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„Erforsche mich, Gott!“

In einer Trauerfeier gehe ich auf Worte aus dem Psalm 139 ein, in denen es um die Bitte geht, dass Gott mich bzw. uns erforschen soll, statt dass wir andere Menschen erforschen, um über sie zu urteilen.

"Erforsche mich, Gott!" Der Umriss eines Kopfes im Profil, durchzogen von spiralförmigen farbigen Mustern
Gott hilft uns, zu erkennen, wie er uns wirklich gemeint hat (Bild: kalhhPixabay)

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen.

Liebe Gemeinde, wir sind hier versammelt, um von Herrn C. Abschied zu nehmen, der im Alter von [über 70] Jahren gestorben ist.

Wir erinnern uns gemeinsam an sein Leben und erweisen ihm die letzte Ehre. Wir lassen einander in der Stunde des Abschieds nicht allein. Wir besinnen uns auf Gott, von dem unser Leben herkommt und zu dem es im Tode zurückkehrt.

Wir beten mit Worten aus dem Psalm 139:

1 HERR, du erforschest mich und kennest mich.

2 Ich sitze oder stehe auf, so weißt du es; du verstehst meine Gedanken von ferne.

3 Ich gehe oder liege, so bist du um mich und siehst alle meine Wege.

4 Denn siehe, es ist kein Wort auf meiner Zunge, das du, HERR, nicht schon wüsstest.

5 Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.

6 Diese Erkenntnis ist mir zu wunderbar und zu hoch, ich kann sie nicht begreifen.

7 Wohin soll ich gehen vor deinem Geist, und wohin soll ich fliehen vor deinem Angesicht?

8 Führe ich gen Himmel, so bist du da; bettete ich mich bei den Toten, siehe, so bist du auch da.

9 Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer,

10 so würde auch dort deine Hand mich führen und deine Rechte mich halten.

13 Denn du hast [mein Innerstes] bereitet und hast mich gebildet im Mutterleibe.

14 Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele.

15 Es war dir mein Gebein nicht verborgen, als ich im Verborgenen gemacht wurde, als ich gebildet wurde unten in der Erde.

16 Deine Augen sahen mich, als ich noch nicht bereitet war, und alle Tage waren in dein Buch geschrieben, die noch werden sollten und von denen keiner da war.

17 Aber wie schwer sind für mich, Gott, deine Gedanken! Wie ist ihre Summe so groß!

18 Wollte ich sie zählen, so wären sie mehr als der Sand: Am Ende bin ich noch immer bei dir.

23 Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz; prüfe mich und erkenne, wie ich‘s meine.

24 Und sieh, ob ich auf bösem Wege bin, und leite mich auf ewigem Wege. Amen.

Liebe Trauerfamilie C., liebe Gemeinde!

„Erforsche mich, Gott“, so beten wir mit dem biblischen Psalm, der schon im ersten Vers betont hat, dass Gott gar nicht anders kann, als uns zu erforschen. Er kennt uns besser als wir selbst, er hat uns ja geplant und wunderbar gemacht und wusste über unsere Wege Bescheid, bevor wir überhaupt ins Leben traten. Im Namen eines solchen Gottes begehen wir diese Trauerfeier, nehmen wir Abschied von Herrn C.

Wenn wir Gott bitten, uns zu erforschen, dann geben wir damit zu, dass wir selber weder uns selbst noch einen anderen Menschen vollkommen erkennen und durchschauen können. Daher können wir auch keine abschließende völlig gerechte Bilanz über das Leben eines Menschen ziehen. Jeder von uns hat andere Erinnerungen an den Verstorbenen gehabt, jeder ist ihm auf seine eigene Weise begegnet, ist von ihm in unterschiedlicher Weise geprägt worden.

Offenbar war Herr C. eine starke Persönlichkeit. Er steht Ihnen vor Augen, wie er war, als einer, den Sie geliebt haben und an dem Ihnen sehr viel lag. Und was er jedem einzelnen von Ihnen auf seine Weise gegeben hat, das können nur Sie selber wissen und spüren. Nur Sie selber können ganz für sich im Stillen sagen: Ja, dafür bin ich dankbar! Diese Liebe hat mich getragen und stark gemacht, und ich bewahre sie in meinem Herzen. Auf der anderen Seite gab es aber vielleicht auch Enttäuschungen, unerfüllte Sehnsucht, Wünsche, die man sich vielleicht nie auch nur bewusst gemacht hat.

Wenn Gott uns erforscht, dann fängt er bei seinen eigenen Plänen mit uns an. Er hat mit jedem von uns sehr viel vor. Allerdings gelingt es uns meist nur unvollkommen, dem Abbild der Liebe zu entsprechen, zu dem Gott uns geschaffen hat. Bei allem sind wir auf Gnade angewiesen, darauf, dass Gott immer wieder neu mit uns anfängt, uns in schweren Zeiten auffängt. Und er möchte auch, dass wir miteinander barmherzig umgehen, weil wir wissen, dass wir alle nicht vollkommen sind.

Erinnerungen an das Leben des Verstorbenen

Um seine Gesundheit stand es schon lange nicht zum Besten, obwohl er, wenn er gefragt wurde, immer behauptete, ihm gehe es gut. Es lag ihm nicht, zu klagen und zu jammern, obwohl es manchmal besser gewesen wäre, er hätte einem Arzt genauer gesagt, welche Beschwerden er hatte. In den letzten Jahren musste er immer wieder im Krankenhaus behandelt werden. Dass er nun gestorben ist, war für ihn gewiss eine Erlösung. Er hätte sicher nicht gewollt, als ein Schwerstpflegefall in der Familie oder in einem Heim betreut werden zu müssen.

