Reindrängeln ins Reich Gottes

Wir dürfen uns in Gottes Reich hineindrängeln – aber wirklich drin sind und bleiben wir nur, wenn wir uns an die Regeln halten. Und die haben sich seit Mose und den Propheten nicht geändert: Gott liebt alle Menschen, auch uns, und von uns fordert er, dass wir auch für die Menschen da sind, die uns brauchen.

Codex Aureus Epternacensis (Goldenes Evangeliar), Prunkhandschrift, Szene: Gleichnis vom reichen Prasser und vom armen Lazarus, circa 1035-1040, Germanisches Nationalmuseum, Buchmalerei, Schule von Reichenau unter Abt Humbert von Echternach (1028-1051)
Gleichnis vom reichen Prasser und vom armen Lazarus, Szene aus dem Goldenen Evangeliar, circa 1035-1040, Germanisches Nationalmuseum, Buchmalerei, Schule von Reichenau unter Abt Humbert von Echternach (1028-1051) (Bild: Meister des Codex Aureus Epternacensis 001, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons)

#predigtTaufgottesdienst am 1. Sonntag nach Trinitatis, 7. Juni 2015, 10.00 Uhr in der evangelischen Pauluskirche Gießen
Vorspiel und Einzug der Tauffamilie

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

Ich begrüße alle herzlich zum Taufgottesdienst in der Pauluskirche mit einem Bibelwort aus Psalm 119, 144:

Deine Mahnungen, Herr, sind gerecht in Ewigkeit; unterweise mich, so lebe ich.

… soll heute im Gottesdienst getauft werden; wir heißen sie besonders herzlich willkommen, gemeinsam mit ihrer Familie und ihren Paten!

Lied 412, 1-2+8:

1. So jemand spricht: »Ich liebe Gott«, und hasst doch seine Brüder, der treibt mit Gottes Wahrheit Spott und reißt sie ganz darnieder. Gott ist die Lieb und will, dass ich den Nächsten liebe gleich als mich.

2. Wer dieser Erde Güter hat und sieht die Brüder leiden und macht die Hungrigen nicht satt, lässt Nackende nicht kleiden, der ist ein Feind der ersten Pflicht und hat die Liebe Gottes nicht.

8. Ein unbarmherziges Gericht wird über den ergehen, der nicht barmherzig ist, der nicht die rettet, die ihn flehen. Drum gib mir, Gott, durch deinen Geist ein Herz, das dich durch Liebe preist.

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

Darum geht es heute im Gottesdienst: Um das, was so toll ist an Gott, dass wir ihn lieben können, dass wir uns von ihm etwas sagen lassen, dass wir auf seine Gebote hören. Es geht um das, was wir am Ende des Liedes gerade gesungen haben: Wir bitten Gott um „ein Herz, das dich durch Liebe preist.“ Das heißt in weniger dichterischer Sprache: „Wir möchten Gott lieben und loben, indem wir die Menschen lieben.“

Kommt, lasst uns Gott anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Guter Gott, du siehst, was wir tun und lassen, du weißt besser als wir selbst, warum wir oft nicht das tun, was wir sollten und eigentlich wollen und dann doch nicht schaffen zu tun. Vergib uns, was falsch oder schräg läuft in unserem Leben, und hilf uns, auf deinen geraden Wegen zu gehen. Denn (Psalm 130, 4):

Bei dir ist die Vergebung, dass man dich fürchte.

Wir rufen zu dir:

Herr, erbarme dich! „Herr, erbarme dich, Christe, erbarme dich, Herr, erbarm dich über uns!“

Wenn wir nicht wissen, ob alles in unserem Leben gut läuft, wenn wir die Orientierung verloren haben, wenn wir vom rechten Weg abkommen und uns selber in Gefahr bringen, dann schickt Gott uns manchmal Engel über den Weg: Engel in Menschengestalt, unsichtbare Schutzengel, die innere Stimme unseres Gewissens. Im 2. Buch Mose – Exodus 23, 20 heißt es: Gott spricht:

Siehe, ich sende einen Engel vor dir her, der dich behüte auf dem Wege und dich bringe an den Ort, den ich bestimmt habe.

