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Umkehren – wie Zugvögel im ruhigen Flug

Umkehren ist bei Jeremia etwas Ruhiges. Aufstehen, wenn man hingefallen ist. Ein Neubeginn nach einem Rückfall. Bremsen aus der vollen Fahrt, wenn man gar nicht mehr weiß, wohin die Reise geht. Sich darauf besinnen, wo man hingehört, wie die Zugvögel. Sich bewusst machen, dass Gott uns schon unser ganzes Leben hindurch begleitet, auch wenn wir es nicht gemerkt haben.

Vier Kraniche im Flug der Zugvögel
Kraniche im ruhigen Flug der Zugvögel (Bild: cocoparisiennePixabay)

#predigtGottesdienst am Vorletzten Sonntag des Kirchenjahres, den 19. 11. 1995 um 9.30 Uhr in der Kapelle der Landesnervenklinik Alzey

Herzlich willkommen im Gottesdienst am Vorletzten Sonntag des Kirchenjahres. Ein Prophet wird uns heute in der Predigt ins Gewissen reden – wir werden Worte hören, die Jeremia von Gott gehört hat und uns weitersagt, Worte, die von der Umkehr handeln, vom Umkehren zu Gott.

Lied 166, 1+5-6:

1) Tut mir auf die schöne Pforte, führt in Gottes Haus mich ein; ach wie wird an diesem Orte meine Seele fröhlich sein! Hier ist Gottes Angesicht, hier ist lauter Trost und Licht.

5) Stärk in mir den schwachen Glauben, lass dein teures Kleinod mir nimmer aus dem Herzen rauben, halte mir dein Wort stets für, dass es mir zum Leitstern dient und zum Trost im Herzen grünt.

6) Rede, Herr, so will ich hören, und dein Wille werd erfüllt; nichts lass meine Andacht stören, wenn der Brunn des Lebens quillt; speise mich mit Himmelsbrot, tröste mich in aller Not.

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Wir beten mit Worten aus dem Buch Jesus Sirach 17 und 18:

28 Wie ist die Barmherzigkeit des Herrn so groß! Er zeigte sich denen gnädig, die sich zu ihm bekehren.

29 Denn der Mensch ist nicht vollkommen, da er ja nicht unsterblich ist.

1 Der ewig lebt, der hat alles miteinander geschaffen.

2 Der Herr allein ist gerecht. Niemand kann seine Werke aufzählen. Wer kann seine großen Taten erforschen?

3 Wer kann seine große Macht ermessen?

4 Wer kann seine große Barmherzigkeit genug preisen?

5 Man kann sie weder vermindern noch vermehren und kann seine großen Wunder nicht erforschen.

6 Selbst wenn ein Mensch dabei sein Bestes getan hat, so ist’s noch kaum angefangen; und wenn er aufhört, merkt er erst, wieviel noch fehlt. –

7 Aber was ist der Mensch? Wozu taugt er? Was kann er nutzen oder schaden?

8 Wenn er lange lebt, so lebt er hundert Jahre. Wie ein Tröpflein Wasser im Meer und wie ein Körnlein Sand, so gering sind seine Jahre im Vergleich mit der Ewigkeit.

9 Darum hat Gott Geduld mit den Menschen und schüttet seine Barmherzigkeit über sie aus.

10 Er sieht und weiß, wie bitter ihr Ende ist;

11 darum erbarmt er sich um so herzlicher über sie.

12 Die Barmherzigkeit eines Menschen gilt allein seinem Nächsten; aber Gottes Barmherzigkeit gilt der ganzen Welt.

13 Er weist zurück, erzieht und belehrt und führt zurück wie ein Hirt seine Herde.

Kommt, lasst uns anbeten. „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Lasst uns beten!

Gott, manchmal fragen wir uns: Wo kommt unser Leben her, wo geht es hin? Wir wurden geboren, ins Leben hineingeworfen, manche wie ins kalte Wasser, nicht alle fanden gleich ein warmes Nest. Wir leben unser Leben, suchen nach Sinn und Glück, nach Trost und Halt. Irgendwann werden wir sterben, und wir hoffen, dass dann unser Leben rund sein wird, erfüllt und nicht leer. Und wir hoffen, dass wir dann auch nicht ins Leere hinausgestoßen werden, sondern eine ewige Heimat finden.

