Bild: Helmut Schütz

Trost der Pflanzen

Nicht die Pflanzen selbst können uns angesichts des Todes trösten. Aber ihr symbolischer Gehalt ist groß. Die von uns ausgesuchten Pflanzen haben alle auch eine biblische Bedeutung, darüber wollen wir mit Ihnen heute nachdenken, und den Trost erkennen, den die Glaubens­zeugnisse der Bibel uns im Bild der Pflanzen geben.

Friedhofsbäume vor dem Glockenturm der Kapelle auf dem Neuen Friedhof Gießen
Friedhofsbäume vor dem Glockenturm der Kapelle auf dem Neuen Friedhof Gießen

Gottesdienst unterwegs am Sonntag, 17 Juni 2007, um 17.30 Uhr auf dem Friedhof am Rodtberg Gießen
Treffpunkt am Friedhofseingang
Gottesdienstbesucher versammeln sich auf dem Friedhofsvorplatz
Gottesdienstbesucher versammeln sich auf dem Friedhofsvorplatz
Gespräche vor dem Beginn des Gottesdienstes unterwegs
Gespräche vor dem Beginn des Gottesdienstes unterwegs mit dem Thema „Trost der Pflanzen“
Vorspiel (Bläserkreis)
Ouvertüre (Klaus Weißgerber)

Herzlich willkommen zum Gottesdienst unterwegs auf dem Neuen Friedhof! Wir werden wieder über den Friedhof gehen und an einigen Stellen halt machen – zum Hören, zum Singen und zum Beten.

Aber auch die Augen bekommen etwas zu tun: Wir werden schauen, welche Pflanzen auf dem Friedhof stehen, bzw. auf Grabsteinen als Symbol verwendet werden.

Wenn das Thema heute „Trost der Pflanzen“ ist, so ist natürlich allen klar, dass nicht die Pflanzen selbst es sind, die uns angesichts des Todes trösten. Aber ihr symbolischer Gehalt ist groß. Die von uns ausgesuchten Pflanzen haben alle auch eine biblische Bedeutung, darüber wollen wir mit Ihnen heute nachdenken, und den Trost erkennen, den die Glaubenszeugnisse der Bibel uns im Bild der Pflanzen geben.

Musikalisch verstärkt werden wir von Bläsern aus Wieseck und Gießen unter Leitung von Alfred Joswig. Das werden wir gleich mal ausprobieren mit dem ersten Lied von Paul Gerhardt – achten Sie mal darauf, wie viele und welche Pflanzen hier genannt sind!

Lied 503, 1-2 und 6-7:

1. Geh aus, mein Herz, und suche Freud in dieser lieben Sommerzeit an deines Gottes Gaben; schau an der schönen Gärten Zier und siehe, wie sie mir und dir sich ausgeschmücket haben, sich ausgeschmücket haben.

2. Die Bäume stehen voller Laub, das Erdreich decket seinen Staub mit einem grünen Kleide; Narzissus und die Tulipan, die ziehen sich viel schöner an als Salomonis Seide, als Salomonis Seide.

6. Die unverdrossne Bienenschar fliegt hin und her, sucht hier und da ihr edle Honigspeise; des süßen Weinstocks starker Saft bringt täglich neue Stärk und Kraft in seinem schwachen Reise, in seinem schwachen Reise.

7. Der Weizen wächset mit Gewalt; darüber jauchzet jung und alt und rühmt die große Güte des, der so überfließend labt und mit so manchem Gut begabt das menschliche Gemüte, das menschliche Gemüte.

Gang zur Station 1: „Zypressen und Lebensbäume“ (Helmut Schütz)

Wir lassen den Anblick der Bäume auf uns wirken und hören Trostworte aus dem Buch Jesaja 41. Den Israeliten in der Verbannung in Babylon sagt Gott wenige Jahre vor ihrer Rückkehr in die Heimat:

14 Fürchte dich nicht, du Würmlein Jakob, du armer Haufe Israel. Ich helfe dir, spricht der HERR, und dein Erlöser ist der Heilige Israels.

19 Ich will in der Wüste wachsen lassen Zedern, Akazien, Myrten und Ölbäume; ich will in der Steppe pflanzen miteinander Zypressen, Buchsbaum und Kiefern,

20 damit man zugleich sehe und erkenne und merke und verstehe: des HERRN Hand hat dies getan, und der Heilige Israels hat es geschaffen.

