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Glaube macht hellsichtig

Trauerfeier für eine Frau, die zum Schluss kaum noch sehen, hören oder sprechen konnte. Welche Hoffnung liegt in der biblischen Botschaft angesichts solchen Leidens?

Glaube macht hellsichtig: Statue eines Mannes (Mose?), der blind wirkt, aber nach oben schaut
Mit den Augen des Glaubens sieht man über die Leiden dieser Zeit hinaus (Bild: Nicole EnePixabay)

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Wir sind zusammengekommen aus Anlass des Todes von Frau K., die im Alter von [über 70] Jahren gestorben ist. Uns gilt die christliche Botschaft (Jesaja 43, 1):

Nun spricht der HERR, der dich geschaffen hat…: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!

Eingangsgebet

Wir hören Worte des Paulus, die er geschrieben hat, als er verfolgt wurde und lange Leiden erdulden musste (2. Korinther 4, 8-11.16-18 – GNB):

8 Obwohl ich von allen Seiten bedrängt bin, werde ich nicht erdrückt. Obwohl ich oft nicht mehr weiter weiß, verliere ich nicht den Mut.

9 Ich werde verfolgt, aber Gott verlässt mich nicht. Ich werde niedergeworfen, aber ich komme wieder auf.

10 Ich erleide fortwährend das Sterben Jesu an meinem eigenen Leib. Aber das geschieht, damit auch das Leben, zu dem Jesus erweckt wurde, an mir sichtbar werden kann.

11 Um Jesu willen bin ich die ganze Zeit in Todesgefahr. Ebenso soll auch das Leben Jesu an meinem vergänglichen Körper sichtbar werden.

16 Darum verliere ich nicht den Mut. Die Lebenskräfte, die ich von Natur habe, werden aufgerieben; aber das Leben, das Gott mir schenkt, erneuert sich jeden Tag.

17 Die Leiden, die ich jetzt ertragen muss, wiegen nicht schwer und gehen vorüber. Sie werden mir eine Herrlichkeit bringen, die alle Vorstellungen übersteigt und kein Ende hat.

18 Ich baue nicht auf das, was man sieht, sondern auf das, was jetzt noch keiner sehen kann. Denn was wir jetzt sehen, besteht nur eine gewisse Zeit. Das Unsichtbare aber besteht ewig.

Liebe Trauergemeinde!

Was macht das Leben eines Menschen aus? Die Summe seiner Lebensdaten? Wo er herkam, was er erreicht hat, ob er anerkannt war? Was er geleistet, gearbeitet, geopfert hat? Was er geglaubt, wofür er sich eingesetzt hat? Was er an Freude erlebt hat oder was er an Leiden hat ertragen müssen? Wir erinnern uns mit Recht an alles, was uns jemand in dieser oder jener Hinsicht bedeutet hat, wenn er gestorben ist, vor allem, wenn er uns sehr nahe gestanden hat. Doch ob das alles oder ein Teil davon in der Weise das Leben dieses Menschen ausgemacht hätte, dass wir nun ein Fazit ziehen könnten, das können wir nicht sagen. Denn dann müssten wir in das Herz eines Menschen sehen können. Dann müssten wir auch wissen, in welchen Zusammenhang denn unser Leben unzweifelhaft eingebunden ist – einen von Zufall oder blindem Schicksal bestimmten Zusammenhang, der mit dem Tod unweigerlich abgebrochen ist, oder eine Beziehung zu einer persönlichen göttlichen Macht, die den Menschen einmal das Urteil sprechen wird.

Wir wissen das nicht mit letzter Sicherheit. Wir können nur wissen, wenn wir uns diese Frage nicht verbieten, dass eine Welt ohne Gott ziemlich trostlos wäre. Und wenn wir damit rechnen, dass Gott IST, dann wissen wir immer noch nicht sicher, was er über jeden einzelnen von uns denkt und was er mit uns noch vorhat. Aber wir können uns von anderen Christen erzählen lassen, wie sie es erfahren haben, dass Gott sie ansprach. Wir können es wagen, auf den Gott zu vertrauen, den Jesus Vater genannt hat, und werden spüren, dass wir ein Menschenleben – in erster Linie natürlich unser eigenes – nicht mehr daran messen müssen, ob es voller Anerkennung, Gesundheit oder ohne Behinderungen geführt werden konnte. Gott sagt vielmehr Ja zu uns ohne Vorbedingungen, und er traut uns mehr zu, als wir selbst für möglich halten, und er schaut nicht auf das, was normal ist, sondern auf das, was einer meistern, woran er wachsen und reifen kann. Gottes Ja zu uns bedeutet auch eine Zumutung – an unsere Fähigkeit zum Ertragen von Leiden, an unsere Geduld mit anderen Menschen, an unsere Einsatzbereitschaft für andere.