Unser Gott, wir vertrauen uns Dir an. Aus Dir kommen wir, mit Dir leben wir,. zu Dir gehen wir, wenn unser Leben auf der Erde erfüllt sein wird. Herr, bleibe bei uns, am Morgen, am Mittag und am Abend unseres Lebens. Das erbitten wir von dir im Namen Jesu Christi, unseres Herrn. „Amen.“

Wir hören die Schriftlesung aus dem Brief des Paulus an die Römer 8, 18-23. Paulus schreibt dort:

18 Ich bin überzeugt, dass dieser Zeit Leiden nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll.

19 Denn das ängstliche Harren der Kreatur wartet darauf, dass die Kinder Gottes offenbar werden.

20 Die Schöpfung ist ja unterworfen der Vergänglichkeit – ohne ihren Willen, sondern durch den, der sie unterworfen hat -, doch auf Hoffnung;

21 denn auch die Schöpfung wird frei werden von der Knechtschaft der Vergänglichkeit zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes.

22 Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick mit uns seufzt und sich ängstet.

23 Nicht allein aber sie, sondern auch wir selbst, die wir den Geist als Erstlingsgabe haben, seufzen in uns selbst und sehnen uns nach der Kindschaft, der Erlösung unseres Leibes.

Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. Halleluja! „Halleluja,Halleluja,Halleluja.“

Lied 620, 1-4: Gottes Liebe ist wie die Sonne
Gnade und Friede sei mit uns allen von Gott, unserem Vater, und Jesus Christus, unserem Herrn. Amen.

Wir hören den Predigttext aus dem Prophetenbuch Jeremia 8, 4-7:

4 Sprich zu ihnen: So spricht der HERR: Wo ist jemand, wenn er fällt, der nicht gern wieder aufstünde? Wo ist jemand, wenn er irregeht, der nicht gern wieder zurechtkäme?

5 Warum will denn dies Volk irregehen für und für? Sie halten so fest am falschen Gottesdienst, dass sie nicht umkehren wollen.

6 Ich sehe und höre, dass sie nicht die Wahrheit reden. Es gibt niemand, dem seine Bosheit leid wäre und der spräche: Was hab ich doch getan! Sie laufen alle ihren Lauf wie ein Hengst, der in der Schlacht dahinstürmt.

7 Der Storch unter dem Himmel weiß seine Zeit, Turteltaube, Kranich und Schwalbe halten die Zeit ein, in der sie wiederkommen sollen; aber mein Volk will das Recht des HERRN nicht wissen.

Liebe Gemeinde!

Menschen fragen sich nach dem Sinn ihres Lebens. Manchmal tun sie das zu besonderen Zeiten des Jahres oder zu besonderen Zeiten ihres Lebens. Vielleicht wenn ein Familienfest ansteht oder auch ein besonderes Ereignis den Lauf des normalen Lebens unterbrochen hat. Da kommt es vor, dass man sich fragt: Hat mein Leben eigentlich die richtige Richtung? Soll ich weitergehen auf dem Weg, den ich begonnen habe? Oder sollte ich lieber umkehren? Und wenn ja, wohin kann ich denn umkehren?

In der Bibel gab es immer wieder Menschen, die ihren Mitmenschen ins Gewissen redeten. Propheten nannte man sie. Die haben ein gutes Ohr gehabt für Dinge, die Gott den Menschen sagen wollte. Die Propheten hörten hin – und sagten weiter. Die sprachen auch oft vom Umkehren. Einmal hat einer von ihnen, Jeremia hieß er, Gott so reden hören:

4 Sprich zu ihnen: So spricht der HERR: Wo ist jemand, wenn er fällt, der nicht gern wieder aufstünde?

„Sprich zu ihnen!“ so wird dem Jeremia gesagt. Stell dich hin, sag weiter, worauf es ankommt! Sag ihnen etwas, was sich doch eigentlich von selbst versteht. Wenn jemand hinfällt, steht er doch eigentlich gern wieder auf. Er bleibt doch nicht einfach liegen. Oder?

