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Ohne Gott – ohne Hoffnung?

Wenn man nichts mehr tun kann, schreibt die „BILD“-Zeitung in dicker Balkenüberschrift: „Jetzt hilft nur noch beten.“ Eigentümlich, wenn man nur in Not mit Gott spricht, aber Glück nicht mit ihm teilt. Gott ist nicht so engstirnig, sich einem solchen Beter zu verschließen. Aber manche können in der Not nicht beten, weil sie es in guten Tagen nicht gelernt haben.

Ein Mann blickt mit ernstem Gesicht nach oben, in völliger Dunkelheit
Blick nach oben aus der Dunkelheit – gibt es Hoffnung? (Bild: Imtiyaz QuraishiPixabay)

#predigtGottesdienst am Partnerschaftssonntag mit Amritsar (Nordindien) und zum Vereins-Grillfest an der Mehrzweckhalle am 5. Juni 1988 um 9.30 Uhr in Beienheim und um 10.30 Uhr in Heuchelheim, am 12. Juni 1988 um 9.30 Uhr in Reichelsheim (Grillfest) und um 13.00 Uhr in Dorn-Assenheim

Zum wiederholten Mal feiern wir hier einen sommerlichen Gottesdienst in der Mehrzweckhalle als Auftakt des Grillfestes des Gesangvereins „Liederkranz“ Reichelsheim und des Musikvereins Reichelsheim. Ich bin dankbar, dass Sie Gott und die Kirche aus Ihrem Festprogramm nicht ausklammern, und freue mich über die gemeinsame Gestaltung des Gottesdienstes mit gesanglichen und musikalischen Darbietungen der Vereine. Kirche, Gottesdienst kann auch hier stattfinden, ist nicht an – wenn auch noch so schön gestaltete – Kirchenräume gebunden.

Auch noch in einer anderen Hinsicht möchte ich mit Ihnen heute über unseren Kirchturm hinausblicken. Wer schon das Kirchenblättchen gelesen hat, weiß, worum es geht. Anfang Juni ist nämlich „Partnerschaftssonntag“. Es geht um die Partnerschaft oberhessischer Gemeinden mit der Kirche des Bezirks Amritsar in Nordindien, im Bergland des Himalaya. Der dortige Bischof Chandu Lal hat unserem Propst Grün eine Grußbotschaft an die oberhessischen Christen zugesandt und auch Vorschläge für die Gestaltung des Partnerschaftssonntags gemacht. Auf einige dieser Vorschläge werde ich in diesem Gottesdienst zurückgreifen, denn als Christen sind wir weltweit miteinander verbunden.

Lied 187, 1+2+5+6:

Nun jauchzt dem Herren, alle Welt! Kommt her, zu seinem Dienst euch stellt, kommt mit Frohlocken, säumet nicht, kommt vor sein heilig Angesicht!

Erkennt, dass Gott ist unser Herr, der uns erschaffen ihm zur Ehr, und nicht wir selbst: durch Gottes Gnad ein jeder Mensch sein Leben hat.

Dankt unserm Gott, lobsinget ihm, rühmt seinen Namn mit lauter Stimm; lobsingt und danket allesamt! Gott loben, das ist unser Amt.

Er ist voll Güt und Freundlichkeit, voll Lieb und Treu zu jeder Zeit; sein Gnad währt immer dort und hier und seine Wahrheit für und für.

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder. Er schafft Heil mit seiner Rechten und mit seinem heiligen Arm. Der HERR lässt sein Heil kundwerden; vor den Völkern macht er seine Gerechtigkeit offenbar. (Psalm 98, 1-2)

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem heiligen Geiste, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Wir beten mit einem Gebet des indischen Bischofs Chandu Lal:

Vater, wir kommen zu Dir in Buße für eine Welt, die sich selbst von Dir getrennt hat. Wir sehnen uns danach, mit Dir eins zu sein; doch unsere Ichbezogenheit hindert uns daran. Wir bringen Dir dar unsere Schwachheit, die Gebrochenheit unseres Lebens, die Tränen und Sorgen, die unser tägliches Los sind, und bitten Dich demütig, uns wieder gesund zu machen, uns Zuflucht im Schatten Deiner Flügel zu gewähren. Für das heile Leben danken wir Dir, das wir durch Christus empfangen haben. Möge unser Leben Deinen Ruhm widerspiegeln und unsere Lippen Dich preisen. Wir bitten darum im Namen Deines Sohnes. „Amen.“

