Bild: Helmut Schütz

„Lass den Hungrigen dein Herz finden!“

Wer andere satt macht, wird selber satt und stark. Wer von dem abgibt, was er hat – Zeit, Geld, Kräfte, Zuwendung – muss sich nicht auspowern, bis er ausgebrannt ist, sondern er kann auftanken, weil Gottes Liebe ihn stark macht. Egoistische Menschen kreisen um sich und sind schwach. Wer geben kann, hat eine wunderbare Ausstrahlung und wird vielen zum Segen.

Erntedankaltar in der evangelischen Pauluskirche vor dem farbigen Paulusfenster

direkt-predigtErntedankgottesdienst mit dem Kirchenchor, der Feier des Heiligen Abendmahls am Sonntag, den 2. Oktober 2005, um 10.00 Uhr in der Pauluskirche zu Gießen

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

Im Abendmahlsgottesdienst am Erntedankfest zum Thema: „Lass den Hungrigen dein Herz finden!“ heiße ich alle herzlich in der Pauluskirche willkommen!

Den Mitgliedern des Kleingartenvereins Gartenfreunde am Waldbrunnenweg, die Erntegaben für den Erntedankaltar zur Verfügung gestellt haben, dankt der Kirchenvorstand herzlich.

Als Kirchenchor freuen wir uns, diesen Gottesdienst musikalisch mitzugestalten.

Als erstes Lied singt der Chor im Wechsel mit der Gemeinde das Lied 504. Der Chor singt die 1., 3. und 5. Strophe, die Gemeinde die Strophen 2, 4 und 6:

1. Himmel, Erde, Luft und Meer zeugen von des Schöpfers Ehr; meine Seele, singe du, bring auch jetzt dein Lob herzu.

2. Seht das große Sonnenlicht, wie es durch die Wolken bricht; auch der Mond, der Sterne Pracht jauchzen Gott bei stiller Nacht.

3. Seht, wie Gott der Erde Ball hat gezieret überall. Wälder, Felder, jedes Tier zeigen Gottes Finger hier.

4. Seht, wie fliegt der Vögel Schar in den Lüften Paar bei Paar. Blitz und Donner, Hagel, Wind seines Willens Diener sind.

5. Seht der Wasserwellen Lauf, wie sie steigen ab und auf; von der Quelle bis zum Meer rauschen sie des Schöpfers Ehr.

6. Ach mein Gott, wie wunderbar stellst du dich der Seele dar! Drücke stets in meinen Sinn, was du bist und was ich bin.

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

An Stelle der normalen Eingangsliturgie singen wir heute nach den Gebeten, die ich spreche, nacheinander jeweils eine der vier Strophen aus dem Erntedanklied 508.

Zwar pflügen die meisten in unserem Land nicht selber, und selbst die Landwirte streuen den Samen nicht mehr mit der Hand auf den Acker. Doch gearbeitet wird immer noch für das tägliche Brot, auf dem Feld und in der Verarbeitungsindustrie, im Transportwesen und im Verkauf.

Doch all diese Arbeit wäre sinnlos, wenn du, Gott, nicht deinen Segen dazu geben würdest, wenn das Korn nicht wachsen, die Äpfel nicht reifen, die Arbeit nicht Früchte tragen würde.

Wir singen:

1. Wir pflügen, und wir streuen den Samen auf das Land, doch Wachstum und Gedeihen steht in des Himmels Hand: der tut mit leisem Wehen sich mild und heimlich auf und träuft, wenn heim wir gehen, Wuchs und Gedeihen drauf. Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn, drum dankt ihm, dankt, drum dankt ihm, dankt und hofft auf ihn!

Vom Wetter fühlen wir uns längst nicht mehr so abhängig wie frühere Generationen. Aber Hurricans und Waldbrände, Erd- und Seebeben lassen auch uns die verheerende Gewalt der Natur spüren: Auch moderne Menschen sind klein vor der Übermacht der Natur.

