Bild: Helmut Schütz

„Gott ist ein schützendes Dach“

Gott, wenn wir in der Bibel hören, dass du ein schützendes Dach bist, dann erkennen wir, dass ein Dach auch ein Bild ist, das uns vielleicht viel zu sagen hat. Bilder sind oft vielschichtig, haben verschiedene Seiten. Lass uns in diesem Gottesdienst über Geschichten der Bibel nachdenken, in denen Dächer vorkommen, lass uns durch diese Geschichten dich besser verstehen.

Dachsanierung der Evangelischen Pauluskirche Gießen - mit großem Baukran
Der Baukran im Juli 2015 über dem Dach der Evangelischen Pauluskirche Gießen

#predigtGottesdienst am Sonntag Laetare, den 6. März 2016, um 10.00 Uhr in der evangelischen Pauluskirche Gießen
Orgelvorspiel

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

Zum Gottesdienst mit dem Thema „Gott ist ein schützendes Dach“ am Sonntag Laetare begrüße ich alle herzlich in der Pauluskirche. „Laetare“ heißt der vierte Sonntag in der Passionszeit, in der in den christlichen Kirchen über das Leiden Jesu Christi nachgedacht wird. Der Name dieses Sonntages mitten in der Passionszeit bedeutet allerdings auf Deutsch: „Freut euch!“

Damit soll gesagt sein: Die Passionszeit ist nicht als solche eine Zeit des Trübsinns, sondern auch sie verträgt sich damit, dass wir uns als Christen unseres Lebens freuen dürfen. Gerade weil Jesus das Leben geliebt hat, aber eben nicht nur sein eigenes Leben, ist er ein Anstifter für gemeinsame Freude und für die Feier von Gottesdiensten, in denen wir unseren Dank an Gott ausdrücken.

Heute haben wir in der Paulusgemeinde einen besonderen Grund zur Freude. Wir schließen nämlich offiziell zwei Baumaßnahmen ab, die sehr notwendig und sehr teuer waren und innerhalb eines Dreivierteljahres durchgeführt werden konnten: die Dachsanierung unseres Gemeindezentrums und den kompletten Umbau der Pfarrwohnung unter eben diesem Dach. Im Hintergrund sehen Sie während unserer Gottesdienstfeier Fotos von der gesamten Bauzeit – wie die Pfarrwohnung vorher aussah, wie das Dach abgedeckt und erneuert wurde – bis zur Neugestaltung der Pfarrwohnung mit neuem Zuschnitt und neuem Balkon.

Die Dachgauben der Pfarrwohnung vor der Sanierung
Die Dachgauben der Pfarrwohnung vor der Sanierung

Besonders herzlich begrüßen wir Stefanie Muskau und Silke Rothmann vom Architekturbüro Seidel und Muskau unter uns, die die Baumaßnahmen zu unserer absoluten Zufriedenheit geleitet haben und die uns in der anschließenden Gemeindeversammlung über weitere geplante Bauvorhaben informieren wollen.

Das einzige Lied in unserem Gesangbuch, Nr. 648, in dem das Wort „Dach“ vorkommt, haben wir schon vor zweieinhalb Jahren nach der Kirchturmsanierung gesungen. Es ist zwar ein herbstliches Lied, in dem sich Gedanken zum Erntedankfest und zu den Totengedenktagen mischen, aber die Strophen 1 und 4 bis 6 kann man gut auch noch im Winter singen:

1. Des Jahres schöner Schmuck entweicht, die Flur wird kahl, der Wald verbleicht, der Vöglein Lieder schweigen; ihr Gotteskinder, schweiget nicht und lasst hinauf zum ewgen Licht des Herzens Opfer steigen.

4. Was Gottes Hand für uns gemacht, das ist nun alles heimgebracht, hat Dach und Raum gefunden. So sammle dir zur Gnadenzeit, o Seele, was dein Herr dir beut, für deine Kreuzesstunden!

5. Denn wie die Felder öde stehn, die Nebel kalt darüber wehn und Reif entfärbt die Matten, so endet alle Lust der Welt, des Lebens Glanz und Kraft zerfällt, schnell wachsen seine Schatten.

6. Es braust der Sturm, der Wald erkracht, der Wandrer eilt, um noch vor Nacht zu flüchten aus den Wettern. O Jesu, sei uns Dach und Turm, wenn nun des Lebens rauher Sturm uns will zu Boden schmettern.

