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Der Prophet Elisa und die reiche Frau

Fast wie ein Übergriff wirkt es, dass Elisa sich mit Mund, Augen, Händen über den Jungen breitet. Aber der Prophet handelt wirklich im Dienste des Lebens. Auch in der Seelsorge kann es notwendig sein, jemanden in den Arm zu nehmen, um zu trösten. Dabei muss man achtgeben, in welcher Weise man das tut, um nicht Schaden anzurichten, statt zu helfen.

Trommel und Stab eines Schamanen
Manches, was der Prophet Elisa tut, erinnert an schamanische Rituale (Bild: kemasuPixabay)

#predigtGottesdienst am 6. Sonntag nach Trinitatis, den 19. Juli 2009, um 10.00 Uhr in der evangelischen Pauluskirche Gießen mit dem Gaudete-Chor unter der Leitung von Herrn Werner Boeck

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

Dieser Gottesdienst wird vom Gaudete-Chor unter der Leitung von Herrn Werner Boeck mitgestaltet. Dafür danken wir herzlich!

In der Predigt geht es um eine spannende Geschichte aus der Bibel. Sie handelt von einem Mann Gottes und einer reichen Frau.

Das erste Lied 320 singen wir abwechselnd mit dem Chor. Der Chor singt die erste Strophe, die Gemeinde die zweite – und immer so weiter bis zur letzten:

1. Nun lasst uns Gott dem Herren Dank sagen und ihn ehren für alle seine Gaben, die wir empfangen haben.

2. Den Leib, die Seel, das Leben hat er allein uns geben; dieselben zu bewahren, tut er nie etwas sparen.

3. Nahrung gibt er dem Leibe; die Seele muss auch bleiben, wiewohl tödliche Wunden sind kommen von der Sünden.

4. Ein Arzt ist uns gegeben, der selber ist das Leben; Christus, für uns gestorben, der hat das Heil erworben.

5. Sein Wort, sein Tauf, sein Nachtmahl dient wider alles Unheil; der Heilig Geist im Glauben lehrt uns darauf vertrauen.

6. Durch ihn ist uns vergeben die Sünd, geschenkt das Leben. Im Himmel solln wir haben, o Gott, wie große Gaben!

7. Wir bitten deine Güte, wollst uns hinfort behüten, uns Große mit den Kleinen; du kannst’s nicht böse meinen.

8. Erhalt uns in der Wahrheit, gib ewigliche Freiheit, zu preisen deinen Namen durch Jesus Christus. Amen.

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

Gott gibt uns das Leben, er sorgt für Leib und Seele.

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Unser Leben ist zerrissen durch Schicksal und durch eigene Schuld. Aber es gibt einen Arzt, der unsere Sünde heilt: Jesus Christus. Er schenkt uns das Leben neu. Zu ihm rufen wir:

Herr, erbarme dich! „Herr, erbarme dich, Christe, erbarme dich, Herr, erbarm dich über uns!“

Jesus Christus spricht (Lukas 12):

22 Sorgt nicht um euer Leben, was ihr essen sollt, auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen sollt.

23 Denn das Leben ist mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung.

Lasst uns Gott lobsingen! „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen. Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat; nun ist gross Fried ohn Unterlass, all Fehd hat nun ein Ende“.

Der Herr sei mit euch „und mit deinem Geist.“

Gott, unser Leben hast du uns geschenkt. Was zum Leben nötig ist, bekommen wir von dir. Hilf uns, den tödlichen Mächten entgegenzutreten, die das Leben bedrohen, unser eigenes und das Leben der vielen in der Gemeinschaft der Menschen. Darum bitten wir dich im Namen Jesu Christi, unseres Herrn. „Amen.“

Wir hören die Schriftlesung aus dem Evangelium nach Lukas 10:

1 [Jesus setzte] zweiundsiebzig Jünger ein und schickte sie zu zweit vor sich her in alle Städte und Orte, wohin er gehen wollte,

2 und sprach zu ihnen: …

4 Tragt keinen Geldbeutel bei euch, keine Tasche und keine Schuhe, und grüßt niemanden unterwegs.

8 Und wenn ihr in eine Stadt kommt, und sie euch aufnehmen, dann esst, was euch vorgesetzt wird,

9 und heilt die Kranken, die dort sind, und sagt ihnen: Das Reich Gottes ist nahe zu euch gekommen.