Wie gut, Gott, dass auch die Macht der Natur dir unterworfen ist. Dankbar sind wir, wenn wir inmitten aller Gefahren Bewahrung erfahren, wenn wir mit unserer Hände und Köpfe Arbeit Ernten einbringen und unser Brot verdienen können, wenn uns in Notlagen ein soziales Netz auffängt.

Wir singen:

2. Er sendet Tau und Regen und Sonn- und Mondenschein, er wickelt seinen Segen gar zart und künstlich ein und bringt ihn dann behende in unser Feld und Brot: es geht durch unsre Hände, kommt aber her von Gott. Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn, drum dankt ihm, dankt, drum dankt ihm, dankt und hofft auf ihn!

Die Schöpfung ist faszinierend. Sie lässt uns staunen und manchmal auch schaudern. Wir schrecken zurück vor den grausamen Gesetzen des Fressens und Gefressenwerdens, vor Tod und Zerstörung als Prinzipien der Evolution, und wissen zugleich, dass wir uns eine wunderbarere Schöpfung gar nicht vorstellen könnten.

Gott, im Vertrauen auf deine Liebe verlassen wir uns auch darauf, dass deine Schöpfung sehr gut ist. Wir danken dir, dass wir ein Teil deiner wunderbaren Welt sein dürfen und dass du auch uns wunderbar geschaffen hast. Im Vertrauen auf dich glauben wir an einem Sinn dieses Universums, den du uns Menschen auf der Erde offenbart hast in der Geschichte deines Volkes Israel und deines Sohnes Jesus Christus. So dunkel uns diese Welt oft auch erscheinen mag, du hast diese Welt geliebt und versprochen, alle Kreaturen zu erlösen.

Wir singen:

3. Was nah ist und was ferne, von Gott kommt alles her, der Strohhalm und die Sterne, der Sperling und das Meer. Von ihm sind Büsch und Blätter und Korn und Obst von ihm, das schöne Frühlingswetter und Schnee und Ungestüm. Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn, drum dankt ihm, dankt, drum dankt ihm, dankt und hofft auf ihn!

Die moderne Naturwissenschaft erzählt uns, die Welt sei aus Chaos entstanden. In der Unordnung verborgen seien Prinzipien, durch die Ordnung entstehen könne. Aber wo diese Ordnung letzten Endes herkommt und wozu sie da ist, das bleibt ein Rätsel.

Die moderne Hirnforschung behauptet, unser Denken, Fühlen und sogar unser Glauben erklären zu können. Alles beruhe nur auf materiellen Prozessen in unseren Gehirnen. Es mag ja sein, dass daran etwas Wahres ist, aber das ist sicher nicht die entscheidende Wahrheit.

Gott, wir glauben an dich, den Urgrund der Welt, denn du bist ein Gott der Liebe und einer guten Ordnung. Wir danken dir, denn auf hochkomplizierte Weise bringst du Ordnung ins Chaos und bewahrst uns vor dem Versinken im absoluten Nichts. Wir danken dir, denn wir dürfen uns als bewusste Lebewesen voller Geist erfahren: fähig zum Denken, zum Fühlen, zum Vertrauen, und fähig dazu, in Freiheit verantwortliche Entscheidungen zu treffen. In kindlicher Zuversicht vertrauen wir darauf, dass in unserer Welt nicht alles zusammenbricht. Wir erbitten von dir Gesundheit und Freude und dass unsere Kinder auch in der Zukunft satt werden. Amen.

Wir singen:

4. Er lässt die Sonn aufgehen, er stellt des Mondes Lauf; er lässt die Winde wehen und tut den Himmel auf. Er schenkt uns so viel Freude, er macht uns frisch und rot; er gibt den Kühen Weide und unsern Kindern Brot. Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn, drum dankt ihm, dankt, drum dankt ihm, dankt und hofft auf ihn!

Wir hören die Lesung aus dem Buch Jesaja 58, 7-12. Das ist der heutige Predigttext:

7 Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut!

8 Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird schnell voranschreiten, und deine Gerechtigkeit wird vor dir hergehen, und die Herrlichkeit des HERRN wird deinen Zug beschließen.

