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„Ich steh an deiner Krippen hier“

Der Liederdichter Paul Gerhardt nimmt uns mit an die Krippe. Lässt uns da stehen und staunen. Führt uns mit seinen Liedstrophen von der Krippe zu unseren Todesnächten, den leidvollen Erfahrungen unseres Lebens und wieder zurück an die Krippe. Da stehen wir nun wieder. Und bekommen eine Ahnung davon, dass dieses Geschehen da im Stall uns gilt.

Das Jesuskind in der Krippe
Das Jesuskind in der Krippe (Bild: katermikeschPixabay)
direkt-predigtGottesdienst zwischen den Jahren mit Carolin Kalbhenn und Helmut Schütz am Sonntag nach Weihnachten, den 27. Dezember 2015, um 10.00 Uhr in der evangelischen Michaelskirche Gießen-Wieseck

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

„Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns und wir sahen seine Herrlichkeit.“ (Johannes 1, 14)

Am Tag nach Weihnachten begrüße ich alle herzlich zu einem Gottesdienst „zwischen den Jahren“, den wir nun schon zum 15. Mal reihum gemeinsam in den Kirchen der drei evangelischen Nordgemeinden in Gießen feiern.

Diese Zeit nach Weihnachten und vor dem Beginn des Neuen Jahres nennen wir „zwischen den Jahren“, als ob sie gar nicht richtig zum Jahr dazu gehören würde. Lassen Sie uns diesen Sonntag nutzen, um ein wenig Abstand zu gewinnen sowohl von den Festtagen, die hinter uns liegen, als auch vom Alltag, der uns nach Neujahr wieder einholt.

Am Tag nach Weihnachten singen wir das weihnachtliche Lied 45:

1. Herbei, o ihr Gläub’gen, fröhlich triumphieret, o kommet, o kommet nach Bethlehem! Sehet das Kindlein, uns zum Heil geboren! O lasset uns anbeten, o lasset uns anbeten, o lasset uns anbeten den König!

2. Du König der Ehren, Herrscher der Heerscharen, verschmähst nicht zu ruhn in Marien Schoß, Gott, wahrer Gott von Ewigkeit geboren. O lasset uns anbeten, o lasset uns anbeten, o lasset uns anbeten den König!

3. Kommt, singet dem Herren, singt, ihr Engelchöre! Frohlocket, frohlocket, ihr Seligen: »Ehre sei Gott im Himmel und auf Erden!« O lasset uns anbeten, o lasset uns anbeten, o lasset uns anbeten den König!

4. Ja, dir, der du heute Mensch für uns geboren, Herr Jesu, sei Ehre und Preis und Ruhm, dir, fleischgewordnes Wort des ewgen Vaters! O lasset uns anbeten, o lasset uns anbeten, o lasset uns anbeten den König!

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

Wir beten mit Psalm 113:

1 Halleluja! Lobet, ihr Knechte des HERRN, lobet den Namen des HERRN!

2 Gelobt sei der Name des HERRN von nun an bis in Ewigkeit!

3 Vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang sei gelobet der Name des HERRN!

4 Der HERR ist hoch über alle Völker; seine Herrlichkeit reicht, so weit der Himmel ist.

5 Wer ist wie der HERR, unser Gott, im Himmel und auf Erden?

6 Der oben thront in der Höhe, der herniederschaut in die Tiefe,

7 der den Geringen aufrichtet aus dem Staube und erhöht den Armen aus dem Schmutz,

8 dass er ihn setze neben die Fürsten, neben die Fürsten seines Volkes;

9 der die Unfruchtbare im Hause zu Ehren bringt, dass sie eine fröhliche Kindermutter wird. Halleluja!

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Gott, wir stehen an der Krippe: staunend und manchmal zweifelnd. Kann ein Kind allein die Welt verändern? Braucht es nicht mehr als zarte Anfänge? Wir rufen zu dir: Herr, erbarme dich!