Herr, dein Wort ist unseres Fußes Leuchte und ein Licht auf unserem Wege. Halleluja. „Halleluja, Halleluja, Halleluja.“

Glaubensbekenntnis

Wir hören vom Chor ein Spiritual der amerikanischen Schwarzen, in dem Jesus als König gepriesen wird. Jesus hört den ganzen Tag zu, ob irgendwo ein Sünder zu ihm betet, und wer die Eisenbahn des Evangeliums bestiegen hat, dessen Seele ist für die Herrlichkeit des ewigen Lebens bestimmt, dem kann der Teufel nichts mehr tun:

R. King Jesus is a-listenin‘ all day long, King Jesus is a-listenin‘ all day long. King Jesus is a-listenin‘ all day long, To hear some sinner pray.

1. That Gospel train is comin‘, A-rumblin‘ through the lan‘, I hear them wheels a-hummin‘, Get ready for that train!

2. I know I been converted, I ain‘t gon‘ make no alarm, For my soul is bound for glory, And the devil can‘t do me no harm.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe Gemeinde!

Ich predige heute nicht über den vorgeschlagenen Predigttext; der würde besser zu einer Taufe passen. Ich predige auch nicht über Jesus, obwohl wir den Song „King Jesus“ gehört haben. Stattdessen predige ich über meinen Lieblingspropheten Elisa. Elisa, mit „s“, den Schüler des berühmteren Propheten Elia. Mit Jesus hat diese Geschichte aber trotzdem zu tun, denn erstens ist Elisa für die Juden ein ähnlich bedeutender Wundertäter wie Jesus für uns Christen, und für vieles, was Jesus getan hat, kann Elisa als Vorbild angenommen werden, und zweitens kommt in unserer Geschichte eine konkrete Kleinigkeit vor, die wir eben in unserer Jesusgeschichte gehört haben. Die verrate ich aber erst, wenn wir an die Stelle im Text kommen.

Unsere heutige Elisa-Geschichte steht im Buch 2. Könige 4 und 8. Im Mittelpunkt steht eine reiche, angesehene, selbstbewusste Frau, deren Namen wir nicht kennen. Sie wird einfach die Frau aus Schunem genannt. Ihre Geschichte lese ich und lege sie aus, nach und nach, und zwar in drei Akten.

Erster Akt: Wunschkind wider Willen

8 Und es begab sich eines Tages, dass Elisa nach Schunem ging. Dort war eine reiche Frau; die nötigte ihn, dass er bei ihr aß. Und sooft er dort durchkam, kehrte er bei ihr ein und aß bei ihr.

Wie später Jesus, so wandert schon der Prophet Elisa durch das Land Israel, und die Übernachtungsfrage ist dadurch gelöst, dass Menschen wie diese reiche Frau ihn bei sich aufnehmen. Es ist übrigens auch bei Jesus so, dass er von wohlhabenden Frauen unterstützt wird. Und wie sich bei Jesus dadurch auch hier und da eine Freundschaft ergibt, wie bei Maria, Martha und Lazarus, so entsteht auch hier ein engerer Kontakt zwischen dem Propheten Elisa und der Frau in Schunem.

9 Und sie sprach zu ihrem Mann: Siehe, ich merke, dass dieser Mann Gottes heilig ist, der immer hier durchkommt.

10 Lass uns ihm eine kleine Kammer oben machen und Bett, Tisch, Stuhl und Leuchter hinstellen, damit er dort einkehren kann, wenn er zu uns kommt.