Lasst uns Gott lobsingen! „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen. Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat; nun ist gross Fried ohn Unterlass, all Fehd hat nun ein Ende“.

Der Herr sei mit euch „und mit deinem Geist.“

Gott, du bist für uns wie ein Vater, der uns liebt und gute Grenzen setzt. Wir dürfen auf deine Hilfe hoffen, wir dürfen uns und unsere Kinder dir anvertrauen, wir gehören zu dir in unserem ganzen Leben und auch im Sterben und bis in alle Ewigkeit. In der Taufe vertrauen wir heute ein Kind dir und deinem Segen an. Öffne unsere Ohren und unsere Herzen für dein Wort, das unser Leben prägen und leiten will. Das erbitten wir von dir im Namen Jesu Christi, unseres Herrn. „Amen.“

Wir hören die Schriftlesung aus dem Evangelium nach Lukas 16, 16-17:

16 Jesus spricht: Das Gesetz und die Propheten reichen bis zu Johannes. Von da an wird das Evangelium vom Reich Gottes gepredigt, und jedermann drängt sich mit Gewalt hinein.

17 Es ist aber leichter, dass Himmel und Erde vergehen, als dass ein Tüpfelchen vom Gesetz fällt.

Herr, dein Wort ist unseres Fußes Leuchte und ein Licht auf unserem Wege. Halleluja. „Halleluja, Halleluja, Halleluja.“

Liebe Tauffamilie, liebe Gemeinde! Heute soll … getauft werden, und ich freue mich besonders, weil ich ihre Mama vor einigen Jahren konfirmiert habe und auch ihre Oma seit vielen Jahren kenne, unter anderem als Mitarbeiterin in unserem Familienzentrum.

Außerdem begrüße ich auch die Familie …, deren Kind … heute noch zwei weitere Patinnen bekommt: Schön, dass Sie das Patenamt übernehmen wollen, liebe … . … ist am … in der Thomaskirche getauft worden mit dem Taufspruch Psalm 91, 11:

[Gott] hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen.

Auch das heutige Taufkind … bekommt einen Taufspruch, in dem ein Engel vorkommt.

Darum singen wir, bevor ich auf diesen Bibelvers eingehe, ein Lied von den Engeln, die ein Kind braucht:

Jedes Kind braucht einen Engel

Liebe Familie …, ihr habt für eure Tochter den Taufspruch aus dem 2. Buch Mose – Exodus 23, 20 ausgesucht, den wir schon gehört haben. Gott spricht:

Siehe, ich sende einen Engel vor dir her, der dich behüte auf dem Wege und dich bringe an den Ort, den ich bestimmt habe.

Dieser Engel, den Gott sendet, hat zwei Aufgaben. Er ist ein Beschützer auf dem Lebensweg. Er redet ins Gewissen, wenn wir uns in Gefahr bringen, er ist die Hand Gottes, die uns auffängt, wenn wir fallen. Und außerdem bringt er uns an unser Lebensziel. Er weiß, welche Pläne Gott mit uns hat, und wenn wir uns mit unserem Engel gut verstehen, werden wir spüren, welcher Weg zu welchem Ziel für uns im Leben gut ist. Das wünschen wir uns auch für die kleine … .

Unser Vertrauen auf Gott und Jesus und seinen Heiligen Geist der Liebe bekennen wir mit dem Glaubensbekenntnis, stellvertretend auch für unser Taufkind:

Glaubensbekenntnis und Taufe
Liedblatt: Vergiss es nie, dass du lebst, war keine eigene Idee
Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Liebe Gemeinde, wir sind ein genialer Gedanke Gottes, und Gott hat seine Pläne mit uns. Aber welche Pläne sind das? Nach welchen Regeln sollen wir leben, und schaffen wir das überhaupt? Darum geht es in einem Gleichnis, das Jesus erzählt. Es steht im Lukasevangelium direkt nach den Sätzen, die wir vorhin gehört haben (Lukas 16). Hören wir sie noch einmal:

16 Das Gesetz und die Propheten reichen bis zu Johannes.

Von da an wird das Evangelium vom Reich Gottes gepredigt, und jedermann drängt sich mit Gewalt hinein.

