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Höher als die Engel

Das Johannesevangelium spricht wie das Buch der Sprüche vom Wort der Weisheit, mit der er von Anfang an die Welt und uns Menschen wunderbar geschaffen hat. Und dieses ewige Wort kommt in Jesus zur Welt. Diesen Zusammenhang hat der Hebräerbrief vor Augen, wenn er sagt, dass Jesus „alle Dinge mit seinem kräftigen Wort trägt“.

Russland Sagorsk Sergiev Posad
Gottvater und Sohn, umgeben von Engeln auf einem Deckengemälde in Sagorsk (Bild: falcoPixabay)
direkt-predigtGottesdienst am 1. Weihnachtsfeiertag, 25. Dezember 2003, 10.00 Uhr in der Pauluskirche Gießen und am 2. Weihnachtsfeiertag, 26. Dezember 2003, 10.00 Uhr in der Thomaskirche Gießen

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

Ich begrüße Sie alle herzlich im Abendmahlsgottesdienst am 1. Weihnachtsfeiertag mit dem Wort zum Christfest aus dem Evangelium nach Johannes 1, 14:

Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit.

Weihnachten feiern wir heute. Gott lässt sich herab, um ein Mensch zu werden. Da ist ein Menschenkind, in dem sich Gottes Geist auf Erden niederlässt. Wir freuen uns über die Geburt von Jesus Christus und singen das Lied 25:

1. Vom Himmel kam der Engel Schar, erschien den Hirten offenbar; sie sagten ihn‘: »Ein Kindlein zart, das liegt dort in der Krippen hart

2. zu Bethlehem, in Davids Stadt, wie Micha das verkündet hat, es ist der Herre Jesus Christ, der euer aller Heiland ist.«

3. Des sollt ihr alle fröhlich sein, dass Gott mit euch ist worden ein. Er ist geborn eu’r Fleisch und Blut, eu’r Bruder ist das ewig Gut.

4. Was kann euch tun die Sünd und Tod? Ihr habt mit euch den wahren Gott; lasst zürnen Teufel und die Höll, Gotts Sohn ist worden eu’r Gesell.

5. Er will und kann euch lassen nicht, setzt ihr auf ihn eu’r Zuversicht; es mögen euch viel fechten an: dem sei Trotz, der’s nicht lassen kann.

6. Zuletzt müsst ihr doch haben recht, ihr seid nun worden Gotts Geschlecht. Des danket Gott in Ewigkeit, geduldig, fröhlich allezeit.

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

Der Prophet Micha 5,1 hatte es vorausgeschaut:

„Und du, Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist.“

Die Engel haben es dann bestätigt: Das zarte Kind in der harten Krippe – „es ist der Herre Jesus Christ, der euer aller Heiland ist“.

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Propheten und Engel – dürfen wir ihnen glauben? Warum müssen sie ankündigen, verkündigen, was es mit diesem Kind in der Krippe auf sich hat? Ist es eine so unsichere Sache mit diesem Jesus, dass sie es uns versichern müssen: Hier ist in Wahrheit Gottes Sohn geboren? So fragen wir im Zweifel, ob Jesus wirklich Gottes Sohn ist, ob er uns wirklich von den Sünden errettet, ob er tatsächlich Frieden auf die Erde bringt. Wir bitten dich, Gott, vergib uns unser Versagen und überwinde unsere Zweifel. Wir rufen zu dir:

Herr, erbarme dich! „Herr, erbarme dich, Christe, erbarme dich, Herr, erbarm dich über uns!“

Propheten und Engel haben etwas gemeinsam. Beide sind Gottes Boten. Beide kündigen Gottes Willen an. Beide rütteln auf, und sie machen auch Mut, wenn es nötig ist. Propheten sind Menschen, denen Gott diesen besonderen Auftrag gibt. Engel sind die guten Mächte Gottes, die uns wunderbar umgeben und tragen.

Lasst uns Gott lobsingen! „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen. Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat; nun ist groß Fried ohn Unterlass, all Fehd hat nun ein Ende“.