Herr, erbarme dich! „Herr, erbarme dich, Christe, erbarme dich, Herr, erbarm dich über uns!“

Gott war Fleisch und wohnte unter uns und wir sahen seine Herrlichkeit. Lobsingt Gott, erhebt seinen Namen!

Lasst uns Gott lobsingen! „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen. Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat; nun ist groß Fried ohn Unterlass, all Fehd hat nun ein Ende.“

Der Herr sei mit euch „und mit deinem Geist.“

Gott, deine Herrlichkeit lässt du uns sehen – im Kind in der Krippe, im Stall von Bethlehem. Wir danken dir, dass du dich hineinbegibst in unser Leben und bitten dich: bring Licht in das Dunkel der Welt, lass uns darauf vertrauen, Deine Herrlichkeit an den Allerweltsorten unseres Lebens aufleuchten zu sehen. Amen.

Wir singen das Lied 25:

1. Vom Himmel kam der Engel Schar, erschien den Hirten offenbar; sie sagten ihn’: »Ein Kindlein zart, das liegt dort in der Krippen hart

2. zu Bethlehem, in Davids Stadt, wie Micha das verkündet hat, es ist der Herre Jesus Christ, der euer aller Heiland ist.«

3. Des sollt ihr alle fröhlich sein, dass Gott mit euch ist worden ein. Er ist geborn eu’r Fleisch und Blut, eu’r Bruder ist das ewig Gut.

4. Was kann euch tun die Sünd und Tod? Ihr habt mit euch den wahren Gott; lasst zürnen Teufel und die Höll, Gotts Sohn ist worden eu’r Gesell.

5. Er will und kann euch lassen nicht, setzt ihr auf ihn eu’r Zuversicht; es mögen euch viel fechten an: dem sei Trotz, der’s nicht lassen kann.

6. Zuletzt müsst ihr doch haben recht, ihr seid nun worden Gotts Geschlecht. Des danket Gott in Ewigkeit, geduldig, fröhlich allezeit.

Wir hören die Schriftlesung aus dem Lukasevangelium, Kapitel 2, Verse 25-39:

25 Und siehe, ein Mann war in Jerusalem, mit Namen Simeon; und dieser Mann war fromm und gottesfürchtig und wartete auf den Trost Israels, und der heilige Geist war mit ihm.

26 Und ihm war ein Wort zuteil geworden von dem heiligen Geist, er solle den Tod nicht sehen, er habe denn zuvor den Christus des Herrn gesehen.

27 Und er kam auf Anregen des Geistes in den Tempel. Und als die Eltern das Kind Jesus in den Tempel brachten, um mit ihm zu tun, wie es Brauch ist nach dem Gesetz,

28 da nahm er ihn auf seine Arme und lobte Gott und sprach:

29 Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast;

30 denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen,

31 den du bereitet hast vor allen Völkern,

32 ein Licht, zu erleuchten die Heiden und zum Preis deines Volkes Israel.

33 Und sein Vater und seine Mutter wunderten sich über das, was von ihm gesagt wurde.

34 Und Simeon segnete sie und sprach zu Maria, seiner Mutter: Siehe, dieser ist gesetzt zum Fall und zum Aufstehen für viele in Israel und zu einem Zeichen, dem widersprochen wird

35 – und auch durch deine Seele wird ein Schwert dringen -, damit vieler Herzen Gedanken offenbar werden.

36 Und es war eine Prophetin, Hanna, eine Tochter Phanuëls, aus dem Stamm Asser; die war hochbetagt. Sie hatte sieben Jahre mit ihrem Mann gelebt, nachdem sie geheiratet hatte,

37 und war nun eine Witwe an die vierundachtzig Jahre; die wich nicht vom Tempel und diente Gott mit Fasten und Beten Tag und Nacht.

38 Die trat auch hinzu zu derselben Stunde und pries Gott und redete von ihm zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten.

39 Und als sie alles vollendet hatten nach dem Gesetz des Herrn, kehrten sie wieder zurück nach Galiläa in ihre Stadt Nazareth.