Weil die Frau das Besondere an dem Mann Gottes spürt, stellt sie ihm mietfrei ein Zimmer zur Verfügung. Was ihr Ehemann von ihrem Vorschlag hält, wird nicht erwähnt; in dieser Familie hat die Frau das Sagen.

11 Und es begab sich eines Tages, dass Elisa dort einkehrte und sich oben in die Kammer legte und darin schlief.

12 Danach sprach er zu seinem Diener Gehasi: Ruf die Schunemiterin! Und als Gehasi sie rief, trat sie vor ihn.

13 Elisa aber hatte zu Gehasi gesprochen: Sage ihr: Siehe, du hast uns all diesen Dienst getan; was soll ich dir tun? Brauchst du Fürsprache beim König oder beim Feldhauptmann? Sie sprach: Ich wohne sicher unter meinen Leuten.

Vordergründig will der Prophet der Frau gegenüber seine Dankbarkeit ausdrücken. Aber mit welchem Geschenk dankt man jemandem, der schon alles hat? Sie braucht nicht einmal jemanden, der ein gutes Wort für sie einlegt, sie ist gut integriert im Volk und scheint keine Ausbeuterin zu sein, sondern eine Herrin im guten Sinne, die Verantwortung für „ihre Leute“ trägt und sich von ihnen nicht bedroht fühlt.

14 Elisa sprach: Was soll ich ihr dann tun? Gehasi sprach: Ach, sie hat keinen Sohn, und ihr Mann ist alt.

15 Er sprach: Ruf sie her! Und als er sie rief, trat sie in die Tür.

Ausführlich hören wir, wie sich der Prophet und sein Diener Gedanken darüber machen, was er der reichen Frau Gutes tun könnte. Die Frau wird gerufen, sie tritt in die Tür. Dann sagt ihr Elisa das Gleiche, was einst drei Engel Abrahams Frau Sara verheißen hatten.

16 Und er sprach: Um diese Zeit übers Jahr sollst du einen Sohn herzen.

Sollte sie sich darüber nicht freuen? Ihr Mann ist alt; wenn also nicht bald ein Erbe heranwächst, stirbt die Familie aus, und das Familienvermögen geht in fremde Hände über. Aber die reiche Frau reagiert reserviert auf die Ankündigung des Propheten. Auch das erinnert an Sara; die hatte Gottes Boten ausgelacht und ihre Worte für ein lächerliches, leeres Versprechen gehalten. Sie war allerdings auch schon 80 Jahre alt gewesen. Die Frau in Schunem lacht nicht heimlich, sie spricht offen ihre Skepsis aus:

Sie sprach: Ach nicht, mein Herr, du Mann Gottes! Täusche deine Magd nicht!

„Ach nicht!“ ruft sie. Was will sie nicht? Will sie kein Kind „in diese Welt setzen“, weil sie um die Zukunft des Kindes fürchtet, bevor es noch geboren ist? Hat sie schon Fehlgeburten durchgemacht und einfach Angst, wieder enttäuscht zu werden? „Ach nicht, mein Herr, Mann Gottes!“ ruft aber ausgerechnet eine reiche Frau, die ihrem Kind bessere Chancen bieten könnte als in einer armen Familie. Will sie sich kein Kind „leisten“, wie man heute sagt, aus Gründen der Karriere oder weil sie ihren Reichtum für sich genießen will, ohne Verantwortung für die nachfolgende Generation zu übernehmen? Die Reaktion der reichen Frau wirkt jedenfalls nicht so, als würde ihr ein Herzenswunsch erfüllt.

Trotzdem wird sie schwanger und Gott lässt ihr Kind zur Welt kommen, ein Wunschkind wider Willen:

17 Und die Frau ward schwanger und gebar einen Sohn um dieselbe Zeit übers Jahr, wie ihr Elisa zugesagt hatte.

Am Ende des ersten Aktes singt der Chor einen Spruch, den ursprünglich Abraham von Gott gehört hatte:

Gott verspricht: Ich will dich segnen, und du sollst ein Segen sein, und du sollst ein Segen sein.