Ob die Namen all dieser Bäume von Luther botanisch korrekt übersetzt worden sind, kann ich nicht beurteilen. Das Klima im Heiligen Land und bei uns ist zu unterschiedlich, als dass im Freien genau die gleichen Pflanzen und Bäume gedeihen könnten.

Aber der Trost im biblischen Text hängt nicht von der genauen Botanik ab: Gott kann Bäume in der Wüste wachsen lassen. Genau so macht es Sinn, auf dem Friedhof Bäume zu pflanzen: Signale des Lebens angesichts des Todes.

Die Früchte des Lebensbaumes, der seine Spitze stolz in den Himmel reckt
Die Früchte des Lebensbaumes, der seine Spitze stolz in den Himmel reckt

Schauen wir uns zwei Arten von Bäumen genauer an, die hier häufig vorkommen, den Lebensbaum, auch Thuja genannt, und die Scheinzypresse. Beides sind Zypressengewächse, die mit den Zypressen der Bibel verwandt sind. Herr Gick von der Friedhofsverwaltung hat mir dankenswerterweise den Unterschied von Lebensbaum und Scheinzypresse erklärt. Der Lebensbaum ist ein immergrüner Nadelbaum mit hoher Lebensdauer, und seine Spitze weist in der Regel gerade zum Himmel. Man erkennt ihn an den länglichen Früchten, weichen schuppigen Zapfen und am typischen Friedhofsgeruch, wenn man seine Blätter zwischen den Fingern zerreibt.

Die Scheinzypresse hat kleine kugelige Früchte und ebensolche Zapfen, die sehr hart sind. Ihre Gipfeltriebe und Zweigspitzen hängen immer etwas über, so dass sie symbolisch Trauer ausdrücken:

Die Scheinzypresse, die symbolisch Trauer ausdrückt, mit ihren harten kleinen Zapfen
Die Scheinzypresse, die symbolisch Trauer ausdrückt, mit ihren harten kleinen Zapfen

Seit ich nur diese wenigen Dinge über Lebensbäume und Scheinzypressen gelernt habe, gehe ich über den Friedhof mit einem etwas anderen Blick. Der Lebensbaum reckt sich stolz in den Himmel, aber seine Früchte wirken kraftlos und zerfasert. Die Scheinzypresse lässt den Kopf hängen und bringt doch eine schöne runde feste Frucht hervor. So unterschiedlich sind auch wir Menschen, der eine wirkt äußerlich hart und gefestigt, ist aber innerlich zerrissen. Der andere lässt sich seine Gefühle anmerken, vielleicht sogar einmal gehen, und gewinnt am Ende eine Stärke, von der der andere nur träumen kann.

Auch nach der Bibel sind wir Menschen Bäumen zu vergleichen, dann wenn wir uns der Kraft Gottes anvertrauen, wenn wir auf seinen Wegen gehen und unser Gottvertrauen in Taten der Liebe und Gerechtigkeit bewähren. Wir hören Worte aus Psalm 92:

13 Der Gerechte wird grünen wie ein Palmbaum, er wird wachsen wie eine Zeder auf dem Libanon.

14 Die gepflanzt sind im Hause des HERRN, werden in den Vorhöfen unsres Gottes grünen.

15 Und wenn sie auch alt werden, werden sie dennoch blühen, fruchtbar und frisch sein,

16 dass sie verkündigen, wie der HERR es recht macht; er ist mein Fels, und kein Unrecht ist an ihm.

Aus dem Lied 503 singen wir die Strophen 14 und 15:

14. Mach in mir deinem Geiste Raum, dass ich dir werd ein guter Baum, und lass mich Wurzel treiben. Verleihe, dass zu deinem Ruhm ich deines Gartens schöne Blum und Pflanze möge bleiben, und Pflanze möge bleiben.

15. Erwähle mich zum Paradeis und lass mich bis zur letzten Reis an Leib und Seele grünen, so will ich dir und deiner Ehr allein und sonsten keinem mehr hier und dort ewig dienen, hier und dort ewig dienen.