Herr, dein Wort ist unseres Fußes Leuchte und ein Licht auf unserem Wege. Halleluja. „Halleluja, Halleluja, Halleluja!“

Glaubensbekenntnis

Wir singen aus dem Lied 37 die Strophen 1 und 2:

1. Ich steh an deiner Krippen hier, o Jesu, du mein Leben; ich komme, bring und schenke dir, was du mir hast gegeben. Nimm hin, es ist mein Geist und Sinn, Herz, Seel und Mut, nimm alles hin und lass dir’s wohlgefallen.

2. Da ich noch nicht geboren war, da bist du mir geboren und hast mich dir zu Eigen gar, eh ich dich kannt, erkoren. Eh ich durch deine Hand gemacht, da hast du schon bei dir bedacht, wie du mein wolltest werden.

Carolin Kalbhenn:

Liebe Gemeinde,

„Ich steh’ an deiner Krippen hier, o Jesu, du mein Leben.“

Wenn ich diese Liedzeile singe, habe ich eine sehr konkrete Krippe vor Augen. Alt ist sie, vererbt über mindestens drei Generationen, nichts Wertvolles, aber jedes Jahr in Gebrauch. Und das sieht man auch: Da fehlen den Schafen Beine und die Farbe an manchen Figuren blättert ab. Seit ich denken kann, stehe ich Weihnachten da und betrachte diese Krippe mit all ihren Figuren: den Elefant mit dem abgebrochene Rüssel, dem prächtig gewandeten, aber einbeinigen König. Dem nicht mehr ganz standfesten Hirten, der mehr vor der Krippe liegt als kniet.

Und dann natürlich das Jesuskind. Am meisten bestaunt von allen. Groß nur wie ein Kinderdaumen und aus Wachs. Zart und ziemlich zerbrechlich. Natürlich war es strengstens verboten, es in die Hand zu nehmen – es könnte warm werden und sich verbiegen. Nur nach den Feiertagen nimmt es einer vorsichtig aus der Krippe, wickelt es wieder in ein schon ganz brüchiges Seidenpapier und bettet es in eine Streichholzschachtel. Bis zum nächsten Fest. In dieser Schachtel ist das Kind viel herumgekommen – hat etliche Dachböden (meist von Pfarrhäusern) kennen gelernt, wurde behutsam ausgewickelt in Kriegs- und Friedenszeiten, in Zeiten persönlicher Sorgen und persönlichen Glücks, im Bewusstsein, dass es das letzte Mal sein wird und in der Hoffnung, es mögen noch viele weitere folgen. Für zahllose Kinder gehörte dieses wächserne Jesuskind zu Weihnachten und sie haben an der Krippe auf einen unbeobachteten Moment gewartet, um es kurz, ganz kurz herauszunehmen und vorsichtig in der Hand zu wiegen.

„Ich steh an deiner Krippen hier, o Jesu, du mein Leben“

– für mich kommen mit dieser Krippe die uralte Geschichte von der Geburt im Stall und die Geschichte und Geschichten meiner Familie zusammen. Dass Gott sich verbindet mit uns und unserem persönlichen Leben – es wird für mich im wächsernen Jesuskind jedes Jahr aufs Neue anschaulich und handgreiflich.

Und ich ahne die Dankbarkeit, die Paul Gerhardt singen lässt:

„Ich komme bring, und schenke dir, das du mir hast gegeben. Nimm hin, es ist mein Geist und Sinn, Herz, Seel und Mut nimm alles hin und lass dir’s wohl gefallen.“

Helmut Schütz:

Liebe Carolin, als du so erzählt hast von deinen Erfahrungen mit Krippen, kam mir eine ganz andere Erinnerung. Und zwar kommt es mir so vor, als hätte Jesus tatsächlich eine Krippe benutzt, um in meinem Leben diesen Satz aus der zweiten Liedstrophe wahr werden zu lassen:

„Eh ich durch deine Hand gemacht, da hast du schon bei dir bedacht, wie du mein wollest werden.“