9 Dann wirst du rufen, und der HERR wird dir antworten. Wenn du schreist, wird er sagen: Siehe, hier bin ich. Wenn du in deiner Mitte niemand unterjochst und nicht mit Fingern zeigst und nicht übel redest,

10 sondern den Hungrigen dein Herz finden lässt und den Elenden sättigst, dann wird dein Licht in der Finsternis aufgehen, und dein Dunkel wird sein wie der Mittag.

11 Und der HERR wird dich immerdar führen und dich sättigen in der Dürre und dein Gebein stärken. Und du wirst sein wie ein bewässerter Garten und wie eine Wasserquelle, der es nie an Wasser fehlt.

12 Und es soll durch dich wieder aufgebaut werden, was lange wüst gelegen hat, und du wirst wieder aufrichten, was vorzeiten gegründet ward; und du sollst heißen: „Der die Lücken zumauert und die Wege ausbessert, dass man da wohnen könne“.

Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. Halleluja. „Halleluja, Halleluja, Halleluja.“

Der Chor singt den Kanon:

Die Herrlichkeit des Herrn bleibe ewiglich

Wir bekennen uns zu Gott, dem Schöpfer, dem Erlöser und dem Vollender allen Lebens, indem wir die Worte unseres Glaubensbekenntnisses sprechen:

Glaubensbekenntnis

Der Chor singt das Lied 420:

Brich mit den Hungrigen dein Brot
Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Liebe Gemeinde, eine Zeitlang schien es, als könne und wolle der moderne Mensch kein Erntedankfest mehr feiern. Entweder weil er meinte, dass der Mensch mehr für die Ernte tut als Gott; immerhin sprach man nicht nur in der Industrie, sondern auch in der Landwirtschaft nicht mehr vom Wachsen und Gedeihen, sondern von der Produktion, also nur von menschlicher Arbeit. Oder weil er meinte, dass Gott sich nicht genug Mühe gibt, um alles für die Menschen zu tun. Weder bewahrt Gott uns vor allen Naturkatastrophen noch hindert er uns Menschen daran, zusätzliche ökologische Katastrophen herbeizuführen.

Aber je mehr wir modernen Menschen erkennen, dass die Welt noch komplizierter ist, als wir dachten, desto leichter müsste uns das Umdenken fallen: Wir sind zwar in der Lage, in Naturabläufe einzugreifen und sie zu unseren Gunsten zu verändern. Aber ebenso häufig verändern wir auch ungewollt Gleichgewichtszustände, die langfristig umkippen mit unvorhersehbaren Folgen für unsere Erde. Ein Beispiel ist die Klimaveränderung durch Abgase, die nach Ansicht von Wissenschaftlern nicht mehr zu stoppen ist.

Umdenken hieße: Unsere Erde mitsamt ihren natürlichen Strukturen dankbar und bescheiden als Geschenk aus Gottes Hand annehmen – als ein Geschenk, auf dem wir wohnen, von dem wir und zukünftige Generationen leben und das wir nicht ungestraft bis zum Geht-nicht-mehr ausbeuten.

Gegenwärtig gibt es noch andere Gründe, die das Danken am Erntedankfest als etwas Unzeitgemäßes erscheinen lassen können. Denn wo auch immer man sich umhört: Die meisten Menschen danken nicht, sie klagen – nicht nur wie zu allen Zeiten der Menschheitsgeschichte über die Jugend von heute, sondern über die schlechte Wirtschaftslage, über die Politik im Allgemeinen und über den Ausgang der Bundestagswahl im Besonderen. Ich will nicht sagen, dass es keine Gründe zum Klagen gibt, aber sind die Zeiten wirklich so viel schlechter als früher? Ist die Lage in Deutschland wirklich so viel schlechter als in anderen Ländern? Selbst wenn unsere Wirtschaft nicht mehr so schnell wächst wie die Wirtschaft in anderen Ländern – verhältnismäßig geht es uns immer noch viel besser als vielen Millionen Menschen auf der Welt. Warum feierte man in früheren Jahrhunderten, als es auch in deutschen Landen regelmäßig Hungersnöte gab, die nicht durch globalen Warenaustausch aufgefangen werden konnten, viel selbstverständlicher das Erntedankfest? Klagen die Menschen mehr über relativ kleine Probleme, wenn es ihnen besser geht, weil es ein allgemeines Jammerbedürfnis gibt? Dankten die Menschen früher mehr, obwohl sie viel größere Probleme hatten als wir, weil sie wussten, dass Sattwerden, Gesundheit und rechtlich geordnete Verhältnisse nicht selbstverständlich sind?