Zweiter Akt: Kindstod

Jahre vergehen. Der Vorhang hebt sich zum zweiten Akt, ich nenne ihn: Kindstod. Die Skepsis der Frau scheint sich zu bestätigen; hat sie ein Kind nur für einen frühen Tod geboren?

18 Als aber das Kind groß wurde, begab es sich, dass es hinaus zu seinem Vater zu den Schnittern ging

19 und sprach zu seinem Vater: O mein Kopf, mein Kopf! Er sprach zu einem Knecht: Bringe ihn zu seiner Mutter!

20 Und der nahm ihn und brachte ihn hinein zu seiner Mutter, und sie setzte ihn auf ihren Schoß bis zum Mittag; da starb er.

Das ist eine dieser traurigen Geschichten, die man sich in Familien und Dörfern Generationen hindurch erzählt. „Wisst ihr noch, damals der Sohn von der Gutsherrin? Und eigentlich hatte sie ja sowieso keine Kinder haben wollen…“ Wieder spielt der Vater nur eine Nebenrolle. Der Junge ist alt genug, um in die Männerwelt einzutreten, aber als er heftige Kopfschmerzen bekommt, lässt ihn der Vater zurück zur Mutter bringen. Sie trägt für Wohl und Wehe des Kindes die alleinige Verantwortung, und zwar in einem Maße, dass sie ihrem Mann nicht einmal mitteilt, dass der Sohn gestorben ist.

21 Und sie ging hinauf und legte ihn aufs Bett des Mannes Gottes, schloss zu und ging hinaus

22 und rief ihren Mann und sprach: Schicke mir einen der Knechte und eine Eselin; ich will eilends zu dem Mann Gottes und bald zurückkommen.

23 Er sprach: Warum willst du zu ihm? Ist doch heute weder Neumond noch Sabbat.

Die Frau hat ihren Plan. Sie setzt eine verzweifelte Hoffnung auf den Propheten, lässt ihren Mann aber nichts merken von dem, was sich in ihrem Innern abspielt. Es kommt dem Mann merkwürdig vor, dass sie ohne einen für ihn erkennbaren Anlass den Gottesmann aufsuchen will. Aber sie versteht es, ihn zu beruhigen.

Sie sprach: Lass es gut sein!

24 Und sie sattelte die Eselin und sprach zum Knecht: Treib an und halte mich nicht auf beim Reiten, bis ich dir’s sage!

25 So zog sie hin und kam zu dem Mann Gottes auf den Berg Karmel. Als aber der Mann Gottes sie kommen sah, sprach er zu seinem Diener Gehasi: Siehe, die Schunemiterin ist da!

26 So lauf ihr nun entgegen und frage sie, ob es ihr, ihrem Mann und ihrem Sohn gut gehe. Sie sprach: Gut!

„Lass es gut sein“, hat sie ihrem Mann gesagt. Und dem Diener des Propheten sagt sie: „gut“ gehe es ihr, ihrem Mann und ihrem Sohn. Wörtlich fragt der Prophet: „Ist Schalom, Frieden, Wohlergehen mit ihr? Ist Schalom mit ihrem Mann? Ist Schalom mit ihrem Jungen?“ Sie sagt: „Schalom!“ Wie kann die Frau so über die Realität hinweggehen, den Tod des Kindes verschweigen, verleugnen, so tun, als sei alles in bester Ordnung?

27 Als sie aber zu dem Mann Gottes auf den Berg kam, umfing sie seine Füße; Gehasi aber trat herzu, um sie wegzustoßen. Aber der Mann Gottes sprach: Lass sie, denn ihre Seele ist betrübt, und der HERR hat mir’s verborgen und nicht kundgetan!

Erst als die Frau sich dem Mann Gottes zu Füßen wirft und seine Füße umschlingt, spürt er die Belastung, die auf der Seele der Frau liegt. Sonst hat Elisa oft Ahnungen oder Eingebungen von Gott her, aber in diesem Fall nicht. Das Verhalten der Frau ist in den Augen des Dieners ungehörig, aber der Prophet lässt sie reden.

