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Behindert

Freut euch, macht euch keine Sorgen: und dann an die Probleme der Behinderten denken? Wird einem da nicht die Freude verdorben? Ist das Leben von Behinderten denn nur ein Dahinvegetieren ohne Sinn? Aber sehen Sie sich von Betheler Patienten gestaltete Bilder an – vielleicht spüren Sie, dass Traurigkeit und Freude, Verzweiflung und Dankbarkeit von ihnen intensiv erfahren und ausgedrückt wird.

Frau im Rollstuhl bückt sich unter einer Barriere auf einem Waldweg hindurch
Barrierefreiheit für Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind? (Bild: makeitsomarketingPixabay)
direkt-predigtGottesdienst zum Christkindlmarkt mit Taufen am Sonntag, 3. Advent, 16. Dezember 1979, um 14.30 Uhr in der Kirche zu Reichelsheim
Orgelvorspiel

Herzlich willkommen zum Gottesdienst, der den Christkindlmarkt einleiten soll. Besonders begrüße ich die Eltern, Paten und Verwandten der Kinder, die heute getauft werden sollen. Kindtaufe ist ein frohes Fest. Unser Christkindlmarkt soll ebenfalls ein frohes Fest werden. Wir hoffen jedenfalls, dass er Freude bringt, duch die mit Liebe hergestellten Dinge, durch den Erlös, der behinderten Menschen in Bethel zugute kommt, durch das Zusammensein und die Gespräche, zu denen es hoffentlich auf dem Christkindlmarkt kommt, durch die Botschaft von Jesus, die wir im Gottesdienst hören und die der tiefste Grund unserer Freude ist.

Lied 6, 1-3 (EG 1):

1. Macht hoch die Tür, die Tor macht weit; es kommt der Herr der Herrlichkeit, ein König aller Königreich, ein Heiland aller Welt zugleich, der Heil und Leben mit sich bringt; derhalben jauchzt, mit Freuden singt: Gelobet sei mein Gott, mein Schöpfer reich von Rat.

2. Er ist gerecht, ein Helfer wert; Sanftmütigkeit ist sein Gefährt, sein Königskron ist Heiligkeit, sein Zepter ist Barmherzigkeit; all unsre Not zum End er bringt, derhalben jauchzt, mit Freuden singt: Gelobet sei mein Gott, mein Heiland groß von Tat.

3. O wohl dem Land, o wohl der Stadt, so diesen König bei sich hat. Wohl allen Herzen insgemein, da dieser König ziehet ein. Er ist die rechte Freudensonn, bringt mit sich lauter Freud und Wonn. Gelobet sei mein Gott, mein Tröster früh und spat.

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen.

Ihr, die ihr dem Herrn gehorcht, freut euch über ihn und jubelt! Alle, die zu ihm halten, sollen vor Freude singen!

Herr, unser Gott, du wartest nicht, bis wir dich gefunden haben. Du kommst selbst zu uns. Vor dir können wir unser Versagen und unsere Schuld eingestehen. Dir brauchen wir nichts vorzumachen. Zu dir können wir kommen, wie wir sind. Du weißt, was jeder von uns braucht und zum Leben nötig hat. Gib uns, dass wir uns in dieser weihnachtlichen Zeit zu dir einladen lassen – aus der Hetze und Unruhe unserer Tage in die Stille, aus der Oberflächlichkeit unseres Lebens in die Andacht und aus aller Mutlosigkeit in die Freude. Das bitten wir dich durch unseren Herrn Jesus Christus. Amen.

Aus dem Lukasevangelium (Kapitel 1) hören wir das Loblied, das Maria sang, als sie mit Jesus schwanger war:

46 Und Maria sprach: Meine Seele erhebt den Herrn,

47 und mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes;

48 denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen. Siehe, von nun an werden mich selig preisen alle Kindeskinder.

49 Denn er hat große Dinge an mir getan, der da mächtig ist und dessen Name heilig ist.

50 Und seine Barmherzigkeit währt von Geschlecht zu Geschlecht bei denen, die ihn fürchten.

51 Er übt Gewalt mit seinem Arm und zerstreut, die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn.

52 Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen.

53 Die Hungrigen füllt er mit Gütern und läßt die Reichen leer ausgehen.

54 Er gedenkt der Barmherzigkeit und hilft seinem Diener Israel auf,

55 wie er geredet hat zu unsern Vätern, Abraham und seinen Kindern in Ewigkeit.

Lied EKG 7, 1-3 (EG 9):

1. Nun jauchzet, all ihr Frommen, zu dieser Gnadenzeit, weil unser Heil ist kommen, der Herr der Herrlichkeit, zwar ohne stolze Pracht, doch mächtig, zu verheeren und gänzlich zu zerstören des Teufels Reich und Macht.

2. Er kommt zu uns geritten auf einem Eselein und stellt sich in die Mitten für uns zum Opfer ein. Er bringt kein zeitlich Gut, er will allein erwerben durch seinen Tod und Sterben, was ewig währen tut.