Wir hören die Schriftlesung aus dem Evangelium nach Lukas 14, 15-24:

15 Einer…, der mit zu Tisch saß, sprach… zu Jesus: Selig ist, der das Brot isst im Reich Gottes!

16 Er aber sprach zu ihm: Es war ein Mensch, der machte ein großes Abendmahl und lud viele dazu ein.

17 Und er sandte seinen Knecht aus zur Stunde des Abendmahls, den Geladenen zu sagen: Kommt, denn es ist alles bereit!

18 Und sie fingen an alle nacheinander, sich zu entschuldigen. Der erste sprach zu ihm: Ich habe einen Acker gekauft und muss hinausgehen und ihn besehen; ich bitte dich, entschuldige mich.

19 Und der zweite sprach: Ich habe fünf Gespanne Ochsen gekauft und ich gehe jetzt hin, sie zu besehen; ich bitte dich, entschuldige mich.

20 Und der dritte sprach: Ich habe eine Frau genommen; darum kann ich nicht kommen.

21 Und der Knecht kam zurück und sagte das seinem Herrn. Da wurde der Hausherr zornig und sprach zu seinem Knecht: Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und führe die Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen herein.

22 Und der Knecht sprach: Herr, es ist geschehen, was du befohlen hast; es ist aber noch Raum da.

23 Und der Herr sprach zu dem Knecht: Geh hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie hereinzukommen, dass mein Haus voll werde.

24 Denn ich sage euch, dass keiner der Männer, die eingeladen waren, mein Abendmahl schmecken wird.

Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. Halleluja! „Halleluja, Halleluja, Halleluja!“

Lied 218, 1-4: Sonne der Gerechtigkeit
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Wir hören zur Predigt einen Text aus dem Brief an die Epheser 2, 11-16:

11 Denkt daran, dass ihr, die ihr von Geburt einst Heiden wart und Unbeschnittene genannt wurdet von denen, die äußerlich beschnitten sind,

12 dass ihr zu jener Zeit ohne Christus wart, ausgeschlossen vom Bürgerrecht Israels und Fremde außerhalb des Bundes der Verheißung; daher hattet ihr keine Hoffnung und wart ohne Gott in der Welt.

13 Jetzt aber in Christus Jesus seid ihr, die ihr einst Ferne wart, Nahe geworden durch das Blut Christi.

14 Denn Er ist unser Friede, der aus beiden eines gemacht hat und den Zaun abgebrochen hat, der dazwischen war, nämlich die Feindschaft. Durch das Opfer seines Leibes

15 hat er abgetan das Gesetz mit seinen Geboten und Satzungen, damit er in sich selber aus den zweien einen neuen Menschen schaffe und Frieden mache

16 und die beiden versöhne mit Gott in einem Leib durch das Kreuz, indem er die Feindschaft tötete durch sich selbst.

Amen.

Liebe Gemeinde!

Ein Satz hat mich gleich angesprochen aus diesem Text: „daher hattet ihr keine Hoffnung und wart ohne Gott in der Welt.“ Ist man ohne Hoffnung, wenn man ohne Gott ist?

Was Hoffnung bedeutet, das konnte man erfahren, wenn man nur ein bisschen die Ereignisse um das Grubenunglück in Borken mitverfolgt hat. Fast alle hatten die Hoffnung schon aufgegeben, nach Tagen noch Überlebende aus dem Berg heraufzuholen. Doch die Rettungsmannschaften sprachen nicht viel von Hoffnung, sie handelten – so als ob auf jeden Fall noch Hoffnung da wäre. Und sie behielten Recht – tiefbewegt konnten viele am Fernsehen mitverfolgen, wie doch noch einige Bergleute dem sicheren Tod unter Tage entrissen wurden.

Ähnlich hofft wohl jeder, der von einer schweren Krankheit getroffen wurde, dass es wieder Besserung geben möge, auch wenn die Ärzte ihn schon fast aufgegeben haben, auch wenn es fast nur noch Anzeichen für eine Verschlechterung des Befindens gibt. Jedes, auch das geringste Zeichen, das in die entgegengesetzte Richtung deutet, wird wie ein Strohhalm ergriffen, um die schon fast verlorene Hoffnung auf Gesundung und Heilung wieder aufzurichten.