Die Abrissarbeiten der Zwischenwände in der Pfarrwohnung
Die Abrissarbeiten der Zwischenwände in der Pfarrwohnung
Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

„Gott ist ein schützendes Dach.“ Diese Überschrift habe ich unserem heutigen Gottesdienst gegeben. Ein Dach ist ja vor allem da, um das Innere eines Hauses zu schützen. Und mit dieser Aufgabe eines Daches wird Gott im Buch Jesus Sirach 34 verglichen:

19 Die Augen des Herrn sehen auf die, die ihn liebhaben. Er ist ein gewaltiger Schild, eine starke Stütze, ein Schutz gegen die Hitze, ein schützendes Dach am heißen Mittag, er bewahrt vor dem Straucheln, er hilft vor dem Fall;

20 er erfreut das Herz und macht das Angesicht fröhlich und gibt Gesundheit, Leben und Segen.

Kommt, lasst uns Gott anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“
Das Dach des Gemeindezentrums wird abgedeckt
Das Dach des Gemeindezentrums wird abgedeckt

In den Ländern, wo die Bibel entstanden ist, schützten Dächer vor allem vor der Hitze am Mittag. Aber in Noahs Arche diente ein Dach auch wie in unseren Breiten als Schutz vor dem Regen (1. Buch Mose – Genesis 8, 13).

Und im Buch der Sprüche, das teils auch frauenfeindliche Ansichten enthält, wird ein ständig triefendes Dach mit einer zänkischen Frau verglichen (Sprüche 19, 13 und 27, 15). Wir freuen uns sowohl über ein neues gut abgedichtetes Dach, das mit einer Aufdachdämmung sogar zu viel Hitze und zu viel Kälte abhält, als auch über Frauen und Männer, die darauf verzichten, durch Macho-Gehabe oder Herumzickerei böses Blut in einer Gemeinschaft entstehen zu lassen.

Wo Menschen sich nicht von Gott und seinen guten Geboten belehren lassen, da werden sie im Buch der Weisheit wie Insassen eines dunklen Gefängnisses beschrieben, „eingeschlossen unter ihren Dächern“ (Weisheit 17, 1-2):

1 Groß und unaussprechbar sind deine Gerichte, Herr; darum gingen auch die Unbelehrbaren in die Irre.

2 Denn als die Ungerechten meinten, das heilige Volk unterdrücken zu können, wurden sie Gebundene der Finsternis und Gefangene einer langen Nacht und lagen eingeschlossen unter ihren Dächern, auf der Flucht vor der ewigen Vorsehung.

Gott, Vater Jesu Christi, hilf uns durch die Liebe deines Sohnes, dass wir belehrbar sind, dass wir auf deine Worte hören, dass wir auf den Wegen deiner Gebote, deiner Liebe, deines Friedens gehen. Wir rufen zu dir:

Herr, erbarme dich! „Herr, erbarme dich, Christe, erbarme dich, Herr, erbarm dich über uns!“
Die Aufdachdämmung für das Gemeindezentrum wird angebracht
Die Aufdachdämmung für das Gemeindezentrum wird angebracht

Im Buch Jesus Sirach 14 wird die Weisheit, die Gott uns schenkt, mit einem Dach verglichen:

22 Wohl dem, der über die Weisheit nachsinnt und sie aufnimmt in sein ganzes Denken;

23 der ihre Wege von Herzen betrachtet und ihren Geheimnissen immer weiter nachforscht, ihr wie ein Späher nachschleicht und auf ihren Wegen auf sie wartet

24 und guckt zu ihrem Fenster hinein und horcht an ihrer Tür,

25 sucht Herberge nahe bei ihrem Hause und schlägt seine Pflöcke bei ihren Mauern ein und richtet an ihrer Wand sein Zelt auf, so dass er eine gute Herberge hat.

26 Er bringt auch seine Kinder unter ihr Dach und bleibt unter ihrem Schatten;

27 da wird er vor der Hitze beschirmt und hat eine herrliche Wohnung.

Lasst uns Gott lobsingen! „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen. Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat; nun ist groß Fried ohn Unterlass, all Fehd hat nun ein Ende“.

