Bild: Helmut Schütz

Fastenzeit – bunt wie das Morgenrot

Sonne am Strand knapp über dem Horizont hinter Wolken versteckt
Am Strand von Juist versteckt sich die Sonne knapp über dem Horizont hinter Wolken

Seit Aschermittwoch ist Fastenzeit, für katholische Christen nach den „tollen Tagen“ eine Zeit des Verzichts. In evangelischer Tradition heißt sie Passionszeit und soll der Besinnung auf das Leiden Jesu dienen. Wird man diesen Wochen bis Ostern gerecht, wenn man „seinen Kopf hängen lässt wie Schilf und in Sack und Asche sich bettet?“ (Jesaja 58, 5) Nach dem Prophetenbuch Jesaja lehnt Gott diese Art des Fastens radikal ab. „Warum fasten wir, und du siehst es nicht an?“ fragen die Frommen (Jesaja 58, 3). Gott antwortet: „Siehe, an dem Tag, da ihr fastet, geht ihr doch euren Geschäften nach und bedrückt alle eure Arbeiter. Siehe, wenn ihr fastet, hadert und zankt ihr und schlagt mit gottloser Faust drein.“ (Jesaja 58, 3-4)

Es ist Gott nicht lieb, wenn wir zwar religiöse Pflichten erfüllen, aber unsere soziale Verantwortung vernachlässigen. Seine Barmherzigkeit wird ins Gegenteil verkehrt, wenn wir mit Worten der Bibel zweifelnde und suchende Menschen unter Druck setzen und in fruchtlose Selbstvorwürfe treiben. Gott will keine Selbstquälerei. Wer beim Fasten schlechte Laune bekommt, ist kein Segen für seine Mitmenschen. Selbstdemütigung verschafft keine Garantie, von Gott geliebt zu werden. Denn seine Liebe ist ein freies Geschenk an durchaus selbstbewusste Menschen.

Trotzdem gibt es nach Jesaja ein Fasten, das Gott gefällt (Jesaja 58, 6-7): „Gib frei, die du bedrückst! Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus!“ Fasten wird zum Verzicht, der anderen Menschen zugutekommt, wenn wir Phantasie und Ausdauer entwickeln, um Strukturen zu ändern, in denen Unrecht sich häuslich eingerichtet hat.

Dieses Fasten überfordert und unterdrückt nicht, sondern wirkt heilsam auf uns zurück (Jesaja 58, 8): „Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird schnell voranschreiten.“ Das Leben ist nicht grau in grau, sondern bunt und leuchtend wie das Morgenrot. Unsere Seele, von Gottes Liebe angerührt und infiziert, schreitet voran auf dem Weg ihrer Heilung von Selbstvorwürfen und Unrecht, von Bitterkeit und Einsamkeit.

Gedanken zum Sonntag am Samstag, 16. Februar 2002, im Gießener Anzeiger von Helmut Schütz, Pfarrer der Evangelischen Paulusgemeinde Gießen.

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