28 Sie sprach: Wann hab ich einen Sohn erbeten von meinem Herrn? Sagte ich nicht, du solltest mich nicht täuschen?

Die Frau bringt in zwei klaren Sätzen ihr Anliegen auf den Punkt: Erstens – nicht ich habe mir einen Sohn gewünscht, sondern du hast ihn von Gott erbeten. Zweitens – in meinen Augen ist es Betrug und Täuschung, wenn Gott mir auf deine Bitte hin ein Kind schenkt und es dann in so jungem Alter einfach wieder nimmt.

Der Prophet Elisa nimmt offenbar den Vorwurf und die Herausforderung ernst, die in diesen klaren Aussagen der Frau stecken.

29 Er sprach zu Gehasi: Gürte deine Lenden und nimm meinen Stab in deine Hand und geh hin, und wenn dir jemand begegnet, so grüße ihn nicht, und grüßt dich jemand, so danke ihm nicht, und lege meinen Stab auf des Knaben Antlitz.

Das ist die Stelle, die mich an unsere Jesusgeschichte von vorhin erinnert. Auch Jesus schickt Menschen vor sich her, und auch sie sollen unterwegs niemanden grüßen. Hier erst wird deutlich, warum: Es geht darum, sich nicht aufhalten zu lassen, weil es hier in Elisas und dort in Jesu Auftrag um Leben und Tod geht. Die von Jesus ausgesendeten Jünger sollen ihre Zeit konzentriert für drei Dinge einsetzen: Kranke heilen, die Botschaft vom Reich Gottes weitersagen, und Zeit fürs Essen muss auch da sein.

Gehasi, der Diener des Elisa, bekommt nun einen ganz besonderen Auftrag: So schnell wie möglich mit dem Stab des Propheten zu dem Kind zu gehen und den Stab auf das Gesicht des Jungen zu legen. Das klingt nun wie schamanische Zauberei.

Man kann es aber auch so verstehen, wie Jesus später seine Jünger beauftragt. Der Stab ist ein Ausdruck für die Kraft Gottes, durch die der Prophet handelt. Diese Kraft ist also nicht an diesen besonderen Mann Gottes gebunden, sie kann auch anderen Menschen übertragen werden. So beauftragt Jesus seine Jüngerinnen und Jünger, ja auch uns, im Auftrag Gottes wunderbare Taten zu vollbringen, zum Beispiel Frieden zu schaffen und durch Vertrauen zu heilen.

Aber die Frau aus Schunem traut dem Diener des Propheten nicht so viel zu wie dem Propheten selbst.

30 Aber die Mutter des Knaben sprach: So wahr der HERR lebt und so wahr du lebst: ich lasse nicht von dir! Da machte er sich auf und ging ihr nach.

Beim lebendigen Gott und beim Leben des Propheten schwört die Frau: „Du wirst mich nicht los. Diese Verantwortung kannst du nicht abwälzen.“ Da hört Elisa auf ihr dringendes Anliegen und macht sich doch persönlich auf den Weg.

31 Gehasi aber ging vor ihnen hin und legte den Stab dem Knaben aufs Antlitz: da war aber keine Stimme und kein Empfinden. Und er ging zurück Elisa entgegen und sagte ihm: Der Knabe ist nicht aufgewacht.

Die Frau behält Recht mit ihrer Skepsis dem Diener gegenüber; uns wundert es nicht, dass der Junge keinen Mucks von sich gibt und nicht aufwacht, denn er ist nun einmal tot.

32 Und als Elisa ins Haus kam, siehe, da lag der Knabe tot auf seinem Bett.

Die Erzählung gelangt zum Höhepunkt. Was der Mutter seit dem Anfang des zweiten Aktes bekannt war, liegt auch dem Propheten klar vor Augen. Das Kind ist tot, und was kann ein Mensch gegen den Tod tun? Elisa jedoch stellt sich der unmöglichen Herausforderung.

