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Hunger und Durst nach Gerechtigkeit

Trauerfeier für eine alte Frau, die dankbar und im Einklang mit Gott, mit den Menschen und sich selbst gelebt hat. Ich gehe auf ihren Konfirmationsspruch ein, in der Jesus diejenigen selig preist, die sich nach Gerechtigkeit sehnen.

Hunger und Durst nach Gerechtigkeit: Die Skulptur eines stilisierten starken Mannes, der einen Würfel anhebt, unter dem Wasser aus einem Brunnen hervorsprudelt
Gerechtigkeit – harte Arbeit oder ein Geschenk Gottes? (Bild: Jiří RotreklPixabay)

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen.

Liebe Gemeinde, wir sind hier versammelt, um von Frau Z. Abschied zu nehmen, die mit [über 90] Jahren gestorben ist.

Die ihr nahestanden, sind traurig, denn eine Frau, die Ihnen vertraut war, ist nicht mehr. Sie hinterlässt eine Lücke, Sie werden sie vermissen. Zugleich sind Sie dankbar, dass sie Ihnen geschenkt war und dass sie Gott in ihrem Leben so viel verdankt.

Darum lasst uns zu Beginn dieser Trauerfeier zu Gott beten mit einem Loblied aus der Bibel, Psalm 103:

2 Lobe den HERRN, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat:

3 der dir alle deine Sünde vergibt und heilet alle deine Gebrechen,

4 der dein Leben vom Verderben erlöst, der dich krönet mit Gnade und Barmherzigkeit,

5 der deinen Mund fröhlich macht, und du wieder jung wirst wie ein Adler.

8 Barmherzig und gnädig ist der HERR, geduldig und von großer Güte.

13 Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der HERR über die, die ihn fürchten.

14 Denn er weiß, was für ein Gebilde wir sind; er gedenkt daran, dass wir Staub sind.

15 Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blüht wie eine Blume auf dem Felde;

16 wenn der Wind darüber geht, so ist sie nimmer da, und ihre Stätte kennt sie nicht mehr.

17 Die Gnade aber des HERRN währt von Ewigkeit zu Ewigkeit über denen, die ihn fürchten.

22 Lobet den HERRN, alle seine Werke, an allen Orten seiner Herrschaft! Lobe den HERRN, meine Seele!

Liebe Trauergemeinde,

über 90 Jahre umfasst das Leben der Verstorbenen, ein wahrhaft biblisches Alter hat Frau Z. erreicht, und wir denken heute mit Dankbarkeit an dieses Leben zurück. „Vergiss nicht, was Gott dir Gutes getan hat“, das stand schon auf der Gratulationsurkunde zu ihrem 90. Geburtstag, und diesen Vers aus dem 103. Psalm wollen wir heute beherzigen.

Erinnerungen an das Leben der Verstorbenen

Die Heimkehr ihres Mannes aus dem Krieg gehörte zu den Familiendaten, die für Frau Z. am wichtigsten waren und die sie in ihr Gesangbuch eintrug, das sie zur Konfirmation geschenkt bekommen hatte.

Nach dem Krieg konnte der normale Alltag einer Familie beginnen, mit all den Höhen und Tiefen des Lebens, mit glücklichen und schweren Zeiten.

Bis zuletzt führte sie ein weitgehend selbständiges Leben in ihrer eigenen Wohnung – jedoch mit der notwendigen Unterstützung durch ihre Familie. Es war eine Hausgemeinschaft in herzlichem Miteinander möglich, gerade weil jeder auch seinen eigenen Bereich hatte.

Zuletzt, als es ans Sterben ging, ist sie im Kreis der ihr vertrauten Menschen gestorben. Auch dafür kann man einfach nur dankbar sein.

Vergiss nicht, was [Gott] dir Gutes getan hat.

Ich denke, dieser Vers (Psalm 103, 2) drängt sich bei vielem auf, was ich über das Leben der Verstorbenen erzählt habe. Dass es ihr persönlich wichtig war, im Abendgebet und Morgengebet an Gott zu denken, unterstreicht ihren Charakter: Sie war geprägt von Geduld und Freundlichkeit, niemand hörte von ihr ein böses Wort. So leben dankbare Menschen, und wir können dankbar sein, wenn wir solchen Menschen begegnen. Sie haben gespürt, dass Frau Z. ihren Glauben, ihr Gottvertrauen ganz praktisch im Alltag gelebt hat.