Der Herr sei mit euch „und mit deinem Geist.“
Dach und Gauben werden wärmegedämmt und fachgerecht neu gedeckt
Dach und Gauben werden wärmegedämmt und fachgerecht neu gedeckt

Gott, wir bauen und sanieren Dächer für Häuser, Schulen, Arbeitsstätten, auch für Kirchen. Wenn wir in der Bibel hören, dass du ein schützendes Dach bist, dann erkennen wir, dass ein Dach auch ein Bild ist, das uns vielleicht viel zu sagen hat. Bilder sind oft vielschichtig, haben verschiedene Seiten. Lass uns in diesem Gottesdienst über Geschichten der Bibel nachdenken, in denen Dächer vorkommen, lass uns durch diese Geschichten dich besser verstehen. Darum bitten wir dich im Namen Jesu Christi, unseres Herrn. „Amen.“

In der Schriftlesung hören wir eine Geschichte, in der Menschen, die zu Jesus wollen, ein Dach kaputtmachen. Sie steht im Evangelium nach Markus 2, 1-5:

1 Nach einigen Tagen ging [Jesus] nach Kapernaum; und es wurde bekannt, dass er im Hause war.

2 Und es versammelten sich viele, so dass sie nicht Raum hatten, auch nicht draußen vor der Tür; und er sagte ihnen das Wort.

3 Und es kamen einige zu ihm, die brachten einen Gelähmten, von vieren getragen.

4 Und da sie ihn nicht zu ihm bringen konnten wegen der Menge, deckten sie das Dach auf, wo er war, machten ein Loch und ließen das Bett herunter, auf dem der Gelähmte lag.

5 Als nun Jesus ihren Glauben sah, sprach er zu dem Gelähmten: Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben.

Herr, dein Wort ist unseres Fußes Leuchte und ein Licht auf unserem Wege. Amen. „Amen.“

Mit dem Baukran werden die Dachziegel an Ort und Stelle gebracht
Mit dem Baukran werden die Dachziegel an Ort und Stelle gebracht
Glaubensbekenntnis
Loblied 289, 1-2+5:

1. Nun lob, mein Seel, den Herren, was in mir ist, den Namen sein. Sein Wohltat tut er mehren, vergiss es nicht, o Herze mein. Hat dir dein Sünd vergeben und heilt dein Schwachheit groß, errett’ dein armes Leben, nimmt dich in seinen Schoß, mit reichem Trost beschüttet, verjüngt, dem Adler gleich; der Herr schafft Recht, behütet, die leidn in seinem Reich.

2. Er hat uns wissen lassen sein herrlich Recht und sein Gericht, dazu sein Güt ohn Maßen, es mangelt an Erbarmung nicht; sein’ Zorn lässt er wohl fahren, straft nicht nach unsrer Schuld, die Gnad tut er nicht sparen, den Schwachen ist er hold; sein Güt ist hoch erhaben ob den’, die fürchten ihn; so fern der Ost vom Abend, ist unsre Sünd dahin.

5. Sei Lob und Preis mit Ehren Gott Vater, Sohn und Heilgem Geist! Der wolle in uns mehren, was er aus Gnaden uns verheißt, dass wir ihm fest vertrauen, uns gründen ganz auf ihn, von Herzen auf ihn bauen, dass unser Mut und Sinn ihm allezeit anhangen. Drauf singen wir zur Stund: Amen, wir werden’s erlangen, glaubn wir von Herzensgrund.

Nach dem Gemeindesaal ist das Kirchendach selber dran
Nach dem Gemeindesaal ist das Kirchendach selber dran
Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Liebe Gemeinde,

die Geschichte, die wir von Jesus gehört haben, ist schon sehr provokativ. Wer darf es sich schon einfallen lassen, ein Haus abzudecken, nur um ins Haus mitten ins Zentrum des Geschehens zu gelangen? Im Markusevangelium wird darin überhaupt kein Problem gesehen. Jesus hält die Tat der vier Männer, die den Gelähmten auf seiner Trage durch das offene Dach zu ihm herunterlassen, sogar für ein Zeichen ihres Glaubens. Fast scheint es so, als ob durch das geöffnete Dach sich auch der Himmel über dem gelähmten Mann öffnet; Jesus wendet sich ihm jedenfalls liebevoll zu mit Worten, die ihn aus seiner Lähmung befreien. „Was immer dich lähmt, worin immer du verstrickt bist, durch eigene oder fremde Schuld, durch Zwänge und nicht ergriffene Chancen, durch zu wenig Vertrauen auf Gott – ich darf dir vergeben, im Namen des Gottes, der dich liebt.“

So beginne ich also meine Predigt mit einem absichtlich aufgedeckten Dach.