33 Und er ging hinein und schloss die Tür hinter sich zu und betete zu dem HERRN

34 und stieg aufs Bett und legte sich auf das Kind und legte seinen Mund auf des Kindes Mund und seine Augen auf dessen Augen und seine Hände auf dessen Hände und breitete sich so über ihn; da wurde des Kindes Leib warm.

Wieder spielt sich Wunderbares hinter verschlossenen Türen ab, und zwar indem Elisa auf doppelte Weise handelt: Er betet zu Gott, denn das, was hier bewerkstelligt werden soll, kann kein Mensch tun. Zugleich setzt er seine eigenen Kräfte ein, mit vollem Körpereinsatz, um dem Kind die Lebenskräfte zurückzugeben. Fast wie ein Übergriff wirkt es, dass er auf das Bett hinaufsteigt, sich auf das Kind legt, sich mit Mund, Augen, Händen über den Jungen breitet. Ich sage: fast wie ein Übergriff. Denn der Prophet tut hier nichts Böses, nichts Tödliches, er handelt wirklich im Dienste des Lebens. Aber wer sich so sehr, mit Leib und Seele, für das Überleben eines Menschen einsetzt, der gerät leicht an Grenzen des Erlaubten. Mir fallen dabei die ungewöhnlichen Methoden des Dr. House in der Fernsehserie ein. Und ich denke daran, dass es in der Seelsorge manchmal notwendig sein kann, jemanden in den Arm zu nehmen, um ihn zu trösten oder ihm zu zeigen: du bist ein geliebter, ein wertvoller Mensch. Dabei muss man sehr genau achtgeben, in welcher Weise man das tut, um nicht noch mehr Schaden anzurichten, statt zu helfen.

In unserer Geschichte zeigt sich als Erfolg der Aktion des Propheten: Der Körper des Kindes wird warm.

35 Er aber stand wieder auf und ging im Haus einmal hierhin und dahin und stieg wieder aufs Bett und breitete sich über ihn.

Was der Prophet hier tut, wird im hebräischen Urtext deutlicher als in der Lutherübersetzung. Wörtlich steht da am Anfang des Satzes: „Er kehrte um und ging seinen Gang, einmal dahin, einmal dahin.“ Umkehren, das meint in der Bibel immer: Umkehren zu Gott. Sich noch einmal ganz neu auf Gott hin ausrichten. Seinen Gang gehen heißt immer: Gottes Willen tun. Elisa konzentriert sich also noch einmal ganz und gar auf das, was Gott will. Und so vorbereitet, wiederholt er, was er schon einmal getan hatte, er breitet sich über den Jungen.

Da nieste der Knabe siebenmal; danach tat der Knabe seine Augen auf.

Sieben Mal niesen, das ist ein klares Lebenszeichen, bevor das Kind seine Augen wieder aufmacht. Die Zahl Sieben, Zahl der Vollkommenheit, deutet an, dass der Junge das, was ihm den Tod gebracht hat, jetzt ganz und gar aus seinem Körper hinauswerfen kann. Er konnte das nur mit Gottes Hilfe, und Gott half ihm, indem er ihn durch den Propheten Wärme spüren ließ.

Vielleicht will der biblische Erzähler andeuten: Genau das hatte dem Jungen gefehlt: Liebevolle Wärme von Vater und Mutter. Ein Mangel an Liebe hat ihn an den Rand des Todes gebracht. Ich kenne viele Menschen, die so etwas durchmachen mussten. Ein Vater, der die volle Verantwortung für sein Kind der Mutter überträgt. Eine Mutter, die aus welchen Gründen auch immer ihr Kind in dieser Welt nicht wirklich willkommen heißt und ihm nicht die Wärme und Liebe gibt, die es braucht, um wirklich leben zu können.

