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Bachkantate im Dienst von Gottes Wort

Man kann Bachs Musik einfach schön finden und als Konzert genießen. Doch Bachs Kantaten waren Auftragswerke für Gottesdienste, Gebrauchsmusik im Dienst von Gottes Wort. Die Bachkantate Nr. 86 baut auf dem Jesuswort auf, das vorhin der Bass gesungen hat: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, so ihr den Vater um etwas bitten werdet in meinem Namen, so wird er‘s euch geben.“

Statue von Johann Sebastian Bach
Statue von Johann Sebastian Bach (Bild: 2182694Pixabay)

#predigtGottesdienst am Sonntag Rogate, 28. Mai 2000, um 10.00 Uhr in der evangelischen Pauluskirche Gießen

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

Der heutige 5. Sonntag nach Ostern heißt auch Rogate, das bedeutet: „Betet!“ Dazu passend ist das Wort für die kommende Woche aus Psalm 66, 20 ausgewählt:

Gelobt sei Gott, der mein Gebet nicht verwirft noch seine Güte von mir wendet!

Ums Beten geht es auch in der Evangelienlesung. Sie ist der Ausgangspunkt für die Kantate 86 von Johann Sebastian Bach: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch“, die heute im Gottesdienst erklingt.

Der Chor der Paulusgemeinde freut sich, die Kantate mitzusingen, und dankt den anderen Mitwirkenden für ihre Unterstützung: dem Gießener Kammerorchester, der Johanneskantorei, Kantor Christoph Koerber, der die Leitung innehat und heute auch die Orgel spielt, und schließlich den Solisten Erika Hedrich, Andreas Machmüller und – ja, eigentlich wollten wir auch Jan Hoffmann herzlich begrüßen und ihm zugleich zum Geburtstag gratulieren, aber da er leider erkrankt ist, sind wir besonders dankbar, dass der neue Tenor des Gießener Stadttheaters, David-Erich Fankhauser, kurzfristig für Herrn Hoffmann einspringen konnte! Herzlich willkommen in der Pauluskirche!

Chor und Gemeinde singen nun im Wechsel das Lied Nr. 501: „Wie lieblich ist der Maien!“ Der Chor beginnt mit der ersten Strophe.

C: Wie lieblich ist der Maien aus lauter Gottesgüt, des sich die Menschen freuen, weil alles grünt und blüht. Die Tier sieht man jetzt springen mit Lust auf grüner Weid, die Vöglein hört man singen, die loben Gott mit Freud.

G: Herr, dir sei Lob und Ehre für solche Gaben dein! Die Blüt zur Frucht vermehre, lass sie ersprießlich sein. Es steht in deinen Händen, dein Macht und Güt ist groß; drum wollst du von uns wenden Mehltau, Frost, Reif und Schloß‘.

C: Herr, lass die Sonne blicken ins finstre Herze mein, damit sich’s möge schicken, fröhlich im Geist zu sein, die größte Lust zu haben allein an deinem Wort, das mich im Kreuz kann laben und weist des Himmels Pfort.

G: Mein Arbeit hilf vollbringen zu Lob dem Namen dein und lass mir wohl gelingen, im Geist fruchtbar zu sein; die Blümlein lass aufgehen von Tugend mancherlei, damit ich mög bestehen und nicht verwerflich sei.

Liturgie: Hanne Allmansberger

Wir hören Worte von Jesus aus dem Evangelium nach Johannes 16:

23 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr den Vater um etwas bitten werdet in meinem Namen, wird er’s euch geben.

24 Bisher habt ihr um nichts gebeten in meinem Namen. Bittet, so werdet ihr nehmen, dass eure Freude vollkommen sei.

32 Siehe, es kommt die Stunde und ist schon gekommen, dass ihr zerstreut werdet, ein jeder in das Seine, und mich allein lasst. Aber ich bin nicht allein, denn der Vater ist bei mir.

33 Das habe ich mit euch geredet, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.

Herr, dein Wort ist unseres Fußes Leuchte und ein Licht auf unserem Wege. Halleluja. „Halleluja, Halleluja, Halleluja!“

Glaubensbekenntnis
Kantate 86 von J. S. Bach
1. Bass-Solo:

„Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, so ihr den Vater um etwas bitten werdet in meinem Namen, so wird er‘s euch geben.“

2. Alt-Arie:

Ich will doch wohl Rosen brechen, wenn mich gleich die Dornen stechen.