Allerdings – als ich in der Bibel nach weiteren Dachgeschichten gesucht habe, fand ich fast nur Erzählungen von flachen Dächern, auf denen Menschen sich aufhalten, miteinander reden, sich schlafen legen, sogar regelrecht wohnen. Obwohl wir in den meisten unserer Häuser und auch hier im Gemeindezentrum nur unter dem Dach leben und in der Regel nicht auch oben herumlaufen können, außer in der Bauzeit als Dachdecker, halte ich es für lohnend, sich auch einmal die Bilder der Bibel von den Dächern anzuschauen, auf denen Menschen viele verschiedene Dinge tun.

Vom Wohnen auf dem Dach handelt ein Spruch aus dem Buch der Sprüche 21, wieder mit einem frauenfeindlichen Zungenschlag:

9 Besser im Winkel auf dem Dach wohnen als mit einem zänkischen Weibe zusammen in einem Hause.

Hätte eine Frau die Sprüche dieses Buchs der Bibel zusammengetragen, hätte sie wahrscheinlich hinzugefügt, dass man als Frau vielleicht auch lieber auf dem Dach schläft als bei einem tyrannischen oder stets über Frauen meckernden Mann.

Besonders interessant für Sie, liebe Architektinnen, finde ich, dass es in der jüdischen Tora, im 5. Buch Mose – Deuteronomium 22, ein spezielles Gebot für den Bau von Flachdächern gibt, das Architekten und Baumeister bereits damals zu beachten haben:

8 Wenn du ein neues Haus baust, so mache ein Geländer ringsum auf deinem Dache, damit du nicht Blutschuld auf dein Haus ladest, wenn jemand herabfällt.

Ein sicheres Baugerüst ist die Voraussetzung für solide Bauarbeiten
Ein sicheres Baugerüst ist die Voraussetzung für solide Bauarbeiten

Aber was passiert nun damals konkret auf Dächern? Das ist schon spannend. Die Hure Rahab versteckt zwei Kundschafter Israels in Jericho auf dem Dach ihres Hauses unter Flachsstengeln (Josua 2, 6). In der Zeit der Richter wirft eine Frau vom Dach einer Burg einen Mühlstein auf den Kopf des unrechtmäßigen Königs Abimelech (Richter 9, 51-53). Als das Volk der Philister den übermenschlich starken Richter Simson gefangen gesetzt und ihm die Augen ausgestochen hat, versammeln sich auf dem Dach eines Palastes in Gaza 3000 Männer und Frauen, um Simson zu sehen, wie er ihnen Späße vorführt; allerdings dauert ihr Vergnügen nicht lange, weil Simson mit seiner wiedergewonnenen Kraft die Säulen des Hauses und mit ihnen auch das Dach zum Einsturz bringt, so dass sie alle sterben (Richter 16, 27).

Später sind es vor allem Könige, die auf dem Dach alles Mögliche treiben. König Saul schläft auf einem Dach, bevor der Prophet Samuel ihn zum König über Israel salbt (1. Samuel 9, 25-26). Wie König David sich vom Dach seines Palastes aus als Spanner betätigt, diese Geschichte ist wohl den meisten auch heute noch bekannt (2. Samuel 11):

2 Und es begab sich, dass David um den Abend aufstand von seinem Lager und sich auf dem Dach des Königshauses erging; da sah er vom Dach aus eine Frau sich waschen; und die Frau war von sehr schöner Gestalt.

Als später Davids Sohn Absalom seinen Vater aus der Stadt Jerusalem vertrieben hat, um selber König zu werden, versucht Absalom durch eine provozierende Aktion öffentlichen Beischlafs auf dem Dach von Davids Palast seine Überlegenheit zu beweisen (2. Samuel 16, 22):

22 Da machten sie Absalom ein Zelt auf dem Dach, und Absalom ging zu den Nebenfrauen seines Vaters vor den Augen ganz Israels.

