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Leere Krüge

Auch wir können Krüge füllen, mit dem Wasser unseres Lebens, mit Tränen, Verzweiflung, Hoffnung, Sehnsucht, Schweiß – voll bis zum Rand. Und dann kann das Wunder geschehen. Dass da, wo wir nur Peinlichkeit sehen, plötzlich etwas Schönes herauskommt. Einer weint, und etwas löst sich in ihm.

Mehrere große Tonkrüge
Was enthalten die Krüge unseres Lebens? (Bild: yosr01Pixabay)
direkt-predigtGottesdienst am Sonntag, den 19. Januar 1992, um 10.15 Uhr in der evangelischen Kirche zu Eppelsheim und am Sonntag, den 26. Januar 1992, um 9.30 Uhr in der Kapelle der Landesnervenklinik Alzey

Herzlich willkommen heute morgen in der Eppelsheimer Kirche! Insbesondere begrüßen wir heute den kleinen … mit seinen Eltern und Geschwistern und seiner Patin, der heute im Gottesdienst getauft wird.

Heute ist der 2. Sonntag nach dem Fest der Erscheinung – andere nennen es das Fest der Heiligen Drei Könige – erschienen ist das Licht der Welt, erschienen ist den Weisen im Morgenland der Stern, der sie zur Krippe geführt hat – erschienen ist unter uns die Güte des Gottes, der unsere Herzen wärmt und das Dunkel der Welt hell macht.

Das Licht, das in die Welt gekommen ist, das wollen wir feiern in diesem Gottesdienst, davon wollen wir auch singen. Wir beginnen mit einem Lied von diesem Licht – 451, 1+4+5. Nur dieses erste und das letzte Lied steht im normalen Gesangbuch, alle anderen Lieder singen wir aus dem kleinen gelben Menschenskinderliederbuch.

1) Licht, das in die Welt gekommen, Sonne voller Glanz und Pracht, Morgenstern, aus Gott entglommen, treib hinweg die alte Nacht, zieh in deinen Wunderschein bald die ganze Welt hinein.

4) Geh, du Bräutgam, aus der Kammer, laufe deinen Siegespfad, strahle Tröstung in den Jammer, der die Welt umdunkelt hat. O erleuchte, ewges Wort, Ost und West und Süd und Nord.

5) Komm, erquick auch unsre Seelen, mach die Augen hell und klar, dass wir dich zum Lohn erwählen; vor den Stolzen uns bewahr; ja, lass deinen Himmelsschein unsres Fußes Leuchte sein.

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

Jesus Christus spricht (Johannes 8, 12):

Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Licht ist etwas Schönes, o Gott, normalerweise lieben wir das Helle mehr als das Dunkle, die Freude mehr als die Traurigkeit, die Wahrheit mehr als die Lüge, klare Gedanken mehr als verschwommene Vorstellungen. Aber manchmal tut uns das Licht auch weh: wenn es uns blendet am Morgen, und wir sind noch nicht ausgeschlafen, wenn jemand ganz hart und hell einen wunden Punkt in unserem Leben beleuchtet, oder wenn ein Mensch uns Hoffnung machen will, und wir sagen: das kann nicht wahr sein, zu oft wurde ich schon enttäuscht.

Wir rufen zu dir: Herr, erbarme dich! „Herr, erbarme dich, Christe, erbarme dich, Herr, erbarm dich über uns!“

Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege. (Psalm 119, 105)

Lobsinget dem Herrn, erhebet seinen Namen! „Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum, dass nun und nimmermehr uns rühren soll kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat; nun ist groß Fried ohn Unterlass, all Fehd‘ hat nun ein Ende.“

Gott, mach uns offen für Licht, das uns wohl tut, für behutsame Nähe, für sanfte Offenheit, für harte Wahrheiten in liebevoller Verpackung. Das erbitten wir von dir durch Jesus Christus, unseren Herrn, der mit dir und dem Heiligen Geist lebt und regiert von Ewigkeit zu Ewigkeit. „Amen.“

Wir hören die Lesung aus dem Johannesevangelium 1:

1 Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.

2 Dasselbe war im Anfang bei Gott.

3 Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.

