Bild: Helmut Schütz

„Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre“

Abschiednehmen, Loslassen – das können wir, wenn wir das Zutrauen haben, Neues geschenkt zu bekommen. Wir lassen im Abschiednehmen Beziehungen los, in denen wir Vertrauen und Liebe erlebt haben. Zugleich können wir aber auch frei werden für neue Beziehungen, in denen wir angenommen und ernstgenommen werden. Neue Beziehungen vielleicht sogar zu Gott.

Hauptstraße von Reichelsheim/Wetterau mit der Kirche
Pfarrer Helmut Schütz nimmt Abschied von Reichelsheim, Heuchelheim und Dorn-Assenheim in der Wetterau (das Bild zeigt in der Mitte die Reichelsheimer Kirche)
direkt-predigtGottesdienst am Sonntag Reminiscere, den 19. Februar 1989, um 9.30 Uhr in Heuchelheim, um 13.00 Uhr in Dorn-Assenheim und um 14.00 Uhr in Reichelsheim

Ich begrüße Sie und Euch alle herzlich in unserer Kirche! Ein letztesmal stehe ich hier als Ihr, als Euer Gemeindepfarrer (d. h., wenn ich hier in der Zukunft noch einmal stehe/stehen sollte, dann werde ich ein Gast sein, z. B. bei der Konfirmation in einem Monat). Es heißt also heute Abschied nehmen, und das an einem Sonntag, der den Namen „Reminiscere“ trägt, zu deutsch „Gedenke“, „Erinnere dich“. Abschied hat mit Erinnern und Gedenken zu tun. Aber es geht hier nicht nur um wehmütiges Zurückblicken und Kreisen um meine Person – das Gedenken und Erinnern im Gottesdienst hat einen anderen Mittelpunkt. Wir versammeln uns hier um Gott, zu dem wir beten, dessen Wort wir auch heute hören, den wir mit Liedern loben.

Wir fangen an mit dem Lied 345, 1+5+6 (das der Musikverein Reichelsheim begleitet):

Gott des Himmels und der Erden, Vater Sohn und Heilger Geist, der es Tag und Nacht lässt werden, Sonn und Mond uns scheinen heißt, dessen starke Hand die Welt und was drinnen ist, erhält:

Führe mich, o Herr, und leite meinen Gang nach deinem Wort; sei und bleibe du auch heute mein Beschützer und mein Hort. Nirgends als von dir allein kann ich recht bewahret sein.

Meinen Leib und meine Seele samt den Sinnen und Verstand, großer Gott, ich dir befehle unter deine starke Hand. Herr, mein Schild, mein Ehr und Ruhm, nimm mich auf, dein Eigentum.

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

Gedenke, HERR, an deine Barmherzigkeit und an deine Güte, die von Ewigkeit her gewesen sind. Gedenke nicht der Sünden meiner Jugend und meiner Übertretungen, gedenke aber meiner nach deiner Barmherzigkeit, HERR, um deiner Güte willen! Der HERR ist gut und gerecht; darum weist er Sündern den Weg. Er leitet die Elenden recht und lehrt die Elenden seinen Weg. Die Wege des HERRN sind lauter Güte und Treue für alle, die seinen Bund und seine Gebote halten. (Psalm 25, 6-10)

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem heiligen Geiste, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Gott im Himmel, Abschied tut weh. Ja, auch ein selbstgewählter Abschied. Auch wenn der Abschied zugleich ein Neuanfang ist, mit neuen Chancen. Abschied will gefühlt sein, will ausgehalten werden. Loslassen will gelernt sein. Dabei hilf uns, Gott – durch Jesus Christus, unseren Herrn. „Amen.“

Lied des Gesangvereins: „Herr, deine Güte reicht so weit“

Wir hören die Lesung aus Lukas 22, 24-30:

24 Es erhob sich auch ein Streit unter ihnen, wer von ihnen als der Größte gelten solle.

25 Er aber sprach zu ihnen: Die Könige herrschen über ihre Völker, und ihre Machthaber lassen sich Wohltäter nennen.

26 Ihr aber nicht so! Sondern der Größte unter euch soll sein wie der Jüngste, und der Vornehmste wie ein Diener.

27 Denn wer ist größer: der zu Tisch sitzt oder der dient? Ist’s nicht der, der zu Tisch sitzt? Ich aber bin unter euch wie ein Diener.