Haben Sie schon einmal ein kleines Kind gesehen, das laufen lernt? Es läuft ein paar Schritte, ist furchtbar stolz, und plötzlich – plumps – landet es auf dem Hosenboden. Vielleicht ist es mit Windel noch gut gepolstert, da fällt es weich. Und schon müht es sich, wieder aufzustehen und übt weiter. Und immer wird geschaut: Wo ist denn die Mama, wo ist der Papa? Denn die sollen es doch sehen: Ich kann schon selber laufen! Ich stehe auch wieder auf, wenn ich falle!

Mag sein, dass es auch mal wehtut, wenn ein Kind hinfällt. Vielleicht hat es sich das Knie aufgeschlagen. Dann schreit es, die Wunde wird versorgt, ein Pflaster draufgeklebt, das Kind getröstet, und bald läuft es wieder herum, vielleicht ist es sogar noch stolz auf sein Pflaster, nachdem es nicht mehr ganz so wehtut.

Hinfallen und wieder aufstehen ist auch ein Bild für etwas, was im Erwachsenenleben immer wieder geschieht. Ein Schicksalsschlag wirft uns zu Boden – bricht er auch unseren Lebenswillen? Hadern wir mit Gott, weil er uns etwas wegnimmt, was wir nicht missen wollten? Bleiben wir liegen, wenn wir gestrauchelt sind auf unserem Weg, wenn wir uns hinreißen ließen, etwas zu tun, was wir nicht hätten tun sollen?

Was mag passiert sein, wenn jemand nicht gern wieder aufsteht, nachdem er hingefallen ist? Denkt er, es hat ja sowieso keinen Zweck mehr? Ich falle ja sowieso gleich wieder hin? Hat er nie Trost erfahren, wurde sein Schreien nie gehört, hat sich nie jemand um ihn gekümmert? Wir wissen es nicht. Jeremia will jedenfalls sagen: Gott ist da. Gott will trösten, Gott hört unser Schreien, Gott kümmert sich um uns. Es lohnt sich, aufzustehen.

Und weiter hören wir durch den Propheten die Stimme Gottes:

Wo ist jemand, wenn er irregeht, der nicht gern wieder zurechtkäme?

Gibt es jemanden, der sich verirrt hat, etwa in einer fremden Stadt oder im Wald, der nicht gern den richtigen Weg wiederfinden würde? Jeremia denkt, das kann doch nicht wahr sein – aber er sieht wirklich Leute, die sich verlaufen haben, und nicht wieder zurechtkommen wollen. Menschen, die vor Gott weggelaufen sind. Nun sind sie in Schwierigkeiten geraten und machen trotzdem so weiter wie bisher.

Wie kann es dazu kommen? Sie merken es vielleicht gar nicht, dass sie sich verirrt haben. Sie denken vielleicht: es gibt keinen anderen Weg. Gott – gibt es den überhaupt? fragen sie sich. Müssen wir nicht alleine zurechtkommen auf unserer Erde? Muss nicht jeder der Schmied seines eigenen Glückes sein – notfalls auch auf Kosten des Schwächeren, der zur Seite gedrängt wird? Jeremia hört, wie Gott verwundert klagt über seine Menschen und sich fragt:

5 Warum will denn dies Volk irregehen für und für? Sie halten so fest am falschen Gottesdienst, dass sie nicht umkehren wollen.

Gott selbst versteht es nicht, dass die Menschen „irregehen“, den falschen Weg nicht verlassen wollen, nicht umkehren wollen. Gott will uns Menschen doch ernstnehmen, will uns nicht zwingen, nicht drohen, nicht unterdrücken. Seine Liebe bietet er uns an – aber die Menschen verstehen ihn falsch, machen sich von Gott ganz falsche Vorstellungen.

Das ist bis heute so geblieben. Was ist denn, wenn immer noch den Kindern gesagt wird: Gott ist ein alter Mann mit einem langen Bart. Gott sitzt auf einer Wolke und schaut auf die Erde herunter. Gott sieht alles und wird dich strafen, wenn du etwas Böses tust! Bekommt ein Kind dann nicht Angst vor Gott? Kann es dann überhaupt begreifen, dass Gott – Liebe ist? Dass Gott überall um uns herum ist? Dass er sogar in uns sein kann – wie ein ganz inniges, tiefes Gefühl der Geborgenheit und des Friedens?