Der Herr sei mit euch „und mit deinem Geist.“

Weihnachten ohne Engel können wir uns kaum vorstellen. Weihnachten ohne die Propheten, die die Geburt des Christus ersehnt und vorausgeschaut haben, ist in der Bibel nicht denkbar.

Aber beide, Engel und Propheten weisen auf einen anderen hin, auf die Mitte von Weihnachten, nämlich den, der im Stall zu Bethlehem geboren wird, Jesus Christus.

Gott, lass uns erkennen, wer in Christus in unsere Menschenwelt gekommen ist. Drum bitten wir dich im Namen Jesu Christi, unseres Herrn. „Amen.“

Wir hören das Weihnachtsevangelium nach Johannes im Kapitel 1, Verse 1 – 14:

1 Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.

2 Dasselbe war im Anfang bei Gott.

3 Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.

4 In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.

5 Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat’s nicht ergriffen.

9 Das war das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen.

10 Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn gemacht; aber die Welt erkannte ihn nicht.

11 Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf.

12 Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinen Namen glauben,

13 die nicht aus dem Blut noch aus dem Willen des Fleisches noch aus dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren sind.

14 Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.

Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. Halleluja. „Halleluja, Halleluja, Halleluja!“

Wir bekennen heute unseren christlichen Glauben einmal auf ungewöhnliche Weise, nämlich mit einem anderen als dem uns vertrauten Glaubensbekenntnis. Es sind auch sehr alte Worte, und sie stehen im Gesangbuch unter der Nummer 805: „Das Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel“:

Wir glauben an den einen Gott, den Vater, den Allmächtigen, der alles geschaffen hat, Himmel und Erde, die sichtbare und die unsichtbare Welt. Und an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, aus dem Vater geboren vor aller Zeit: Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater; durch ihn ist alles geschaffen. Für uns Menschen und zu unserm Heil ist er vom Himmel gekommen, hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden. Er wurde für uns gekreuzigt unter Pontius Pilatus, hat gelitten und ist begraben worden, ist am dritten Tage auferstanden nach der Schrift und aufgefahren in den Himmel. Er sitzt zur Rechten des Vaters und wird wiederkommen in Herrlichkeit, zu richten die Lebenden und die Toten; seiner Herrschaft wird kein Ende sein. Wir glauben an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht, der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht, der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird, der gesprochen hat durch die Propheten, und die eine, heilige, allgemeine und apostolische Kirche. Wir bekennen die eine Taufe zur Vergebung der Sünden. Wir erwarten die Auferstehung der Toten und das Leben der kommenden Welt. Amen.

Wir singen aus dem Lied 29 die Strophen 1 und 3:

1. Den die Hirten lobeten sehre und die Engel noch viel mehre, fürchtet euch nun nimmermehre, euch ist geborn ein König der Ehrn. Heut sein die lieben Engelein in hellem Schein erschienen bei der Nachte den Hirten, die ihr‘ Schäfelein bei Mondenschein im weiten Feld bewachten: »Große Freud und gute Mär wolln wir euch offenbaren, die euch und aller Welt soll widerfahren.« Gottes Sohn ist Mensch geborn, ist Mensch geborn, hat versöhnt des Vaters Zorn, des Vaters Zorn.

3. Freut euch heute mit Maria in der himmlischen Hierarchia,da die Engel singen alle in dem Himmel hoch mit Schall. Danach sangen die Engelein: »Gebt Gott allein im Himmel Preis und Ehre. Groß Friede wird auf Erden sein, des solln sich freun die Menschen alle sehre und ein Wohlgefallen han: Der Heiland ist gekommen, hat euch zugut das Fleisch an sich genommen.« Gottes Sohn ist Mensch geborn, ist Mensch geborn, hat versöhnt des Vaters Zorn, des Vaters Zorn.

Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Liebe Gemeinde, Engel und Geister sind „in“. Menschen unserer Zeit, die es müde geworden sind, die Welt nur mit einer kühlen Verstandesoptik zu betrachten, suchen den Kontakt zu Engelmächten, um mit Problemen ihrer Seele ins Reine zu kommen. Diese Nähe zu den Engeln muss nicht bedeuten, dass man den Glauben an Jesus ablehnt, aber offenbar finden es viele schwieriger, zu Jesus Kontakt aufzunehmen als zu den Engeln.

Von Konfis, vor allem von den Mädchen, höre ich immer wieder, dass sie eher an Geister als an den Heiligen Geist glauben. Mit Gott können sie auch etwas anfangen, aber mit Jesus haben sie ihre Schwierigkeiten. Der ist für sie eine Gestalt aus der Vergangenheit, den sie nicht kennen und der vielleicht zu sehr von den Erwachsenen in der Kirche in Anspruch genommen wird.

Das ist ganz anders als in meiner Jugend. Damals konnte ich viel mehr mit Jesus anfangen. Der war mir näher als Gott, der so weit weg im Himmel war. Vor allem war er greifbarer als ein Geist, den man nicht fassen kann. Jesus, ein Mensch aus Fleisch und Blut, der mitten unter uns auf der Erde gelebt hat, ein Vorbild des Glaubens, nicht nur in Worten, sondern auch in Taten. Nicht für alle in meiner Generation, aber für mich selbst war Jesus außerdem auch der Zugang zu Gott selbst – Jesus, obwohl er ganz und gar Mensch war, ist zugleich auch ganz und gar Gott. Gott trägt das Angesicht des barmherzigsten Menschen, der je auf der Erde gelebt hat.

Das zu glauben ist in der Tat schwierig. Nicht nur für heutige Jugendliche. Kann das überhaupt ein Mensch fassen? In einem einzigen unter den vielen Millionen Menschen soll sich Gott offenbart haben? Was Gott ausmacht, seine Liebe, seine Heiligkeit, was man mit dem altmodischen Wort „Herrlichkeit“ bezeichnet, das soll sich in Jesus so eindeutig verwirklicht haben, dass man es wagen darf, diesen Menschen sogar anzubeten? Kann man nicht die Juden verstehen, die das für Gotteslästerung halten? Kann man nicht die Muslime verstehen, die zwar an die Jungfrauengeburt des Isa glauben, auch dass er ein Gesandter Gottes ist, aber nicht, dass er der Sohn Gottes ist?

Der heutige Text zur Predigt aus dem Hebräerbrief geht auf diese Frage ein: Wer ist Jesus, im Stall geboren und am Kreuz gestorben? Wird seine Bedeutung von Engeln und Geistmächten in den Schatten gestellt? Ist er ein bloßer Mensch oder ist er – Gott?

Hören wir den Anfang des Briefes an die Hebräer 1, 1-6:

1 Nachdem Gott vorzeiten vielfach und auf vielerlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten,

2 hat er in diesen letzten Tagen zu uns geredet durch den Sohn, den er eingesetzt hat zum Erben über alles, durch den er auch die Welt gemacht hat.

3 Er ist der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens und trägt alle Dinge mit seinem kräftigen Wort und hat vollbracht die Reinigung von den Sünden und hat sich gesetzt zur Rechten der Majestät in der Höhe

4 und ist so viel höher geworden als die Engel, wie der Name, den er ererbt hat, höher ist als ihr Name.

5 Denn zu welchem Engel hat Gott jemals gesagt: »Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt«? und wiederum: »Ich werde sein Vater sein, und er wird mein Sohn sein«?

Ja, liebe Gemeinde, wer ist Jesus nach den Worten dieses Briefes an hebräisch denkene Menschen, an Christen, die ursprünglich Juden gewesen waren?

Zunächst erinnert der erste Satz daran, dass wir als Christen an denselben Gott glauben wie die Juden. Ob es uns gefällt oder nicht, unser Gott ist der Gott, der sich das Volk Israel aus allen Völkern der Welt ausgesucht hat, um sich zuerst dort bekanntzumachen.