17 Es ist aber leichter, dass Himmel und Erde vergehen, als dass ein Tüpfelchen vom Gesetz fällt.

Das sind drei Sätze, scheinbar voller Widersprüche! Der erste klingt, als ob die Bibel der Juden, das Gesetz und die Propheten, nur bis zu Johannes dem Täufer gelten. Der dritte Satz widerspricht dem aber total: Eher vergehen Himmel und Erde, als dass auch nur der kleinste Buchstabe der jüdischen Tora, also der guten Wegweisung Gottes wegfällt. Und da wir noch auf der Erde unter Gottes Himmel leben, gilt also das Gesetz des Gottes der Juden, der durch Jesus Christus auch unser Gott ist, auch für uns.

Zwischen diesen beiden Sätzen spricht Jesus von der Frohen Botschaft vom Reich Gottes. Aber wieso sagt er, dass sich jeder mit Gewalt hineindrängt? Sind ihm nicht alle willkommen? Nimmt er doch nicht jeden Menschen, jeden Sünder an? Stellt er doch wieder einen Türsteher vor die Himmelstür oder vor den Eingang des Paradieses, der unangenehmen Zeitgenossen deutlich sagt: „Du kommst hier nicht rein!“?

Offenbar hängen das jüdische Gesetz und das christliche Evangelium sehr eng zusammen – auf welche Weise, davon erzählt Jesus in den nächsten Versen 19 bis 31 im Kapitel 16 des Lukasevangeliums ein Gleichnis. Hören wir es nach und nach.

19 Es war aber ein reicher Mann, der kleidete sich in Purpur und kostbares Leinen und lebte alle Tage herrlich und in Freuden.

20 Es war aber ein Armer mit Namen Lazarus, der lag vor seiner Tür voll von Geschwüren

21 und begehrte, sich zu sättigen mit dem, was von des Reichen Tisch fiel; dazu kamen auch die Hunde und leckten seine Geschwüre.

Jesus erzählt von zwei Männer, der eine ist reich, der andere arm. Es fällt auf, dass Jesus den Armen mit Namen nennt, den anderen nicht. Normalerweise ist es in unserer Welt umgekehrt. Wer reich ist, kann sich mit Geld und Einfluss einen Namen machen; sie sind berühmt, man kennt sie.

Dass der Reiche reich ist, das sieht man ihm an. Seine Kleidung entspricht der angesagten Mode, er „feiert jeden Tag glänzend“, kann es sich also leisten, jeden Tag Party zu machen. Aber ist es so schlecht, sein Leben zu genießen? Ruft Jesus zum Neid auf?

Vorsicht, darum geht es nicht! Jesus selbst hat auch Party gemacht, hat mit Zöllnern und Sündern gefeiert, gegessen und getrunken, so dass seine Feinde ihn sogar als „Fresser und Weinsäufer“ beschimpften. Das Problem ist nicht, dass der Reiche sein Leben genießt. Das Problem liegt vor seiner Haustür. Es liegt dort in Form eines Menschen, der sein Leben nicht genießen kann. Lazarus heißt dieser Mensch, er ist arm, und das bedeutet hier konkret: er ist obdachlos, und seine Haut ist voller ekliger Geschwüre. Lazarus würde gerne die Abfälle vom Tisch des Reichen essen, aber er bekommt nicht einmal die. Stattdessen lecken Hunde an seinen Geschwüren, und unter diesen Tieren darf man sich damals keine geliebten Haustiere vorstellen. Mag sein, dass sie darauf warten, dass Lazarus endlich stirbt, damit sie etwas zum Fressen haben. Was ist das für ein Leben? Ein Leben ohne Sinn, ohne Wert? Millionen Menschen in unserer Welt leben tatsächlich so, in Afrika, Lateinamerika oder Asien in den Elendsvierteln großer Städte.

