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„Deine Güte ist besser als Leben“

Trauerfeier für eine alte Frau, die sich nach dem Himmel sehnte und deren Wunsch, zu sterben, erfüllt wurde.

"Deine Güte ist besser als Leben": Eine Rose liegt auf der Marmorplatte, die ein Grab abdeckt
Eine Rose auf einem Grab (Bild: Wolfgang MichalkePixabay)

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen.

Liebe Trauergemeinde, wir sind hier versammelt, um von Frau K. Abschied zu nehmen, die im Alter von [über 90] Jahren gestorben ist.

Wir denken zurück an ihr Leben und Sterben, wir begleiten einander an diesem Tag des Abschieds, und wir machen uns bewusst, dass wir unser Leben aus den Händen Gottes empfangen und es in seine Hände wieder zurücklegen.

So beginnen wir unsere Trauerfeier mit einem Gebet zu Gott. Wir sprechen Worte aus dem Psalm 63, einem Lied des Königs David, das er sang , als er in der Wüste Juda war:

2 Gott, du bist mein Gott, den ich suche. Es dürstet meine Seele nach dir, mein ganzer Mensch verlangt nach dir aus trockenem, dürrem Land, wo kein Wasser ist.

3 So schaue ich aus nach dir in deinem Heiligtum, wollte gerne sehen deine Macht und Herrlichkeit.

4 Denn deine Güte ist besser als Leben; meine Lippen preisen dich.

5 So will ich dich loben mein Leben lang und meine Hände in deinem Namen aufheben.

6 Das ist meines Herzens Freude und Wonne, wenn ich dich mit fröhlichem Munde loben kann;

7 wenn ich mich zu Bette lege, so denke ich an dich, wenn ich wach liege, sinne ich über dich nach.

8 Denn du bist mein Helfer, und unter dem Schatten deiner Flügel frohlocke ich.

9 Meine Seele hängt an dir; deine rechte Hand hält mich.

Liebe Trauergemeinde!

Frau K. hat sich schon lange danach gesehnt, sterben zu können, hat darum gebetet, heimgehen können zu Gott. Wie König David im trockenen, dürren Land der Wüste keine Erfrischung fand, so gelang es Frau K. in ihrem hohen Alter nicht mehr, so richtig Fuß zu fassen in unvertrauter Umgebung, mit abnehmenden Kräften und immer schwächer werdenden Sinnen. Sie war in ihrer Familie und zuletzt im Seniorenheim liebevoll umsorgt. Sie haben sich nach Kräften bemüht, ihr hier ein Leben mit viel Lebensfreude zu ermöglichen, aber es lässt sich nicht leugnen: so richtig glücklich wurde sie in dieser neuen Umgebung nicht mehr. Ich denke, dass sie dankbar war für Zuwendung und Besuch, für alles, was man ihr an Liebe entgegenbrachte, aber im Hintergrund blieb doch ihr eigentlicher Wunsch bestehen: der liebe Gott möge sie doch zu sich holen; sie hatte ihrer Ansicht nach genug gelebt. Nun ist ihr Wunsch erfüllt, ihr Gebet erhört worden, nach einem wirklich überaus langen Leben von [über 90] Jahren.

Andererseits war sie auch wieder stolz auf ihr hohes Alter. Vielleicht hätte sie ja doch gern das Alter von 100 Jahren erreicht, wer weiß. Aber das sollte nun nicht sein.

Erinnerungen an das Leben der Verstorbenen

Ich habe sie kennengelernt, als sie schon über 90 Jahre alt war. Sie erzählte gerne von ihrer Heimatstadt, und ich merkte, wie schwer es ihr gefallen war, von dort Abschied zu nehmen. Wie ich schon sagte, es gelang ihr nicht, in ihrem hohen Alter noch ein weiteres Mal neu Fuß zu fassen in einer unvertrauten Umgebung; zu tief war sie verwurzelt gewesen. So war ihr Leben in den letzten Jahren im Grunde ein langes sehnsüchtiges Warten auf den Tag, an dem Gott sie zu sich rufen möge. Zuletzt, als ich sie im Seniorenheim besuchte, bat sie mich, für sie zu beten, dass Gott ihr diesen Wunsch erfüllen möchte. Wir haben auch gemeinsam den Psalm 23 vom guten Hirten gebetet, den kannte sie auswendig, und besonders laut betete sie den Vers mit (Psalm 23, 4):

Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück.

Für diese Ansprache habe ich dann doch den Psalm 63 passender gefunden, den wir vorhin gebetet haben. Besonders über einen Vers habe ich intensiv nachgedacht (Psalm 63, 4):

Deine Güte ist besser als Leben.