Geredet hat er zu diesem Volk, indem er Propheten berufen hat. Die hörten in sich die Stimme Gottes und wussten dabei: Das kommt nicht von mir selbst, das kommt wirklich von dem ewigen, allmächtigen Gott. So hat Gott „vorzeiten vielfach und auf vielerlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten“.

Uns Christen sagt der Hebräerbrief, dass Gott außerdem durch seinen Sohn zu uns geredet hat: Jesus. Er unterscheidet sich von den Propheten nicht dadurch, dass er einen anderen Gott oder ein anderes Gesetz verkünden würde. Mehr als ein Prophet ist Jesus aus zwei anderen Gründen: Gott hat den Sohn zum Erben über alles eingesetzt. Und es ist der Sohn, durch den er die Welt geschaffen hat. Jesus – das A und das O, Anfang und Ende der Welt.

Was sind das für Worte? Ganz am Ende soll Jesus alles erben, was Gott gehört? Die ganze Schöpfung soll Jesu Eigentum werden? Ist das überhaupt möglich?

Normalerweise beerbt ein Sohn seinen Vater, wenn der gestorben ist. Aber Gott kann nicht sterben. Wie kann Jesus also seinen Vater im Himmel beerben? Hier ist es so, dass der Sohn vom Vater alles erbt, nachdem der Sohn gestorben ist am Kreuz und vom Vater auferweckt wird. So wie einem Sohn alles gehören wird, was dem Vater gehört, so überträgt Gott am Ende seine Allmacht auf den auferstandenen Christus. So erwartet uns am Ende im Weltgericht ein Gott mit menschlichem Antlitz: Jesus Christus.

Aber was soll das heißen, dass Jesus schon bei der Schöpfung dabei gewesen sein soll? Hat Gott wirklich durch Jesus die Welt erschaffen? Nicht gemeint ist hier, dass es zwischen Gott und Jesus keinen Unterschied gibt. Jesus ist nicht Gott selbst. Jesus bleibt, indem er wahrer Gott ist, zugleich immer auch wahrer Mensch. Als dieser wahre Mensch hat Jesus in den Grenzen der Endlichkeit gelebt wie wir. Genau wie wir musste er sogar sterben. Der Mensch Jesus konnte sich also nicht daran erinnern, wie er – sozusagen an der Hand des Vaters – mitgeholfen hat, die Welt zu schaffen. Nein, der Hebräerbrief denkt an etwas anderes, wenn er sagt, dass Gott durch Christus die Welt gemacht hat.

Im Buch der Sprüche 8 lässt ein weiser Lehrer des Volkes Israel die Weisheit selber zu Wort kommen, als sei sie die Gefährtin Gottes von Ewigkeit her. Da heißt es:

12 Ich, die Weisheit, wohne bei der Klugheit und weiß, guten Rat zu geben.

22 Der HERR hat mich schon gehabt im Anfang seiner Wege, ehe er etwas schuf, von Anbeginn her.

23 Ich bin eingesetzt von Ewigkeit her, im Anfang, ehe die Erde war.

25 Ehe denn die Berge eingesenkt waren, vor den Hügeln ward ich geboren,

26 als er die Erde noch nicht gemacht hatte noch die Fluren darauf noch die Schollen des Erdbodens.

29 Als er die Grundfesten der Erde legte,

30 da war ich als sein Liebling bei ihm; ich war seine Lust täglich und spielte vor ihm allezeit;

31 ich spielte auf seinem Erdkreis und hatte meine Lust an den Menschenkindern.

Daran denkt der Hebräerbrief: Für einen Juden war klar, dass Gott die Welt vernünftig geschaffen hat, in einer guten Ordnung, eben mit Weisheit. Weisheit ist die Liebe und Güte Gottes in Person, durch die er über die Schöpfung sagen konnte: „Und siehe, es war sehr gut.“ Mit anderen Worten: Weisheit ist das Wort, das Gott einfach ausspricht – und dann geschieht seine Schöpfung. Diese Weisheit ist es, die der Weisheitslehrer Israels als Liebling Gottes bezeichnet und die Spaß daran hat, vor Gott zu spielen wie ein Kind.