So viel zum Leben und zum Sterben des Mannes, von dem wir heute Abschied nehmen. Wie gesagt, jede und jeder einzelne von uns nimmt Abschied auf seine eigene Weise. Das Gebet, das ich am Anfang gesprochen habe, können wir daher ebenso gut auf uns selber wie auf den Verstorbenen beziehen. Da heißt es ja auch gar nicht: Hilf uns, den anderen Menschen zu erforschen, hilf uns, herauszufinden, was für ein Mensch er wirklich war, sondern da heißt es (Psalm 139, 23-24):

Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz; prüfe mich und erkenne, wie ich‘s meine. Und sieh, ob ich auf bösem Wege bin, und leite mich auf ewigem Wege.

Um uns selber geht es, um UNSERE Gedanken und Gefühle und darum, was wir damit machen. Wir können trauern, Schmerz empfinden, Enttäuschungen erfahren haben und dabei hart und verbittert werden. Wir können aber auch mit anderen oder im Gebet mit Gott alles teilen, was uns an Gutem und weniger Gutem widerfährt, können Menschen suchen, denen wir uns anvertrauen und auf diese Weise bewältigen, was uns belastet.

Wie ich es selber wirklich meine, dass kann letztlich kein anderer Mensch beurteilen, dass weiß nur Gott selbst. Und nur Gott selbst kann uns auf ewigem Wege führen. Mit diesem ewigen Weg meint die Bibel nichts anderes als einen geraden Weg, der sich an den Geboten Gottes orientiert: Es soll durch uns niemand zu Schaden kommen oder in Angst leben, niemand herabgesetzt oder unter Druck geraten, vielmehr will Gott, dass wir einander beistehen und dabei helfen, ein glückliches Leben zu führen.

Für wen wir uns ganz konkret verantwortlich fühlen, wo wir gefragt sind, ein offenes Ohr und eine hilfreiche Hand zur Verfügung zu stellen, das ist auch eine Sache, die wir in der Zwiesprache mit Gott klären können: „Erforsche mich, hilf mir herauszufinden, wie ich meinen Weg gehen kann zwischen dem guten Willen, anderen zu helfen, und der Gefahr, ausgenutzt zu werden. Erkenne, wie ich‘s meine, ob ich mich vor zu hohen Ansprüchen schützen muss, um gut für mich zu sorgen, oder ob ich es einfach bequem haben möchte. Prüfe mich, ob wirklich nur ich immer Recht habe, und hilf mir, auch den Standpunkt anderer zu bedenken.“ Vielleicht ist ja der grünweiße Kugelschreiber zwar nicht unbedingt rot, wie der andere behauptet, aber er schreibt doch blau, was man erst herausfindet, wenn man genauer hinschaut und sich auf ein Ausprobieren des Unbekannten einlässt.

Ein ewiger Weg, ein gerader Weg im Sinne Gottes, führt nicht unbedingt immer nur durch rosige Zeiten in diesem irdischen Leben, aber er ist geprägt durch Liebe, die wir empfangen und weiterverschenken. Hier auf Erden ist diese Liebe immer unvollkommen, aber sie ist doch erfahrbar, sonst könnten wir gar nicht leben.

Es ist diese Liebe, die uns letzten Endes auch mit einem Verstorbenen verbindet, von dem wir Abschied nehmen, und diese Liebe bleibt uns. Wir dürfen sogar darauf vertrauen, dass wir im Tode von Gott in seine ewige Liebe aufgenommen werden, wo er uns alles schenkt, wonach wir uns sehnen.

Wir sprechen von ewiger Ruhe, vom ewigen Frieden, aber das sind nur bildhafte Worte, mit denen wir gar nicht fassen können, was uns nach unserem Tod bei Gott erwartet. Wir können einfach darauf vertrauen, dass wir bei Gott in guten Händen bleiben. Denn so wie er uns hier auf ewigen Wegen leiten will, so nimmt er uns im Tode liebevoll und voller Gnade in seinem Himmel auf. Wir wissen nicht, wo dieser Himmel ist, er ist nicht einfach oben und weit weg; Gottes Himmel ist unsichtbar und kann uns so nahe sein wie unser eigenes Herz. Denn Gott ist die Liebe, die uns von allen Seiten umgibt und uns sogar innerlich erfüllen will. In dieser Liebe bleibt auch Herr C. in seinem Tode gut aufgehoben. Amen.

EG 361:

1. Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt der allertreusten Pflege des, der den Himmel lenkt. Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann.

12. Mach End, o Herr, mach Ende mit aller unsrer Not; stärk unsre Füß und Hände und lass bis in den Tod uns allzeit deiner Pflege und Treu empfohlen sein, so gehen unsre Wege gewiss zum Himmel ein.

Großer, uns oft fremder und doch treuer Gott, wir vertrauen dir Herrn C. in seinem Tode an. Du hast ihn nach langer Krankheitszeit zu dir gerufen und nimmst ihn gnädig auf in deiner Liebe, in deinen ewigen Frieden.

Wer ihn geliebt hat, wer ihm nahestand, ist traurig und wird ihn vermissen. Zugleich ist da auch die Dankbarkeit für alles, was ihm in diesem Leben geschenkt war und was andere durch ihn an Gutem erfahren konnten. Lass uns die Liebe bewahren, die wir füreinander empfunden und einander geschenkt haben.

Gott, wir bitten dich, sei uns nahe, auch wenn in uns ein Chaos der Gefühle herrscht, wenn wir nicht wissen, woran wir glauben und worauf wir uns verlassen sollen. Lass uns aushalten, was wir fühlen, und hilf uns, unser Leben zu meistern. Lass niemanden allein, der Hilfe braucht, hilf uns, für die Menschen da zu sein, die uns anvertraut sind, und lass uns niemals vergessen, wie kostbar unser Leben ist. Amen.

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