4 In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.

5 Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat’s nicht ergriffen.

11 Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf.

12 Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinen Namen glauben.

Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. Halleluja! „Halleluja, Halleluja, Halleluja!“

Liebe Familie …, wir taufen in diesem Gottesdienst Ihr drittes Kind; ihr anderen Kinder seid mit dabei und schaut euch alles an; Sie, liebe Gemeinde, sind Zeugen dafür, dass hier ein kleiner, junger Mensch in die Gemeinde aufgenommen wird.

Man könnte sich ja fragen: Wird das nicht langweilig, wieder eine Taufe im Gottesdienst? Der Gottesdienst wird dadurch länger, bestimmte Dinge wiederholen sich, z. B. die Fragen an die Taufeltern und Paten oder das Glaubensbekenntnis. Und in Ihrer Familie ist das jetzt schon die dritte Taufe! Aber ich hoffe, dass diese Taufe und alles, was dazu gehört und was noch danach kommt, heute zwar vielleicht lang, aber nicht lang-weilig wird. Denn im Taufgespräch haben wir uns gemeinsam vorgenommen, einige neue Lieder zu singen und uns auch Gedanken über die Texte zu machen.

Und so wird die Taufe von … wohl genauso verschieden von den anderen Taufen sein, wie ja auch Ihre Kinder alle verschieden sind und ihre besonderen Eigenarten haben: der größere Bruder …, der manchmal energisch kämpft um seinen Platz in der Familie, die große …, die schon in die Schule geht und sehr eifrig dabei ist, und jetzt der kleine, aber doch schon sehr selbständige …, den ich noch vor mir sehe, wie er während des Taufgesprächs die Flasche in der Hand hielt und ganz allein trinken wollte.

Bevor wir uns nun Gedanken über die Taufe von …. machen, möchte ich mit Ihnen ein kleines Lied von Fredrik Vahle singen, aus dem Menschenskinderliederbuch Nr. 101:

Wenn ein Kind geboren ist, braucht es eine Wohnung

Es gibt eine ganze Menge Dinge, die ein Kind braucht, am wichtigsten sind vielleicht die Liebe von Vater und Mutter und dass es im Frieden leben darf. Wenn wir … heute taufen, dann sagen wir aber noch etwas anderes: Wir sagen, dass auch Gott wichtig ist für einen Menschen, vom Anfang seines Lebens an gehört auch … zu Gott. … In der Taufe setzen wir ein Zeichen. … gehört zu Gott, von Gott her bekommt sein Leben Sinn und Ziel, auf Gott kann er vertrauen lernen und alle menschliche Lebensangst überwinden, aus Gottes Hand kann er all das nehmen, was ihm geschenkt ist.

In einem Psalm, der dem großen König David zugeschrieben wird, hat jemand das so ausgedrückt: (Psalm 27, 1):

„Der HERR ist mein Licht und mein Heil; vor wem sollte ich mich fürchten? Der HERR ist meines Lebens Kraft; vor wem sollte mir grauen?“

In der Welt gibt es schon viele Dinge, die einem Menschen Angst machen können – zumal einem Kind. Und wir Eltern machen uns ja selber manchmal Sorgen, ob wir unseren Kindern immer gerecht werden – sie brauchen unsere Liebe und Zärtlichkeit, sie brauchen aber auch ihre Grenzen, sie müssen sich mit der Zeit an Regeln im Zusammenleben gewöhnen, sie müssen lernen, mit all ihren Gefühlen umzugehen, von der heiteren Ausgelassenheit bis hin zum wütenden Zorn, und das fällt doch selbst uns Eltern manchmal arg schwer.

Da ist es gut, Kraft in sich zu spüren, gerade dann, wenn man mal nicht so gut drauf ist, eine Kraft, die von innen kommt, und die da innen herein gekommen ist, weil uns jemand ganz fest hält. Das mögen andere Menschen gewesen sein, unsere eigenen Eltern damals, oder andere später, denen wir uns anvertrauen konnten; einer jedenfalls hält uns ganz gewiss in seiner Hand, der uns schon von Anfang der Welt an lieb hat und wichtig nimmt: nämlich Gott selber.