Aber was verstehen wir unter „Hoffnung“? Ist damit immer nur die Lebensrettung, die Genesung, die Heilung gemeint? Haben wir es völlig verlernt, zu hoffen über den Tod hinaus, und hinzunehmen, was unvermeidlich ist? Und wer von uns kann mit einem andern Menschen trauern, die Tränen des andern aushalten, mit einem andern weinen? Wer wischt die Verzweiflung eines andern nicht mit ein paar Worten weg, sondern bleibt einfach bei ihm, ohne viele Worte?

Ist das Leben denn hoffnungslos, wenn es in der Krankheit keine Hoffnung auf Heilung, bei einem Unglück wie in Borken keine Hoffnung auf Rettung mehr gibt? Ist denn für die Angehörigen der in Borken Verstorbenen jede Hoffnung erloschen?

Oft scheint es, als lebten wir wirklich so, ohne Hoffnung angesichts des Todes, ohne Hoffnung angesichts von Katastrophen, ohne Hoffnung, wenn nicht alles nach unseren Wünschen und Plänen geht. „Ihr hattet keine Hoffnung“, sagt uns Paulus, und er begründet das auch, denn, so sagt er, „ihr wart ohne Gott in der Welt.“ Aber es gibt nicht viele Augenblicke, in denen wir uns das klarmachen, dass „ohne Gott“ gleichbedeutend ist mit „ohne Hoffnung“. Denn meistens lassen sich Todes- und Katastrophengedanken ja recht schnell wieder verdrängen, wenn wir nicht gerade unmittelbar betroffen sind. Und umgekehrt bleibt ja auch der Zweifel bestehen: ob es denn überhaupt realistisch ist, auf Gott zu hoffen? Könnte nicht auch Gott ein Trugbild sein und die Hoffnung auf ihn eine Illusion?

So kommt es, dass viele Menschen zwar nicht gegen die Kirche sind, aber mit dem Glauben doch nicht so viel anfangen können. Kirche scheint für sie eher eine Institution mit vielen Gesetzen und Geboten zu sein, als eine Hoffnung fürs Leben und fürs Sterben darzustellen. Ja, wenn’s einem wirklich schlecht geht, dann wird man vielleicht auch mal anfangen zu beten – so wird mir gelegentlich gesagt. Wenn man nichts mehr tun kann, dann schreibt selbst die „BILD“-Zeitung in dicken Balkenüberschriften: „Jetzt hilft nur noch beten.“

Aber ob es dann wirklich hilft? Ist es nicht eine etwas eigentümliche Beziehung zu jemandem, wenn man nur in äußerster Not mit ihm spricht, wenn man aber Glück und Freude nicht mit ihm teilen will? Ich will nicht sagen, dass Gott so engstirnig wäre, sich in jedem Fall einem solchen Beter zu verschließen. Aber ich habe schon genug Leute erlebt, die gerade in der Not dann auch nicht beten konnten, weil sie es in guten Tagen nicht gelernt hatten, und weil sie eine ganz falsche Vorstellung darüber hatten, wie Gott ihnen helfen müsste.

Gott ist eben kein Reparaturbetrieb, kein Wunscherfüllungsunternehmen; er ist nicht auf Bestellung eben mal zu haben und dann wieder abzubestellen. Die Beziehung zu Gott umfasst mehr, nämlich grundsätzlich das ganze Leben, Freud und Leid, normale Zeiten und Krisenzeiten.

Aber wer lebt denn ständig mit Gott? Wem ist Gott ständig nahe? Wer nimmt das Gute dankbar aus Gottes Hand und feiert regelmäßig den Gottesdienst als Dankgottesdienst? Wer lässt sich immer wieder trösten und aufrichten und ermutigen von Gottes Wort, auch wenn noch so schwere Belastungen einen niederdrücken?

Es gibt Christen, auch unter uns, die so bewusst mit Gott leben. Vielleicht gibt es noch viel mehr davon unter den Christen in einem armen Land wie Indien. Denn die äußere Armut lehrt manchmal viel genauer erkennen, worauf es wirklich ankommt.