Gang zur Station 2: „Baumstumpf“ – Hoffnung in der Klage (Klaus Weißgerber)

BaumstumpfUnd wenn ein Baum dann abgesägt und umgehauen wird?! Hier sehen wir einen Baumstamm, der vom Gärtner gekappt wurde, ein scheinbar toter Baumstumpf. Und dennoch – oder vielleicht gerade, weil der Baum abgesägt wurde – tritt deutlich zutage, dass all das stimmt, was wir eben von den Bäumen und ihrer Bedeutung gehört haben – Symbol für Lebenskraft, die die Jahre überdauert: Der Stumpf bringt frische Triebe hervor, die Wurzel schlägt neu aus. Als wollte sie sagen „jetzt erst recht!“

Dieses Bild wird in der Bibel auch verwendet. So sagt der verzweifelte Hiob in seinem Gespräch mit den Freunden (Hiob 14):

7 Ein Baum hat Hoffnung, auch wenn er abgehauen ist; er kann wieder ausschlagen, und seine Schösslinge bleiben nicht aus.

8 Ob seine Wurzel in der Erde alt wird und sein Stumpf im Boden erstirbt,

9 so grünt er doch wieder vom Geruch des Wassers und treibt Zweige wie eine junge Pflanze.

Diesen erstaunlichen Vorgang, dass aus scheinbar totem Holz neues Leben erwacht, hat der Prophet Jesaja als Zeichen der Hoffnung für das Volk Israel nach Zerstörung und Vertreibung gebraucht. Nach langen Beschreibungen des drohenden Unheils fährt er fort (Jesaja 6):

11 Ich aber sprach: Herr, wie lange? Er sprach: Bis die Städte wüst werden, ohne Einwohner, und die Häuser ohne Menschen und das Feld ganz wüst daliegt.

12 Denn der HERR wird die Menschen weit wegtun, so dass das Land sehr verlassen sein wird.

13 Auch wenn nur der zehnte Teil darin bleibt, so wird es abermals verheert werden, doch wie bei einer Eiche und Linde, von denen beim Fällen noch ein Stumpf bleibt. Ein heiliger Same wird solcher Stumpf sein.

Gott erweist uns seine Größe, indem er neues Leben schafft, wo nach menschlichem Ermessen kein Leben mehr möglich ist. Das will uns Hoffnung auf Gottes Verheißung geben: Das Leben siegt über den Tod!

Lied 97, 1+4-6: Holz auf Jesu Schulter… ward zum Baum des Lebens
Gang zur Station 3: „Gras“ (Helmut Schütz)

Dieser Teil des Friedhofes weckt traurige Erinnerungen. Das Gras bedeckt die Gräber vieler Menschen, die am 6. Dezember 1944 beim großen Bombenangriff auf Gießen oder als Folge der Vertreibung aus ihrer Heimat umgekommen sind.

Gräberfeld mit einzelnen Kreuzen und vielen kleinen NamenstafelnAuf Erfahrungen des Krieges, der Zerstörung, der Vertreibung blickt auch der Prophet Gottes im Buch Jesaja, Kapitel 40, zurück. Bevor er, wie wir hörten, das Wachsen der Bäume in der Wüste ankündigt, soll er vom Gras predigen:

6 Es spricht eine Stimme: Predige!, und ich sprach: Was soll ich predigen? Alles Fleisch ist Gras, und alle seine Güte ist wie eine Blume auf dem Felde.

7 Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt; denn des HERRN Odem bläst darein. Ja, Gras ist das Volk!

8 Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich.

Gras ist das Volk. Sterblich ist der Mensch. Ewig ist nur Gott und sein Wort. Besonders weh tut diese Erfahrung dem, der vergisst, wie ähnlich der Mensch dem verdorrenden Gras und der verwelkenden Blume ist. Keine Schönheitsoperation kann die Hässlichkeit eines sinnlos vergeudeten Lebens beseitigen. Nationaler Größenwahn führte unser Volk in die Katastrophe.

Ähnlich ging es dem Volk Israel, als es Könige haben wollte wie alle Völker, als Gottesfurcht und Gerechtigkeit in Israel nichts mehr galten. Der große König David hatte noch gewusst, worauf es ankam, als er auf seinem Sterbebett die folgenden Worte sprach (2. Samuel 23):

1 Dies sind die letzten Worte Davids…

2 Der Geist des HERRN hat durch mich geredet, und sein Wort ist auf meiner Zunge.

3 … Wer gerecht herrscht unter den Menschen, wer herrscht in der Furcht Gottes,

4 der ist wie das Licht des Morgens, wenn die Sonne aufgeht, am Morgen ohne Wolken. Und wie das Gras nach dem Regen aus der Erde bricht,

5 so ist mein Haus fest bei Gott; denn er hat mir einen ewigen Bund gesetzt, in allem wohl geordnet und gesichert. All mein Heil und all mein Begehren wird er gedeihen lassen.

