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Himmelsbrot für alle

Zwei Wunder geschehen in dieser Geschichte. Wunder 1: Es gibt Fleisch und Manna als Geschenk vom Himmel. Wunder 2: Das Geschenk vom Himmel wird gerecht verteilt. Heute hapert es an Wundern vom Typ 2. Es ist genug da, aber es wird nicht gerecht verteilt. Und viele vergessen, dass kein Mensch ohne andere Menschen leben kann, dass jeder Mensch Liebe braucht.

Verschiedene Brotsorten
Heute gibt es ein Überangebot an Brot – aber bekommt der Mensch alles, was er braucht? (Bild: Sabine SchultePixabay)

#predigtGottesdienst am 7. Sonntag nach Trinitatis, 14. Juli 2002, 10.00 Uhr in der evangelischen Pauluskirche Gießen

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

Durch diesen Gottesdienst zieht sich das Motiv der Speisung. Es geht um das tägliche Brot, das wir brauchen, und es geht um die ebenso notwendige Nahrung für die Seele. Wir suchen Antwort auf die Frage: Müssen wir uns Sorgen machen um unser Leben? Oder ist für uns gesorgt?

Lied 302, 1+2+5:

1) Du meine Seele, singe, wohlauf und singe schön dem, welchem alle Dinge zu Dienst und Willen stehn. Ich will den Herren droben hier preisen auf der Erd; ich will ihn herzlich loben, solang ich leben werd.

2) Wohl dem, der einzig schauet nach Jakobs Gott und Heil! Wer dem sich anvertrauet, der hat das beste Teil, das höchste Gut erlesen, den schönsten Schatz geliebt; sein Herz und ganzes Wesen bleibt ewig unbetrübt.

5) Er weiß viel tausend Weisen, zu retten aus dem Tod, ernährt und gibet Speisen zur Zeit der Hungersnot, macht schöne rote Wangen oft bei geringem Mahl; und die da sind gefangen, die reißt er aus der Qual.

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. „Amen.“

Wir beten zu Gott mit Worten aus dem Psalm 107:

1 Danket dem HERRN; denn er ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich.

2 So sollen sagen, die erlöst sind durch den HERRN, die er aus der Not erlöst hat,

3 die er aus den Ländern zusammengebracht hat von Osten und Westen, von Norden und Süden.

4 Die irregingen in der Wüste, auf ungebahntem Wege, und fanden keine Stadt, in der sie wohnen konnten,

5 die hungrig und durstig waren und deren Seele verschmachtete,

6 die dann zum HERRN riefen in ihrer Not, und er errettete sie aus ihren Ängsten

7 und führte sie den richtigen Weg, dass sie kamen zur Stadt, in der sie wohnen konnten:

8 die sollen dem HERRN danken für seine Güte und für seine Wunder, die er an den Menschenkindern tut,

9 dass er sättigt die durstige Seele und die Hungrigen füllt mit Gutem.

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Wir werden satt in unserem Land. An Nahrungsmitteln fehlt es uns nicht. Übersättigt sind wir sogar, wenn wir an das Überangebot denken, aus dem auszuwählen schwer fällt – Genussmittel und Fernsehprogramme, Freizeitangebote und jede Menge Kaufanreize. Wir haben viel, aber nicht alles ist gut für uns.

Wird auch unsere Seele satt? Spüren wir überhaupt den Hunger unserer Seele? Überfüttern wir sie mit Dingen, die uns nicht wirklich satt machen? Viele sind ratlos, vielen fehlt Orientierung. Viele beklagen den Werteverlust unserer Gesellschaft. Und hinter dem Werteverlust steckt ein abgrundtiefer Mangel an erfahrener Liebe. Gott, in unserer Ratlosigkeit und in unserer Sehnsucht nach Liebe rufen wir zu dir:

Herr, erbarme dich! „Herr, erbarme dich, Christe, erbarme dich, Herr, erbarm dich über uns!“

Jesus Christus spricht (Matthäus 6):

25 Sorgt nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet.

32 Euer himmlischer Vater weiß, dass ihr all dessen bedürft.

33 Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen.

34 Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat.