Wenn alles chaotisch scheint, die Kinder nervig, der Partner gereizt, man selber fast am Ende, dann kann von daher ein gewisser roter Faden kommen, so dass wir wieder wissen, worauf es ankommt: dass wir nicht aufhören, uns liebzuhaben, und dass es vielleicht wieder mal wichtig ist, selber aufzutanken.

Wenn der Alltag grau in grau ist, wenn alles trübe erscheint, dann kann der Gedanke an einen Gott, der das alles trotz allem in seiner Hand hält, vielleicht ein Anlass sein, die Welt doch wieder in einem anderen Licht zu sehen. Denn „man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar“, so sagte schon der kleine Prinz in der Geschichte von St. Exupéry.

Licht, Heil, Kraft von Gott – das sind jedenfalls nicht nur leere Worte, das können wir wirklich erfahren, und durch uns erfahren es auch unsere Kinder, was das bedeutet, eine sonnige Kindheit zu haben, einen inneren Halt zu spüren, Nahrung auch für die Seele zu haben und sich innerlich nicht kaputt, sondern heil zu fühlen.

Im Taufgespräch war uns sehr wichtig, uns auch ganz eindringlich heute daran zu erinnern, welche Verantwortung wir Erwachsenen für das Wachsen und Wohlergehen unserer Kinder haben. Sie haben vorgeschlagen, das Lied von Bettina Wegener zu singen: „Sind so kleine Hände“ (97, 1-4), damit wir uns daran erinnern: Unsere Kinder sollen bei uns nicht lernen, sich zu fürchten und zu ducken, sondern sie sollen vertrauen können und aufrecht gehen lernen.

Sind so kleine Hände, winzge Finger dran

Wer weiß, was für einen Weg … gehen wird? Er soll lernen, seinen eigenen Weg zu gehen – und zugleich ein Mensch werden, dem die anderen Menschen nicht unwichtig sind, ein Junge, ein Mann, der lieben kann. Er soll seine eigenen Erfahrungen machen, auch seine eigenen Erfahrungen mit Gott – und braucht zugleich Menschen, die ihn auf diesem Weg begleiten. Die Eltern und die Patin, aber auch andere Christinnen und Christen können solche guten Begleiter, Vorbilder, Gesprächspartner sein, die ihm helfen, seinen Weg zu finden, auch seinen Weg zu Gott und mit Gott.

… soll zu Gott gehören, den er erfahren kann wie einen guten Vater und wie eine gute Mutter. Wir hoffen, dass er Vertrauen findet zu Gott, der Mut macht und befreit, der liebt und zur Liebe herausfordert.

Vor der Taufe singen wir noch ein Lied, wieder aus dem gelben Buch, das davon handelt – Nr. 43, 1-5:

Ein Kind ist angekommen

In der Taufe erkennen wir an, dass Gott uns ein Kind anvertraut hat, das er schon immer geliebt hat und nie aufhören wird zu lieben. Und nun beten wir darum, dass auch wir selber – und später einmal auch unser Taufkind – diesem Gott unser Vertrauen und unsere Liebe schenken können. Wir bitten um Glauben mit den Worten des Apostolischen Glaubensbekenntnisses:

Glaubensbekenntnis und Taufe

Und jetzt geht es noch einmal weiter mit einem Lied aus dem gelben Buch – Nr. 89, 1-3 – diesmal aber wird es von der Orgel begleitet, und es wird nach der Melodie von „Liebster Jesu, wir sind hier“ gesungen:

Kind, du bist uns anvertraut, wozu werden wir dich bringen?
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe Gemeinde, ein belgischer Bergmann, ein Kumpel aus dem Bergwerk, war ein schwerer Alkoholiker. Er vertrank am Zahltag sein ganzes Geld sofort im nächsten Bistro – so nennt man dort die Gasthäuser – und war natürlich bald so sehr verschuldet, dass ihm alle entbehrlichen Möbel gepfändet wurden.