Für diese Auslegung spricht, dass der zweite Akt hier noch etwas weitergeht:

36 Und Elisa rief Gehasi und sprach: Ruf die Schunemiterin! Und als er sie rief, kam sie hinein zu ihm. Er sprach: Da, nimm hin deinen Sohn!

Elisa gibt das Kind seiner Mutter feierlich zurück. Es ist, als ob er ihr das Kind noch einmal ganz neu schenkt, als wäre es noch einmal neu geboren worden.

37 Da kam sie und fiel nieder zu seinen Füßen und neigte sich zur Erde und nahm ihren Sohn und ging hinaus.

Sie nimmt ihren Sohn und geht hinaus, zurück in den Alltag ihrer Familie. Bewusst nimmt sie erst jetzt ihr Kind als ein Gottesgeschenk in ihr Leben auf. Aus dem Wunschkind wider Willen ist ihr echtes Wunschkind geworden.

Wir können mit dieser Frau lernen: Es ist nicht selbstverständlich, dass wir leben. Aber dass jederzeit der Tod uns treffen kann, ist kein Grund, um sich dem Leben zu verweigern.

Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden

– so heißt es im Psalm 90, 12. Unser Leben ist uns geschenkt, um im Vertrauen auf Gott Menschenmögliches zu tun: zu leben und, wo es nötig ist, zu kämpfen gegen Tod, Bosheit, Gleichgültigkeit und die Lähmung aller Lebenskräfte.

Ein zweites Mal hören wir vom Chor den Singspruch vom Segen:

Gott verspricht: Ich will dich segnen, und du sollst ein Segen sein, und du sollst ein Segen sein.

Dritter Akt: Wunder gibt es sogar in der Politik!

Im Märchen heißt es oft am Schluss: „Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.“ Unsere Erzählung von der reichen Frau und dem Propheten hat aber nach dem Happy End noch einen dritten Akt. Denn das Alltagsleben, in das die Frau mit ihrem Kind hinausgeht, ist für sie bald gar nicht mehr glücklich, sondern ein grausamer Krieg hat auch bittere soziale Folgen für die reiche Frau. Auch wir wissen nicht erst seit der Finanzkrise: Sozialer Abstieg und bittere Not können sogar Menschen treffen, die nie damit gerechnet hätten.

In 2. Könige 8 wird noch einmal erzählt von der Frau, deren Sohn Elisa lebendig gemacht hat. Diesen dritten und letzten Akt ihrer Geschichte überschreibe ich so: Wunder gibt es sogar in der Politik! Er beginnt damit, dass Elisa wieder Verantwortung übernimmt für die Frau aus Schunem:

1 Elisa redete mit der Frau, deren Sohn er lebendig gemacht hatte, und sprach: Mach dich auf und zieh fort mit deinem Hause und wohne in der Fremde, wo du kannst; denn der HERR wird eine Hungersnot rufen, die wird ins Land kommen sieben Jahre lang.

2 Die Frau machte sich auf und tat, wie der Mann Gottes sagte, und zog hin mit ihrem Hause und wohnte im Land der Philister sieben Jahre.

Wieder spielt die Zahl Sieben eine Rolle. Wie zur Zeit Josefs in Ägypten gibt es sieben Jahre Hungersnot, und in solchen Zeiten können noch heute viele Menschen nur überleben, indem sie Asyl und Nahrung suchen in anderen Ländern der Welt.

3 Als aber die sieben Jahre um waren, kam die Frau aus dem Land der Philister zurück. Und sie ging hin, den König anzurufen wegen ihres Hauses und ihres Ackers.

Die Hungersnot ist vorbei, die Frau kehrt zurück, aber ihr Haus und ihre Ländereien sind in fremden Händen. Sie muss in Armut leben, wenn ihr Appell an den König, ihr Eigentum zurückzubekommen, ungehört bleibt.

Und nun kommt der Frau ein Zufall zu Hilfe, würden wir sagen. Die Bibel weiß aber: Zufälle werden oft von Gott gesteuert, wir können sie auch Fügungen nennen.

