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Hoffnung nach einem misslungenen Putsch

Ein liegender Soldat, der ein Schwert an der Schneide hält, in der anderen Hand eine Taube; links oben eine Spinne im Netz, recht oben der Schriftzug "spes" = "Hoffnung", rechts unten grünende Blätter
Hoffnung – dargestellt an einem Fachwerkhaus in Hildesheim (Bild: falcoPixabay)

Unter dem Eindruck der bangen Tage des Putsches in der Sowjetunion schreibe ich diese Betrachtung. Wie schnell waren wir gestern, vorgestern bereit, uns an eine Rückkehr des Stalinismus und des Kalten Krieges zwischen Ost und West zu gewöhnen. Und heute – ich erlebe es als ein Wunder: ein mutig gewordenes Volk steht gegen die Putschisten auf – und siegt. So wird aus einer Beinahe-Katastrophe ein starkes Zeichen der Hoffnung.

Ähnliches begegnet mir auch im Leben einzelner Personen. Ich denke z. B. an Menschen, die in tiefster Verzweiflung versuchen, sich selbst etwas anzutun. Diese persönliche Katastrophe soll eigentlich den Schlusspunkt ihres scheinbar sinnlosen Lebens bilden. Und doch kann ein solcher misslungener „Putschversuch“ zerstörerischer Kräfte gegen das eigene Leben auch den Übergang zu einem völlig neuen Leben bedeuten: dass man – z. B. in der Nervenklinik – Wege findet, das Leben anders zu betrachten, sich jemandem anzuvertrauen mit den Problemen, die eben noch unlösbar schienen, eine Therapie zu beginnen, die hilft, das Leben zu meistern.

Ich kenne Patienten, für die eine solche Therapie ein schwerer Kampf ist. Die vertraute Art, das Leben zu betrachten, steht gegen neue, ungewohnte Einsichten. War es nicht einfacher, immer davon auszugehen, dass man sowieso niemandem vertrauen kann oder dass man sich Liebe immer irgendwie verdienen muss? Nun kommt plötzlich jemand daher und weicht diesen Glauben auf… Schön ist das ja, diese neue Erfahrung, dass Nähe, Geborgenheit, Sich-Anvertrauen wenigstens hier und da möglich sind – aber das tut auch weh, weil es die Tür aufstößt zu verschütteter Sehnsucht, zu ungeweinten Tränen und auch zu möglichen neuen Enttäuschungen. Wie in diesen historischen Tagen in der Sowjetunion kann dann auch die Entscheidung in einem einzelnen Menschenleben auf der Kippe stehen: Für das Beharren der alten seelischen Kräfte auf den altgewohnten Wegen und Hintertürchen, durch die man immer wieder selbst zum eigenen Unglücklichsein beiträgt. Oder für weitere Schritte auf dem neuen, langen, manchmal schmerzhaften – und hoffnungsvollen Weg zu einem sinn-erfüllten Leben.

Betrachtung für den Evangelischen Pressedienst am 8. September 1991 von Helmut Schütz, Krankenhauspfarrer in Alzey.

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