Eines Tages schleppte ihn sein Nachbar in eine evangelische Versammlung mit. Er wurde von der Erweckungspredigt so stark angerührt, dass er beschloss, sein Leben zu ändern. Von einem verständnisvollen Seelsorger betreut, fand er nach einigen Rückfällen zu einem Leben in völliger Enthaltsamkeit – er war nicht mehr Sklave seiner Sucht.

Jetzt ging es wirtschaftlich mit ihm wieder aufwärts. Er konnte sich neue Möbel anschaffen, schönere als vorher. Manchmal kam ihm die Wendung in seinem Leben wie ein Wunder vor. Doch dass er nun in die Kirche ging, brachte auch neue Probleme mit sich. Seine Kollegen hänselten ihn. Das machte ihn manchmal fuchsteufelswild, besonders wenn er auf ihre Sticheleien keine Antwort wusste. Einmal spottete ein Kollege: „Wer glaubt heute noch an die Bibel? Bist du wirklich so dumm, dass du glaubst, dass Jesus Wasser in Wein verwandelt hat?“

Jetzt war unser Kumpel geschlagen. Auf diesen Einwand war er nicht gewappnet. Er hatte die Geschichte auch schon gehört. Am Abend daheim suchte er sie in seiner Bibel. Er fand sie im Johannesevangelium 2, 1-11, und las (das soll übrigens der Text zur heutigen Predigt sein):

1 Und [es] war eine Hochzeit in Kana in Galiläa, und die Mutter Jesu war da.

2 Jesus aber und seine Jünger waren auch zur Hochzeit geladen.

3 Und als der Wein ausging, spricht die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr.

4 Jesus spricht zu ihr: Was geht’s dich an, Frau, was ich tue? Meine Stunde ist noch nicht gekommen.

5 Seine Mutter spricht zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut.

6 Es standen aber dort sechs steinerne Wasserkrüge für die Reinigung nach jüdischer Sitte, und in jeden gingen zwei oder drei Maße.

7 Jesus spricht zu ihnen: Füllt die Wasserkrüge mit Wasser! Und sie füllten sie bis obenan.

8 Und er spricht zu ihnen: Schöpft nun und bringt’s dem Speisemeister! Und sie brachten’s ihm.

9 Als aber der Speisemeister den Wein kostete, der Wasser gewesen war, und nicht wusste, woher er kam – die Diener aber wussten’s, die das Wasser geschöpft hatten -, ruft der Speisemeister den Bräutigam

10 und spricht zu ihm: Jedermann gibt zuerst den guten Wein und, wenn sie betrunken werden, den geringeren; du aber hast den guten Wein bis jetzt zurückbehalten.

11 Das war das erste Zeichen, das Jesus tat, geschehen in Kana in Galiläa, und er offenbarte seine Herrlichkeit. Und seine Jünger glaubten an ihn.

So las der belgische Bergmann; und als er fertig war, kam ihm das, was er gelesen hatte, reichlich merkwürdig vor. Wenn er sich die Hochzeit von Kana in dem Bistro vorstellte, in dem er früher Stammgast war, musste er beinahe lachen. Aber dass so etwas passiert sei, konnte er eigentlich nicht glauben.

Das nächstemal, als er in die christliche Versammlung ging, wartete er am Schluss auf den Prediger und fragte ihn um Rat: „Muss man denn glauben, dass Jesus Wasser in Wein verwandelt hat, wenn man Christ ist?“ Der Prediger antwortete schlagfertig: „Ob Jesus Wasser in Wein verwandelt hat, dass weiß ich selber nicht, aber dass er bei dir Wein in Möbel verwandelt hat, das weiß ich und das weißt du.“

Liebe Gemeinde, ich habe die Geschichte von der Hochzeit zu Kana heute einmal aus der Sicht dieses trocken gewordenen belgischen Alkoholabhängigen erzählt, weil ich denke, dass die meisten unter uns seine Fragen teilen. Jesus verwandelt Wasser in Wein – muss man das nicht heute einfach lächerlich finden? Aber wenn wir die Antwort des Prediger ernstnehmen, dann beginnen wir vielleicht etwas tiefer nachzudenken. Es geht hier nämlich gar nicht um eine unglaubliche Außerkraftsetzung der Naturgesetze, an die wir gleichwohl als Christen glauben sollen.

