menschen einander antun, die Verzweiflung der Eltern, die um ihr Kind trauern, und anderer Eltern, die sich zwischen Hoffen und Bangen zerreiben. Wir vertrauen dir auch an, wie bestürzt wir sind, wenn ein Mensch keinen anderen Ausweg mehr sieht, als sich das Leben zu nehmen.

Ratlos und machtlos sind wir manchmal und haben nicht zu richten. Es ist deine Gnade, wenn wir die Hoffnung nicht aufgeben, wenn in der Finsternis doch noch Licht aufscheint, wenn wir am Ende sind, und du mit uns doch nicht am Ende bist. Lass uns nicht verlorengehen! Amen.

In der Stille bringen wir vor dich, Gott, was wir außerdem auf dem Herzen haben:

Gebetsstille und Vater unser
Lied 171: Bewahre uns, Gott, behüte uns Gott

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. Amen, Amen, Amen!

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