Gehen wir einen Schritt weiter, sind wir beim Anfang des Johannesevangeliums, den wir vorhin gehört haben. Dort heißt es von eben diesem Wort der Weisheit Gottes, von dem Wort der ewigen Liebe, das von Gott ausgeht:

1 Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.

2 Dasselbe war im Anfang bei Gott.

3 Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.

Merken Sie? Das Johannesevangelium spricht hier wie das Buch der Sprüche von dem Wort der Weisheit, von Gottes liebevoller Vernunft, mit der er von Anfang an die Welt und uns Menschen wunderbar geschaffen hat. Und dieses ewige Wort nimmt in einem einzigartigen Menschenkind Fleisch und Blut an, kommt in Jesus zur Welt.

Das ist der Zusammenhang, den der Hebräerbrief vor Augen hat, wenn er sagt, dass er durch den Sohn die Welt geschaffen hat und weiter: dass Jesus „alle Dinge mit seinem kräftigen Wort trägt“. Tragfähig ist das Wort, das in Jesus lebendig geworden ist. Er spricht nicht nur wie die Propheten Gottes Wort aus und richtet es den Menschen aus, Jesus ist selber das Wort Gottes. Er und kein anderer hat die Macht, in der Ewigkeit die Lebenden und die Toten zu richten. Und er hat zugleich auch die Macht, Sünden zu vergeben. „Er hat vollbracht die Reinigung von den Sünden und hat sich gesetzt zur Rechten der Majestät in der Höhe.“

Gott und Jesus sind trotzdem nicht identisch; der Hebräerbrief sagt nämlich von Jesus: „Er ist der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens“. In der Ausstrahlung Jesu erkennen wir Gott selbst. Charakter ist das griechische Wort, das Luther hier mit Ebenbild übersetzt – in Jesus kommt der Charakter Gottes zum Ausdruck. Im Wesen Jesu erkennen wir Menschen Gottes Wesen. Zwar sind wir alle als Ebenbild der Liebe Gottes geschaffen, aber nur Jesus erfüllt dieses Ebenbild vollkommen mit Leben.

Ein Wunder wird hier beschrieben. Jesus ist ein Mensch wie wir, und doch nistet sich in ihm Gottes Seele ein. So will er uns locken, dass wir ihn liebgewinnen in dem Kind in der Krippe, dass wir uns kümmern um einen Gott, der in Windeln vor uns liegt, ein hilfloses Flüchtlingskind. Es ist ein Mensch, nicht ein Engelwesen, das Gott sich aussucht, um zu uns auf die Erde zu kommen.

Die Engel sind wichtig für Gott, sie sind seine Boten, seine dienstbaren Geister, vielleicht so etwas wie sein verlängerter Arm. Doch in der Bedeutung reichen sie nicht an Jesus heran. „Denn zu welchem Engel hat Gott jemals gesagt: »Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt«? und wiederum: »Ich werde sein Vater sein, und er wird mein Sohn sein«?“ Kein Engel ist von gleichem Rang wie Jesus, weil Jesus sozusagen „zur Familie gehört“. Er ist „der Sohn“ – ein Mensch, der so eng mit Gott verbunden ist, wie ein leiblicher Sohn mit seinem Vater. „Heute habe ich dich gezeugt“, sagt Gott zu ihm.

Diese Zeugung missverstehen wir, wenn wir sie wortwörtlich als leiblich-körperlich Zeugung begreifen. Wieder hilft uns das Johannesevangelium, diese Vorstellung zu verstehen. Da wird von Menschen, die auf Jesus vertrauen, gesagt:

12 Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinen Namen glauben,

13 die nicht aus dem Blut noch aus dem Willen des Fleisches noch aus dem Willen eines Mannes, sondern von Gott gezeugt sind.