28 Ihr aber seid’s, die ihr ausgeharrt habt bei mir in meinen Anfechtungen.

29 Und ich will euch das Reich zueignen, wie mir’s mein Vater zugeeignet hat,

30 dass ihr essen und trinken sollt an meinem Tisch in meinem Reich und sitzen auf Thronen und richten die zwölf Stämme Israels.

Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. Halleluja! „Halleluja, Halleluja, Halleluja!“

Lied 236, 1-3:

Bis hierher hat mich Gott gebracht durch seine große Güte, bis hierher hat er Tag und Nacht bewahrt Herz und Gemüte, bis hierher hat mich Gott geleit‘, bis hierher hat er mich erfreut, bis hierher mir geholfen.

Hab Lob und Ehr, hab Preis und Dank für die bisherge Treue, die du, o Gott, mir lebenslang bewiesen täglich neue. In mein Gedächtnis schreib ich an: der Herr hat Großes mir getan, bis hierher mir geholfen.

Hilf fernerweit, mein treuster Hort, hilf mir zu allen Stunden. Hilf mir an all und jedem Ort, hilf mir durch Jesu Wunden; damit sag ich bis in den Tod: durch Christi Blut hilft mir mein Gott; er hilft, wie er geholfen.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Zur Predigt hören wir die Verse aus dem Evangelium nach Lukas 22, 31-34, die sich der eben gehörten Lesung anschließen. Da spricht Jesus zu Simon Petrus:

31 Simon, Simon, siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen.

32 Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre. Und wenn du dereinst dich bekehrst, so stärke deine Brüder.

33 Er aber sprach zu ihm: Herr, ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis und in den Tod zu gehen.

34 Er aber sprach: Petrus, ich sage dir: Der Hahn wird heute nicht krähen, ehe du dreimal geleugnet hast, dass du mich kennst.

Amen.

Liebe Gemeinde!

Ich habe schon so viele Abschiedsreden gehalten, sonst immer für Verstorbene, wenn wir zusammen auf dem Friedhof gewesen sind, manchmal auch in so einer Anzahl wie heute. Diese Predigt heute ist keine Trauerrede, denn Gott hat uns, meine Familie und mich, in diesem Leben bewahrt bis heute und ich bitte ihn darum, dass er uns auch dort, wo wir hingehen, mit seiner Liebe und Treue umgibt. Doch hat auch dieser Abschied etwas mit Gefühlen zu tun, ähnlich denen in einem Trauerfall. Schwer fällt es uns allemal, loszulassen – wegzugehen und gehen zu lassen, die Beziehung zu Menschen aufzugeben, an die man sich gewöhnt hat, zu denen man Vertrauen gefasst hat. Schwer fällt es auch, Unfertiges stehenzulassen, hinzunehmen, dass viele Besuche nicht mehr gemacht werden können, dass die Lösung von manchem Problem anderen überlassen werden muss. Insgesamt ist es auch für mich nicht leicht, die Verantwortung für eine Gemeinde, die ich zehn Jahre lang als Seelsorger umsorgt habe, aus der Hand zu geben.

Wie werden wir mit solchem Abschied fertig? Ich selber habe den Eindruck, noch gar nicht so recht zu fühlen, was dieser Abschied für mich bedeutet. Es war in den vergangenen Wochen und Monaten – wie eigentlich immer im Gemeindepfarramt – noch so viel zu tun, ich werde auch in der kommenden Woche noch so viel zu regeln und zu ordnen haben, dass ich wohl erst nach dem Umzug einigermaßen zur Besinnung kommen und so richtig spüren werde, was dieser Abschied alles in mir auslöst.