Es gibt leider viele Menschen, die sagen: Du musst Gott gehorchen! – und sie meinen in Wirklichkeit: Du musst den Menschen gehorchen, die stärker sind – den Eltern, den Vorgesetzten, der Obrigkeit. Natürlich haben Eltern, vorgesetzte Menschen und auch die Behörden im Staat ein Recht auf Respekt – so lange sie die Menschen, die ihnen anvertraut sind, auch selber mit Respekt behandeln. Von Gehorsam um jeden Preis sollte man da nicht mehr reden. Ein Kind zum Beispiel ist ganz von selbst bereit, seine Eltern zu respektieren, es hat sie doch sogar lieb. Aber wenn es der eigene Vater ist, der dem Kind wehtut? Darf es dann nicht schreien? Muss es dann schweigen und auch jetzt noch alles tun, was der Vater verlangt? Nein – es gibt Grenzen für den Gehorsam. Gott würde jedenfalls nichts von uns verlangen, was gegen das Gebot der Liebe verstoßen würde.

Und was ist, wenn Menschen Streit miteinander haben, vielleicht sogar Krieg gegeneinander führen und dann sagen: Gott steht aber auf unserer Seite! Wir haben recht, weil Gott uns beisteht! Dann wird Gottes Name für etwas Böses missbraucht. Denn Gott will nicht, dass man für ihn mit Gewalt kämpft. Er will, dass die Menschen versuchen, im Frieden miteinander zu leben. Die Menschen sind doch schließlich alle seine Kinder.

An dieser Stelle halten wir inne im Text und singen das Lied 393, 6-

6) Kommt, Kinder, lasst uns gehen, der Vater gehet mit; er selbst will bei uns stehen bei jedem sauren Tritt; er will uns machen Mut, mit süßen Sonnenblicken uns locken und erquicken; ach ja, wir haben’s gut, ach ja, wir haben’s gut.

7) Kommt, Kinder, lasst uns wandern, wir gehen Hand in Hand; eins freuet sich am andern in diesem wilden Land. Kommt, lasst uns kindlich sein, uns auf dem Weg nicht streiten; die Engel selbst begleiten als Brüder unsre Reihn, als Brüder unsre Reihn.

8) Sollt wo ein Schwacher fallen, so greif der Stärkre zu; man trag, man helfe allen, man pflanze Lieb und Ruh. Kommt, bindet fester an; ein jeder sei der Kleinste, doch auch wohl gern der Reinste auf unsrer Liebesbahn, auf unsrer Liebesbahn.

Es geht weiter, liebe Gemeinde! Der Prophet Jeremia sagt die Worte von Gott weiter, der enttäuscht ist von vielen Menschen, von seinem eigenen Volk. Sie sagen, dass sie an Gott glauben, aber wenn es darauf ankommt, vertrauen sie doch mehr auf ihre Kriegswaffen, auf ihr Geld, auf ihre eigene Kraft. Die schwachen Menschen, die zum Beispiel krank und behindert sind, die bleiben dabei auf der Strecke. Die scheinen ja überflüssig zu sein. Damit findet sich Gott aber nicht ab. Noch einmal redet Gott ihnen ins Gewissen, durch seinen Propheten Jeremia:

6 Ich sehe und höre, dass sie nicht die Wahrheit reden. Es gibt niemand, dem seine Bosheit leid wäre und der spräche: Was hab ich doch getan! Sie laufen alle ihren Lauf wie ein Hengst, der in der Schlacht dahinstürmt.