Schon am Ende der Geschichte selbst steht ein wichtiges Wort: „Das war das erste Zeichen, das Jesus tat, geschehen in Kana in Galiläa, und er offenbarte seine Herrlichkeit. Und seine Jünger glaubten an ihn.“ Um ein Zeichen geht es. Im Bild der Hochzeit, im Bild von Wasser und Wein, wird von einer Verwandlung erzählt, die nicht nur damals geschehen ist, sondern die sich bis heute immer wieder ereignet. Darum war es so gut und so wichtig, dass der Prediger dem Kumpel sagte: „Ob Jesus Wasser in Wein verwandelt hat, dass weiß ich selber nicht, aber dass er bei dir Wein in Möbel verwandelt hat, ja, dass er dich selber von innen her umgekrempelt hat, dass weiß ich und das weißt du.“

Wissen Sie – in der Geschichte steht am Schluss dieser kleine Satz: „Und seine Jünger glaubten an ihn.“ Das klingt auf den ersten Blick so, als ob die Jünger das Verwandeln von Wasser in Wein als Beweis gebraucht hätten, um an Jesus glauben zu können. Aber ich denke gerade andersherum. Ich denke: Dass Menschen anfangen zu glauben, das ist das eigentliche Wunder in dieser Geschichte. Gerade so, wie es der belgische Kumpel erlebte: er musste nicht mehr weglaufen vor seinen Problemen, er musste seine Angst und Scham nicht mehr zuschütten mit Alkohol, er konnte sich dem Gott Jesu anvertrauen, der ihn nicht verdammte, und er fand einen neuen Weg, den er gehen konnte.

Leer schien sein Leben. Die Krüge seines Lebens waren leer, so können wir ein Bild der Erzählung auf sein Leben übertragen, leer, ausgebrannt, so fühlen sich auch heute viele Menschen, die in unserer Mitte wohnen. Sie haben keinen Wein mehr! klagt Maria stellvertretend für viele von uns, kein Getränk, das unseren Durst wirklich löscht, unseren Durst nach Leben, nach Sinn, nach Vergebung, nach Liebe, nach Hoffnung, nach Mut.

„Sie haben keinen Wein mehr, die Krüge sind leer“, so heißt es in einem Singspiel von Wilhelm Willms und Peter Janssens zu diesem Bibeltext, und sie fahren fort: „die Freiheit ist verspielt, ihr Mut ist gekühlt. Sie haben keinen Wein mehr, die Krüge sind leer, ihr Glaube zerronnen, ihre Liebe verglommen. Wir haben keinen Wein mehr, die Krüge sind leer, unsre Güte verbraucht, unsre Hoffnung verraucht. Wir haben keinen Wein mehr. Die Krüge sind leer, unsre Freiheit verspielt, unser Mut ist gekühlt… Wir sind am Ende. Wer bringt die Wende?“

Maria wendet sich an Jesus, als alle denken: Jetzt ist das ganze Fest im Eimer. Der Wein ist alle! Soll jetzt nur noch Wasser getrunken werden? Maria sagt es ihrem Sohn: Sie haben keinen Wein mehr. Jesus weist sie schroff zurück: „Was geht’s dich an, Frau, was ich tue?“ Aber trotzdem sagt sie den Dienern weiter: Was er euch sagt, das tut.

Ja, was sollen sie denn tun? Da kann man doch nichts mehr tun! Wenn man falsch geplant hat, kann man auch keinen Wein mehr herzaubern! Ja, so denken wir, und wenn es hier nur um ein einfaches Hochzeitsfest ginge, dann hätten wir wohl sogar Recht. Aber wenn es hier um mehr geht, vielleicht um das ganze Leben der Jünger? Um das Leben des belgischen Bergmanns? Um unser eigenes Leben? Auch da denken wir oft: Wenn ein Leben verkorkst ist, ist nichts mehr zu retten. Wir haben keinen Wein mehr, die Krüge unsres Lebens sind leer. Was können wir da noch tun?