4 Der König aber redete mit Gehasi, dem Diener des Mannes Gottes, und sprach: Erzähle mir alle großen Taten, die Elisa getan hat!

5 Und während er dem König erzählte, dass er einen Toten lebendig gemacht hätte, siehe, da kam eben die Frau dazu, deren Sohn er lebendig gemacht hatte, und rief den König an wegen ihres Hauses und ihres Ackers. Da sprach Gehasi: Mein Herr und König, dies ist die Frau, und dies ist ihr Sohn, den Elisa lebendig gemacht hat.

Fügung oder Zufall, dieses Ereignis bewegt jedenfalls den König zu einer positiven Entscheidung für die Frau:

6 Und der König fragte die Frau, und sie erzählte es ihm. Da gab ihr der König einen Kämmerer mit und sprach: Verschaffe ihr alles wieder, was ihr gehört, dazu allen Ertrag des Ackers seit der Zeit, da sie das Land verlassen hat, bis jetzt!

Warum ist mir dieser dritte Akt der Geschichte wichtig? Er zeigt: Das bloße Gerettetwerden von einer Krankheit ist nicht alles, wir brauchen auch ein Dach über dem Kopf und Mittel für unseren Lebensunterhalt. Die Bibel erzählt von Wundern Gottes in allen Lebensbereichen: Wunder an Leib und Seele eines einzelnen Menschen, Wunder der Wärme zwischen Menschen, die einander vertrauen, und hier sogar Wunder im sozialen und politischen Miteinander der Menschen, wenn ein König auf Grund eines wunderbaren Zufalls seiner Aufgabe nachkommt, dass einer Familie seines Volkes Gerechtigkeit widerfährt. So viel gehört zu dem, was die Bibel Segen nennt.

Wir hören noch ein drittes Mal den Singspruch vom Segen:

Gott verspricht: Ich will dich segnen, und du sollst ein Segen sein, und du sollst ein Segen sein.

Und der Friede Gottes, der viel größer ist, als unser Denken und Fühlen erfassen kann, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

Und sofort geht der Gesang weiter. Das Lied 347 singen wir wieder im Wechsel zwischen Chor und Gemeinde, wobei der Chor beginnt:

1. Ach bleib mit deiner Gnade bei uns, Herr Jesu Christ, dass uns hinfort nicht schade des bösen Feindes List.

2. Ach bleib mit deinem Worte bei uns, Erlöser wert, dass uns sei hier und dorte dein Güt und Heil beschert.

3. Ach bleib mit deinem Glanze bei uns, du wertes Licht; dein Wahrheit uns umschanze, damit wir irren nicht.

4. Ach bleib mit deinem Segen bei uns, du reicher Herr; dein Gnad und alls Vermögen in uns reichlich vermehr.

5. Ach bleib mit deinem Schutze bei uns, du starker Held, dass uns der Feind nicht trutze noch fäll die böse Welt.

6. Ach bleib mit deiner Treue bei uns, mein Herr und Gott; Beständigkeit verleihe, hilf uns aus aller Not.

Fürbitten

Für Familien, die sich Sorgen machen um ihre Kinder, und für Eltern, die ein Kind verloren haben, rufen wir zu dir, Gott: „Wir bitten dich, erhöre uns!“

Für Frau …, die im Alter von 52 Jahren völlig einsam gestorben ist und die wir ohne Begleitung durch irgendeinen Angehörigen oder Freund kirchlich bestattet haben, rufen wir zu dir, Gott: „Wir bitten dich, erhöre uns!“

In der Stille bringen wir vor Gott, was wir ganz persönlich auf dem Herzen haben.

Gebetsstille und Vater unser

Wir hören das Lied 181.6 vom Chor:

Laudate omnes gentes, laudate Dominum. Laudate omnes gentes, laudate Dominum. Lobsingt, ihr Völker alle, lobsingt und preist den Herrn. Lobsingt, ihr Völker alle, lobsingt und preist den Herrn.

Abkündigungen

Geht mit Gottes Segen:

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

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