Und wie ist es mit Ihnen, mit Euch? Abschied ist ein Loslassen, aber genau das versuchen wir so gerne zu vermeiden, wir versuchen festzuhalten, was verloren geht.

Der Abschied von einem Pfarrer, der beliebt war, löst Reaktionen aus, die einseitig geprägt sind. Plötzlich tritt alles in der Hintergrund, was man an dem Pfarrer einmal auszusetzen gehabt hat, und nur noch das, was man nicht gern verlieren möchte, bleibt sichtbar. Ich gebe zu, dass ich es in der Zeit, seitdem ich plante, diese Gemeinde zu verlassen, auch genossen habe, die nahezu ungeteilte Anerkennung der Gemeinde zu spüren. Aber darin liegt auch eine Versuchung. Man kommt in die Versuchung, zu denken: Ich bin der Größte, ich bin der beste aller möglichen Seelsorger, ich bin unersetzlich. Und das wäre eindeutig ein Größenwahn, ein gefährlicher Größenwahn. Der forsche Petrus, der sich Jesus als der Getreueste unter seinen Jüngern anbietet, der ihn nie verlassen und sogar ins Gefängnis und in den Tod mit ihm gehen würde, gerade er wird Jesus in ganz kurzer Zeit verleugnen – er vergisst, dass niemand seinen eigenen Glauben, seine Treue, seine Zuverlässigkeit selbst in der Hand hat.

Und schon zuvor: Als die Jünger sich untereinander fragen, wer wohl der Größte ist, der Bedeutendste, der Beste, da weist Jesus sie scharf zurecht. Er kehrt die Maßstäbe um. Groß ist nicht einer, der sich feiern lässt, sondern wer schlicht und einfach seinen Dienst tut. Groß ist einer, der nicht besser und größer sein will als irgendein anderer. Und wenn wir nun meinen, dass Jesus da ein Loblied singt auf das sich-Aufopfern, auf die Selbstlosigkeit, auf irgendwelche heldenhaft Glaubenden, dann werden wir eines Besseren belehrt: Wer den andern dienen will, braucht durchaus auch selber Hilfe, selbst Jesus, der zu den Jüngern sagt: „Ihr aber seid’s, die ihr ausgeharrt habt bei mir in meinen Anfechtungen.“ Ohne Unterstützung und Mitarbeit und Anerkennung kann niemand, auch kein Pfarrer, ja nicht einmal Jesus, seine Arbeit für andere tun.

Schade ist es dann eigentlich, allerdings durchaus normal, wie mir vorgestern ein Kollege sagte, dass man manches Lob erst dann hört, wenn man sagt: „Ich will die Gemeinde verlassen.“ Es ist wie in der Zeitung: „Hund beißt Mann“ ist keine Nachricht, es muss schon was außergewöhnliches sein, wie z. B. „Mann beißt Hund“. Ebenso wird meist nicht darüber geschwätzt, was gut läuft in der Arbeit eines anderen, das erscheint so selbstverständlich, das läuft ja, das ist keine Erwähnung wert. Nur wo man aneckt, wo man Fehler macht, wo man gegen die allgemeinen Erwartungen handelt, da kommt Unmut auf, Verständnislosigkeit, Kritik, leider oft nicht offen ausgesprochen, sondern hintenherum. Wenn es etwas gibt, was ich in meiner Arbeit in drei ländlichen Gemeinden gehasst habe, dann ist es dieses Hintenherumschwätzen. Es trifft mich z. B. sehr, wenn die Beweggründe meines Weggehens falsch gedeutet werden, als ob es mir hier nicht gefallen hätte, oder wenn viele einfach nicht sehen, wie sehr meine Familie und meine Frau mich auf ihre Art in meiner Arbeit hier unterstützt haben. Kritik direkt gesagt zu bekommen, tut zwar auch manchmal recht weh, aber darauf kann ich reagieren, und ich bin allen dankbar, die solch eine Offenheit gewagt haben.

