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In der Kälte des Winters erfroren

Trauerfeier für einen obdachlosen Mann, der im Winter erfroren ist, als er unter freiem Himmel schlief.

In der Kälte des Winters erfroren: Statue eines Obdachlosen, der auf einer Parkbank schläft
Statue eines Obdachlosen auf einer Parkbank (Bild: Beautiful-MomentsPixabay)

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Liebe Anwesende, wir sind hier versammelt, um Herrn E. die letzte Ehre zu erweisen, der im Alter von [über 70] Jahren gestorben ist.

Wir besinnen uns auf sein Leben und wir besinnen uns auf Gott, von dem sein Leben herkam und zu dem es im Tode wieder zurückkehrt.

Lasst uns beten mit Worten aus dem Psalm 39:

5 HERR, lehre mich doch, dass es ein Ende mit mir haben muss und mein Leben ein Ziel hat und ich davon muss.

6 Siehe, meine Tage sind eine Handbreit bei dir, und mein Leben ist wie nichts vor dir. Wie gar nichts sind alle Menschen, die doch so sicher leben!

7 Sie gehen daher wie ein Schatten und machen sich viel vergebliche Unruhe; sie sammeln und wissen nicht, wer es einbringen wird.

8 Nun, Herr, wessen soll ich mich trösten? Ich hoffe auf dich.

9 Errette mich aus aller meiner Sünde und lass mich nicht den Narren zum Spott werden.

13 Höre mein Gebet, Herr, und vernimm mein Schreien, schweige nicht zu meinen Tränen; denn ich bin ein Gast bei dir, ein Fremdling wie alle meine Väter.

14 Lass ab von mir, dass ich mich erquicke, ehe ich dahinfahre und nicht mehr bin.

Liebe Gemeinde, als ich erfuhr, dass Herr E. gestorben ist, wusste ich zunächst nur seinen Namen und sein Geburtsdatum.

Dann rief ich in der Beratungsstelle für Obdachlose an, wo man ihn nicht kannte; offenbar hat er eigenständig gelebt und auf das Geld verzichtet, das ihm von Amts wegen zugestanden hätte. In einer anderen Anlaufstelle für Nichtsesshafte aber kannte man ihn; und so habe ich dann doch etwas über ihn erfahren und Sie zur Beerdigung einladen können.

Herr E. hatte wohl schon sein ganzes Leben hier in der Gegend gewohnt. Ich weiß nicht, wie es dazu kam, dass er als Wohnungsloser in der Stadt lebte, eher als Einzelgänger, sehr zurückgezogen, so dass ihn kaum jemand näher kannte. Doch er war nicht unbeliebt. Nett und hilfsbereit war er, ein herzlicher Mensch; wenn Geburtstag gefeiert wurde, brachte er Kuchen mit. Er war sehr naturverbunden. In seinem Zelt kampierte er gern im Wald oder auf einem Kleingartengelände.

Gestorben ist er auch draußen im Zelt; gefunden hat man ihn am Ende des Winters, da war er wohl schon vier Wochen tot. Den langen, kalten Winter nachts unter freiem Himmel hat er nicht überstanden.

Heute müssen wir im Kreis weniger Menschen, die ihn kannten, von ihm Abschied nehmen.

Ich möchte zum Abschied von Herrn E. an ein Wort aus dem Evangelium nach Matthäus 8 erinnern. Da tritt ein gelehrter Mensch auf Jesus zu und sagt zu ihm:

19 Meister, ich will dir folgen, wohin du gehst.

20 Jesus sagt zu ihm: Die Füchse haben Gruben, und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege.

Unser Herr Jesus war ohne Obdach, ohne festen Wohnsitz, immer auf der Durchreise, immer darauf angewiesen, dass ihn jemand bei sich für eine Nacht unterkommen ließ. Der Wert eines Menschen oder die Erfüllung seines Lebens hängen in den Augen Gottes nicht davon ab, ob einer es sein Leben lang schafft, in bürgerlich geordneten Bahnen zu leben. Gott schaut das Herz eines Menschen an und fragt nach dem, was man nicht sehen kann: dass man füreinander einsteht, dass man sein Vertrauen auf Gott setzt, dass man die Liebe, die man im Leben erfährt, an andere weitergibt.