Den Predigttext für heute haben wir schon gehört. Er stammt aus dem Israel von vor zweieinhalb Tausend Jahren und gibt eine Anleitung zum dankbaren Leben unter sehr schwierigen Bedingungen, obwohl das Wort „danken“ im ganzen Text nicht vorkommt.

Hören wir noch einmal die Worte aus Jesaja 58:

7 Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut!

Das klingt so einfach, doch wie setzt man es sinnvoll in die Tat um? Ein Bettler an der Haustür wirft das Butterbrot in den Müll, das wir ihm mitgeben; er hätte lieber Geld gesehen, und wofür hätte er es ausgegeben? Nicht ratsam wäre es, jeden Obdachlosen ins eigene Haus zu lassen; ein solches Vertrauen setzt überschaubare Strukturen voraus, die in unseren großen Städten und Gemeinden schon lange nicht mehr da sind. Ich glaube, das war schon damals im alten Israel nicht so einfach, sonst hätte Jesaja nicht so deutliche Worte reden müssen.

Aber worum geht es? Eine Gesellschaft wird unmenschlich, wenn jeder nur an sich selber denkt. Auch unter komplizierteren Bedingungen sind wir für Mitbürger mitverantwortlich. In Familien mag es Streit geben, aber wenn ein Familienmitglied in Not gerät, muss man über den eigenen Schatten springen, um zu helfen. Wenn das Familiensystem nicht mehr trägt, muss das soziale Netz weiter gespannt sein und auch in Zukunft tragfähig bleiben, damit nicht die einen in Armut versinken, während die anderen nicht wissen, wofür sie ihr Geld ausgeben sollen. Eine gute Idee ist die Gießener Tafel, die demnächst in die Tat umgesetzt wird: Nahrungsmittel, die sonst weggeworfen würden, werden für ein geringes Entgelt an Leute abgegeben, die nur über knappe Mittel verfügen.

Ein Volk, in den soziale Probleme gelöst sind, ist nach dem Propheten Jesaja auf einem guten Weg:

8 Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird schnell voranschreiten, und deine Gerechtigkeit wird vor dir hergehen, und die Herrlichkeit des HERRN wird deinen Zug beschließen.

Ungelöste soziale Probleme machen ein Volk krank. Auf dem Weg der Heilung ist es, wenn die Hungrigen satt werden, die Obdachlosen nicht mehr auf der der Straße leben, die Zerlumpten anständige Kleidung bekommen und jeder in einer Familie gut versorgt ist. Dann erscheint das Licht eines hoffnungsvollen Morgens am Horizont, und das Volk geht wie auf einem eindrucksvollen Festumzug durch die Geschichte: Wenn die Gerechtigkeit vorneweg geht, also oberstes Ziel des Gemeinwesens ist, dann kann es sich des Beistands Gottes gewiss sein; einem solchen Festzug folgt Gott mit Glanz und Gloria.

9 Dann wirst du rufen, und der HERR wird dir antworten. Wenn du schreist, wird er sagen: Siehe, hier bin ich.

Auch in einem Volk, in dem Gerechtigkeit herrscht, ist der Himmel auf Erden noch nicht angebrochen. Es gibt immer noch Grund zur Klage und sogar zum Schreien. Aber Menschen, die trotz eigener Probleme an andere denken, finden auch selber Gehör, wenn sie um Hilfe bitten.