Sie scheinen alle ein Ziel zu haben, diese Menschen. Sie laufen sogar schnell, wie gehetzt. Ähnlich wie in der Geschichte vom Kleinen Prinzen von St. Exupéry. Da wundert sich der kleine Prinz, wo die vielen Menschen alle so schnell hinwollen, die in die Busse und Züge einsteigen, die abfahren und wieder zurückkommen. Manchmal sieht es auch in der Vorweihnachtszeit so aus, als ob alle Welt nur noch gehetzt und überlastet ist. Wo laufen sie denn hin? möchte man fragen. Und wohin laufen wir? Ist dieses Dahinstürmen des Hengstes nicht auch mit einer Flucht zu vergleichen? Egal ob er im Krieg auf den Feind zuläuft oder von ihm weg, flieht er nicht in jedem Fall? Wer wegläuft, hat Angst vor dem Kampf, vor dem Tod, vor der Niederlage. Aber wer mutig dem Feind entgegenläuft, will siegen, will schneller sein als der Gegner, will ihn treffen, töten, überwältigen, bevor der andere das als erster tun kann. Auch er läuft vor etwas davon, nämlich vor der Bemühung um Frieden, um Verständigung, um das Verstehen: dieser Gegner ist doch auch ein Mensch, ein Kind Gottes.

Ob wir es in den nächsten Wochen einmal schaffen, innezuhalten, den wilden Lauf zu stoppen, Ruhe einkehren zu lassen, statt uns wieder einmal Weihnachtsstress zu machen? Gott ist kein Gott, der uns Druck machen will, Gott ist ein Gott, der Frieden schenkt. Nicht eine tolle Harmonie, nicht Friede – Freude – Eierkuchen, keine krampfhafte Bemühung darum, dass es ja nicht zu irgendeinem Streit kommt. Das gerade nicht. Sondern dass wir es lernen, uns selber so zu nehmen, wie wir sind – und auch den anderen nicht überfordern. Und wenn es dabei zu Konflikten kommt – dass wir den Mut haben, auch zu sagen: Da sind wir verschiedener Ansicht. Was du da gesagt hast, hat mir wehgetan, aber ich finde trotzdem gut, dass du es gesagt hast. Klarheit, Ehrlichkeit ist oft besser als eine Pflicht, die Druck macht. Und manchmal ist es gut, sich klarzumachen: Was ist es eigentlich, was wir voneinander erwarten? Erwarten wir manchmal deswegen zu viel voneinander, weil wir uns gar nicht eingestehen, was unsere tiefsten Wünsche sind? Da treffen sich zwei Freunde, und der eine ist froh, einmal jemanden zu haben, mit dem man gelegentlich etwas unternehmen kann. Der andere sucht jedoch insgeheim einen Menschen, bei dem er sich jederzeit aussprechen kann. Der andere geht zunächst darauf ein, aber bald fühlt er sich überfordert. Er will den ersten nicht vor den Kopf stoßen, aber er zieht sich mehr und mehr zurück. Beide könnten durchaus zusammenfinden, mit der Zeit. Aber wenn niemals darüber gesprochen wird, was man eigentlich mit der Freundschaft verbindet, fühlt der eine sich leicht ausgenutzt und der andere sich zurückgestoßen, ohne dass irgendjemand von beiden das will.

Ja, wann werden wir aufhören, wie ein Hengst in der Schlacht dahinzustürmen? Es ist nicht einfach, manchmal brauchen wir auch jemanden, der uns dabei hilft, überhaupt wahrzunehmen, was wir tun – ein Seelsorger, ein Therapeut oder ein Prophet wie Jeremia.

Der stellt uns zum Schluss noch ein schönes Bild vor Augen, ein Bild aus der Natur:

7 Der Storch unter dem Himmel weiß seine Zeit, Turteltaube, Kranich und Schwalbe halten die Zeit ein, in der sie wiederkommen sollen; aber mein Volk will das Recht des HERRN nicht wissen.

Eben sahen wir noch das wilde Dahinstürmen des Hengstes in dem von Menschen gemachten Krieg – jetzt beobachten wir die Zugvögel in ihrem ruhigen Flug. Sie fliegen zur Wärme des Südens, wenn sie in der Winterkälte nicht im Norden überleben können. Sie kommen zurück, wenn sie für den Nestbau wieder die Fruchtbarkeit des Nordens brauchen. Sie wissen, wo es gut für sie ist, die Natur hat es ihnen einprogrammiert, ihr Instinkt sagt ihnen, wann und wohin sie fliegen müssen.