3. Kein Zepter, keine Krone sucht er auf dieser Welt; im hohen Himmelsthrone ist ihm sein Reich bestellt. Er will hier seine Macht und Majestät verhüllen, bis er des Vaters Willen im Leiden hat vollbracht.

Friede und Freude sei mit uns allen. Amen.

Wir hören den Predigttext aus dem Paulusbrief an die Philipper 4, 4-7 (GNB):

Freut euch immerzu, weil ihr mit dem Herrn verbunden seid, und noch einmal sage ich: Freut euch! Alle sollen sehen, wie freundlich und gütig ihr zueinander seid. Der Herr kommt bald! Macht euch keine Sorgen, sondern wendet euch in jeder Lage an Gott und bringt eure Bitten vor ihn. Tut es mit Dank für das Gute, das er euch schon erwiesen hat. Der Frieden Gottes, der alles menschliche Begreifen weit übersteigt, wird euer Denken und Wollen im Guten bewahren, weil ihr mit Jesus Christus verbunden seid.

Amen.

Liebe Gemeinde!

Freut euch! sagt Paulus. Aber kann das jeder? Macht euch keine Sorgen! sagt Paulus. Aber sind die Sorgen nicht von selbst da?

Was Paulus da verlangt, können wir nur verstehen, wenn wir diese Sätze vollständig lesen: Freut euch, weil ihr mit dem Herrn, mit Jesus, verbunden seid. Wer zu Jesus gehört, wie z. B. diese Kinder, die wir heute taufen wollen, hat Grund zur Freude. Denn Jesus ist ein Herr von anderer als gewohnter Art. Nicht einer, bei dem oben mehr gilt als unten, Stärke mehr als Schwäche, ein Erwachsener mehr als ein Kind, ein Gesunder mehr als ein Kranker – sondern Jesus kehrt diese Rangstufen um, bewertet auch das zugehörige Verhalten anders: dieser Herr herrscht, indem er anderen einen Dienst tut! Das ist ein Grund zur Freude, über den man nicht schweigen kann, der öffentliche Auswirkungen hat: „Alle sollen sehen, wie freundlich und gütig ihr seid!“

Und der Satz von den Sorgen? Macht euch keine Sorgen, sondern wendet euch in jeder Lage an Gott und bittet ihn um alles, was ihr braucht. Vergesst dabei nicht den Dank! Wer sein Leben als Geschenk erfährt, wer bitten und danken kann, der ist in seinen Sorgen nicht allein. Der kann sich in seinen Schwächen akzeptieren, der kann einsehen, dass er an Grenzen stößt, die bei jedem Menschen verschieden weit gesteckt sind, der kann sehen, dass es anderen ähnlich oder schlechter geht, der kann seine Verantwortung für andere entdecken, dem werden seine eigenen Sorgen zwar nicht unbedingt abgenommen, aber sie können leichter gemeistert werden. Wer das kann, der lebt vom Frieden Gottes, der alles menschliche Begreifen weit übersteigt.

Und wer das nicht kann, vielleicht noch nicht kann? Wenn einer nur an seine eigenen Sorgen denkt, kapselt er sich von den anderen ab, nach dem Motto: mir hilft auch keiner. Die Grenze, die er selbst in seinem Leben erfährt, wird zur Grenze, die er zu den anderen Menschen hin zieht.

Andererseits möchte keiner als nicht ganz normal gelten. Keiner möchte auffallen durch eine besondere schwache Stelle oder durch eine Behinderung. Viele haben so viel Angst vor dem Abweichen von der Norm, dass sie jemanden brauchen, mit dem sie sich vergleichen und auf den sie herabsehen können. Wenn man befürchtet, nicht ganz weiß zu sein, stellt man sich eben vor einen schwarzen Hintergrund, da wirkt auch grau noch hell. So hat man immer wieder ganze Gruppen von Menschen zu Sündenböcken gemacht für Fehler, die man an sich selbst nicht wahrhaben wollte. Oder man begegnet ganzen Gruppen von Menschen mit einem Mitleid, das sie nicht mehr als vollwertige Menschen ernst nimmt. Man spricht z. B. von den Behinderten, macht Witze über sie, ist im Grunde unsicher ihnen gegenüber, hat Angst davor, mit Behinderung zu nahe in Kontakt zu kommen, man hält es schließlich für normal, wenn die meisten Behinderten in Heimen leben, obwohl man vielen von ihnen damit Lebensmöglichkeiten raubt. Viele würden eben nur ein wenig Verständnis, Unterstützung, eine behindertengerechte Umgebung brauchen, um ihr Leben in einem eingeschränkten Rahmen so weit wie möglich selbständig zu meistern.

Sicher gibt es auch Behinderte, die in einer Stadt der Heime wie Bethel bessere Lebenshilfe erfahren können als in ihrer Familie. Andererseits ist es ja hier und da möglich – auch in unserer Gemeinde – dass Gesunde und Behinderte miteinander leben. So lange das aber nicht alle Gesunden können, werden in Heimen wie Bethel auch manche Patienten leben, die eigentlich mitten unter uns ihren Platz finden könnten.