Jesus sagt ganz einfach: „Füllt die Krüge mit Wasser!“ Mehr sagt er nicht. Wasser sollen sie nehmen. Einfach was sie haben, ehrlich zu sich selber sein, kein Wein ist mehr da, aber Wasser ist noch da. Und sie füllten die Krüge voll, voll bis zum Rand. Und was können wir tun, wenn unsre Krüge leer sind, wenn unser Leben leer ist, wenn es auch von uns heißt: Sie haben keinen Wein mehr? Auch wir können die Krüge füllen, auch wir können Wasser nehmen, einfach was wir haben, und wenn es uns auch zu wenig erscheint, wenn wir uns schämen, ehrlich zu uns selber sein, so zu sein, wie wir sind, mal schwach und mal stark, mal voller Stolz und mal voller Scham, auch wir können die Krüge füllen, voll bis zum Rand, mit dem Wasser unseres Lebens, mit Tränen, mit Verzweiflung, mit Hoffnung, mit Sehnsucht, mit Tränen, mit Schweiß voll bis zum Rand.

Ja, und dann kann das Wunder geschehen. Auch bei uns. Dass da, wo wir nur Peinlichkeit und Schwäche sehen, plötzlich etwas Schönes herauskommt. Ein Mensch spürt, dass er sich übernommen hat, dass er ausgebrannt ist, dass er Ruhe braucht, Ruhe und Liebe, Ruhe und neuen Mut. Und weil er am Ende ist und nicht noch weiter rennt, kann ein neuer Anfang kommen. Oder: Ein Mensch kann weinen, und etwas löst sich in ihm. Oder: Ein Mensch braucht sich nicht mehr hinter einer harten Schale zu verstecken, und man kann anfangen, ihn liebzuhaben. Oder: Ein Mensch sieht ein, dass er Alkoholiker ist, dass nicht nur die anderen schuld sind, dass er selbst es ist, der immer wieder trinkt, immer wieder seine Schande zudecken will und sich doch dadurch nur immer tiefer hineinreitet – er sieht ein: ich bin Alkoholiker, und ich kann aufhören zu trinken, und ich muss mich nicht schämen, ein schwacher Mensch zu sein, der Hilfe braucht.

Ich habe mit einer Geschichte begonnen, ich möchte auch mit einer Geschichte schließen, die ich irgendwo gelesen habe:

In einem Dorf fand eine Hochzeit statt, ausgerechnet eine Hochzeit zwischen den beiden reichsten Familien. Es hätte ein herrliches rauschendes Fest sein können, doch die beiden Familien waren völlig miteinander verfeindet. Nur die beiden jungen Leute liebten einander, ein Sohn aus der einen Familie und eine Tochter aus der anderen Familie. Die Väter hätten niemals in die Heirat eingewilligt, wäre die junge Frau nicht bereits schwanger gewesen. Und so wurde denn geheiratet.

Aber das Mahl zur Hochzeitsfeier glich dem nach einer Beerdigung. Wo sich sonst Freude und Gemeinsamkeit ausbreiteten, empfanden die Gäste eine starre, trockene Stille. Die Familien saßen getrennt, jede für sich.

Nun war es Brauch in jenem Dorf, dass die beiden Hochzeitsfamilien Wein mitbrachten, der dann zusammengeschüttet wurde, ehe man ihn ausschenkte. Der Pfarrer, der das Paar getraut hatte, nahm, wie es ihm zustand, den ersten Becher. Doch beinahe hätte er ihn wieder ausgespuckt, denn – er war nur mit Wasser gefüllt. Beide Familien wollten nicht den wertvollen Wein mit der anderen Familie teilen. Und beide dachten, wenn die andere Familie den Wein bringe, werde die Mischung noch rot genug sein. Was würde nun geschehen? Was, wenn der Pfarrer den Betrug aufdecken würde? Würde es Vorwürfe gegen, oder gar eine Prügelei, wie man sie bei einer Hochzeit noch sie erlebt hätte?