Ausführendes Organ dieses Planes war damals vor über 50 Jahren ein junger Mann namens Jochen. Ich war etwa 10 Jahre alt, da stand eines Tages Jochen vor unserer Haustür. Ich weiß nicht mehr, wie er weiter hieß, er war CVJM-Jungscharleiter in unserer Kirchengemeinde damals in Westfalen. Meine Eltern baten ihn in unsere „gute Stube“ hinein, die fast nur genutzt wurde, wenn Besuch kam, und da stand er dann und fragte mich in Gegenwart meiner Eltern, ob ich nicht zur Jungschar der Gemeinde kommen und mithelfen wollte, eine Weihnachtskrippe für die Stadtkirche zu bauen, einen richtigen Stall aus Stämmen und Brettern wie in Bethlehem. Ich war vorher noch nie in einer Gruppe von Kindern gewesen außer in der Schule, in keinem Sportverein, nicht einmal im Kindergarten; ich war sehr schüchtern und fühlte mich handwerklich überhaupt nicht begabt. Von mir aus wäre ich nie auf die Idee gekommen, mir zuzutrauen, ich könne Krippen-bauenden Jungs irgendeine noch so geringe Hilfe sein. Irgendwie sagte ich aber doch „Ja“, und meine Eltern meinten auch: „Ja, wenn du meinst“, und dann baute und werkelte ich mit. Im Nachhinein denke ich, das passt auch zu dem Satz aus der ersten Liedstrophe:

„Ich komme, bring und schenke dir, was du mir hast gegeben.“

Ich durfte damals die Krippe vom Jesuskind mitbauen, Jochen hatte mir mehr zugetraut als ich mir selber. Er hatte mich auf etwas aufmerksam gemacht, was mir ja als Gabe geschenkt war und was ich sozusagen Jesus zurückschenken konnte. Ich weiß nicht, ob ich überhaupt hier stehen würde als Pfarrer, wenn ich damals nicht bei der Jungschar geblieben und nach meiner Konfirmation sogar selber Jungscharleiter geworden wäre.

So haben wir beide sehr unterschiedliche Erfahrungen mit Krippen gemacht – und Sie alle hier in der Kirche bestimmt noch ganz andere.

Gerade mit diesem Lied geht es mir so, dass mir noch weitere Strophen Erinnerungen aus meiner Jugend ins Gedächtnis zurückrufen.

„Ich lag in tiefster Todesnacht, du warest meine Sonne, die Sonne, die mir zugebracht Licht, Leben, Freud und Wonne. O Sonne, die das werte Licht des Glaubens in mir zugericht’, wie schön sind deine Strahlen!“

Wenn ich an die sieben Beerdigungsgespräche denke, die ich jetzt im Dezember geführt habe, oder an Menschen, die sich in Seelennöten an mich gewandt haben, kann ich mir vorstellen, dass viele von Ihnen solche Todesnächte kennen.

Ich selber erinnere mich an Nächte in meiner Jugend, in denen ich richtig verzweifelt war. Dabei hatte ich keine schwere Kindheit, ich war das Wunschkind meiner Eltern, aber oft lag ich nachts im Bett wach und grübelte über vieles nach. Zum Beispiel darüber, was wohl vor dem Anfang der Welt war und ob das ganze große Weltall wirklich in den Händen Gottes ruht oder ob wir Menschen vielleicht doch im Nichts verloren sind. Solche Gedanken waren für mich damals manchmal so furchtbar, dass ich sie regelrecht von mir abschütteln musste; meinen Frieden mit mir selber fand ich am Ende erst, als ich zu Jesus betete.

„Ich lag in tiefster Todesnacht, du warest meine Sonne“

– so ähnlich habe ich damals empfunden.