König David vergleicht die Festigkeit seiner Herrschaft mit dem Wachsen des Grases. Graswurzelrevolution nannten Friedensaktivisten die kleinen Schritte zur politischen Veränderung ohne Gewalt. Auch der mächtigste Mensch ist wie das Gras, niemand ist ausgenommen von der Sterblichkeit. Wer seine Macht überschätzt, wer die Würde der Geschöpfe Gottes mit Füßen tritt, muss nach Davids Worten mit den Folgen leben:

6 Aber die nichtswürdigen Leute sind allesamt wie verwehte Disteln, die man nicht mit der Hand fassen kann;

7 sondern wer sie angreifen will, muss Eisen und Spieß in der Hand haben; sie werden mit Feuer verbrannt an ihrer Stätte.

Mit Gras verglichen zu werden, ist für uns Menschen keine Demütigung im Sinne von Entwürdigung, sondern regt zur Demut an in dem Sinne, dass wir unsere Würde und unsere Grenze kennen als Gottes Geschöpf. Wir sind sterblich, gewinnen Ewigkeit nur im Vertrauen auf den ewigen Gott. Aber wie Unkraut, wie dorniges Gestrüpp in Gottes Acker sind wir nicht von Natur aus. So werden wir nur, wenn wir von Gottes Wegen abweichen.

Wir hören Worte aus dem Psalm 103 als Mahnung und Zuspruch:

15 Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blüht wie eine Blume auf dem Felde;

16 wenn der Wind darüber geht, so ist sie nimmer da, und ihre Stätte kennet sie nicht mehr.

17 Die Gnade aber des HERRN währt von Ewigkeit zu Ewigkeit über denen, die ihn fürchten, und seine Gerechtigkeit auf Kindeskind

18 bei denen, die seinen Bund halten und gedenken an seine Gebote, dass sie danach tun.

Wenn wir jetzt aus dem Lied 527 die Strophen 5-6 und 8-10 singen, knüpfen wir vom Sinn her an das an, was ich über das Gras gesagt habe. Im Lied benutzt der Dichter Andreas Gryphius aber ein anderes Bild, das Bild von der Rose, die ebenso vergänglich ist. Auf dem Weg zur nächsten Station finden wir an der Straße, die vom alten Teil des Friedhofs zum neuen führt, solche wildwachsenden Rosen am Wegrand:

Wilde Rose mit schönen Blüten in pink5. Wie eine Rose blühet, wenn man die Sonne siehet begrüßen diese Welt, die, eh der Tag sich neiget, eh sich der Abend zeiget, verwelkt und unversehens fällt:

6. so wachsen wir auf Erden und denken groß zu werden, von Schmerz und Sorgen frei; doch eh wir zugenommen und recht zur Blüte kommen, bricht uns des Todes Sturm entzwei.

8. Auf, Herz, wach und bedenke, dass dieser Zeit Geschenke den Augenblick nur dein. Was du zuvor genossen, ist als ein Strom verschossen; was künftig, wessen wird es sein?

9. Verlache Welt und Ehre, Furcht, Hoffen, Gunst und Lehre und geh den Herren an, der immer König bleibet, den keine Zeit vertreibet, der einzig ewig machen kann.

10. Wohl dem, der auf ihn trauet! Er hat recht fest gebauet, und ob er hier gleich fällt, wird er doch dort bestehen und nimmermehr vergehen, weil ihn die Stärke selbst erhält. Wilde Rose - verblühte Blüten

Gang zur Station 4: „Lilie“ (Klaus Weißgerber)

Die Lilie sehen wir oft auf dem Friedhof. Sie ist Inbegriff der Schönheit und ein Zeichen für die Liebe. Liebe zwischen Menschen und Liebe zu Gott.

Lilie als Skulptur in einen Grabstein eingepasstBeispielhaft lesen wir davon in Hohelied 2:

1 [Sie sagt:] Ich bin eine Blume in Scharon und eine Lilie im Tal.

2 [Er antwortet:] Wie eine Lilie unter den Dornen, so ist meine Freundin unter den Mädchen.