Lasst uns Gott lobsingen! „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen. Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat; nun ist groß Fried ohn Unterlass, all Fehd hat nun ein Ende.“

Der Herr sei mit euch! „Und mit deinem Geist!“

Gott, unser Schöpfer und Bewahrer des Lebens! Gib uns Orientierung und Halt in deinem Wort. Zeige uns, was wirklich satt macht und bewahre Leib und Seele vor falscher Ernährung. Darum bitten wir dich im Namen dessen, der das Brot des Lebens ist, im Namen Jesu Christi, unseres Herrn. „Amen.“

Wir hören die Lesung aus dem Evangelium nach Johannes 6, 1-15:

1 Danach fuhr Jesus weg über das Galiläische Meer, das auch See von Tiberias heißt.

2 Und es zog ihm viel Volk nach, weil sie die Zeichen sahen, die er an den Kranken tat.

3 Jesus aber ging auf einen Berg und setzte sich dort mit seinen Jüngern.

4 Es war aber kurz vor dem Passa, dem Fest der Juden.

5 Da hob Jesus seine Augen auf und sieht, dass viel Volk zu ihm kommt, und spricht zu Philippus: Wo kaufen wir Brot, damit diese zu essen haben?

6 Das sagte er aber, um ihn zu prüfen; denn er wusste wohl, was er tun wollte.

7 Philippus antwortete ihm: Für zweihundert Silbergroschen Brot ist nicht genug für sie, dass jeder ein wenig bekomme.

8 Spricht zu ihm einer seiner Jünger, Andreas, der Bruder des Simon Petrus:

9 Es ist ein Kind hier, das hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische; aber was ist das für so viele?

10 Jesus aber sprach: Lasst die Leute sich lagern. Es war aber viel Gras an dem Ort. Da lagerten sich etwa fünftausend Männer.

11 Jesus aber nahm die Brote, dankte und gab sie denen, die sich gelagert hatten; desgleichen auch von den Fischen, soviel sie wollten.

12 Als sie aber satt waren, sprach er zu seinen Jüngern: Sammelt die übrigen Brocken, damit nichts umkommt.

13 Da sammelten sie und füllten von den fünf Gerstenbroten zwölf Körbe mit Brocken, die denen übrigblieben, die gespeist worden waren.

14 Als nun die Menschen das Zeichen sahen, das Jesus tat, sprachen sie: Das ist wahrlich der Prophet, der in die Welt kommen soll.

15 Als Jesus nun merkte, dass sie kommen würden und ihn ergreifen, um ihn zum König zu machen, entwich er wieder auf den Berg, er selbst allein.

Herr, dein Wort ist unseres Fußes Leuchte und ein Licht auf unserem Wege. Halleluja. „Halleluja, Halleluja, Halleluja!“

Glaubensbekenntnis
Lied 427: Solang es Menschen gibt auf Erden, solang die Erde Früchte trägt
Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Liebe Gemeinde, immer wenn in der Bibel wunderbare Geschichten der Speisung erzählt werden, steht im Hintergrund das große Wunder, von dem wir eben gesungen haben: „Du machst ein Ende meinem Sorgen.“ Sorget nicht, wie Jesus predigt, macht euch nicht mehr Sorgen als nötig, grübelt nicht, was morgen und übermorgen geschehen mag, jeder Tag hat seine eigene Sorge. Und die Sorge um den heutigen Tag findet – wieder bei Jesus – ihren ausdrücklichen Platz im Vaterunser: „Unser tägliches Brot gib uns heute.“

Wunderbar wäre es, wenn wir nicht mehr sorgen müssten, wenn wir uns darauf vertrauensvoll verlassen könnten, dass jeden Tag genug von dem da ist, was wir brauchen.

Hören wir heute eine Geschichte von sorgenden Menschen aus der Wüstenzeit des Volkes Israel (2. Buch Mose – Exodus 16). Ich lege sie abschnittweise aus und Sie können den Text auf dem kleinen Zettel in Ihrem Gesangbuch mitverfolgen.

2 Und es murrte die ganze Gemeinde der Israeliten wider Mose und Aaron in der Wüste.

3 Und sie sprachen: Wollte Gott, wir wären in Ägypten gestorben durch des HERRN Hand, als wir bei den Fleischtöpfen saßen und hatten Brot die Fülle zu essen. Denn ihr habt uns dazu herausgeführt in diese Wüste, dass ihr diese ganze Gemeinde an Hunger sterben lasst.

Das Ende dieses Verses ist der Ausgangspunkt der ganzen Geschichte: Die Leute haben Angst, nackte Angst zu verhungern. Sie machen sich Sorgen um ihr Überleben.

