Bild: Helmut Schütz

Auferstehung: Aufstand gegen Todesmächte

Der Schweizer Pfarrer und Dichter Kurt Marti hat ein „Anderes Osterlied“ gedichtet: vom Aufstand gegen die Herren, die mit dem Tod uns regieren. Wer sind diese Herren der Welt? Gemeint sind Strukturen des Bösen, denen wir uns ausgeliefert fühlen – und zugleich spielen wir in ihnen auch unsere Rolle. Auch wir sind mitverantwortlich, die einen mehr, die anderen weniger.

Bläserkreis bei der Osterandacht 2007 am Steinkreuz auf dem Neuen Friedhof Gießen
Bläserkreis bei der Osterandacht 2007 am Steinkreuz auf dem Neuen Friedhof Gießen

Osterandacht am Steinkreuz am Ostersonntag, den 8. April 2007, um 8.00 Uhr am Steinkreuz auf dem Friedhof Gießen
Vorspiel des Bläserkreises

„Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!“ Ich begrüße Sie herzlich am Ostermorgen 2007 am Steinkreuz auf dem Neuen Friedhof!

Vielen Dank zunächst den Posaunenbläserinnen und -bläsern um Herrn Alfred Joswig, die diese Feier musikalisch begleiten.

Wir feiern die Auferstehung Jesu Christi von den Toten. Um die Osterbotschaft versammeln wir uns im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

„Auferstehung: Aufstand gegen Todesmächte“, das ist heute unser Thema. Es ist kein Zufall, dass Auferstehung und Aufstand vom gleichen Wortstamm herkommen. Wir besinnen uns darauf, was das bedeutet. Wir feiern den Sieg Jesu Christi über den Tod und über alles, was in unserem Leben und im Leben unserer Welt tödlich ist.

Wir singen das Lied 107:

1. Wir danken dir, Herr Jesu Christ, dass du vom Tod erstanden bist und hast dem Tod zerstört sein Macht und uns zum Leben wiederbracht. Halleluja.

2. Wir bitten dich durch deine Gnad: nimm von uns unsre Missetat und hilf uns durch die Güte dein, dass wir dein treuen Diener sein. Halleluja.

3. Gott Vater in dem höchsten Thron samt seinem eingebornen Sohn, dem Heilgen Geist in gleicher Weis in Ewigkeit sei Lob und Preis! Halleluja.

Das Steinkreuz auf dem Friedhof Gießen
Das Steinkreuz auf dem Friedhof Gießen

Glauben wir dem Osterlied, das wir gesungen haben, dann gehören zum Sieg über Todesmächte immer mehrere Seiten, mehrere Aspekte und Perspektiven:

Da ist etwas in der Vergangenheit passiert: „Wir danken dir, Herr Jesu Christ, dass du vom Tod erstanden bist“. Dieses Ereignis der Vergangenheit hat bleibende Bedeutung für die Zukunft, für immer, für die Ewigkeit: Du „hast dem Tod zerstört sein Macht“. Und zugleich berührt die Auferstehung unsere Gegenwart: Du hast „uns zum Leben wiederbracht“, hier und heute, jetzt in diesem Augenblick.

Was damals geschehen ist und was dereinst geschehen wird, haben wir nicht in der Hand, ist unserer Verfügung entzogen. Darum betrachten wir die Auferstehung aus dem Blickwinkel der Dankbarkeit: „Wir danken dir, Herr Jesu Christ“. Nur über den heutigen Augenblick verfügen wir in gewisser Weise, den können wir gestalten und verändern, vorausgesetzt, wir selber ändern uns, wir selber lassen uns verwandeln. So geschieht Auferstehung in unserem Leben, und wir betrachten sie in rechter Weise auch aus dem Blickwinkel einer Bitte: „Nimm von uns unsre Missetat und hilf uns durch die Güte dein, dass wir dein treuen Diener sein.“ In der Bitte um Vergebung und Umkehr von schlimmen Wegen erklären wir unsere Bereitschaft zur Nachfolge auf dem Weg Jesu, lassen wir uns hineinnehmen in seine Auferstehung hier und heute, wirken wir mit im Aufstand gegen Todesmächte.

Wir singen aus dem Lied 101 die Strophen 1 und 2:

1. Christ lag in Todesbanden, für unsre Sünd gegeben, der ist wieder erstanden und hat uns bracht das Leben. Des wir sollen fröhlich sein, Gott loben und dankbar sein und singen Halleluja. Halleluja.

2. Den Tod niemand zwingen konnt bei allen Menschenkindern; das macht alles unsre Sünd, kein Unschuld war zu finden. Davon kam der Tod so bald und nahm über uns Gewalt, hielt uns in seim Reich gefangen. Halleluja.

Teilnehmende an der Osterandacht 2007 am Steinkreuz des Gießener Friedhofs
Teilnehmende an der Osterandacht 2007 am Steinkreuz des Gießener Friedhofs

Die Bibel kennt den Tod als normales Ende des Lebens. Wenn einer alt und lebenssatt stirbt, dann hat er ein erfülltes Leben gelebt. Von Abraham und Isaak, von David und sogar von Hiob wird das gesagt – von Hiob, nachdem Gott ihn in seiner Klage gehört und erhört hat, ihm Recht gegeben und mit neuem reichem Segen beschenkt hat.