Letzten Endes misslingt der Aufstand Absaloms gegen David aber dann doch. Absalom wird von einem seiner Heerführer getötet, als er unter einem Baum herreitet und mit seinen langen Haaren an einem Ast hängenbleibt. Bei der Überbringung der Nachricht von Absaloms Tod an David spielt wieder ein Dach eine Rolle (2. Samuel 18):

24 David aber saß zwischen den beiden Toren. Und der Wächter ging aufs Dach des Tores an der Mauer und hob seine Augen auf und sah einen Mann laufen allein

25 und rief und sagte es dem König an. Der König aber sprach: Ist er allein, so ist eine gute Botschaft in seinem Munde.

Gut ist die Botschaft, dass David König bleiben kann. Den Tod seines Sohnes betrauert David trotzdem. Er hat nicht aufgehört, ihn zu lieben. An der Stelle Davids wird später sein anderer Sohn Salomo König, von ihm wird berichtet, dass er für Gott einen kostbaren Tempel baut (1. Könige 7, 9):

9 Das alles war von kostbaren Steinen, nach dem Winkeleisen gehauen, mit Sägen geschnitten auf allen Seiten, vom Grund bis an das Dach und von außen bis zum großen Hof.

Das offene Kirchendach und der bereits seit 2013 fertig gedeckte Kirchturm
Das offene Kirchendach und der bereits seit 2013 fertig gedeckte Kirchturm

Viele Könige Israels, die folgten, werden in der Bibel beschuldigt, fremden Göttern zu dienen, die nicht die Gerechtigkeit und die Freiheit des Volkes im Sinn haben, sondern ihre Unterdrückung und Ausbeutung. Die Propheten Jeremia und Zephanja klagen ausdrücklich darüber, dass man falschen Göttern „auf den Dächern“ Opfer darbrachte (Jeremia 19, 13 und 32, 29 und Zephanja 1, 5). Wer auf die Götter des Egoismus vertraut, darf sich allerdings nicht wundern, sagt der Prophet Jeremia, wenn irgendwann „auf allen Dächern und Gassen“ die Klage der Menschen über den Verlust von Freiheit und Frieden zu hören sein wird.

Nur König Josia wird dafür gelobt, dass er Altäre für falsche Götter wieder abreißen lässt (2. Könige 23, 12):

12 Und die Altäre auf dem Dach, dem Obergemach des Ahas, die die Könige von Juda gemacht hatten, … brach der König ab und ging hin und warf ihren Staub in den Bach Kidron.

Aber König Josia war eine Ausnahme. Nach seinem frühen Tod ging es weiter wie zuvor, und irgendwann kam es wirklich zur Zerstörung Jerusalems, zur Klage des Volkes „auf allen Dächern“ und zur Verbannung Israel nach Babylon.

In unseren Breiten halten sich in der Regel nur Dachdecker auf Dächern auf
In unseren Breiten halten sich in der Regel nur Dachdecker auf Dächern auf

Aber auch die Herrschaft so mächtiger Reiche wie Babylonien währt nicht ewig. Wieder geschieht es auf dem Dach seines Palastes in Babel, dass der babylonische König Nebukadnezar von seiner Entmachtung erfährt (Daniel 4, 26-28):

26 Denn nach zwölf Monaten, als der König auf dem Dach des königlichen Palastes in Babel sich erging,

27 hob er an und sprach: Das ist das große Babel, das ich erbaut habe zur Königsstadt durch meine große Macht zu Ehren meiner Herrlichkeit.

28 Ehe noch der König diese Worte ausgeredet hatte, kam eine Stimme vom Himmel: Dir, König Nebukadnezar, wird gesagt: Dein Königreich ist dir genommen.

Dann darf das Volk Israel unter den Perserkönigen wieder ins eigene Land zurückkehren. Voller Freude fangen die Juden an, das Laubhüttenfest zu feiern, und errichten Laubhütten auch auf ihren Dächern (Nehemia 8, 14-16):

14 Und sie fanden im Gesetz geschrieben, dass der HERR durch Mose geboten hatte, dass die Israeliten am Fest im siebenten Monat in Laubhütten wohnen sollten.

15 Da ließen sie es kundtun und ausrufen in allen ihren Städten und in Jerusalem und sagen: Geht hinaus auf die Berge und holt Ölzweige, Balsamzweige, Myrtenzweige, Palmenzweige und Zweige von Laubbäumen, dass man Laubhütten mache, wie es geschrieben steht.