Also, heute beim Abschied, bleiben Sie ehrlich, lassen Sie falsche Töne weg. Und wenn Sie mir auch noch etwas Kritisches sagen wollen, dann tun Sie es heute oder in den nächsten Tagen, oder schreiben Sie mir einen Brief – das hiesige Pfarramt wird’s schon nachsenden. Wenn Sie das nicht mehr tun möchten, dann lassen Sie bitte das Thema begraben und vergessen sein – wie oft ist über manchen Pfarrer und seine Familie nachher noch so lange schläächt geschwätzt worden, und das wünsche ich mir nicht.

Umgekehrt ist es auch nicht gut, zu gut von einem bisherigen Pfarrer zu reden, vor allem dann später, wenn der neue Kollege hier ist. Machen Sie’s ihm bitte nicht so schwer. Man kann niemanden am Vorgänger messen; er hat ein Recht darauf, anders zu sein. Und vor allem braucht er eines, genau wie ich es gebraucht habe: mitgetragen zu werden von der Gemeinde.

Ich blicke deswegen heute auch schon ein wenig in die Zukunft, weil der Abschied heute auch etwas mit der Frage zu tun hat: Was soll nun werden? Abschiednehmen bedeutet in diesem Fall auch, frei zu werden für die eigenen Kräfte, die in der Gemeinde stecken, frei auch dann wieder für einen neuen Seelsorger, der anders sein wird als ich, und der genau wie ich die Aufgabe haben wird, die Gemeinde aufzubauen.

Ein Problem sehe ich in diesem Zusammenhang, nämlich wenn viele von Euch, von Ihnen zu mir sagen: „Würden Sie noch einmal nach Reichelsheim kommen, um uns zu trauen, um unser Kind zu taufen?“ Ist das nicht auch der Wunsch, etwas festzuhalten, was man nicht festhalten kann? Wird da nicht vermieden, sich auf einen neuen Seelsorger einzulassen? Und es ist doch die gegenwärtige Gemeinde mit ihrem Pfarrer, in der man lebt, die einen tragen kann und für die man mitverantwortlich ist. Umgekehrt weiß ich, wie schwer die Aufgaben sein werden, die auf mich zukommen. Dort möchte ich ungeteilt meinen Dienst tun und nicht unter dem Druck stehen: „Ach, eigentlich müsstest Du in Reichelsheim noch dieses Paar trauen, schließlich waren es Deine Konfirmanden, oder in Heuchelheim jenes Kind taufen, und und und…“ Ich kann nur um Verständnis bitten, dass ich in den meisten Fällen wohl Nein sagen muss. Zur Konfirmation in einem Monat komme ich natürlich, schon allein deswegen, weil sich zu den Konfirmanden so etwas wie eine väterliche Beziehung ausbildet, und da gehört die Einsegnung, die Entlassung ins verantwortliche, mündige Christenleben einfach noch dazu. Auch sonst kann es schon mal sein, dass ich ganz gern in der früheren Gemeinde mal eine Taufe oder Trauung halte. Aber das kann nur die Ausnahme sein, wirklich nur dann, wenn eine besondere freundschaftliche Verbindung besteht – und natürlich, wenn es sich zeitlich und kräftemäßig bei mir einrichten lässt.

So viel zum Thema „Vermeiden von Abschied“. Und nun zum Abschied selber. Ich lasse hier viel zurück, woran ich gehangen habe, natürlich auch anderes, was ich nicht vermissen werde. Ich habe lernen müssen, mich nicht unersetzlich zu fühlen, einen weitgefächerten Arbeitsbereich aufzugeben, um frei zu werden für ein Aufgabengebiet, in dem ich meine Stärken konzentrierter einsetzen kann. Aber wenn ich zurückblicke, dann sehe ich im Großen und Ganzen meine Arbeit hier nicht als eine Kette von Misserfolgen. Überall, wo ich seelsorgerliche Hilfe leisten, Gemeindeglieder zur Mitarbeit bewegen, Predigthörer zum Nachdenken anregen konnte, da ist doch etwas in Gang gekommen. In vielen Unterrichts- und Gemeindegruppen sind wir uns in fruchtbaren Gesprächen begegnet. Und wenn der Gottesdienstbesuch auch häufig enttäuschend war, ich bleibe dabei: auf große Besucherzahlen kommt es hier nicht unbedingt an, sondern darauf, ob der und die einzelne, die hierhin kommt, etwas davon spürt, dass man von Gott etwas erwarten und erhoffen kann.