Was macht man, wenn man Angst hat und sich in den eigenen Sorgen verliert? Man sucht Schuldige. „Ihr seid schuld, ihr habt uns in die Wüste geführt, ihr lasst uns verhungern!“

Sie haben die Fleischtöpfe hinter sich gelassen um der Freiheit willen. Sie sind der Knechtschaft entflohen, denn in Ägypten haben sie keinen freien Willen gehabt. Sie haben sich unabhängig gemacht von materiellen Sicherheiten, weil sie ein anderes Ziel vor Augen haben – das Gelobte Land, das Gott ihnen verspricht, das ihnen selbst gehören soll, in dem sie glücklich und zufrieden leben sollen. Aber bevor sie es erreichen, müssen sie die Wüste durchwandern, viele Jahre lang. Hier überfällt sie der Hunger, nackte Existenzangst, und sie verlieren ihr Ziel aus den Augen. Ihr Leben ist nur noch von Sorge erfüllt. Diese Sorge führt zum Murren: „Wären wir bei den Fleischtöpfen gestorben…“ Sprichwörtlich sind die Fleischtöpfe Ägyptens geworden für vieles, was man im Rückblick verklärt. Gab es nicht auch viel Gutes in der alten DDR? War die „gute alte Zeit“ nicht besser als heute? Herrschte nicht „beim Adolf“ wenigstens Ordnung?

Aber sehen wir genau hin: die Sehnsucht nach den Fleischtöpfen ist letzten Endes doch keine tragfähige Hoffnung: „Wären wir bei den Fleischtöpfen gestorben…!“ Bei den Fleischtöpfen kann man bestenfalls überleben, nicht wirklich leben, bis man irgendwann stirbt, ohne wirklich sinnvoll gelebt zu haben.

Was bedeutet das für uns, die wir bildlich gesprochen nicht in der Wüste, sondern in Ägypten leben? Unsere Fleischtöpfe sind übervoll, die BSE-Krise ist fast vergessen, McDonald’s macht Riesenumsätze. Wirtschaftlich gesehen ging es den Menschen der westlichen Welt noch nie so gut wie heute. Trotzdem wird auch bei uns gemurrt. Die Unzufriedenheit ist groß. Der Philosophieprofessor Odo Marquard meint, dass die Unzufriedenheit gerade deswegen wächst, weil es einem zu gut geht – wie der berühmten „Prinzessin auf der Erbse“ in Andersens Märchen. Murren ohne Ende – „Je mehr er hat, je mehr er will, nie schweigen seine Klagen still!“

Dem Volk in der Wüste, das hungern muss und guten Grund zum Murren hat, tut sich ein unerwarteter Ausweg auf. Es gibt Ohren, die hören das Murren.

11 Und der HERR sprach zu Mose:

12 Ich habe das Murren der Israeliten gehört. Sage ihnen: Gegen Abend sollt ihr Fleisch zu essen haben und am Morgen von Brot satt werden und sollt innewerden, dass ich, der HERR, euer Gott bin.

Murren ist eine Lebenshaltung, die normalerweise auf die Horizontale beschränkt bleibt. Die murrenden Israeliten beten nicht zu Gott, sie beschweren sich über ihn: „Wollte Gott, wir wären in Ägypten gestorben…“. Aber auch ein Nicht-Gebet kann Auswirkungen in der Vertikalen haben – Gott hört die Murrenden und er-hört sie. Als ob er die Menschen erst einmal an sich gewöhnen wollte: „Habt Vertrauen zu mir! Ich meine es gut mit euch! Ihr macht euch falsche Vorstellungen von mir!“

Die Erzählung spielt auf dem Hinweg zum Berg Sinai, noch haben die Israeliten nicht die Gebote Gottes empfangen, noch ist der Bund zwischen Gott und dem Volk noch nicht geschlossen. Gott handelt sozusagen wie ein kluger Geschäftsmann, der einem zögerlichen Geschäftspartner sein Verhandlungsangebot vorstellt, und zwar unbeirrt durch alle Vorbehalte seines Gegenübers.

Das Angebot Gottes an das Volk ist ganz schlicht: Mitten in der Wüste Abendbrot und Frühstück – jeden Tag frisch! Ebenso schlicht wird erzählt, dass Gott sein Versprechen einlöst:

13 Und am Abend kamen Wachteln herauf und bedeckten das Lager. Und am Morgen lag Tau rings um das Lager.

14 Und als der Tau weg war, siehe, da lag’s in der Wüste rund und klein wie Reif auf der Erde.

15 Und als es die Israeliten sahen, sprachen sie untereinander: Man hu? Denn sie wussten nicht, was es war. Mose aber sprach zu ihnen: Es ist das Brot, das euch der HERR zu essen gegeben hat.