16 Und das Volk ging hinaus und holte sie und machte sich Laubhütten, ein jeder auf seinem Dach und in seinem Hof und in den Vorhöfen am Hause Gottes und auf dem Platz am Wassertor und auf dem Platz am Tor Ephraim.

Das Dach des Gemeindezentrums - im September 2015 vom Bauausschuss abgenommen
Das Dach des Gemeindezentrums – im September 2015 vom Bauausschuss abgenommen

Auf Dächern spielen sich also entscheidende Ereignisse nicht nur deswegen ab, weil man von dort oben gut beobachten oder gut gesehen werden kann, sondern manchmal auch deswegen, weil man dort, wie auch auf Bergen, dem Himmel näher ist. Darum ist es kein Zufall, dass der babylonische König Nebukadnezar auf einem Dach eine göttliche Offenbarung erlebt.

Später in der Apostelgeschichte erfahren wir, dass der Apostel Petrus Ähnliches erlebt, als er in Joppe beim Gerber Simon wohnt (Apostelgeschichte 10):

9 Am nächsten Tag … stieg Petrus auf das Dach, zu beten um die sechste Stunde.

10 Und als er hungrig wurde, wollte er essen. Während sie ihm aber etwas zubereiteten, geriet er in Verzückung

11 und sah den Himmel aufgetan und etwas wie ein großes leinenes Tuch herabkommen, an vier Zipfeln niedergelassen auf die Erde.

12 Darin waren allerlei vierfüßige und kriechende Tiere der Erde und Vögel des Himmels.

13 Und es geschah eine Stimme zu ihm: Steh auf, Petrus, schlachte und iss!

14 Petrus aber sprach: O nein, Herr; denn ich habe noch nie etwas Verbotenes und Unreines gegessen.

15 Und die Stimme sprach zum zweiten Mal zu ihm: Was Gott rein gemacht hat, das nenne du nicht verboten.

Für den Juden Petrus, der auf Jesus vertraute, wurde also der Aufenthalt auf diesem Dach zu einem Wendepunkt in seiner Hinwendung zur Welt der Völker.

Und schon für Jesus selbst waren Dächer Orte öffentlicher Religionsausübung bzw. der Verkündigung seiner Botschaft vom Reich Gottes. So sagt er nach Matthäus 10, 27:

27 Was ich euch sage in der Finsternis, das redet im Licht; und was euch gesagt wird in das Ohr, das predigt auf den Dächern.

Jetzt sind alle Dächer des Gemeindezentrums wieder fit für die nächsten Jahrzehnte
Jetzt sind alle Dächer des Gemeindezentrums wieder fit für die nächsten Jahrzehnte

Wenn man das alles hört, könnte man es schade finden, dass wir in der Regel keine Dächer haben, auf die man hinaufklettern kann, um dort zu wohnen, sehen und gesehen zu werden, vielleicht sogar Gott zu erleben oder zumindest die Botschaft von Gott in die Nachbarschaft hinein laut werden zu lassen.

Immerhin gibt es seit dem Umbau der Pfarrwohnung jetzt auch einen in das Dach eingebauten Balkon. Theoretisch ist es möglich, dass der zukünftige Pfarrer oder die zukünftige Pfarrerin auch von dort aus einmal eine Predigt hält, vielleicht im Rahmen eines Gemeindefestes. Allerdings soll das natürlich nicht die wichtigste Aufgabe eines Balkons sein; er sollte neben dem Wäschetrocknen an der frischen Luft vor allem dem notwendigen Rückzug und dem Genießen der Ruhe eines Feiertages dienen.

In die Pfarrwohnung wurde bei der Sanierung ein Balkon für die Pfarrfamilie eingebaut
In die Pfarrwohnung wurde bei der Sanierung ein Balkon für die Pfarrfamilie eingebaut

Noch mehr dient das Dach selbst dazu, Schutz und Ruhe zu finden. Davon haben wir am Anfang des Gottesdienstes schon einiges gehört. Dieser Rückzug unter den Schutz eines Daches kann aber auch dazu führen, dass man sich von Menschen abschließt, die eigentlich dringend Hilfe brauchen. Ich erinnere an den Gelähmten, der erst zu Jesus vordringen konnte, als ihn seine Freunde durch ein Loch im Dach Jesus buchstäblich vor die Füße legten.