Wenn ein Leben von Leid geprägt ist oder wenn das Ende eines Lebens immer beschwerlicher wird, wenn alles immer mehr abnimmt, das Augenlicht, das Gehör, zum Schluss die Fähigkeit zu sprechen, dann sehen wir darin keinen Sinn. Dann fragen wir uns: Warum muss der letzte Abschnitt des Lebens für so viele Menschen so schwer sein? Warum lässt Gott Menschen so sehr leiden?

Wir haben einen Abschnitt aus einem Brief des Paulus gehört, in dem er von seinem Vertrauen zu Gott spricht. Er fühlt sich bedrängt, er weiß oft nicht weiter, er leidet. Aber er gibt nicht auf. Er sucht nicht den TOD als Erlöser. Er sieht mehr als sein gegenwärtiges Schicksal. Sein Glaube macht ihn nicht blind, sondern hellsichtig auf eine herrliche Zukunft hin. Er sieht seine oft ausweglose Lage, erfährt alles andere als ein angenehmes Leben, doch er kann aus seinem Glauben heraus sagen (2. Korinther 4, 18a – GNB):

Ich baue nicht auf das, was man sieht, sondern auf das, was jetzt noch keiner sehen kann.

Das ist kein blindes Sich-Ergeben in ein undurchschaubares Schicksal; Paulus lässt sich nicht vertrösten mit der Aussicht auf ein besseres Los im Jenseits. Er hat vielmehr schon in seinem bisherigen Leben den Glauben an Jesus als eine Kraft erfahren, die ihn verändert hat, die ihm Mut gemacht hat, die seinem Leben einen Sinn gegeben hat. Dieser Glaube erfüllt ihn auch mit der Gewissheit, dass Gott im Leiden genau so zu ihm steht wie im aktiven Leben und dass er ihn auch im Tode nicht verlässt, ja, dass Gott mehr für einen Menschen bedeutet, als wir jetzt überhaupt sehen können (2. Korinther 4, 18b – GNB):

Denn was wir jetzt sehen, besteht nur eine gewisse Zeit. Das Unsichtbare aber besteht ewig.

Aus diesem Glauben heraus hielt Paulus dem eigenen Leiden stand, konnte er auch anderen Menschen Mut machen, konnte er auch die Botschaft von Jesus weiterverbreiten. Die Botschaft, die die Menschen ermuntert und herausfordert, nicht noch das Leiden der anderen durch Selbstmitleid, Gleichgültigkeit oder Egoismus zu vergrößern, sondern durch ein Sich-Einlassen auf Liebe zu überwinden oder wenigstens erträglich zu machen. Das Schicksal Jesu wird zum Sinnbild oder Vorbild oder Urbild des Glaubens: Wenn einem bewusst wird, dass Jesus, der Sohn Gottes, selbst unschuldig so sinnlos gelitten hat, dann kann man sich diesem Gott vielleicht näher fühlen, wenn man selbst Leid zu tragen hat. Und dann kann auch das in unserem Leben wirksam werden, was wir Auferstehung nennen können: neue Anfänge der Hoffnung, das Wagnis von Schritten der Liebe, den Satz (Markus 15, 34):

Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?

trotz und alledem an Gott richten können. In diesem Sinne sagt Paulus (2. Korinther 4, 10 – GNB):

Ich erleide fortwährend das Sterben Jesu an meinem eigenen Leib. Aber das geschieht, damit auch das Leben, zu dem Jesus erweckt wurde, an mir sichtbar werden kann.

Heute denken wir an das Leben von Frau K. zurück, das nun zu Ende gegangen ist, nachdem Krankheit und Behinderung von Augen und Gehör ihren Wahrnehmungs- und Aktionskreis immer mehr eingeengt haben. Sie hier im Ort kennen Frau K., die vor ihrer Krankheit ihr Leben lang hier zu Hause war.

Erinnerungen an das Leben der Verstorbenen

Ich habe Frau K. nicht gekannt, doch scheint es mir auch nicht nötig zu sein, wie in einem Nachruf ihr Leben genau nachzuzeichnen und ihr dabei möglichst gerecht zu werden. Wir feiern hier einen BeerdigungsGOTTESdienst, und darum genügt es, wenn wir im Blick auf den Tod von Frau K., im Blick auf Trauer und Hoffnung, im Blick auf Verzweiflung und Vertrauen, sagen können (2. Korinther 4, 18 – GNB):

Ich baue nicht auf das, was man sieht, sondern auf das, was jetzt noch keiner sehen kann. Denn was wir jetzt sehen, besteht nur eine gewisse Zeit. Das Unsichtbare aber besteht ewig.

Amen.

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