Denn ich bin der Zuversicht, dass mein Bitten und mein Flehen Gott gewiss zu Herzen gehen, weil es mir sein Wort verspricht.

3. Sopran-Choral:

Und was der ewig gütig Gott in seinem Wort versprochen hat, geschworn bei seinem Namen, das hält und gibt er g‘wiss fürwahr. Er helf‘ uns zu der Engel Schar durch Jesum Christum, Amen.

4. Tenor-Rezitativ:

Gott macht es nicht gleichwie die Welt, die viel verspricht und wenig hält; denn was er zusagt, muss geschehen, dass man daran kann seine Lust und Freude sehen.

5. Tenor-Arie:

Gott hilft gewiss; wird gleich die Hülfe aufgeschoben, wird sie doch drum nicht aufgehoben. Denn Gottes Wort bezeiget dies: Gott hilft gewiss!

6. Chor-Choral:

Die Hoffnung wart‘ der rechten Zeit, was Gottes Wort zusaget; wenn das geschehen soll zur Freud, setzt Gott kein g‘wisse Tage. Er weiß wohl, wenn‘s am besten ist, und braucht an uns kein arge List; des soll‘n wir ihm vertrauen.

Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Liebe Gemeinde!

Man kann Bachs Musik einfach schön finden und eine solche Kantate als Konzert hören und genießen. Doch Bachs Kantaten waren Auftragswerke für Gottesdienste, Gebrauchsmusik im Dienst von Gottes Wort. Darum gehe ich in meiner Predigt auf die Kantate ein und frage: Kann sie unser Herz öffnen für den Sinn der gesungenen Worte?

Bachs Kantate Nr. 86 baut auf dem Jesuswort auf, das vorhin Herr Machmüller mit seinem Bass gesungen hat: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, so ihr den Vater um etwas bitten werdet in meinem Namen, so wird er‘s euch geben.“

Wir könnten aus zwei Gründen versucht sein, diese so starken Worte nicht an uns heranzulassen.

Vielleicht möchten wir gar nicht wie Kinder vor Gott stehen, sondern lieber erwachsen und selbständig sein. Möglicherweise finden wir auch die Vorstellung allzu naiv, dass wir den Vater im Himmel um alles bitten können – und dass er unsere Wünsche auch noch erfüllt.

Aber Jesu Worte vom Beten sind gar nicht so naiv: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, so ihr den Vater um etwas bitten werdet in meinem Namen, so wird er‘s euch geben.“ Jesus verspricht nicht, dass Gott alle unsere Wünsche erfüllt. Mit dem doppelten „Wahrlich“ bekräftigt er die Zusage, dass Gott uns alles gibt, um was wir im Namen Jesu bitten. Im Namen Jesu – so als würde er selbst bitten. Er hat ganz kindlich beten können. Und hat zugleich ganz erwachsen darum gewusst, dass manchmal der Wille Gottes anders läuft als unser eigener. Anders, aber nicht schlechter.

Wir kann man das lernen – Beten im Namen Jesu? Der Apostel Paulus, dessen Namen unsere Gemeinde trägt, hat in einem seiner Briefe Anweisungen zum Gebet gegeben. Ich lese aus dem Briefa an die Kolosser 4, 2:

2 Seid beharrlich im Gebet und wacht in ihm mit Danksagung!

Nur ein kurzer Vers, aber der hat‘s in sich. Mit drei Stichworten erläutert Paulus das Gebet im Namen Jesu: Beharrlichkeit, Wachsamkeit und Danksagung.

2 Seid beharrlich im Gebet und wacht in ihm mit Danksagung!

Ich fange beim dritten Punkt an: Danksagung. Wenn ich weiß, dass ich mein Leben Gott verdanke, dann kann mein ganzes Leben ein Gebet sein, auch wenn ich nicht ständig laut bete. Dann nehme ich wahr, wie wunderbar der Schöpfer durch geniale Naturgesetze und eine immer noch fortschreitende Evolution die Welt und die Menschen und mich selbst hervorgebracht hat. Ich nehme es nicht als selbstverständlich, was mir geschenkt ist. Persönliche Begabungen, Herausforderungen, innere Kraft und Liebe, das sind keine Selbstverständlichkeiten. Auch Lust und Freude kommen von Gott, wie vorhin Herr Fankhauser gesungen hat: „Denn was er zusagt, muss geschehen, dass man daran kann seine Lust und Freude sehen.“