Wir Menschen haben keinen eindeutigen Instinkt mehr. Wir sind freier als die Vögel. Wir sind so frei, uns auch gegen das zu entscheiden, was gut für uns ist. Wir können Raubbau treiben mit unserer Gesundheit. Wir können blind bleiben für das, was wir für uns selber an Liebe, an Wärme, an Zeit brauchen, um dann auch wieder anderen Menschen etwas geben zu können. Oder umgekehrt: Wir können meinen, dass ja sowieso nur jeder an sich denkt – und dann ist es egal, wenn auch wir auf Kosten der anderen leben. Beides hat schlimme Folgen, sowohl wenn wir nur an uns selbst denken, als auch, wenn wir nie an uns selbst denken. Jesus hat gesagt: Liebe deinen Nächsten – wie dich selbst! Hab dich selbst wirklich lieb, behandle deinen Körper so gut, wie etwas besonders Kostbares, das viel Pflege braucht, sorge für deine Seele, so wie für einen guten Freund. Und ich bin sicher, wer mit sich selbst so umgeht, der wird mit den Menschen um sich herum auch besser umgehen. Vor allem, wenn wir dann merken, dass die anderen oft auch nicht gut mit sich selber umgehen und vielleicht deshalb so wild um sich schlagen und andere verletzen müssen.

Umkehren ist hier bei Jeremia nichts Dramatisches. Umkehr wäre etwas ganz Ruhiges. Aufstehen, wenn man hingefallen ist. Ein Neubeginn nach einem Rückfall, aus dem man etwas gelernt hat. Bremsen aus der vollen Fahrt, wenn man gar nicht mehr weiß, wohin die Reise geht. Sich darauf besinnen, wo man hingehört, wie die Zugvögel. Sich bewusst machen, dass Gott uns schon unser ganzes Leben hindurch begleitet, auch wenn wir es nicht gemerkt haben. Und wir sind von ihm geliebt, wir können gar nichts dagegen tun.

Da fällt mir die Geschichte von dem Affen ein, der in der Hand Gottes saß. Er wollte den weitesten Sprung machen, den je ein Affe getan hatte. Er wollte bis zum Ende der Welt springen – und er schaffte es sogar. Aber als er sich genau umblickte, da war er nur vom Daumen der Hand Gottes bis zum kleinen Finger gesprungen. So erzählt es ein altes Märchen aus Asien.

Gott hält uns alle in der Hand, und wir können gar nicht aus ihr herausfallen; darauf dürfen wir vertrauen. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Lied 619, 1-4:

Er hält die ganze Welt in seiner Hand, er hält die ganze Welt in seiner Hand, er hält die ganze Welt in seiner Hand, Gott hält die Welt in seiner Hand.

Er hält das winzigkleine Baby in seiner Hand, er hält das winzigkleine Baby in seiner Hand, er hält das winzigkleine Baby in seiner Hand, Gott hält die Welt in seiner Hand.

Er hält die Sonne und den Mond in seiner Hand, er hält die Sonne und den Mond in seiner Hand, er hält die Sonne und den Mond in seiner Hand, Gott hält die Welt in seiner Hand.

Er hält auch dich und mich in seiner Hand, er hält auch dich und mich in seiner Hand, er hält auch dich und mich in seiner Hand, Gott hält die Welt in seiner Hand.

Großer Gott, du hältst uns in deiner Hand! Und doch lässt du uns unsere eigenen Wege gehen – du zwingst uns nicht zum Glück. Hilf uns, dass wir auf dich hören, dass wir nicht bewusst ins Unglück rennen. Gib uns den Mut, dass wir es aussprechen, wenn wir ausgenutzt werden, wenn wir uns überfordert fühlen, wenn man uns verletzt hat. Und wenn wir Hilfe brauchen, lass uns Menschen suchen, denen wir uns anvertrauen können. Amen.

Gemeinsam beten wir mit den Worten Jesu:

Vater unser
Lied 395, 1-3: Vertraut den neuen Wegen
Abkündigungen

Nun geht hin mit Gottes Segen:

Gott, der Herr, segne euch, und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch Frieden. Amen.

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