Wenn du in deiner Mitte niemand unterjochst und nicht mit Fingern zeigst und nicht übel redest,

10 sondern den Hungrigen dein Herz finden lässt und den Elenden sättigst, dann wird dein Licht in der Finsternis aufgehen, und dein Dunkel wird sein wie der Mittag.

Noch deutlicher wird der Prophet. Übel ist es, in einer Gemeinschaft Menschen zu unterdrücken oder auszuschließen.

Vielleicht hatte man gute Gründe, um den Hungrigen wegzujagen, er war vielleicht dreckig, er war aufdringlich, sein Elend anzusehen, störte die eigene Ruhe und Bequemlichkeit. Es kostet eine Menge, sich für Menschen zu interessieren, die nicht zu den eigenen Kreisen gehören, die Hilfe brauchen. Oft weiß man gar nicht genau, wie man ihnen helfen kann.

Trotzdem sagt der Prophet sehr deutlich: „Lass den Hungrigen dein Herz finden“ – also lass dich anrühren von seinem Schicksal, lass es dir wichtig werden, dass ihm geholfen wird. Wobei es viele Formen des Hungers gibt: Hungrig kann jemand sein, der nicht genug zu essen bekommt, aber auch jemand, dessen Würde und guter Ruf mit Füßen getreten wird. Oder einer, der seelisch verhungert, weil er niemanden hat, dem er sich anvertrauen kann, um Trost und Ermutigung zu finden.

Nach dem Propheten hängt viel davon ab, ob der Hungrige Hilfe findet, und zwar nicht nur für den Hungrigen selbst, sondern auch für den, der ihm hilft.

11 Und der HERR wird dich immerdar führen und dich sättigen in der Dürre und dein Gebein stärken. Und du wirst sein wie ein bewässerter Garten und wie eine Wasserquelle, der es nie an Wasser fehlt.

Wer andere satt macht, wird selber satt und stark. Wer von dem abgibt, was er hat, von seiner Zeit, seinem Geld, seinen Kräften, seiner Zuwendung, der muss sich nicht auspowern, bis er selber ausgebrannt ist, sondern er kann auch selber auftanken und satt werden, weil Gott ihn führt, weil Gottes Liebe ihn stark macht. Egoistische Menschen kreisen um sich und sind schwach. Wer geben kann, hat ein erfülltes Leben und eine wunderbare Ausstrahlung und wird vielen zum Segen.

12 Und es soll durch dich wieder aufgebaut werden, was lange wüst gelegen hat, und du wirst wieder aufrichten, was vorzeiten gegründet ward; und du sollst heißen: „Der die Lücken zumauert und die Wege ausbessert, dass man da wohnen könne“.

Das Schlusswort unseres Predigttextes spricht einem geschundenen Volk Hoffnung zu. Israel hatte Krieg und Zerstörung hinter sich, jetzt ist Wiederaufbau angesagt. Wer dankbar lebt und nicht nur an sich selber denkt, gibt auch in schlechten Zeiten nicht auf, wie die Menschen in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, wie die Menschen in New Orleans nach dem Hurrican. Auch in Gießen wird gebaut, werden Wege ausgebessert, es scheint kaum eine Stelle zu geben, wo man vom Baulärm verschont bleibt – ob es überall ein Aufbau zum Guten, zum Besseren ist, wird sich zeigen.

Wichtig ist, dass bei allem politischen und wirtschaftlichen Aufbau der soziale Unterbau nicht vergessen wird; eine Gesellschaft, die sich nur auf die Ellbogenfreiheit verlässt und mit Verachtung nach unten blickt, kann auf Dauer nicht bestehen, jedenfalls nicht im Gericht vor Gott.