Dankbarkeit führt zweitens zur Wachsamkeit. Wachet und betet – dieser Satz galt zuerst den Freunden Jesu, die ihn in seiner Todesangst allein ließen. Die Welt, in der wir Gott alles verdanken, ist kein Schlaraffenland, in dem Gott uns alle Verantwortung abnimmt. Wenn ich dankbar empfange, was ich brauche, gewinne ich auch ein Gespür dafür, was andere Menschen brauchen und was ich ihnen geben kann. Die alten Mönche wussten, dass Beten und Arbeiten zusammengehört, Ora et Labora, wache Aufmerksamkeit für beide Welten – für die sichtbare Welt der alltäglichen Herausforderungen und für die unsichtbare Welt der Liebe Gottes, die uns trägt.

Wer wachsam auf die Realität achtet und dankbar ist für Gottes Nähe, der kann ihn auch beharrlich bitten – alle Wünsche, alle Sorgen, alle Klagen haben Platz im Gebet. In der inneren Zwiesprache mit Gott muss ich mich nicht in falscher Demut und Bescheidenheit ganz klein machen, sondern ich kann selbstbewusst vor Gott so sein wie ich bin: Mit meinen Erfolgen und meinem Scheitern, mit meinem Glauben und meinem Zweifel, mit allen meinen Wünschen, sogar mit den unerfüllbaren.

Mit der Beharrlichkeit im Beten stellt Paulus nicht die zwanghafte Regel auf: Du musst jeden Abend oder immer vor dem Essen beten, sonst ist Gott beleidigt. Nein, so kleinlich ist Gott nicht. Paulus erlaubt mir vielmehr, Gott gegenüber stur zu sein: Nicht aufgeben, auch wenn die Lage aussichtslos scheint. Denn Gott ist großzügig. Ich darf mich darauf verlassen: „Gott hilft gewiss!“ wie vorhin der Tenor gesungen hat: „Wird gleich die Hülfe aufgeschoben, wird sie doch drum nicht aufgehoben.“

Gottes Hilfe kann darin bestehen, dass sich im Laufe der Zeit unsere Wünsche verändern und wir merken: So wie wir geführt worden sind, anders, als wir es wollten, ist es doch gut geworden.

Manchmal wünschen wir uns Bewahrung vor Gefahr und Schmerz – aber wir bekommen – den Mut, eine Herausforderung anzunehmen und durchzustehen, die Kraft, Leid und Schmerz auszuhalten, wir werden davor bewahrt, in einer Notlage zu zerbrechen.

Dieses Vertrauen auf Gottes Führung kam vorhin im Lied des Chores zum Ausdruck:

„Die Hoffnung wart‘ der rechten Zeit, was Gottes Wort zusaget; wenn das geschehen soll zur Freud, setzt Gott kein g‘wisse Tage. Er weiß wohl, wenn‘s am besten ist, und braucht an uns kein arge List; des soll‘n wir ihm vertrauen.“

Manchmal trauen wir uns selbst auch zu wenig zu. Beharrliches Zutrauen zu Gott kann uns über uns selber hinauswachsen lassen.

Die Arie, die diesen Lebensmut besingt, haben wir von Frau Hedrich gehört: „Ich will doch wohl Rosen brechen, wenn mich gleich die Dornen stechen.“

Und wenn wir wirklich machtlos sind? Dann können wir erst recht nichts Besseres tun als beharrlich darauf zu vertrauen, dass Gott noch andere Wege zur Hilfe offen stehen.

Einer dieser Wege kann auch die Fürbitte sein, die für Paulus so wichtig ist, dass er seine Leser für sich selber darum bittet. Wir hören aus Kolosser 4 dazu noch die Verse 3 und 4:

3 Betet zugleich auch für uns, dass Gott uns eine Tür für das Wort auftue und wir das Geheimnis Christi sagen können, um dessentwillen ich auch in Fesseln bin,

4 damit ich es offenbar mache, wie ich es sagen muss.

Fürbitte verhindert den Egoismus im Gebet und verbindet mich durch Gott mit anderen Menschen, selbst wenn wir einander aus eigenen Kräften nicht helfen können.