3 [Und wieder sie:] Wie ein Apfelbaum unter den wilden Bäumen, so ist mein Freund unter den Jünglingen. Unter seinem Schatten zu sitzen begehre ich, und seine Frucht ist meinem Gaumen süß.

4 Er führt mich in den Weinkeller, und die Liebe ist sein Zeichen über mir.

5 Er erquickt mich mit Traubenkuchen und labt mich mit Äpfeln; denn ich bin krank vor Liebe.

6 Seine Linke liegt unter meinem Haupte, und seine Rechte herzt mich.

Pfarrer Klaus Weißgerber spricht an der Station 4: „Lilie“
Pfarrer Klaus Weißgerber spricht an der Station 4: „Lilie“
Schönheit der menschlichen Liebe und Schönheit der Liebe zu Gott.
Nichts kann uns trennen von dieser Liebe – auch nicht der Tod.
Lied 165, 1 und 5 und 6:

1. Gott ist gegenwärtig. Lasset uns anbeten und in Ehrfurcht vor ihn treten. Gott ist in der Mitte. Alles in uns schweige und sich innigst vor ihm beuge. Wer ihn kennt, wer ihn nennt, schlag die Augen nieder; kommt, ergebt euch wieder.

5. Luft, die alles füllet, drin wir immer schweben, aller Dinge Grund und Leben, Meer ohn Grund und Ende, Wunder aller Wunder: ich senk mich in dich hinunter. Ich in dir, du in mir, lass mich ganz verschwinden, dich nur sehn und finden.

6. Du durchdringest alles; lass dein schönstes Lichte, Herr, berühren mein Gesichte. Wie die zarten Blumen willig sich entfalten und der Sonne stille halten, lass mich so still und froh deine Strahlen fassen und dich wirken lassen.

Gang zur Station 5: „Weizen“ (Helmut Schütz)

Hier unten auf dem Friedhof sind wir den Feldern ganz nahe, auf denen Landwirte ihre Ernte einbringen. Auf einigen Grabsteinen finden wir das Symbol der Weizenähre. Manchmal ist es ein geknickter Halm, wo der Eindruck überwiegt, dass ein Mensch gestorben ist, bevor er sozusagen die Ernte seines Lebens einbringen konnte. Hier sind es Halme, die sich um das Kreuz Jesu winden.

Vom Wachsen des Weizens erzählt Jesus im Evangelium nach Markus 4 als Gleichnis für das Reich Gottes:

26 Und er sprach: Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft

27 und schläft und aufsteht, Nacht und Tag; und der Same geht auf und wächst – er weiß nicht, wie.

28 Denn von selbst bringt die Erde Frucht, zuerst den Halm, danach die Ähre, danach den vollen Weizen in der Ähre.

29 Wenn sie aber die Frucht gebracht hat, so schickt er alsbald die Sichel hin; denn die Ernte ist da.

Kreuz mit einer geknickten und zwei unversehrten Ähren auf einem GrabsteinDas Gleichnis lädt zur Gelassenheit ein. Wo wir tätig sind, Samen ausstreuen, gute Worte füreinander haben, Schritte auf Wegen des Friedens gehen, da ist auch Zeit zum Wachsenlassen, zum Vertrauen auf die Frucht bringende Erde. Das Schlafen und Aufstehen jedes Tages gehört zum Rhythmus des Lebens, bis die Ernte da ist.

Das Wort „Ernte“ weckt jedoch unterschiedliche Empfindungen. Die Sichel erinnert an den harten Schnitt, den das Einbringen der Ernte für das Getreide bedeutet. Es gibt Menschen, die als Ernte ihres Lebens den dankbaren Rückblick auf Erreichtes und Bewahrtes, auf eine Schar von Kindern, Enkeln und vielleicht sogar Urenkeln genießen. Erntezeit kann aber auch mit Wehmut verbunden sein, mit Schritten des Abschieds vom aktiven Leben oder mit Trauer über nicht Erreichtes, über eigenes Versagen oder unverschuldetes Leiden.

Hinzu kommt: Nicht jeder erfährt Lebenserfüllung im Sinne des Einbringens einer Ernte am Ende eines langen Lebens. Für Jesus selbst endete das Leben gewaltsam nach nur 33 Jahren. Als er seinen Weg zum Tod am Kreuz im Evangelium nach Johannes 12 deutet, greift er auch auf das Bild des Weizens zurück, hier allerdings nicht auf die Ernte, sondern auf das Aufgehen des Weizenkorns nach der Aussaat:

24 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.