Aber nun möchte ich zu dem Punkt kommen, auf den es Paulus wirklich ankommt. Damals ging er davon aus, dass Gott ursprünglich den Juden nahe war, jetzt aber auch Frieden mit den Heiden, den anderen Völkern geschlossen habe. Später hat das lange Zeit hindurch bedeutet, dass wir Christen im Abendland unser Christsein nicht nur für uns selbst pflegen, sondern auch Mission treiben sollten. Heute heißt es wieder etwas anderes. Ich denke, dass es heute in jeder Nation bewusste Christen gibt, die sich Gott nahe fühlen, die für Gott offen sind, die bewusst nach Gott und der Bibel fragen. Und es gibt andere, die zwar zum Teil zur Kirche gehören, denen aber die Kirche und Gott selbst eigentlich sehr fremd sind, die z. T. mit Gott hadern, mit der Kirche nicht zufrieden sind, und darum auch nicht übermäßig stark in der Kirche engagiert sind. Heute sind die „Fernen“ nicht unbedingt gleichzusetzen mit den Christen in Übersee. Es gibt Menschen, die Gott und der Kirche „fernstehen“ sowohl hier als auch in Indien. Und durch das Gebet des indischen Bischofs Chandu Lal, das wir vorhin mitgebetet haben, kann er uns näher sein als manch ein Mitchrist hier in unserer Gemeinde.

Es kommt aber nun darauf an, sagt Paulus, dass wir uns nicht zufrieden geben mit den wenigen Menschen, die sich Gott schon nahe fühlen. Christus bricht die Zäune ab, die zu anderen Menschen hin bestehen. Er will Feindschaften abschaffen, Brücken bauen zu bisher noch fremden, fernstehenden Menschen. Ein Gestrauchelter, ein sog. Penner, der an unsere Haustür kommt, der gehört dann genauso zur Gemeinde Christi, wie ein ganz normaler Durchschnittschrist, der sonntags ausschläft und sich schämt, mal außer der Reihe zum Gottesdienst zu gehen. Wir Kirchgänger sind nicht besser als die Nicht-Kirchgänger. Vor allem dürfen wir eins nicht aus dem Auge verlieren: neue Menschen werden wir nur gemeinsam. Christus will nicht, dass wir jeder für sich auf einem Haufen hocken bleiben und im eigenen Saft schmoren. Weder allein privat für sich zu Hause noch auch allein für uns in frommen Gemeindekreisen. Christsein besteht immer auch darin, für andere da zu sein, aus den Gemeindekreisen nach draußen zu schauen, offen für neue Mitglieder zu sein und auch Aufgaben zu suchen, die nach außen wirken.

Schließen möchte ich diese Predigt, indem ich aus der Grußbotschaft von Bischof Chandu Lal aus Amritsar in Nordindien vorlese.

Grußbotschaft von Bischof Chandu Lal
Und der Friede Gottes, der viel größer ist, als unser Denken und Fühlen erfassen kann, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Lied 458, 1+2+5:

O Gott, von dem wir alles haben, die Welt ist ein sehr großes Haus, du aber teilest deine Gaben, recht wie ein Vater drinnen aus. Dein Segen macht uns alle reich; ach lieber Gott, wer ist dir gleich?

Wer kann die Menschen alle zählen, die heut bei dir zu Tische gehn? Doch muss die Notdurft keinem fehlen, denn du weißt allem vorzustehn und schaffest, dass ein jedes Land sein Brot bekommt aus deiner Hand.

Nun, Herr, was soll man erst bedenken? Der Wunder sind hier gar zu viel. So viel als du kann niemand schenken, und dein Erbarmen hat kein Ziel; denn immer wird uns mehr beschert, als wir zusammen alle wert.

Fürbittgebet und Vater unser
Lied 436, 1+5+11:

Großer Gott, wir loben dich; Herr, wir preisen deine Stärke. Vor dir neigt die Erde sich und bewundert deine Werke. Wie du warst vor aller Zeit, so bleibst du in Ewigkeit.

Auf dem ganzen Erdenkreis loben Große und auch Kleine dich, Gott Vater; dir zum Preis singt die heilige Gemeine; sie verehrt auf deinem Thron deinen eingebornen Sohn.

Herr, erbarm, erbarme dich! Über uns, Herr, sei dein Segen! Deine Güte zeige sich, Herr, auf allen unsern Wegen. Auf dich hoffen wir allein, lass uns nicht verloren sein!

Abkündigungen

Und nun lasst uns mit Gottes Segen in die neue Woche gehen:

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

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