Das ist ein Beispiel dafür, wie eine besondere Grenze, an die einer stößt, z. B. seine geistige oder körperliche Behinderung, zu einer Grenze zwischen Menschen werden kann. Ich habe gerade dieses Beispiel angeführt, weil unsere heutige Kollekte und auch der Erlös unseres Christkindlmarktes für Kranke und Behinderte in Bethel bestimmt sind. Ich wollte Sie ein wenig anregen, dass Sie sich nachher auf dem Christkindlmarkt weitere Informationen über Bethel an meinem Stand holen, oder dass wir ins Gespräch darüber kommen.

Freut euch, macht euch keine Sorgen: und dann an die Probleme der Behinderten denken? Wird einem da nicht die Freude verdorben? Wenn wir so denken, leitet uns vielleicht immer noch die Auffassung, dass das Leben von Behinderten, jedenfalls von manchen unter ihnen, nur ein Dahinvegetieren ohne Sinn sei. Aber sehen Sie sich nachher einmal einige von Betheler Patienten gestaltete Bilder an – vielleicht spüren Sie, dass Traurigkeit und Freude, Verzweiflung und Dankbarkeit von vielen Behinderten intensiver erfahren und ausgedrückt werden können als von Gesunden. Manche haben Fähigkeiten im Gefühlsbereich, bei denen wir in unseren Möglichkeiten eingeschränkt – behindert? – sind.

Nur: wer seine Gefühle nicht angemessen ausdrücken kann, wer nicht weinen oder lachen kann, den würden wir nicht als Behinderten bezeichnen. Doch er ist menschlich gesehen ärmer dran als z. B. ein schwachsinniger Junge in Bethel, der gebadet, angezogen, gefüttert werden muss, nur in einem Torfbett liegen kann, der aber für die Zuwendung der Pfleger mit dem Heben eines Armes danken kann.

Freut euch immerzu, weil ihr mit dem Herren verbunden seid! Mit Jesus verbunden sein, heißt: mit allen Menschen verbunden sein, zu denen wir gern Grenzen ziehen. Mit Jesus verbunden sein, heißt: Grenzen, Begrenzungen zuerst in uns selbst zu suchen: unsere Fehler und Schwächen, unsere eigenen Hemmungen, unsere Mutlosigkeit, das Gefühl, nicht recht anerkannt zu werden. Auch seelische Stärke, auch große Intelligenz, kann zu einer Grenze werden, wenn wir nicht anderen mit unseren Fähigkeiten dienen, sondern sie nur für den eigenen Erfolg in unserer Gesellschaft nutzen. Wenn wir aber unsere eigenen Grenzen erkennen, wenn also jeder Grenzen hat, ganz gleich welcher Art, dann ist jeder auch angewiesen auf andere, dann wird es selbstverständlich, sich umgekehrt auch für andere verantwortlich zu fühlen. Deshalb sagt Paulus: Freut euch! Alle sollen sehen, wie freundlich und gütig ihr seid. Amen.

Der Friede Gottes, der alles menschliche Begreifen weit übersteigt, wird euer Denken und Wollen im Guten bewahren. Amen.
Lied 7, 4-5 (EG 9):

4. Ihr Mächtigen auf Erden, nehmt diesen König an, wollt ihr beraten werden und gehn die rechte Bahn, die zu dem Himmel führt; sonst, wo ihr ihn verachtet und nur nach Hoheit trachtet, des Höchsten Zorn euch rührt.

5. Ihr Armen und Elenden zu dieser bösen Zeit, die ihr an allen Enden müsst haben Angst und Leid, seid dennoch wohlgemut, lasst eure Lieder klingen, dem König Lob zu singen, der ist eu’r höchstes Gut.

Taufen
Lied 151, 1 (EG 206):

1. Liebster Jesu, wir sind hier, deinem Worte nachzuleben; dieses Kindlein kommt zu dir, weil du den Befehl gegeben, dass man sie zu dir hinführe, denn das Himmelreich ist ihre.

Abkündigungen

Herr, unser Gott, lass uns zu Boten deiner Freude werden. Mach uns bewusst, dass wir zu dir und zueinander gehören, und lass uns darüber froh werden, dass es keine Grenzen zwischen uns geben muss. Lass uns Freude weiterbringen zu den Menschen, die Angst haben vor den Feiertagen, die sich fürchten, allein zu bleiben und sich nichts anmerken lassen, weil sie keinem lästig sein wollen. Lass uns Freude weiterbringen zu denen, die im Streit miteinander leben, zu denen, die sich nichts mehr zu sagen haben, zu allen Menschen, die einsam, krank und verzweifelt sind. Gib, dass wir dein Licht weiterbringen in unsere Welt, die deine Hilfe nötig hat, die den Frieden braucht und sich nach Freude herzlich sehnt. Amen.

Vater unser und Segen
Lied 7, 6: Er wird nun bald erscheinen in seiner Herrlichkeit

6. Er wird nun bald erscheinen in seiner Herrlichkeit und all eu’r Klag und Weinen verwandeln ganz in Freud. Er ist’s, der helfen kann; halt’ eure Lampen fertig und seid stets sein gewärtig, er ist schon auf der Bahn.

Orgelnachspiel

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