Der Pfarrer hob den Becher – und dankte den Familien für den ausgezeichneten Wein, den sie mitgebracht hätten. Der vermischte Wein sei das Zeichen der Verbindung und der Freundschaft, ja des Einsseins beider Familien. Dies möge auch für die Zukunft des Hochzeitspaares gelten. Beinahe atmeten die Hochzeitsgäste auf und waren zugleich sehr erstaunt darüber, dass die andere Seite offensichtlich soviel und so guten Wein mitgebracht hatte, dass niemand den eigenen Wasseranteil bemerkte. Was dies ein Zeichen der Versöhnung? Hatten die anderen den alten Streit überwunden und zum Zeichen eines neuen Anfangs ihren besten Wein mitgebracht? Die Familienväter begannen sich zu schämen. Das hatten sie den anderen gewiss nicht zugetraut. Und wie lange hatten sie sich eigentlich schon danach gesehnt, endlich mit den Feindseligkeiten aufzuhören. Mit einem Male spürten sie, wie ein ermüdender Druck, der seit langer Zeit auf ihnen gelastet hatte, plötzlich wie weggenommen war. Sie konnten freier atmen und fühlten sich erleichtert. Und sie gaben ihren Knechten einen geheimen Wink: Nehmt die Krüge und füllt sie zu Hause mit dem allerbesten Wein. Im Saal begann sich unterdessen die Atmosphäre zu erwärmen. Man sah sich mit anderen Augen an. Und als dann wenig später die Knechte zurück waren und tatsächlich der gemischte Wein ausgeschenkt wurde, lobte man allerseits die Qualität des Getränks. Und die Hochzeit konnte richtig beginnen.

Sie hatten keinen Wein mehr, weil sie voller Hass waren. Die Krüge waren leer, weil ihnen Liebe fehlte. Aber dann wurde – wie in der Geschichte von der Hochzeit zu Kana – durch ein Wunder Wasser zu Wein. Solche Wunder geschehen überall, wo Herzen verwandelt werden – vom Hass zur Liebe, von der Angst zum Vertrauen, von der Traurigkeit zur Freude, von der Verzweiflung zu neuem Lebensmut. Amen.

Gottes Friede, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

Wir singen jetzt noch ein letztes Lied aus dem kleinen gelben Menschenskinderliederbuch – Nr. 123, 1-4:

Ein Licht geht uns auf in der Dunkelheit

Gott, unser himmlischer Vater, wir danken dir, dass du zu uns kommst als Licht für die Welt. Wir bitten dich: sei und bleibe uns ganz nahe! Wir bitten um das Licht deiner Liebe, um Sinn und Klarheit für unser Leben, dass wir spüren, wie du uns festhältst in deiner Hand, dass wir wissen, wozu wir herausgefordert sind, dass wir unsere Kinder gut begleiten und erziehen. Vergib uns, wo wir als Christen selber das Licht verdunkeln, das du uns geschenkt hast, wo wir böse übereinander reden, wo wir egoistisch sind, wo wir verschwommen und unklar reden, obwohl du uns unseren Verstand gegeben hast. Wir bitten um Einsicht, dass wir Menschen es nicht mehr nötig haben, Kinder zu verletzen, Kriege zu führen, einander fertigzumachen, uns selber zu überfordern. Lass uns dir vertrauen. Lass uns aus der Kraft leben, die daher kommt, dass du uns liebst. Amen.

Alles, was uns heute bewegt, schließen wir im Gebet Jesu zusammen:

Vater unser

Zum Schluss singen wir Lied 48, 1-4:

1) Wie schön leuchtet der Morgenstern voll Gnad und Wahrheit von dem Herrn, die süße Wurzel Jesse! Du Sohn Davids aus Jakobs Stamm, mein König und mein Bräutigam, hast mir mein Herz besessen; lieblich, freundlich, schön und herrlich, groß und ehrlich, reich an Gaben, hoch und sehr prächtig erhaben.

4) Von Gott kommt mir ein Freudenschein, wenn du mich mit den Augen dein gar freundlich tust anblicken. O Herr Jesus, mein trautes Gut, dein Wort, dein Geist, dein Leib und Blut mich innerlich erquicken. Nimm mich freundlich in dein Arme, Herr, erbarme dich in Gnaden; auf dein Wort komm ich geladen.

Abkündigungen

Und nun lasst uns mit Gottes Segen in den Sonntag und in die neue Woche gehen:

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

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