22 Es begab sich aber, dass der Arme starb, und er wurde von den Engeln getragen in Abrahams Schoß. Der Reiche aber starb auch und wurde begraben.

Hier kommen die Engel ins Spiel. Der Arme stirbt, und Engel tragen ihn in den Schoß Abrahams. Für Jesus ist das ein tröstliches Bild: Wenigstens im Tode darf Lazarus Geborgenheit und Frieden erfahren; Abraham war ja der Stammvater Israels gewesen, der vorbildlich auf Gott vertraut hatte, und so darf Lazarus sich in Gottes Nähe von Abrahams trösten lassen. Auch der Reiche stirbt, aber von ihm sagt Jesus zunächst nur, dass er begraben wird.

23 Als er nun in der Hölle war, hob er seine Augen auf in seiner Qual und sah Abraham von ferne und Lazarus in seinem Schoß.

24 Und er rief: Vater Abraham, erbarme dich meiner und sende Lazarus, damit er die Spitze seines Fingers ins Wasser tauche und mir die Zunge kühle; denn ich leide Pein in diesen Flammen.

Selbstverständlich geht Jesus davon aus: Der Reiche ist in der Hölle, im Hades, im Totenreich, und er muss Qualen leiden. Jesus malt ein Bild von der Hölle, wie wir sie uns im Märchen und in Mystery-Filmen vorstellen: Da ist es heiß, man wird am lebendigen Leibe gegrillt und verbrannt, aber nicht etwa so, dass das irgendwann vorbei ist, sondern das geht ewig so weiter. Jetzt ist es umgekehrt wie vorher auf Erden: Jetzt wünscht sich der Reiche etwas vom Armen, den er von weitem im Schoß Abrahams erblickt. Linderung seiner Qual im Höllenfeuer soll ihm Lazarus verschaffen. Mir fällt auf, dass er nicht Lazarus anredet, sondern Abraham. „Vater“ nennt er ihn, er soll Lazarus quasi als Dienstboten zu ihm senden. Nur von sich redet der Reiche: „ich“ leide Pein, erbarme dich „meiner“, er soll „mir“ die Zunge kühlen.

25 Abraham aber sprach: Gedenke, Sohn, dass du dein Gutes empfangen hast in deinem Leben, Lazarus dagegen hat Böses empfangen; nun wird er hier getröstet, und du wirst gepeinigt.

Abraham antwortet dem Reichen, indem er ihn „Sohn“ nennt und mit „du“ anredet. „Du“ hast dein Gutes empfangen, jetzt wirst „du“ gequält, also beschwer dich nicht. Einerseits klingt das gut und gerecht. Wenigstens in der Ewigkeit erfährt Lazarus Trost und Liebe, und der hartherzige reiche Mann kriegt seine gerechte Strafe. Andererseits bleibt ein bitterer Beigeschmack. Soll im Diesseits alles so bleiben, wie es ist? Vertröstet Jesus die Armen auf das Jenseits, weil ihnen hier auf Erden keine Gerechtigkeit widerfahren kann? Im Gleichnis sagt Abraham allerdings noch einen weiteren Satz:

26 Und überdies besteht zwischen uns und euch eine große Kluft, dass niemand, der von hier zu euch hinüber will, dorthin kommen kann und auch niemand von dort zu uns herüber.

Was ist mit dieser großen Kluft gemeint? Geht es um Geographie, also um Orts- und Wegbeschreibungen? Gibt es keinen gangbaren Weg zwischen dem Ort, wo sich der reiche Mann nach seinem Tod befindet, in der Unterwelt, in der Hölle, wie wir sagen würden, und dem Ort, wo Lazarus ist, in Abrahams Schoß, im Paradies, im Himmel? Oder will Jesus mit diesem Gleichnis sagen: Niemand, der einmal in der Hölle ist, kommt wieder heraus?