Wie gesagt: Im ganzen Predigttext kommt das Wort „Danken“ nicht vor. Aber er ist trotzdem ein guter Text zum Erntedankfest. Wenn ich weiß, wie leicht ich in schweren Zeiten an den Rand der Verzweiflung und Depression gerate, darf ich Dankbarkeit als Heilmittel verwenden, um das, was mir geschenkt ist, als ganz und gar nicht selbstverständlich aus Gottes Händen anzunehmen. Und wenn ich dankbar bin für das eigene tägliche Brot und die Liebe, die ich empfange, dann gebe ich auch die nicht auf, die schwerer um ihr Auskommen kämpfen müssen. Amen.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben. Amen.

Wir singen aus dem Lied 513 die Strophen 1 bis 5:

1. Das Feld ist weiß; vor ihrem Schöpfer neigen die Ähren sich, ihm Ehre zu bezeigen. Sie rufen: „Kommet, lasst die Sicheln klingen, vergesst auch nicht, das Lob des Herrn zu singen!“

2. Ein Jahr, Allgüt’ger, ließest du es währen, bis uns gereift die Saat, die uns soll nähren. Nun du sie gibest, sammeln wir die Gabe; von deiner Huld kommt alle unsre Habe.

3. Wenn du, Herr, sprichst dein göttliches „Es werde“, füllt sich mit reichen Gaben bald die Erde. Wenn du dich abkehrst, müssen wir mit Beben in Staub uns wandeln, können wir nicht leben.

4. Herr, wir sind dein und wollen gern ertragen im Schweiß des Angesichts der Arbeit Plagen; nur segne, Vater, unsrer Hände Werke, schenk uns Gesundheit, neue Kraft und Stärke.

5. Wir wollen kindlich zu Gott Hoffnung hegen und auch den Armen spenden von dem Segen; gab er uns wenig, uns dabei bescheiden, gab er uns reichlich, unnütz nichts vergeuden.

Wir feiern am Erntedankfest das Heilige Abendmahl – als Geheimnis des Glaubens.

Wir staunen, dass wir leben dürfen von anderem Leben, das sich uns hingibt.

Im Brot schenkt sich uns Gott im Leib der Liebe seines Sohnes. Im Kelch besiegelt Gott seine Treue zu uns mit dem Blut seiner Hingabe.

Gott, nimm von uns, was uns von dir trennt: Undankbarkeit, Gedankenlosigkeit, Lieblosigkeit. In der Stille bringen wir vor dich, was unsere Seele belastet:

Beichtstille

Wollt Ihr Gottes Treue und Vergebung annehmen, so sagt laut oder leise oder auch still im Herzen: Ja!

Auf euer aufrichtiges Bekenntnis spreche ich euch die Vergebung eurer Sünden zu – im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Anstelle der Abendmahlsliturgie singt heute der Kirchenchor das Lied 461:

Aller Augen warten auf dich, Herre
Vater unser und Abendmahl

Du Schöpfer Gott, wenn wir es gut haben, lass uns nicht vergessen, dass wir alles dir verdanken, dass nicht selbstverständlich ist, was wir haben, und lass uns Mittel und Wege suchen, dass alle satt werden können. Schenke uns Zufriedenheit und ein großzügiges Herz. Wenn wir Grund zum Klagen haben, gib uns Mut, unseren Mund aufzumachen und um Hilfe zu bitten. Lass uns nicht aufgeben, wenn uns Probleme unlösbar scheinen.

Jesus Christus, unser Erlöser, vergib uns, wo wir undankbar gelebt haben, und richte uns auf. Lehre uns umzudenken, auch in unserem Land, weg von Egoismus und Kleinmütigkeit, hin zu einer Aufbaustimmung, die Gerechtigkeit im Blick hat.

Heiliger Geist, erfülle uns mit Liebe, die Grenzen überwindet, mit Ideen für eine gerechte Gesellschaft, mit einem so starken Vertrauen auf dich, dass uns nichts umwerfen kann. Amen.

Der Chor singt das Lied 333:
Danket dem Herrn! Wir danken dem Herrn
Abkündigungen

Nach dem Segen und dem Orgelnachspiel gehen wir durch den Saal aus der Kirche hinaus. Wer noch beim Kirchencafé bleiben möchte, ist herzlich dazu eingeladen!

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

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