Und ich machte mir damals oft auch große Sorgen über meine Sünden. Gibt es das heute eigentlich auch noch? Ich wünsche keinem, dass er sich so sehr quält mit der Frage, ob ich denn vor Gott in Ordnung bin oder vielleicht doch nicht? Habe ich meine Sünden genug bereut? Kann Jesus mir vergeben? Ich habe lange gebraucht, um Gott und Jesus wirklich zuzutrauen, mir meine Sünden tatsächlich zu vergeben, und ich kenne auch Menschen aus unserer Gemeinde, die meinen, ihre Sünden seien unverzeihlich. Aber unser Lied will eine andere, neue Zuversicht in unser Herz einpflanzen:

„Wann oft mein Herz im Leibe weint und keinen Trost kann finden, rufst du mir zu: »Ich bin dein Freund, ein Tilger deiner Sünden. Was trauerst du, o Bruder mein? Du sollst ja guter Dinge sein, ich zahle deine Schulden.«“

Ich war ein Einzelkind, ich hatte nie einen Bruder. Aber Jesus als Bruder zu haben, der mir die Last von Sünden abnimmt, der zu mir steht, auch wenn ich mich selber oft nicht so annehmen konnte, wie ich war, der mich auch darauf hinweist, dass ich mir selbst oft ein übertrieben schlechtes Gewissen machte, das war für mich eine große Befreiung. Ich möchte allen Mut machen, dem Bruder Jesus zuzutrauen, dass er stärker ist als alles, was wir an Schuld und Sünde auf uns laden könnten. Es kann eine Form von Selbstüberschätzung sein, dass man meint, man müsse selber alle Fehler, die man gemacht hat, auch alleine abbüßen.

Zwischen den beiden Strophen 3 und 5, in denen es um Befreiung aus Verzweiflung und aus Sünden geht, finde ich die Strophe 4, dir mir hilft, endgültig mein Grübeln und meine Selbstvorwürfe sein zu lassen:

„Ich sehe dich mit Freuden an und kann mich nicht satt sehen; und weil ich nun nichts weiter kann, bleib ich anbetend stehen. O dass mein Sinn ein Abgrund wär und meine Seel ein weites Meer, dass ich dich möchte fassen!“

Vor der Weite des Weltalls und dem Abgrund des Nichts hatte ich ja Angst gehabt.

Vor einer Sünde, die unverzeihlich wäre, hatte ich mich gefürchtet.

Im Vertrauen auf Jesus kann ich mir sogar wünschen, selber ein Abgrund und ein weites Meer zu sein, weil ich erst dann fähig wäre, ihn und seine Liebe zu fassen, zu begreifen, in mich aufzunehmen.

Niemand von uns muss Angst davor haben, was im Abgrund des eigenen Sinnes an Verborgenem lauern mag, denn Jesus trägt uns mit allem, was wir sind und verwandelt uns durch seine Liebe.

Und wenn unsere Seele auch einmal ein Tränenmeer wäre, so müssten wir darin nicht untergehen, weil wir die Hand dessen ergreifen können, der schon den versinkenden Petrus aus dem Meer seiner Angst, Verzweiflung oder Schuld herausgezogen hat.

Singen wir an dieser Stelle die Strophen 3 bis 5:

3. Ich lag in tiefster Todesnacht, du warest meine Sonne, die Sonne, die mir zugebracht Licht, Leben, Freud und Wonne. O Sonne, die das werte Licht des Glaubens in mir zugericht’, wie schön sind deine Strahlen!

4. Ich sehe dich mit Freuden an und kann mich nicht satt sehen; und weil ich nun nichts weiter kann, bleib ich anbetend stehen. O dass mein Sinn ein Abgrund wär und meine Seel ein weites Meer, dass ich dich möchte fassen!