Dieser Satz ist nicht einfach zu verstehen. Mit Sicherheit enthält er keine einfache Todessehnsucht, als ob der Tod dem Leben vorzuziehen wäre. Das Wort „Tod“ kommt ja überhaupt nicht vor, sondern das Wort „Güte“, gemeint ist also die „Gnade“ oder die „Liebe“ Gottes. Und der Mensch, der diesen Satz im Psalm ausspricht, ist ein gestandener König und Kriegsmann, nämlich David, dem man alles Mögliche nachsagen kann, aber nicht, dass er vor dem Leben flieht und sich nur nach dem Jenseits sehnt. Was hier ausgedrückt wird, ist schlicht: Das Leben als solches ist noch nicht das letzte Lebensziel, jedenfalls nicht für Menschen.

Als wir in unserer Kirche den Vortrag von Prof. Bergmann über die Entstehung des Menschen hörten, fragten wir uns, wo in der Entwicklung zwischen den affenartigen und den menschenähnlichen Lebewesen der Übergang vom Tier zum Menschen erfolgt. Genau kann man das gar nicht sagen, aber zum Menschen gehört auf jeden Fall das Nachdenken darüber, dass wir sterblich sind und dass wir unser Leben so oder auch anders gestalten können. Menschen sind die einzigen Wesen auf dieser Erde, die sich einer Verantwortung bewusst sind, die aber auch entgegen dieser Verantwortung handeln, ja sogar ihr eigenes Leben bewusst verneinen können.

Darum brauchen wir Menschen, anders als jedes Tier, mehr als das bloße Leben, mehr als die Steuerung durch Instinkte; wir brauchen etwas, das unserem Leben Sinn gibt. Das ist in dem Satz des Königs David ausgedrückt: „Deine Güte ist besser als Leben.“ Er vertraut auf Gott, der uns Menschen liebt und so unser Leben mit Sinn erfüllt.

Wenn ich im Blick auf Frau K. auch an diesen Satz denke: „Deine Güte ist besser als Leben“, dann steht mir einerseits das große Gottvertrauen vor Augen, von dem sie erfüllt war, und andererseits ihr Gefühl, dass sie in ihrem langen Leben genug erlebt und genug an Herausforderungen bestanden hatte. Sie sehnte sich nur noch nach Ruhe, nach Frieden; sie wollte in Gottes Himmel aufgenommen werden und nicht weiter kämpfen müssen auf dieser Erde (Psalm 63, 2+9):

Gott, du bist mein Gott, den ich suche. Es dürstet meine Seele nach dir, mein ganzer Mensch verlangt nach dir aus trockenem, dürrem Land, wo kein Wasser ist. Meine Seele hängt an dir; deine rechte Hand hält mich.

Als nahe Angehörige trauern Sie um Frau K., denn sie wird Ihnen fehlen. Sie war immer da, sie hat bleibende Spuren in Ihrem Leben hinterlassen, Sie haben voneinander Liebe erfahren. Insofern ist es traurig, dass sie nicht mehr lebt. Aber Sie können auch dankbar sein für das, was Ihnen mit ihrem Leben geschenkt war. Und Sie können Ihr die Ruhe gönnen, die sie sich selber gewünscht hat. So können wir im Vertrauen auf Gottes Güte und auf das ewige Leben in seinem Himmel Frau K. getrost loslassen und unsere Erinnerungen an sie in unseren Herzen bewahren. Amen.

Wir singen das Lied 376:

1. So nimm denn meine Hände und führe mich bis an mein selig Ende und ewiglich. Ich mag allein nicht gehen, nicht einen Schritt: wo du wirst gehn und stehen, da nimm mich mit.

2. In dein Erbarmen hülle mein schwaches Herz und mach es gänzlich stille in Freud und Schmerz. Lass ruhn zu deinen Füßen dein armes Kind: es will die Augen schließen und glauben blind.

3. Wenn ich auch gleich nichts fühle von deiner Macht, du führst mich doch zum Ziele auch durch die Nacht: so nimm denn meine Hände und führe mich bis an mein selig Ende und ewiglich!

Barmherziger Gott, nimm Frau K. gnädig auf in deinem Himmel und lass sie dort für immer Ruhe und Frieden finden, wo alles Grübeln und Sorgen aufhört und alle Fragen eine Antwort finden.

Wir sind dankbar für alles, was uns mit dem Leben von Frau K. geschenkt war. Wir bitten um Vergebung für alles, was wir einander schuldig geblieben sind. Gib uns genug Kraft, um füreinander da zu sein, wo wir gebraucht werden. Hilf uns, Gott, dass wir unseren eigenen Weg finden, durch den unser Leben erfüllt wird.

Du machst uns Mut zum Leben miteinander und füreinander, denn du lebst, und wir sollen auch leben.

Gott, schenke uns Mut, zu ändern, was wir ändern können. Schenke uns Gelassenheit, zu ertragen, was wir nicht ändern können. Und schenke uns Weisheit, das eine vom andern zu unterscheiden. Amen.

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