Vergessen wir nicht: Jesus erzählt ein Gleichnis. Er gibt keine genaue Beschreibung von Himmel und Hölle. Abrahams Schoß ist ein Bild. Die Feuerqualen des Reichen in der Unterwelt sind ein Bild. Die Kluft zwischen beiden Orten ist ein Bild. Aber was bedeuten diese Bilder? Ich denke, Jesus will sagen: Wer so ichbezogen, so hartherzig, so unbarmherzig lebt wie der reiche Mann, der mag eine Zeit lang sein Leben genießen, aber er baut in Wirklichkeit an seiner eigenen Hölle und an der Kluft, die ihn vom wahren Leben, vom Himmel, von der Liebe Gottes und der Menschen trennt. Gott will, dass alle Menschen im Frieden miteinander leben, es soll keine Grenzen, keine Kluft zwischen ihnen geben. Aber wer unbarmherzig, hartherzig, ichsüchtig Mauern zwischen sich und anderen aufbaut, der mauert auch sich selbst ein und scheint am Ende für Liebe kaum noch erreichbar zu sein.

27 Da sprach er: So bitte ich dich, Vater, dass du ihn sendest in meines Vaters Haus;

28 denn ich habe noch fünf Brüder, die soll er warnen, damit sie nicht auch kommen an diesen Ort der Qual.

Regt sich jetzt doch ein Mitgefühl im Herzen des reichen Mannes? Er hat sich damit abgefunden, selber der ewigen Strafe nicht entrinnen zu können, aber Familiensinn scheint er zu haben: seine Brüder tun ihm leid, ihnen will er die gleiche Strafe ersparen. Aber immer noch denkt der reiche Mann in alten Gedankengeleisen: Wieder will er Lazarus als Botenjungen schicken lassen; es scheint nicht in seinen Kopf hinein zu wollen, dass Lazarus ein Mensch von eigener Würde und von gleichem Wert ist wie er selbst, den er nicht einfach herumkommandieren darf.

29 Abraham sprach: Sie haben Mose und die Propheten; die sollen sie hören.

Jesus erzählt, wie Abraham auch diese Bitte des reichen Mannes ablehnt, und zwar mit ganz besonderen Worten, nämlich mit einer hohen Wertschätzung des jüdischen Gesetzes und der Propheten der Bibel Israels. In der Tora Israels, in der Wegweisung Gottes für sein auserwähltes Volk, und in der Auslegung dieser Wegweisung durch die Propheten, da steht alles drin, was die fünf Brüder des reichen Mannes brauchen, um nicht in die Hölle zu kommen. Vielleicht erzählt Jesus auch deswegen von fünf Brüdern des reichen Mannes, um an die fünf Bücher der Tora zu erinnern, die wir Christen die fünf Bücher Mose nennen.

30 Er aber sprach: Nein, Vater Abraham, sondern wenn einer von den Toten zu ihnen ginge, so würden sie Buße tun.

Erneut widerspricht der reiche Mann. Er kennt seine Brüder. Sie kennen Gottes Gebote, kümmern sich aber nicht darum. Darum bringt er ein neues Argument: Sie würden Buße tun, umkehren, ihren Sinn ändern, wenn einer von den Toten zu ihnen käme und ihnen ins Gewissen redete.

31 Er sprach zu ihm: Hören sie Mose und die Propheten nicht, so werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn jemand von den Toten auferstünde.

Auch dieses Argument fällt für Abraham nicht ins Gewicht. Nein, wer auf Mose und die Propheten nicht hören will, der hört auch auf keinen Auferstandenen. Es ist, als ob Jesus hier im Gleichnis mit den Worten Abrahams sagen wollte: Ich werde ja von den Toten auferstehen. Aber viele werden auf mich genauso wenig hören wie auf Mose und die Propheten. Und umgekehrt: Wer an mich als den Auferstandenen glauben und auf mich hören will, der soll von mir keine andere Botschaft erwarten als die Botschaft von Mose und den Propheten.