5. Wann oft mein Herz im Leibe weint und keinen Trost kann finden, rufst du mir zu: »Ich bin dein Freund, ein Tilger deiner Sünden. Was trauerst du, o Bruder mein? Du sollst ja guter Dinge sein, ich zahle deine Schulden.«

Carolin Kalbhenn:

Paul Gerhardt hat uns mitgenommen an die Krippe. Hat uns da stehen lassen und staunen. Hat uns mit seinen Liedstrophen geschickt geführt von der Krippe zu unseren Todesnächten, den leidvollen Erfahrungen unseres Lebens und wieder zurück an die Krippe. Da stehen wir nun wieder. Und haben eine Ahnung davon bekommen, dass dieses Geschehen da im Stall uns gilt. Dass das Licht, das dort aufgeschienen ist, bis zu uns durchleuchtet, in unsere Todesnächte hinein, in unsere Verzweiflung hinein. Haben eine Ahnung von der Größe und Herrlichkeit dessen bekommen, was da geschieht. Und sehen zugleich die Armseligkeit dieses Stalls. Diesen Kontrast nimmt Paul Gerhardt auf:

„Ach, Heu und Stroh sind viel zu schlecht, Samt, Seide, Purpur wären recht, dies Kindlein drauf zu legen.“

Und beschreibt schließlich in der 7. Strophe die Blumenpracht, auf der er das Kind besser gebettet sähe, nur um dann in der folgenden Strophe seinen Überschwang wieder zu dämpfen:

„Du fragtest nicht nach Lust der Welt, noch nach des Leibes Freuden, du hast dich bei uns eingestellt, an unsrer Statt zu leiden, suchst meiner Seele Herrlichkeit durch Elend und Armseligkeit, das will ich dir nicht wehren.“

Stall und Krippe, Heu und Stroh statt Himmelbett und Palast, statt Samt und Seide. Genau so sollte es sein. Bei den einfachen Leuten, ganz unten. An der Seite der Armen und Verachteten, Ohnmächtigen. Nicht verstrickt in Machtspiele und Strategien. Nicht abgeschirmt von den ganz alltäglichen Sorgen und Nöten, die das Leben eben auch ausmachen. Genau so sollte es sein, und alle sollten hören und sehen und wissen: Da ist Gott zu finden. Mitten im Leben – auch und vielleicht sogar gerade da, wo es kaum zum Aushalten ist. Er ist einer, der sich nicht drückt, sondern mit uns und für uns einsteht – auch im Elend, auch im Leiden. Nicht erst am Kreuz, sondern von Anfang an – schon da, bei der Geburt in Bethlehem.

Morgen werden wir nach den Feiertagen wieder in unseren Alltag gehen. Mir geht das meistens viel zu schnell. Ich würde gerne noch einen Moment länger an der Krippe verweilen und dem nachspüren, was ich da sehe: ein kleiner Mensch, mit dem die Hoffnung neu zur Welt gekommen ist. Ein kleiner Mensch, auf dem die Verheißung ruht, er werde die Welt heller und friedlicher machen.

„Eins aber hoff ich, wirst du mir, mein Heiland nicht versagen, dass ich dich möge für und für in an und bei mir tragen. O lass mich doch dein Kripplein sein, komm, komm und lege bei mir ein dich und all’ deine Freuden.“

– dichtet Paul Gerhard als neunte Strophe des Liedes. Es sind sehr innige Worte, mit denen er seine Beziehung zum Jesuskind beschreibt. Mir persönlich ist das fast ein bisschen viel, zu viel Nähe, zu viel Vertrautheit, zu viel Innerlichkeit auch. Wenn ich etwas bitten darf, hier an der Krippe, dann: dass ich verändert gehen möchte. Dass ich mir etwas von der Verheißung, von der Hoffnung aus dem Stall von Bethlehem mitnehmen kann in den Alltag. Und dass ich gerne erleben möchte, wie diese Hoffnung dem Krippenalter entwächst, groß wird und stark. Amen.

Lassen Sie uns nun die Strophen 6 bis 9 singen:

6. O dass doch so ein lieber Stern soll in der Krippen liegen! Für edle Kinder großer Herrn gehören güldne Wiegen. Ach Heu und Stroh ist viel zu schlecht, Samt, Seide, Purpur wären recht, dies Kindlein drauf zu legen!