Im übertragenen Sinne denke ich: Wenn wir Christen hier in der Kirche unsere Gottesdienste feiern und oft auch beklagen, dass viele nicht mehr den Weg hierher finden, mag es sein, dass wir die Schwellenangst vieler Menschen unterschätzen. Wer an einem ganz normalen Sonntag in die Kirche geht, der könnte für allzu fromm gehalten werden! Der könnte sich fragen: Bin ich da überhaupt gerne gesehen? Sieht man mich nicht komisch an, wenn ich sonst nie komme? Benehme ich mich da richtig, oder ecke ich an, weil ich etwas falsch mache?

Wer nicht unter ein fremdes Dach gehen mag, in ein Haus, das ihm nicht vertraut ist, der will sich vielleicht auch davor schützen, eine verbotene Grenze zu überschreiten. Was Petrus erst durch die erwähnte Vision zu tun wagt, nämlich mit einem römischen Hauptmann in Kontakt zu treten, das will ein ebensolcher heidnischer Hauptmann im Evangelium nach Matthäus dem Juden Jesus ersparen: Der bittet ihn um Hilfe für seinen Diener, erwartet aber von Jesus nicht, dass er ihn zu Hause aufsucht (Matthäus 8):

8 Der Hauptmann antwortete und sprach: Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach gehst, sondern sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund.

Jesus hat den Glauben dieses Hauptmannes gelobt, obwohl er vermutlich nie den Fuß über die Schwelle eines jüdischen Gotteshauses gesetzt hat. Was lernen wir aus diesem letzten biblischen Wort über ein Dach? Jeder darf eingehen unter unser Dach hier in der Kirche, aber niemand soll genötigt werden zu etwas, was er nicht wirklich tun möchte. Im Glauben gibt es keinen Zwang. Aber wir dürfen uns angesprochen fühlen durch Gottes Wort und seine Liebe und als Antwort dankbar unseren Glauben leben.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben. Amen.
Der Balkon der Pfarrwohnung bei der Abnahme durch den Bauausschuss im März 2016
Der Balkon der Pfarrwohnung bei der Abnahme durch den Bauausschuss im März 2016

Noch einmal singen wir ein Lied, das wir schon vor zwei Jahren gesungen haben, weil es so gut zu einer Baumaßnahme passt, das Lied 254. Da geht es um ein Baugerüst, auf das wir steigen wollen – allerdings die meisten von uns nur im übertragenen Sinne – es soll uns helfen, am Reich Gottes der Liebe mitzubauen:

Wir wolln uns gerne wagen

Und nun, liebe Gemeinde, lassen wir uns von unseren Architektinnen noch ein wenig über unsere jetzt abgeschlossenen Baumaßnahmen erzählen. Nach den Kostenvoranschlägen hätten insgesamt 355.000 Euro dafür ausgegeben werden sollen, davon sollte die Paulusgemeinde fast 200.000 Euro (197.100) aus Eigenmitteln tragen. Aus Spenden und Kollekten hat die Paulusgemeinde 6.700 Euro aufgebracht, etwa 105.000 Euro kamen aus angesparten Rücklagen, 60.000 Euro wurden als zinsloses Darlehen aufgenommen. Da die Bauabteilung der Landeskirche eine erhöhte Bauzuweisung genehmigte, wurde der gesamte Rest von 182.900 Euro aus Darmstadt finanziert.

Der symbolisch zum Abschluss der Sanierungsarbeiten vom Architekturbüro Seidel + Muskau überreichte Schlüssel
Der zum Abschluss der Sanierungsarbeiten vom Architekturbüro Seidel + Muskau überreichte Schlüssel
Kurzansprache von Stefanie Muskau und Silke Rothmann und Überreichung des symbolischen Schlüssels
Von rechts nach links: Architektin Stefanie Muskau und Projektleiterin Silke Rothmann mit der Seniorchefin des Architekturbüros, Karla Seidel, beim Kirchencafé nach dem Gottesdienst
Von rechts nach links: Architektin Stefanie Muskau und Projektleiterin Silke Rothmann mit der Seniorchefin des Architekturbüros, Karla Seidel, beim Kirchencafé nach dem Gottesdienst
Lied 497:

1. Ich weiß, mein Gott, dass all mein Tun und Werk in deinem Willen ruhn, von dir kommt Glück und Segen; was du regierst, das geht und steht auf rechten, guten Wegen.