Aber die Bibel kennt den Tod auch als Fluch, als die lebensfeindliche Macht, die schon mitten im Leben die Lebenskräfte lähmt, Liebe und Frieden und Lebensfreude zerstört. Diesen Tod meint Gott, wenn er die Menschen im Paradies streng ermahnt (1. Buch Mose – Genesis 2, 16-17):

16 Und Gott der HERR gebot dem Menschen und sprach: Du darfst essen von allen Bäumen im Garten,

17 aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen; denn an dem Tage, da du von ihm isst, musst du des Todes sterben.

Diese Mahnung ist eine Erlaubnis. Lebt im Gottvertrauen und in Freiheit unter Gottes Gebot! Nutzt und bewahrt der Erde als einen Garten Gottes, der alle Menschen mit allem versorgt, was sie brauchen! Würden wir dieser Erlaubnis folgen, dann lebten wir im Reich Gottes.

Unsere menschliche Tragik besteht darin, dass wir Gottes Mahnung nicht als Erlaubnis, nicht als Befreiung zum Leben, sondern als Freiheitsbeschränkung begreifen. Wir versuchen, uns selbst zu behaupten, wollen selber über Gut und Böse bestimmen. So kommt es, dass wir statt im Reich Gottes im Reich der Todesmächte leben. Tagtäglich geschieht der Sündenfall, tagtäglich essen wir vom Baum der Erkenntnis. Wir handeln egoistisch statt zu lieben. Wir tun einander weh, statt zu heilen. Wir sichern uns ab mit Zwang und Gewalt, statt Vertrauen aufzubauen zu denen, die uns fremd sind, die uns Angst machen und denen wir Angst machen. Wir resignieren vor Zuständen, die uns unüberwindlich erscheinen.

Wir leben in einer der freiesten und reichsten Gesellschaften, die es je gegeben hat. Zugleich geraten immer mehr Menschen wirtschaftlich ins Elend, da in der freien Marktwirtschaft nur derjenige seine Freiheit wirklich nutzen kann, der entweder genug Kapital hat oder einen sicheren Arbeitsplatz ergattern kann. Kann es sein, dass uns wirklich die Mittel fehlen, um alle unsere Kinder in Geborgenheit aufwachsen zu lassen, mit guten Bildungs- und Lebenschancen? Rüttelt es uns nicht auf, wenn sich Nachrichten häufen von vernachlässigten Kindern, von Überfällen und Vergewaltigungen? Da wird sogar ein Baby aus dem Fenster geworfen, werden Kleinkinder zur Strafe im Wald ausgesetzt. Und darf es sein, dass international Kriege aus wirtschaftlichen Gründen geplant und gerechtfertigt werden: Kriege um Handelswege, Rohstoffe, Energiequellen? Weltweit und in unserem Land: Zählen für uns heute noch Werte wie Fairness und Solidarität, Frieden und Gerechtigkeit? Oder hat es sowieso keinen Zweck, sich für so etwas einzusetzen?

Teilnehmende an der Osterandacht 2007 am Steinkreuz des Gießener FriedhofsDer Schweizer Pfarrer und Dichter Kurt Marti hat vor 37 Jahren ein „Anderes Osterlied“ gedichtet, in dem vom Aufstand gegen die Herren die Rede ist, die mit dem Tod uns regieren. Wer sind diese Herren der Welt? Sind es Bürokraten, Diktatoren, Mafia-Bosse, Terroristen? Gemeint sind Strukturen des Bösen in unserer Welt, Todesmächte, denen wir uns ausgeliefert fühlen – und zugleich spielen wir in ihnen auch unsere Rolle, ein bisschen sind auch wir mitverantwortlich, die einen mehr, die anderen weniger. Lasst uns gemeinsam das Lied von Kurt Marti anstimmen, im Evangelischen Gesangbuch 550:

Anderes Osterlied (Das könnte den Herren der Welt…)
Text: Kurt Marti
Musik: Peter Janssens
aus: ‚Wir können nicht schweigen‘, 1970
alle Rechte im Peter Janssens Musik Verlag, Telgte

1. Das könnte den Herren der Welt ja so passen,
wenn erst nach dem Tode Gerechtigkeit käme,
erst dann die Herrschaft der Herren,
erst dann die Knechtschaft der Knechte
vergessen wäre für immer,
vergessen wäre für immer.

2. Das könnte den Herren der Welt ja so passen,
wenn hier auf der Erde stets alles so bliebe,
wenn hier die Herrschaft der Herren,
wenn hier die Knechtschaft der Knechte
so weiterginge wie immer,
so weiterginge wie immer.

3. Doch ist der Befreier vom Tod auferstanden,
ist schon auferstanden und ruft uns jetzt alle
zur Auferstehung auf Erden,
zum Aufstand gegen die Herren,
die mit dem Tod uns regieren,
die mit dem Tod uns regieren.