Interessant ist, welche Fürbitte sich Paulus von der Gemeinde wünscht. Er bittet nicht für sich selber, obwohl er dazu Grund hätte, liegt er doch als Missionar für Christus gefesselt im Gefängnis. Um eine offene Tür bittet er. Aber nicht, dass sich unbedingt seine Gefängnistür öffnet. Er will eine offene Tür für ein besonderes Wort. Er wünscht, dass Menschen ihr Herz für das Geheimnis Christi öffnen.

Möglichst viele Menschen sollen Gott bestürmen: Mach selber die Tür für dein Wort auf! Zugleich wünscht sich Paulus, das Wort von Christus in bestimmter Weise sagen zu können, damit die Leute es in einem Aha-Erlebnis begreifen.

Wir brauchen es auch, hier und heute, dieses Aha-Erlebnis, um mit dem Beten klarzukommen. Eigentlich geschieht im Beten selbst schon Hilfe – wenn ich spüre: Der Draht nach oben ist da. Ich bin getragen in Gottes Liebe. Der Chor-Sopran hat diese Gewissheit vorhin im Choral erklingen lassen: „Und was der ewig gütig Gott in seinem Wort versprochen hat, geschworn bei seinem Namen, das hält und gibt er g‘wiss fürwahr. Er helf‘ uns zu der Engel Schar durch Jesum Christum, Amen.“

Gott hält sein Wort – anders als „die Welt, die viel verspricht und wenig hält“. Er hält es, indem er sich uns ausliefert – in Jesus, der uns Menschlichkeit vorlebt. Darin besteht das Geheimnis Christi: der wahre Gott versteckt sich mit seiner allmächtigen Liebe in einem ganz und gar menschlichen Menschen. Nur in diesem Versteck ist er zu entdecken, der liebende Gott. Und hier ist er auch ganz gewiss zu entdecken. Wir finden Gottes Hilfe, indem wir Jesus nachfolgen und Vergebung, Liebe, Neuanfang geschenkt bekommen. Gott zwingt uns nicht – Gott wirbt um uns – ohne Gewalt und Zauberei, nur durch Menschen, die das Wort von Christus weitersagen.

Manchmal singen wir das Wort auch weiter, so wie heute in der Kantate. Musik ist ja ein besonderer Zugang zu unserem Herzen. Gesänge, Melodien, Liedzeilen, die in uns weiterklingen, können uns unterstützen in unserem Gottvertrauen, wie vorhin die Arie der Alt-Stimme: „Denn ich bin der Zuversicht, dass mein Bitten und mein Flehen Gott gewiss zu Herzen gehen, weil es mir sein Wort verspricht.“

„Zu Herzen gehen“ – darum geht‘s beim Beten. Dass Beziehung aufgebaut wird zwischen unserem Herzen und dem Herzen Gottes. Dass wir wie Jesus spüren: Gott ist näher als wir denken. Dass wir erfahren: Selbständig, verantwortlich, erwachsen handeln und kindlich vertrauen – darin liegt gar kein Widerspruch. Amen.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben. Amen.
Lied 369, 1-2+7:

1) Wer nur den lieben Gott lässt walten und hoffet auf ihn allezeit, den wird er wunderbar erhalten in aller Not und Traurigkeit. Wer Gott, dem Allerhöchsten, traut, der hat auf keinen Sand gebaut.

2) Was helfen uns die schweren Sorgen, was hilft uns unser Weh und Ach? Was hilft es, dass wir alle Morgen beseufzen unser Ungemach? Wir machen unser Kreuz und Leid nur größer durch die Traurigkeit.

7) Sing, bet und geh auf Gottes Wegen, verricht das Deine nur getreu und trau des Himmels reichem Segen, so wird er bei dir werden neu. Denn welcher seine Zuversicht auf Gott setzt, den verlässt er nicht.

Abkündigungen
Fürbitten, Gebetsstille und Vater unser
Lied 321:

1) Nun danket alle Gott mit Herzen, Mund und Händen, der große Dinge tut an uns und allen Enden, der uns von Mutterleib und Kindesbeinen an unzählig viel zugut bis hierher hat getan.

2) Der ewigreiche Gott woll uns bei unserm Leben ein immer fröhlich Herz und edlen Frieden geben und uns in seiner Gnad erhalten fort und fort und uns aus aller Not erlösen hier und dort.

3) Lob, Ehr und Preis sei Gott dem Vater und dem Sohne und Gott dem Heilgen Geist im höchsten Himmelsthrone, ihm, dem dreiein’gen Gott, wie es im Anfang war und ist und bleiben wird so jetzt und immerdar.

Segen

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