2. Es steht in keines Menschen Macht, dass sein Rat werd ins Werk gebracht und seines Gangs sich freue; des Höchsten Rat, der macht’s allein, dass Menschenrat gedeihe.

9. Tritt du zu mir und mache leicht, was mir sonst fast unmöglich deucht, und bring zum guten Ende, was du selbst angefangen hast durch Weisheit deiner Hände.

12. Der Weg zum Guten ist gar wild, mit Dorn und Hecken ausgefüllt; doch wer ihn freudig gehet, kommt endlich, Herr, durch deinen Geist, wo Freud und Wonne stehet.

Lasst uns beten.

Großer Gott, eine Kirche ist nicht deine Wohnung. Aber du willst uns dort begegnen, wenn wir uns in ihr versammeln. Ein Gemeindezentrum braucht ein Dach, damit es vor Wind und Wetter geschützt bleibt. Danke, dass deine Paulusgemeinde und auch viele Gäste sich schon so lange unter dem Schutz dieses Daches versammeln können. Auch wer als Pfarrer oder Pfarrerin in dieser Gemeinde arbeitet, braucht eine Wohnung für sich und seine Familie. Danke, dass so viele Menschen gemeinsam daran mitgewirkt haben, ein Heim für eine Pfarrfamilie zu schaffen, in dem sie gerne wohnen will und kann.

Heute bitten wir dich: behüte alle, die in Zukunft den Weg unter das Dach dieses Gemeindezentrums finden. Behüte diejenigen, die zukünftig in der Pfarrwohnung leben. Lass auch die noch ausstehenden Baumaßnahmen gelingen, so dass dieses Gebäude weiter den Bewohnern und Besuchern der Nordstadt zum Segen dienen kann.

Schutz und Frieden durch das Wirken einer guten Regierung brauchen wir überall, wo wir in einem Land, in einer Stadt, in einem Landkreis zusammenleben. Durch deinen Apostel Paulus hast du uns eingeschärft, dass wir auch als Christen für unserer Gemeinwesen Mitverantwortung tragen und dazu gerufen sind, uns an Wahlen mit unserer Stimmabgabe zu beteiligen. Am Tag der Kommunalwahlen in Hessen bitten wir dich um die gute Einsicht, solche Menschen zu wählen, die sich bei der politischen Willensbildung an deinen Geboten der Menschlichkeit und des Friedens orientieren.

Und wir bitten dich für ein verstorbenes Mitglied unserer Gemeinde: für Frau …, die im Alter von … Jahren gestorben ist und in der letzten Woche kirchlich bestattet wurde. Nimm sie in Gnaden auf in deinem himmlischen Reich und begleite ihre Familie und Freunde mit deinem Schutz, mit deinem Trost und deinem Segen.

In der Stille bringen wir vor dich, barmherziger Gott, was wir persönlich auf dem Herzen haben:

Gebetsstille und Vater unser
Lied 347, 1+4-6:

1. Ach bleib mit deiner Gnade bei uns, Herr Jesu Christ, dass uns hinfort nicht schade des bösen Feindes List.

4. Ach bleib mit deinem Segen bei uns, du reicher Herr; dein Gnad und alls Vermögen in uns reichlich vermehr.

5. Ach bleib mit deinem Schutze bei uns, du starker Held, dass uns der Feind nicht trutze noch fäll die böse Welt.

6. Ach bleib mit deiner Treue bei uns, mein Herr und Gott; Beständigkeit verleihe, hilf uns aus aller Not.

Abkündigungen

Empfangt Gottes Segen:

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

Orgelnachspiel
Gemeindeversammlung mit Kirchencafé und Kirchenkuchen
So sah der von Olga Bagrij zum Festanlass gebackene Kirchenkuchen vor dem Anschnitt aus...
So sah der von Olga Bagrij zum Festanlass gebackene Kirchenkuchen vor dem Anschnitt aus…
... und so nach dem Kirchencafé - die Reste wurden vom Kindergarten-Team am nächsten Tag gerne als kleine Stärkung in der Pause aufgegessen
… und so nach dem Kirchencafé – die Reste wurden vom Kindergarten-Team am nächsten Tag gerne als kleine Stärkung in der Pause aufgegessen

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