Fruchtbringen ist verbunden mit Lebenshingabe. Sterben, als Hingabe verstanden, ist nicht nur Verlust. So sagt Paulus (Philipper 1, 21):

21 Denn Christus ist mein Leben, und Sterben ist mein Gewinn.

Wo unsere Augen nur Gewalt und Tod, Krankheit und Unrecht sehen, blicken Gottes Augen auf die Liebe, in der wir unser Leben füreinander einsetzen. Wo wir die Ernte unseres Lebens nicht selber auf dieser Erde einbringen können, dürfen wir dennoch auf Lebenserfüllung hoffen: Was hier in unserem Leben unvollkommen bleibt oder in Scherben da liegt, das fügt Gott zu einem vollendeten Ganzen zusammen. Er wird uns von den Toten erwecken zum ewigen Leben.

Vorhin haben wir als Symbol der Hoffnung den gekappten Ahornbaum betrachtet, der wieder austreibt; wenn wir gleich zur letzten Station weitergehen, können Sie, bevor wir von diesem Weg nach links abbiegen, auf einem Grabstein noch einmal einen stilisierten Baumstumpf sehen, dessen wieder austreibende Blätter an die Überwindung des Todes durch das Leben erinnern.

Lied 546, 1, 4 und 5: Wer leben will wie Gott auf dieser Erde
Gang zur Station 6: „Weinstock“ (Klaus Weißgerber)

Die letzte Pflanze, die wir heute betrachten, ist der Weinstock. Über 200 Mal ist von Wein in der Bibel die Rede, es ist vielleicht das prominenteste biblische Symbol überhaupt.

Ein Grabstein mit Weinstock, Weinreben und WeintraubenIm Evangelium nach Johannes 15 sagt Jesus:

1 Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater der Weingärtner.

4 Bleibt in mir und ich in euch. Wie die Rebe keine Frucht bringen kann aus sich selbst, wenn sie nicht am Weinstock bleibt, so auch ihr nicht, wenn ihr nicht in mir bleibt.

5 Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun.

8 Darin wird mein Vater verherrlicht, dass ihr viel Frucht bringt und werdet meine Jünger.

Das Bekenntnis zu Jesus Christus, das „Bleiben-in-ihm“ – das ist für uns Menschen unsere Kraftquelle. Aus ihm heraus schöpfen wir Leben und Energie, Gott selbst lebt in uns und durch uns weiter auf dieser Erde.

Auch unsere Toten sind nicht verloren, sondern bleiben bei Gott gut aufgehoben – so macht das Bild des Weinstocks einen guten Sinn auf einem Grab.

Im Vertrauen auf Gottes Liebe, im Vertrauen auf die Kraft Jesu, die uns durchströmt, im Vertrauen auf den Geist, der uns lebendig macht, lasst uns nun beten:

Fürbitten und Vater unser
Lied 406, 1 und 2 und 4:

1. Bei dir, Jesu, will ich bleiben, stets in deinem Dienste stehn; nichts soll mich von dir vertreiben, will auf deinen Wegen gehn. Du bist meines Lebens Leben, meiner Seele Trieb und Kraft, wie der Weinstock seinen Reben zuströmt Kraft und Lebenssaft.

2. Könnt ich’s irgend besser haben als bei dir, der allezeit soviel tausend Gnadengaben für mich Armen hat bereit? Könnt ich je getroster werden als bei dir, Herr Jesu Christ, dem im Himmel und auf Erden alle Macht gegeben ist?

4. Ja, Herr Jesu, bei dir bleib ich so in Freude wie in Leid; bei dir bleib ich, dir verschreib ich mich für Zeit und Ewigkeit. Deines Winks bin ich gewärtig, auch des Rufs aus dieser Welt; denn der ist zum Sterben fertig, der sich lebend zu dir hält.

Ausklang mit Abkündigungen und Segen (Helmut Schütz)

Pfarrer Helmut Schütz und der Bläserkreis an der letzten Station

Lied 610, 1-2: Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer
Auf dem Rückweg vom Gottesdienst unterwegs
Auf dem Rückweg vom Gottesdienst unterwegs wurden ausgiebig Blumen betrachtet

Pflanze mit großen Blätter und kleinen weißen BlütenRückkehr an der Friedhofskapelle vorbei

 

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