„Man hu?“ Diese hebräische Frage hat dem Wüstenbrot bis heute seinen sprichwörtlichen Namen gegeben: Manna, Himmelsbrot, von Gott gegeben. Es ist gut, dass der Name dieses Brotes eine Frage ist. Denn es nützt nichts, herauszufinden, woraus dieses Manna genau bestand, und wie es kam, dass ganze Wachtelschwärme im Wüstenlager der Israeliten strandeten. Wichtig ist: Das Manna kam als lebensrettende Maßnahme von oben, ohne menschlich vorplanbare Leistung, ohne sich darum Sorgen machen zu müssen. Es ist ein Symbol für jede Hilfe Gottes, die unser Leben rettet.

Wie gesagt, das spielt sich ab vor den Zehn Geboten. Ein Gebot allerdings gibt Gott dem Volk schon jetzt – sozusagen die Gebrauchsanweisung für den Segen von oben:

16 Das ist’s aber, was der HERR geboten hat: Ein jeder sammle, soviel er zum Essen braucht, einen Krug voll für jeden nach der Zahl der Leute in seinem Zelte.

17 Und die Israeliten taten’s und sammelten, einer viel, der andere wenig.

18 Aber als man’s nachmaß, hatte der nicht darüber, der viel gesammelt hatte, und der nicht darunter, der wenig gesammelt hatte. Jeder hatte gesammelt, soviel er zum Essen brauchte.

Kaum stellt Gott ein Gebot auf, schon halten sich die Leute nicht dran. Die Leute raffen Manna zusammen, als ob es morgen keines mehr gäbe. Der Alleinstehende sammelt trotz Verbot einen Extrakrug für morgen – und wer körperlich stark ist, sackt ein, so viel er tragen kann.

Es gibt in der Bibel ähnliche Geschichten, da folgt auf solches Verhalten ein göttliches Strafgericht – frei nach dem Motto: Egoismus hat Folgen, Ungerechtigkeit zahlt sich letzten Endes niemals aus. Doch hier straft Gott nicht. Trotzdem greift er noch einmal ein, und zwar liebevoll korrigierend. Denn obwohl die Israeliten unterschiedlich viel Manna sammeln, hat am Ende der Egoist nicht mehr als der bescheidene Vater der Großfamilie nebenan.

Ein schönes Bild – jeder bekommt so viel, wie er braucht. Keiner muss sich Sorgen machen um das Morgen, weil es morgen wieder genug für alle geben wird.

Zwei Wunder geschehen also in dieser Geschichte. Wunder 1: Es gibt Fleisch und Manna als Geschenk vom Himmel. Wunder 2: Das Geschenk vom Himmel wird gerecht verteilt.

Ich finde es bemerkenswert, dass die Bibel beides als wunderbar einstuft. Ein Wunder ist ja etwas, was wir nicht erwarten würden, was unserem Realismus entgegensteht. Die Wirklichkeit, die wir kennen, sieht in der Tat anders aus.

Fakt ist: Viele Menschen in der Welt hungern. Zugleich gibt es einen Überfluss an Nahrungsmitteln in der Welt. Die Ernten sind zum Teil so groß, dass Überproduktion vernichtet wird. Ein Wunder der ersten Art ist also nicht nötig. Gott muss nicht Manna vom Himmel regnen lassen. Die moderne Technik ermöglicht ja die Ernährung von immer mehr Menschen in der Welt. Woran es hapert, ist offenbar ein Wunder vom Typ 2. Es ist genug da, aber es wird nicht gerecht verteilt.

Es wäre in der Tat ein großes Wunder, wenn man für die Bekämpfung des Hungers in der Welt genau so viel einsetzen würde wie für militärische Verteidigung. Dabei wissen vernünftige Politiker sehr wohl, dass die Arbeit für Gerechtigkeit in allen Teilen der Erde das beste Mittel gegen Terrorismus und Krieg wäre – aber mit Entwicklungshilfeprogrammen gewinnt man keine Popularität und keine Wahlen.

Wie schwierig die Sache mit der Gerechtigkeit ist, zeigt sich ja schon im Kleinen. Wir haben ein eng geknüpftes soziales Netz, aber trotzdem fallen Leute hindurch, bei denen es hinten und vorn nicht reicht. Kinder wachsen manchmal schnell aus ihren Sachen heraus, trotzdem gibt es Kleidergeld erst wieder nach einem halben Jahr. Auf der anderen Seite gibt es die Leute, die dem Steuerzahler auf der Tasche liegen, obwohl sie arbeiten könnten – Egoismus gibt es im Kleinen wie im Großen.