Das gilt auch heute übrigens: nicht die große Zahl von Besuchern in diesem Gottesdienst, die mich natürlich freut, macht schon diese Veranstaltung zu einem Erfolg. „Erfolgreich“ im Sinne Jesu wäre dieser Gottesdienst, wenn viele unter Ihnen hier spüren wollten, wie viel Gott Ihnen schenkt, was er mit Ihnen vorhat, dass Gottesdienst oder Bibelkreis keine Sache nur für ganz Fromme ist, sondern eine Sache für alle, für alle jedenfalls, die Liebe brauchen oder eine geistliche Heimat oder einen Hafen der Geborgenheit für ihre Seele.

Und damit deute ich nun auch an, wie wir sinnvoll Abschied nehmen können. Abschiednehmen, Loslassen – das können wir nur, wenn wir auch das Zutrauen haben, dass wir etwas Neues geschenkt bekommen. Auch wenn wir jetzt noch nichts davon sehen, Gott wird uns neu beschenken, wenn wir für ihn offen sind. Wir lassen im Abschiednehmen zwar auch Beziehungen los, in denen wir Vertrauen und Liebe erlebt haben. Zugleich können wir aber auch frei werden für neue Beziehungen, in denen wir angenommen und ernstgenommen werden. Neue Beziehungen vielleicht sogar zu Gott.

Deshalb finde ich es gut und passend für den heutigen Tag, was Jesus zu Simon Petrus sagt: „Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre.“ Das wünsche ich Ihnen und Euch: Dass Ihr Glaube nicht aufhört, dass Euer Vertrauen zu Gott wächst und größer wird. Oft habe ich mich ja gefragt, ob überhaupt verstanden wird, was ich sagen will. Haben Sie was damit anfangen können, wenn ich von Gottes Liebe gepredigt habe? Oder war das für Sie Schwafelei? Ich bin fest davon überzeugt: Der Glaube ist nicht etwas für besonders fromme Leute. Sondern Glaube ist das Vertrauen, dass Gott für jeden etwas übrig hat, auch für mich, auch für den, der sich als Atheisten sieht. Glaube ist Kraft, dass ich hinnehmen und aushalten kann, was nicht zu ändern ist. Glaube ist Zuversicht, dass ich den nächsten Schritt gehen kann auf meinem Weg. Glaube ist ein Geliebtsein, so dass ich niemals allein bin, aber auch nicht Liebe mit Egoismus verwechsele.

Das ist eine Bekehrung, wenn man erfährt: „Ich bin geliebt von Gott.“ Diese Bekehrung ist aber zugleich auch eine Wendung hin zu einer Gemeinschaft, zu denen, die sich ebenfalls von Gott geliebt wissen. So sollte die Kirche aussehen, die Gemeinde, eine Gemeinschaft von Leuten, die sich gegenseitig tragen und stützen, auch wenn man sich mit einzelnen in dieser Gemeinschaft von vornherein gar nicht so gut versteht. Vieles kann man kritisieren an dieser Kirche, aber es hilft alles nichts, wer Gott ernst nimmt, der braucht auch die Gemeinde, und umgekehrt kann die Gemeinde nur dann ein Stück Heimat und Geborgenheit vermitteln, oder vielleicht auch heilsame Unruhe und Aufbruchstimmung, wenn die einzelnen an ihr mitbauen. „Wenn du dereinst dich bekehrst, so stärke deine Geschwister,“ sagt Jesus zu Petrus. So schlicht kann man dazu aufrufen, an einer unvollkommenen Kirche festzuhalten oder sich ihr wieder zuzuwenden. „Stärke deine Geschwister.“ Wir sind nicht vollkommen, aber Gott möchte gerade aus unvollkommenen Menschen seine Kirche bauen. Gott braucht auch Sie/Dich, vielleicht an einem ganz unscheinbaren Ort, um Aufbauarbeit zu leisten. Und wenn es ein Fürbittgebet ist, oder ein Besuch bei einem Kranken oder Trauernden, oder wenn man als Helfer im Kindergottesdienst einer Handvoll Kindern biblische Geschichten erzählt – alles das hat seinen Sinn – all das trägt dazu bei, die Gemeinde Jesu aufzubauen. Ein Pfarrer kann dabei nur mithelfen, die eigentlich Arbeit muss die gesamte Gemeinde tun, und manchmal geht es auch eine Zeitlang ohne Pfarrer.