Der Menschensohn war im Alten Testament eine Gestalt der Zukunft gewesen, auf die man große Hoffnungen setzte. Nach all den Weltreichen, die von grausamen Machthabern regiert werden, wahren Bestien in Menschengestalt, wird endlich ein ganz anderer alle Macht im Himmel und auf Erden bekommen, nämlich „einer wie ein Mensch“, der Menschensohn, und der wird Frieden und Gerechtigkeit bringen. So steht es im Buch des Propheten Daniel 7, 13.

Und in den Tagen, als Jesus auf der Erde lebte, spürten die Menschen: Dieser Jesus ist der Menschensohn, dieser Mann bringt einen Frieden auf die Erde, den die Könige und Machthaber in ihren Palästen nicht zustande bringen. Jesus bringt Frieden, indem er zu allen Menschen geht, in Dörfern und Städten, und an den Hecken und Zäunen der Straßen.

Draußen vor der Stadt, auf dem Hügel Golgatha, hat man Jesus später gekreuzigt, weil die Machthaber in Staat und Religion ihn für gefährlich hielten. Doch Gott erweckte ihn vom Tod und gab ihm, ausgerechnet diesem verspotteten und verachteten Menschen, alle Macht im Himmel und auf Erden.

Jetzt hat Jesus, der Menschensohn, vom Himmel her ein Auge auf die Menschen. Jesus ist der Richter über Lebendige und Tote, und er ist ein barmherziger Richter, der das Leben kennt, vor allem das Leben der einfachen Menschen und derer, die an den Rand gedrängt werden.

Dieser Jesus nimmt Herrn E., der ganz allein gestorben ist in der Kälte, im Winter, in seinem Zelt, mit Ehren in seinem Himmel auf. Er schließt ihn liebevoll in seine Arme und gibt ihm Wärme und Frieden für immer. Im Vertrauen auf Gott, den Vater Jesu Christi, dürfen wir den Verstorbenen getrost loslassen. Amen.

Wir beten für Herrn E. mit Worten aus Psalm 116:

1 Ich liebe den HERRN, denn er hört die Stimme meines Flehens.

2 Er neigte sein Ohr zu mir; darum will ich mein Leben lang ihn anrufen.

3 Stricke des Todes hatten mich umfangen, des Totenreichs Schrecken hatten mich getroffen; ich kam in Jammer und Not.

4 Aber ich rief an den Namen des HERRN: Ach, HERR, errette mich!

5 Der HERR ist gnädig und gerecht, und unser Gott ist barmherzig.

6 Der HERR behütet die schlichten Herzen; wenn ich schwach bin, so hilft er mir.

7 Sei nun wieder zufrieden, meine Seele; denn der HERR tut dir Gutes.

8 Denn du hast meine Seele vom Tode errettet, mein Auge von den Tränen, meinen Fuß vom Gleiten.

9 Ich werde wandeln vor dem HERRN im Lande der Lebendigen.

Lebendiger Gott, du bist ein Gott des Lebens, du lässt auch die Toten nicht verloren gehen. Wir vertrauen dir auch Herrn E. an, der in der Kälte des Winters gestorben ist. Wir bitten dich: Nimm sein Leben an, so wie es war, und lass in deiner Ewigkeit vollendet werden, was auf dieser Erde nur in Bruchstücken gelebt werden konnte.

Hilf uns, dass wir unser eigenes Leben als kostbares Geschenk aus deiner Hand annehmen. Lass uns nach vorn schauen, um unseren Weg zu gehen in der Verantwortung vor dir. Amen.

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