Gesetzt den Fall, wir werden mit dem Tod regiert – haben wir eine Chance, dagegen aufzustehen? Die Bibel sagt „Ja!“ Sie nennt alle Kreisläufe von Angst und Misstrauen und bösem Denken und Handeln, von Egoismus und Resignation – Sünde. In solchen tödlichen Strukturen des Bösen müssen wir nicht gefangen bleiben, denn Gott schenkt uns Vergebung, neues Vertrauen, Gerechtigkeitsempfinden, Zivilcourage, um in unserer Welt aufzustehen zum Beispiel gegen Ellbogenmentalität und das Sozialschmarotzertum in allen Schichten der Gesellschaft.

Ich spüre, dass ich Angst vor der eigenen Courage bekomme, wenn ich solche Sätze zu Papier bringe und sage. Aber Mut ist ja nichts anderes als Überwindung der Angst. Und in unserer Angst, die im Letzten der Angst vor dem Tod entspringt, empfangen wir von Gott Ruhe, Hoffnung, Frieden. Gott hat den Tod selber durchlitten und durchgestanden in seinem Sohn Jesus Christus. Gott überwindet den Tod für uns, indem er Jesus vom Tod auferweckt. So befreit er erst ihn und durch ihn auch uns aus dem Reich des Todes.

Jesus selbst als der Auferstandene sagt von sich am Ostertag (Lukas 24):

46 So steht’s geschrieben, dass Christus leiden wird und auferstehen von den Toten am dritten Tage;

47 und dass gepredigt wird in seinem Namen Buße [also Umkehr] zur Vergebung der Sünden unter allen Völkern.

Indem Jesus den Tod am Kreuz erleidet, wird erfüllt, was der Prophet Jesaja 25, 8 vorausschaut:

8 Er wird den Tod verschlingen auf ewig. Und Gott der HERR wird die Tränen von allen Angesichtern abwischen und wird aufheben die Schmach seines Volks in allen Landen; denn der HERR hat’s gesagt.

Die Schmach des Volkes Gottes wird aufgehoben werden. Durch Jesus Christus gilt dieses Versprechen Gottes für alle Menschen in aller Welt. Alle sollen ein Leben in Würde führen können, weil sie von Gott nach seinem Ebenbild geschaffen sind. Wir sind von ihm gerufen, aufzustehen und Schritte auf dieses Ziel hin zu gehen.

Wir haben keine Ausrede für Resignation und Mutlosigkeit. Der auferstandene Jesus lässt uns aufstehen gegen die Todesmächte unserer Welt. Amen.

Teilnehmende und Bläserkreis bei der Osterandacht 2007 am Steinkreuz des Gießener FriedhofsWir singen die Strophen 3 und 4 aus dem Lied 101:

3. Jesus Christus, Gottes Sohn, an unser Statt ist kommen und hat die Sünd abgetan, damit dem Tod genommen all sein Recht und sein Gewalt; da bleibt nichts denn Tods Gestalt, den Stachel hat er verloren. Halleluja.

4. Es war ein wunderlich Krieg, da Tod und Leben ‘rungen; das Leben behielt den Sieg, es hat den Tod verschlungen. Die Schrift hat verkündet das, wie ein Tod den andern fraß, ein Spott aus dem Tod ist worden. Halleluja.

Gott, unser Vater! Auch nachdem es Ostern geworden ist, werden wir noch sterben müssen.

Aber durch die Auferstehung deines Sohnes nimmst du dem Tod den Stachel, der in der Sünde besteht.

Du vergibst uns unsere Schuld, du setzt uns auf einen neuen Weg, du lässt uns aufstehen, wo wir wie gelähmt sind.

Dabei überforderst du uns nicht. Wir werden nachdenken und wissen, wobei wir nicht mitmachen dürfen und wofür wir uns sinnvoll einsetzen können. Mach uns stark, im Vertrauen zu leben und Jesus nachzufolgen.

Gemeinsam beten wir mit Jesu Worten um das Kommen des Reiches Gottes, um die Erneuerung unseres Willens durch seinen Willen, um die Vergebung, die uns von den Strukturen des Bösen erlöst, und darum, dass wir Kraft gewinnen durch das tägliche Brot der Nahrung für Leib und Seele:

Vater unser

Bläserkreis bei der Osterandacht 2007 am Steinkreuz des Gießener FriedhofsWir singen das Lied 99:

1) Christ ist erstanden von der Marter alle; des solln wir alle froh sein, Christ will unser Trost sein. Kyrieleis.

2) Wär er nicht erstanden, so wär die Welt vergangen; seit dass er erstanden ist, so lobn wir den Vater Jesu Christ‘. Kyrieleis.

3) Halleluja, Halleluja, Halleluja! Des solln wir alle froh sein, Christ will unser Trost sein. Kyrieleis.
Geht mit Gottes Segen:

Der Herr segne euch und behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. Amen.

Nachspiel des Bläserkreises

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