Ein anderer Mangel scheint mir in unserem Land der vollen Fleischtöpfe weitaus wichtiger: der Mangel an seelischer Grundversorgung. So hart es klingt: je freier die Menschen werden von materieller Not, desto unabhängiger machen sie sich auch von menschlichen Bindungen. Auf eigenen Füßen stehen zu können, ist ein erstrebenswertes Ziel. Aber viele vergessen dabei, dass kein Mensch ohne andere Menschen leben kann, dass jeder Mensch Liebe braucht.

Was ist leichter, Menschen mit Brot oder mit Liebe zu versorgen? Es gibt Kinder, die kriegen weder Brot noch Liebe, sie werden mit Süßigkeiten oder dem Geld fürs Handy abgespeist. Dabei steht eigentlich jedem Menschen Liebe in unerschöpflicher Menge zur Verfügung. „Wenn ich Gott malen müsste, dann würde ich einen glühenden Backofen voll Liebe malen“, hat Martin Luther gesagt. Diese Liebe ist unser Manna am Abend und am Morgen, wir geben sie einander in jeder Freundlichkeit, in Gesprächen voller Aufmerksamkeit und in liebevollen Begegnungen. Sehr gut dran ist der, der Liebe erfahren hat in Form der hilfreichen Prägung durch seine Eltern, und auch der, dessen Liebe von einem treuen Partner erwidert wird. Aber auch in kleinerer Münze ist Liebe unter Menschen mindestens in Spurenelementen vorhanden, unter Bekannten und Arbeitskollegen, in der Nachbarschaft und im Verein, und ich will hoffen, auch in einer Kirchengemeinde.

Liebe bedeutet nicht immer „Gleich und gleich gesellt sich gern“. Liebe kann auch Wertschätzung sein über Unterschiede hinweg. Wir geben Liebe im Sinne Jesu selbst dort weiter, wo wir erbitterten Streit friedlich schlichten oder wo wir jemandem, den wir nicht leiden können, trotzdem nicht Böses, sondern Gutes tun. Ich muss ihn nicht mögen – aber wenn ich ihm gönne, was er persönlich braucht, geschieht vielleicht ein Wunder vom Typ 2: Es gibt genug Platz auf dieser Welt und genug zum Sattwerden und genug zum Zufriedensein für mich und für ihn. Und außerdem muss ich mir um einen Feind weniger Gedanken machen. Amen.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben. Amen.
Lied 420: Brich mit den Hungrigen dein Brot, sprich mit den Sprachlosen ein Wort

Barmherziger Gott, mach uns offen für deine Liebe und lass uns auch die Liebe der Menschen nicht geringschätzen, die uns Tag für Tag entgegengebracht wird – in oft unscheinbarer oder selbstverständlich erscheinender Art. Bewahre uns vor zu hohen Ansprüchen und schenke uns Zufriedenheit mit dem, was uns geschenkt ist. Öffne unsere Augen für die Wunder der Schöpfung und für die kostbaren Augenblicke, die wir mit geliebten und befreundeten Menschen verbringen. Lass uns die Menschen nicht übersehen, die uns anvertraut sind und die uns brauchen. Lass unsere Wünsche nicht in den Himmel wachsen, sondern lehre uns jeden Tag neu zu bitten: Unser tägliches Brot gib uns heute.

Insbesondere beten wir für zwei verstorbene Gemeindeglieder: für … . Wir danken dir für alle Liebe und Treue, mit denen du sie in ihrem Leben beschenkt hast, und wir bitten dich für ihre Angehörigen um den Trost, den nur du ihnen geben kannst.

Gib, guter Gott, dass auch wir als Kirchengemeinde eine Gemeinschaft sind, in der man ein offenes Ohr findet, wenn man sich aussprechen kann, in der man sich in geselliger Runde versammeln kann, wenn man einsam ist, in der man eine geistliche Heimat findet, wenn die Seele Hunger hat. Amen.

In der Stille bringen wir vor Gott, was wir außerdem auf dem Herzen haben:

Gebetsstille und Vater unser
Lied 171: Bewahre uns, Gott, behüte uns Gott, sei mit uns auf unsern Wegen
Abkündigungen

Nun geht mit Gottes Segen. Vielleicht bleiben Sie auch noch ein wenig zusammen im Gemeindesaal bei Kaffee oder Tee.

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

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