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„Ihr seid mehr wert als viele Spatzen“

Trauerfeier für einen einsam gewordenen Mann, dem nur seine Ex-Frau auf dem Friedhof die letzte Ehre erweist.

Zwei Spatzen in einer Dachrinne mit Futter für ihre Jungen im Schnabel
Jeder Spatz ist Gott wichtig – um so mehr jeder Mensch! (Bild: Jerzy GóreckiPixabay)

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen.

Liebe Frau E., liebe kleine Trauergemeinde, wir sind hier zusammengekommen, um von Herrn E. Abschied zu nehmen, der im Alter von [über 70] Jahren gestorben ist.

Wenn ein Mensch gestorben ist, ein Leben unwiderruflich vorbei ist, dann zieht man oft Bilanz und fragt sich nach den Höhen und Tiefen dieses Lebens, nach Freude und Leid, nach der Erfüllung dieses Lebens.

Erinnerungen an das Leben des Verstorbenen

Nun besteht ein Leben nicht nur aus Arbeit, sondern auch aus dem, was einen mit vertrauten Menschen verbindet, Familie und Freunde. Hier ist nun niemand von seiner Herkunftsfamilie, auch niemand aus seinem Bekannten- oder Freundeskreis; wir können nicht einmal sagen, wem Herr E. sich in den letzten Jahren enger verbunden gefühlt hat. Und Sie, liebe Frau E., sind die einzige, die heute Ihrem Mann die letzte Ehre erweist, obwohl Ihre Wege schon seit Jahren auseinandergegangen sind. Eigentlich sind es nur wenige Jahre aus dem Leben von Herrn E., an die Sie persönliche Erinnerungen haben.

Zwei Fotos haben Sie mir gezeigt, zwei Bilder von Herrn E., die ihn zu verschiedenen Zeiten seines Lebens zeigen. Da war der junge Mann, gutaussehend und voller Energie in die Welt blickend – in der Zeit, als Sie geheiratet haben.

Dann ist da das andere Foto. Der in die Jahre gekommene Mann, dem man genauso wenig hinter die Stirn schauen kann. Das ist ein Bild aus der Zeit, als er schon lange seine eigenen Wege ohne Sie gegangen war.

Offen muss für uns bleiben, wie er gelebt hat, welches seine Sorgen waren und was ihm wirklich Freude gemacht hat.

Es ist uns Menschen sowieso unmöglich, einem Menschen wirklich gerecht zu werden – nur Gott kann endgültig über uns urteilen, und wir können froh sein, dass er ein gnädiger Richter ist, der uns anschaut mit den Augen Jesu Christi.

Mir ist ein Wort von Jesus in den Sinn gekommen, mit dem er zeigen wollte, dass trotz allem jeder Mensch für Gott unendlich wertvoll ist.

Jesus sagt in der Bergpredigt (Lukas 12, 6-7 – Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift © 1980 by Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart):

Verkauft man nicht fünf Spatzen für ein paar Pfennig? Und doch vergisst Gott nicht einen von ihnen. Bei euch aber sind sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt. Fürchtet euch nicht! Ihr seid mehr wert als viele Spatzen.

Vielleicht kommt es uns merkwürdig vor, Menschen mit Spatzen zu vergleichen. Aber Jesus hatte ein außerordentliches Vertrauen zu seinem himmlischen Vater, und in seinen Augen gibt es kein Lebewesen auf der Erde, um das sich Gott nicht kümmert. Selbst wenn kleine Tiere sterben, geht das Gott ans Herz, und vielleicht hätte er sogar gesagt, dass es auch für die Tiere einen Himmel gibt. Um wie viel wertvoller sind wir Menschen, die von Gott mit so viel mehr Geist und Seele beschenkt sind! Und Jesus ist überzeugt: Niemals wird Gott aufhören, einen Menschen zu lieben – egal, was er tut, welche Wege er geht.

Dabei ist es Gott nicht einfach egal, was wir tun. Er sieht dem Menschen ins Herz, er leidet mit, wenn wir leiden, es schmerzt ihn auch oder macht ihn zornig, wenn unsere Wege in die Irre gehen.

Er sieht tiefer, als wir selber blicken können, er kennt unsere tiefste Sehnsucht und unsere tiefste Angst, selbst das, was wir nie zugeben würden, vielleicht nicht einmal vor uns selber. Ich kann mir keinen Menschen vorstellen, der sich nicht im Tiefsten seiner Seele nach Liebe sehnt, und ich wünsche jedem Menschen, dass er Erfüllung für diese Sehnsucht findet.

Als Jesus sterben musste, bereits mit 33 Jahren am Kreuz, da hat ein Mann neben ihm am anderen Kreuz ihn um Fürbitte für sich gebeten (Lukas 23, 42):

Gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst!

Jesus hat ihm einfach gesagt (Lukas 23, 43):

Heute wirst du mit mir im Paradies sein.

So kindlich war sein Glaube, so gewiss war er sich, dass Gott unsere Sehnsucht nach Liebe erfüllt, ohne dass wir irgendeine Vorbedingung erfüllen müssen.

In diesem Sinne vertrauen wir heute auch Herrn E. der Liebe Gottes an. Wir können für ihn nicht mehr tun, als heute den letzten irdischen Weg mit ihm zu gehen und für ihn zu beten. Amen.

Gott, unser Vater, nimm Herrn E. nach den Wegen seines irdischen Lebens in Gnaden auf in deinem himmlischen Reich. Wenn uns selbst die richtigen Worte fehlen, dann lass uns in deiner Bibel Worte finden, die unsere Gefühle ausdrücken. So lasst uns beten mit Worten aus dem Psalm 102 (Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift © 1980 by Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart):

1 [Dies ist das] Gebet eines Unglücklichen, wenn er in Verzweiflung ist und vor dem Herrn seine Sorge ausschüttet.

2 Herr, höre mein Gebet! Mein Schreien dringe zu dir.

3 Verbirg dein Antlitz nicht vor mir! Wenn ich in Not bin, wende dein Ohr mir zu! Wenn ich dich anrufe, erhöre mich bald!

4 Meine Tage sind wie Rauch geschwunden.

7 Ich bin wie eine Dohle in der Wüste, wie eine Eule in öden Ruinen.

8 Ich klage wie ein einsamer Vogel auf dem Dach.

12 Meine Tage schwinden dahin wie Schatten.

13 Du aber, Herr, du thronst für immer und ewig, dein Name dauert von Geschlecht zu Geschlecht.

14 Du wirst dich … erbarmen.

18 [Der Herr] wendet sich dem Gebet der Verlassenen zu, ihre Bitten verschmäht er nicht.

20 Denn der Herr schaut herab aus heiliger Höhe, vom Himmel blickt er auf die Erde nieder;

21 er will auf das Seufzen der Gefangenen hören und alle befreien, die dem Tod geweiht sind.

Amen.

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