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Fahrt zum Himmel

Ein Kirchenfenster zeigt acht Jünger Jesu, wie sie ihm in den Himmel nachstarren; Petrus mit einem Schlüssel in der Hand schaut zu Boden, wo ein elfter Jünger betend einen blauen Schmetterling betrachtet
Jünger schauen Jesus nach, der ihrer Vision in den Himmel entschwunden ist (Bild: falcoPixabay)

„Fahr zur Hölle!“ Diese Aufforderung kennen kino- oder fernsehbegeisterte Mitmenschen aus der Sprache, die unter Gangstern oder Wildwestbösewichtern üblich ist. Niemand würde auf die Idee kommen, mit diesem Satz eine buchstäblich zu verstehende Reise an einen bestimmten Ort unterhalb der Erdoberfläche in Verbindung zu bringen. In einer brutalen Bildersprache soll vielmehr ausgedrückt werden, wie sehr man einem anderen den Tod und noch Schlimmeres an den Hals wünscht.

Anders ist es, wenn sich im Glaubensbekenntnis der Christen die Formulierung findet, Christus sei „aufgefahren in den Himmel“. Hartnäckig hält sich die Auffassung, darunter sei eine zeitlich datierbare Ortsveränderung des wieder zum Leben erweckten Leichnams Jesu zu verstehen – weg von der Erdoberfläche, in Richtung nach „oben“, was immer das bei einer sich fortwährend im freien Weltall drehenden Erdkugel bedeuten soll. Verständlich also, dass man im Zeitalter fortgeschrittener naturwissenschaftlicher Kenntnisse das – so missverstandene – Fest der Himmelfahrt Christi nächste Woche nur mehr mit einem müden Lächeln quittiert und lieber „Vatertag“ feiert.

Aber die Bibel spricht von Gott in Bildern und Symbolen. Sie bringt Vorstellungen, Ängste und Sehnsüchte in unserer eigenen Seele zum Mitschwingen und lädt dazu ein, dass wir uns innerlich verwandeln lassen. So wie Jesus bei seiner Taufe und auf dem Berg der Verklärung mit seinem inneren Auge den Himmel offen sah und Zuversicht und Kraft gewann für alles, was ihm bevorstand, so stand den Jüngern nach Jesu Tod tröstlich und mutmachend das Bild des auferstandenen Christus vor Augen, der nun im Himmel für alle Zeiten gemeinsam mit Gott lebt.

An sich dürfte seitdem niemand mehr einen grausamen, unmenschlichen, strafenden Vatergott predigen – Gott im Himmel trägt für alle Zeiten das menschliche Gesicht Jesu. An sich dürfte niemand mehr einem anderen Angst machen und die Vorstellung vermitteln: Du bist verloren, du bist verdammt, fahr zur Hölle! Das Bild von der Himmelfahrt Jesu lädt vielmehr zum Vertrauen ein: Hab Zutrauen zu dem Gott, der auch dich lieb hat; ja, so nahe ist dir der Himmel, dass du nicht weit fahren musst, auch nicht erst sterben musst, um ihn zu spüren! Wo wir einander helfen, Vertrauen zu Gott zu finden, füreinander Zeit haben, einander zuhören, da können wir aufhören, ängstlich um uns selbst zu kreisen, da gewinnen wir Mut zum Leben und Trost im Sterben und im Trauern, da wird es wahr, was wir in einem neueren Kirchenlied singen: „Der Himmel geht über allen auf, auf alle über, über allen auf!“

Betrachtung für den Evangelischen Pressedienst am 24. Mai 1992 von Helmut Schütz, Krankenhauspfarrer in Alzey

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