Das griechische Wort „gennao“, das hier steht, bedeutet bei Frauen „geboren werden“ und bei Männern „gezeugt werden“ und ist hier offensichtlich sinnbildlich gemeint. Wer an Gott glaubt, ist von Gott geboren oder gezeugt. Gott selbst lässt Glauben in uns entstehen, geboren werden. Gott selbst ist es auch, der in Jesus seine eigene Seele in Vollkommenheit wohnen lässt, so dass er sich ihm so herzlich verbunden fühlt, wie ein menschlicher Vater seinem geliebten Sohn, für den er alles geben würde.

Jesus ist Gottes Sohn. Darum überragt er die Engel am Bedeutung. Es gibt auch Engel, die bedeutende Namen tragen, Gabriel und Michael zum Beispiel. Aber noch größer ist „der Name, den er ererbt hat“, denn Jesus hat den Namen des „Sohnes“ als Erbe erhalten.

Woher kommt denn dieser Name, den Gott auf Jesus als Erbteil überträgt? Jesus erbt ihn vom Volk Israel, zu dem der Satz: „Du bist mein Sohn“ zunächst gesagt war. Und zwar erbt Jesus diesen Namen, nicht um sein Volk zu enterben, sondern um sein Volk zu retten von ihren Sünden. Das schaffen sie nicht aus eigener Kraft. Genau so wenig wie wir alle. „Die Reinigung von den Sünden“ hat er vollbracht für Juden und für Heiden, also auch für uns.

Ich verstehe das so: Jesus trägt zwar einen Namen, der bedeutender ist als die Namen aller Engel. Aber er sieht es nicht als sein exklusives Recht an, der Sohn Gottes genannt zu werden. Er will, dass alle Menschen wieder Zugang zu Gott finden. Geschaffen sind wir alle als Ebenbild Gottes, und als Ziel der Schöpfung hat Gott im Sinn, dass alle Menschen auf der Erde als seine Kinder leben. Wenn Gott uns durch seinen Sohn von Sünde reinigt, ist das Ziel erreicht. Dann können wir anfangen, Jesus nachzufolgen. Worin nachfolgen? Darin, Gott zu vertrauen. Und uns einzuüben in die Liebe Gottes. Liebe ist das große Weihnachtsgeschenk Gottes an uns. Lasst es uns auspacken und weitergeben. Amen.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben. Amen.

Wir singen das Lied 38:

Wunderbarer Gnadenthron

Lasst uns beten!

Gott, lass uns dich erkennen, indem wir auf deinen Sohn hören, der uns Vertrauen und Feindesliebe vorlebt, der heilende Hände einsetzt und niedergedrückte Menschen aufrichtet.

Gott, lass uns deinem Sohn nachfolgen, indem wir bescheidener werden. Dass wir nicht Gott spielen, sondern menschlich leben. Dass wir nicht Recht behalten müssen um jeden Preis, sondern dass wir Versöhnung suchen. Dass wir nach Wegen suchen, um im Einklang zu leben mit uns selbst, mit unseren Nächsten, mit Tieren und Pflanzen auf unserer Erde.

Gott, sei du bei den Menschen, die in diesen Tagen auf den gefährlichen Straßen unterwegs sind. Auch an Weihnachten sind die Zeitungen voll von Berichten über Unfall und Tod, über tragisches Geschehen. Tröste die Menschen, die verzweifelt sind, auch die, die zum ersten Mal ein Weihnachten ohne einen geliebten Menschen feiern, der im vergangenen Jahr gestorben ist. Schenke uns getroste Zuversicht im Vertrauen auf deinen Sohn, der den Tod überwunden hat. Amen.

Was wir außerdem auf dem Herzen haben, bringen wir in der Stille vor dich, Gott.

Stille und Vater unser

Wir singen das Lied 44:

1) O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit! Welt ging verloren, Christ ist geboren: Freue, freue dich, o Christenheit!

2) O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit! Christ ist erschienen, uns zu versühnen: Freue, freue dich, o Christenheit!

3) O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit! Himmlische Heere jauchzen dir Ehre: Freue, freue dich, o Christenheit!

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

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