Diesen Zuspruch Jesu möchte ich heute beim Abschied mir selbst gesagt sein lassen und auch Euch allen, Ihnen allen zusprechen: „Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre. Und wenn du dereinst dich bekehrst, so stärke deine Brüder.“ Amen.

Und der Friede Gottes, der viel größer ist, als unser Denken und Fühlen erfassen kann, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

Nun wünsche ich mir nach der Predigt noch ein Lied, das nicht so bekannt ist, aber sehr schön. Mit so vielen müssten wir eigentlich bei guter Begleitung auch dieses Glaubenslied singen können: Lied 224, 1-3:

Kommt her, des Königs Aufgebot, die seine Fahne fassen, dass freudig wir in Drang und Not sein Lob erschallen lassen. Er hat uns seiner Wahrheit Schatz zu wahren anvertrauet. Für ihn wir treten auf den Platz, und wo’s den Herzen grauet, zum König aufgeschauet!

Ob auch der Feind mit großem Trutz und mancher List will stürmen, wir haben Ruh und sichern Schutz durch seines Armes Schirmen. Wie Gott zu unsern Vätern trat auf ihr Gebet und Klagen, wird er, zu Spott dem feigen Rat, uns durch die Fluten tragen. Mit ihm wir wollens wagen.

Er mache uns im Glauben kühn und in der Liebe reine. Er lasse Herz und Zunge glühn, zu wecken die Gemeine. Und ob auch unser Auge nicht in seinen Plan mag dringen: er führt durch Dunkel uns zum Licht, lässt Schloss und Riegel springen. Des wolln wir fröhlich singen!

Lasst uns beten.

Vater im Himmel, hilf uns dabei, Abschied zu nehmen, wirklich loszulassen, was wir loslassen müssen, auch wenn wir dadurch traurig werden. Hilf uns, sowohl Abgerundetes als auch Unfertiges stehen zu lassen. Dank sei dir, wo wir einander etwas bedeutet haben. Vergib uns, wo wir einander etwas schuldig geblieben sind. Mach uns offen für das neue, das du uns schenken willst. Amen.

Vater unser
Abkündigungen
Lied 208, 1-4:

Ach bleib mit deiner Gnade bei uns, Herr Jesu Christ, dass uns hinfort nicht schade des bösen Feindes List.

Ach bleib mit deinem Worte bei uns, Erlöser wert, dass uns – beid, hier und dorte – sei Güt und Heil beschert.

Ach bleib mit deinem Glanze bei uns, du wertes Licht; dein Wahrheit uns umschanze, damit wir irren nicht.

Ach bleib mit deinem Segen bei uns, du reicher Herr; dein Gnad und alls Vermögen in uns reichlich vermehr.

Segen (Hartmut Clotz)
Anschließend: Abschiedsreden
Erich Sehrt (Kirchenvorstand)
Hartmut Clotz (Dekan)
Michael Petschull (Kath. Gemeinde)
Gerd Wagner (Bürgermeister)
Hagen Behrens (Stadtverordnetenvorsteher)
Hans-Richard Hitz (Musik-/Gesangverein)
Werner Coburger (VdK)
usw.?
und kleiner Empfang im Sälchen!

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