Wenn wir gut darüber nachdenken, dann erkennen wir, dass Pfarrer S. offenbar damals eine gute Hand gehabt hat, als er ihr zur Konfirmation einen Spruch aus den Seligpreisungen Jesu mit auf den Weg gab (Matthäus 5, 6):

Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.

Gerechtigkeit meint im biblischen Urtext mehr, als was in unserem deutschen Wort Gerechtigkeit steckt. Hunger und Durst nach Gerechtigkeit ist eine Lebenshaltung, in der man im Einklang mit Gott, mit dem Nächsten und mit sich selbst zu leben sucht. Ich weiß um meine Bedürftigkeit, ich sehne mich nach Liebe, ich weiß aber auch, dass der andere, mit dem ich zusammenlebe, in gleicher Weise auf meine Rücksichtnahme, Aufmerksamkeit und Zuwendung angewiesen ist.

Für Jesus war es selbstverständlich, dass Gott uns Menschen seine Liebe schenkt, damit wird er uns gerecht, weil wir Liebe brauchen, sonst würde unsere Seele verhungern, damit lässt er uns Gerechtigkeit widerfahren.

Und wer nach dieser Gerechtigkeit hungert und dürstet, der darf sich darauf verlassen: er wird satt, er wird ein erfülltes, ein zufriedenes Leben führen. Zufrieden aber nicht im Sinne von: die anderen gehen mich nichts an. Nein, zufrieden im Sinne von dankbar. Und zur Dankbarkeit gehört, dass man nicht nur nach der eigenen Gerechtigkeit hungert und dürstet, sondern sich auch um die anderen sorgt. Auch die Menschen, die einem anvertraut sind, sollen Liebe erfahren, auch ihr Lebenshunger und -durst soll gestillt werden.

Ich denke, aus dem, was Sie mir von Frau Z. erzählt haben, geht hervor, dass Sie alle von dem, was ich eben ausgeführt habe, im Kontakt mit ihr eine Menge erlebt haben, viele vielleicht sogar entscheidend geprägt worden sind.

Heute können wir Frau Z. noch einen letzten irdischen Dienst erweisen, die letzte Ehre, wie wir sagen, wir begleiten sie auf ihrem letzten Weg zum Grab.

Wir tun dies in der Gewissheit, dass wir sie zwar als sterblichen Menschen, der wieder zur Erde werden soll, ins Grab legen, aber dass wir ihren Geist den treuen Händen Gott anbefehlen. Er nimmt sie am Ende mit Ehren an, zu ihm kehrt unser Leben im Tode zurück, in ihm bleibt unser Leben in Ewigkeit geborgen.

Denn von Gott heißt es in der Offenbarung des Johannes (Offenbarung 21, 4):

Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.

Wir können uns eine solche Zukunft oder ein solches Jenseits unserer Welt nicht vorstellen, und doch ist es eine gewisse Zuversicht, in der uns der Prophet des Neuen Testaments diese Worte zusagt. Der Gott, der diese Welt geschaffen hat aus Chaos und Zufall, damit in ihr Ordnung und Liebe Wirklichkeit werden soll, der Gott, der uns geschaffen hat im Mutterleib, damit wir seine Liebe erfahren und weiterverschenken, der lässt uns im Tode nicht verloren gehen. In diesem Vertrauen dürfen wir heute Frau Z. getrost loslassen und sie den liebevollen Händen Gottes anvertrauen. Amen.

Wir singen das Lied „So nimm denn meine Hände“:

1. So nimm denn meine Hände und führe mich bis an mein selig Ende und ewiglich. Ich mag allein nicht gehen, nicht einen Schritt: wo du wirst gehn und stehen, da nimm mich mit.

2. In dein Erbarmen hülle mein schwaches Herz und mach es gänzlich stille in Freud und Schmerz. Lass ruhn zu deinen Füßen dein armes Kind: es will die Augen schließen und glauben blind.

3. Wenn ich auch gleich nichts fühle von deiner Macht, du führst mich doch zum Ziele auch durch die Nacht: so nimm denn meine Hände und führe mich bis an mein selig Ende und ewiglich!

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