7. Nehmt weg das Stroh, nehmt weg das Heu, ich will mir Blumen holen, dass meines Heilands Lager sei auf lieblichen Violen; mit Rosen, Nelken, Rosmarin aus schönen Gärten will ich ihn von oben her bestreuen.

8. Du fragest nicht nach Lust der Welt noch nach des Leibes Freuden; du hast dich bei uns eingestellt, an unsrer Statt zu leiden, suchst meiner Seele Herrlichkeit durch Elend und Armseligkeit; das will ich dir nicht wehren.

9. Eins aber, hoff ich, wirst du mir, mein Heiland, nicht versagen: dass ich dich möge für und für in, bei und an mir tragen. So lass mich doch dein Kripplein sein; komm, komm und lege bei mir ein dich und all deine Freuden.

Gott, Vater im Himmel, du bist ein großer Herr und lässt deinen Sohn doch in der Futterkrippe von Ochs und Esel liegen. Groß bist du gerade darin, dass du klein werden kannst im Kind von Bethlehem, dass du selber unsere Schwachheit und Verletzlichkeit annimmst, auch unsere Anfälligkeit für Sünde. Dafür danken wir dir, denn dadurch hilfst du uns, dass wir uns annehmen, wie wir sind, und dass wir Fehler und Sünden überwinden! Indem du klein wirst, machst du uns groß!

Jesus Christus, Kind in der Krippe, wir möchten dir am liebsten ein weicheres und schöneres Bett bereiten als die harte Krippe mit Heu und Stroh. Mit Blumen wollen wir deine Wiege schmücken. Doch das willst du gar nicht – nein, du bist anspruchsvoller. Du forderst uns dazu heraus, dich wiederzuerkennen in den Menschen, die uns brauchen. Öffne uns die Augen für diese Menschen, mach uns Mut, unsere Gaben zu entfalten, lass uns die kleinen Schritte gehen, die uns möglich sind. Und wenn wir selber am Ende sind, dann schenke uns den Mut, zu unserer Bedürftigkeit zu stehen und um Hilfe zu bitten.

Heiliger Geist, indem wir an der Krippe stehen, verwandle uns durch deine Liebe. Lass uns im Vertrauen auf das Kind in der Krippe Schritte des Friedens tun, hinein in ein Neues Jahr des Herrn.

In der Stille bringen wir vor dich, den dreieinigen Gott, was wir persönlich auf dem Herzen haben:

Gebetsstille und Vater unser

Wir singen aus dem Lied 70 die Strophen 1 bis 4:

1. Wie schön leuchtet der Morgenstern voll Gnad und Wahrheit von dem Herrn, die süße Wurzel Jesse. Du Sohn Davids aus Jakobs Stamm, mein König und mein Bräutigam, hast mir mein Herz besessen; lieblich, freundlich, schön und herrlich, groß und ehrlich, reich an Gaben, hoch und sehr prächtig erhaben.

2. Ei meine Perl, du werte Kron, wahr’ Gottes und Marien Sohn, ein hochgeborner König! Mein Herz heißt dich ein Himmelsblum; dein süßes Evangelium ist lauter Milch und Honig. Ei mein Blümlein, Hosianna! Himmlisch Manna, das wir essen, deiner kann ich nicht vergessen.

3. Gieß sehr tief in das Herz hinein, du leuchtend Kleinod, edler Stein, mir deiner Liebe Flamme, dass ich, o Herr, ein Gliedmaß bleib an deinem auserwählten Leib, ein Zweig an deinem Stamme. Nach dir wallt mir mein Gemüte, ewge Güte, bis es findet dich, des Liebe mich entzündet.

4. Von Gott kommt mir ein Freudenschein, wenn du mich mit den Augen dein gar freundlich tust anblicken. Herr Jesu, du mein trautes Gut, dein Wort, dein Geist, dein Leib und Blut mich innerlich erquicken. Nimm mich freundlich in dein Arme und erbarme dich in Gnaden; auf dein Wort komm ich geladen.

Abkündigungen
Segen

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