Aber was hat denn die Botschaft von Mose und den Propheten für uns zu bedeuten? Müssen auch wir Christen alle 613 Gesetze des Judentums wortwörtlich erfüllen? Nein. Im Gleichnis Jesu geht es nicht darum, dass alle Menschen Juden werden und alle jüdischen Pflichten übernehmen müssen. Jesus stellt Lazarus dem reichen Mann gegenüber und sagt ihm und seinen Brüdern und uns: Wenn ihr auch nur ein bisschen auf die Gebote Gottes hört, dann wisst ihr: Lazarus braucht euch. Macht einfach die Augen auf, und ihr merkt, wer euer Lazarus ist, wer auf euch angewiesen ist. Die Botschaft von Mose und den Propheten wurde schon von den Juden zusammengefasst im Doppelgebot der Liebe: „Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, mit all deinen Kräften, und deinen Nächsten wie dich selbst.“ Wir lieben Gott, indem wir Menschen füreinander da sind. Wir brauchen einander. Wo wir Grenzen aufbauen, wo wir sagen: Für bestimmte Menschen sind wir nicht zuständig, da fangen wir an, Gottes Gebote zu übertreten.

Aber sind wir nicht hoffnungslos überfordert, wenn wir alle Gebote Gottes erfüllen sollen? Wir sind doch nicht vollkommen. Wir machen Fehler. Brauchen wir nicht gerade deshalb das christliche Evangelium, das uns Gnade und Vergebung anbietet, so dass wir gerettet werden, obwohl wir Sünder sind?

Das stimmt – in be-stimmter Weise. Jesus bietet fehlerhaften Menschen Gnade und Vergebung an. Eine zweite, dritte, immer wieder neue Chance. Er gibt uns nicht auf. Allerdings meint er das mit der Gnade nicht so, als ob es egal wäre, was wir tun. Er hebt wirklich die guten Gebote Gottes nicht auf. Im Psalm 130, 4 heißt es, wir haben es gehört:

Bei dir ist Vergebung, dass man dich fürchte.

Wir dürfen uns also in Gottes Reich hineindrängeln – aber wirklich drin sind und bleiben wir nur, wenn wir uns an die Regeln halten. Und die haben sich seit Mose und den Propheten nicht geändert: dass Gott alle Menschen liebt, auch uns, und dass er von uns fordert, dass wir auch für die Menschen da sind, die uns brauchen. Und eins kann er absolut nicht ausstehen: wenn wir mit anderen unbarmherzig umgehen. Sogar mit uns selber sollten wir das nicht tun. Wie können wir uns also ins Reich Gottes reindrängeln? Indem wir uns am Eingang sozusagen rein-waschen lassen! Das große Symbol dafür ist das Wasser der Taufe. Es steht dafür, dass alles Böse von uns abgewaschen wird und dass wir von Gott einen neuen Geist kriegen, der uns hilft, nach Gottes Geboten zu leben. Amen.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben. Amen.
Lied 610: Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer

Großer Gott, wir bitten dich für das Mädchen, das wir heute getauft haben, und für alle Kinder, die uns als Eltern und Paten, als Lehrerinnen und Pfarrern anvertraut sind. Lass uns finden, was wir selber brauchen, damit wir als gute Begleiter und Vorbilder uns voll und ganz auf das einlassen können, was sie brauchen.

Großer Gott, wir bitten dich für unsere von Konflikten und Unrecht zerrissene Welt – lass uns unseren Beitrag für Gerechtigkeit und Frieden leisten und bewahre die Menschen vor den Folgen ihrer Uneinsichtigkeit.

Großer Gott, wir bitten dich für die Menschen, die in den letzten Tagen am Kirchentag in Stuttgart teilgenommen haben; lass die Impulse, die sie durch deinen Geist aufgenommen haben, in ihrem Alltag, in ihren Gemeinden gute Früchte tragen.

Großer Gott, wir bitten dich für für Frau …, die im Alter von … Jahren gestorben ist und die wir kirchlich bestattet haben. Nimm sie in Gnaden in deinem Himmel auf und begleite ihren Sohn auf dem Weg der Trauer und durch sein weiteres Leben.

Was wir persönlich auf dem Herzen haben, vertrauen wir dir, Gott, in der Stille an.

Stille und Vater unser
Lied 621: Ins Wasser fällt ein Stein
Abkündigungen

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

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