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„Nach dem Gewitter lässt du die Sonne wieder scheinen“

Trauerfeier für einen Mann, der sich über den Sonnenschein freute, aber nach einem harten Leben und schwerer Krankheit früh gestorben ist.

"Finsternis ist wie das Licht!" Ein Haus, umgeben von Wasser, Sturm und Gewitter; im Wasser spiegelt sich unter dem Haus ein Geflecht von Wurzeln
„Nach dem Gewitter lässt du die Sonne wieder scheinen“ (Bild: santiagotorrescl95Pixabay)

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen.

Liebe Trauergemeinde, wir sind hier versammelt, um Abschied zu nehmen von Herrn Y., der im Alter von [über 50] Jahren gestorben ist.

Wir blicken zurück auf sein Leben. Wir begleiten einander in der schweren Stunde des Abschieds. Wir besinnen uns auf Gott, von dem unser Leben herkommt und zu dem es im Tode zurückkehrt.

Manchmal fehlen uns die richtigen Worte, um uns an Gott zu wenden. Dann können wir die Bibel aufschlagen und uns von den Psalmen des Volkes Israel zum eigenen Beten anregen lassen.

Wir beten mit Psalm 139:

1 HERR, du erforschest mich und kennest mich.

2 Ich sitze oder stehe auf, so weißt du es; du verstehst meine Gedanken von ferne.

3 Ich gehe oder liege, so bist du um mich und siehst alle meine Wege.

4 Denn siehe, es ist kein Wort auf meiner Zunge, das du, HERR, nicht schon wüsstest.

5 Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.

6 Diese Erkenntnis ist mir zu wunderbar und zu hoch, ich kann sie nicht begreifen.

7 Wohin soll ich gehen vor deinem Geist, und wohin soll ich fliehen vor deinem Angesicht?

8 Führe ich gen Himmel, so bist du da; bettete ich mich bei den Toten, siehe, so bist du auch da.

9 Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer,

10 so würde auch dort deine Hand mich führen und deine Rechte mich halten.

11 Spräche ich: Finsternis möge mich decken und Nacht statt Licht um mich sein -,

12 so wäre auch Finsternis nicht finster bei dir, und die Nacht leuchtete wie der Tag. Finsternis ist wie das Licht.

13 Denn du hast meine Nieren bereitet und hast mich gebildet im Mutterleibe.

14 Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele.

15 Es war dir mein Gebein nicht verborgen, als ich im Verborgenen gemacht wurde, als ich gebildet wurde unten in der Erde.

16 Deine Augen sahen mich, als ich noch nicht bereitet war, und alle Tage waren in dein Buch geschrieben, die noch werden sollten und von denen keiner da war.

17 Aber wie schwer sind für mich, Gott, deine Gedanken! Wie ist ihre Summe so groß!

18 Wollte ich sie zählen, so wären sie mehr als der Sand: Am Ende bin ich noch immer bei dir.

23 Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz; prüfe mich und erkenne, wie ich’s meine.

24 Und sieh, ob ich auf bösem Wege bin, und leite mich auf ewigem Wege.

Liebe Familie Y., liebe Trauergemeinde!

„Wie schwer sind für mich, Gott, deine Gedanken“, so betet ein Mensch der Bibel, so könnten auch wir beten. Schwer deswegen, weil wir eigentlich an Gottes Güte glauben wollen, aber diese Güte uns oft verborgen erscheint. Wunderbar sind wir geschaffen – wie schwer fällt es, das auch dann noch zu glauben, wenn Krankheit den Körper eines Menschen zerstört und die Seele bedrückt. Aber der Psalm der Bibel hält daran fest: Jeder Mensch hat seinen Platz im Buch Gottes, keiner unserer Tage ist ihm unwichtig, wo wir am elendesten leiden, uns allein fühlen, todtraurig sind, da leidet Gott mit uns mit, da lässt er uns nicht allein.

Allzufrüh ist Herr Y. gestorben. Auf einen langen Leidensweg und ein nicht einfaches Leben musste er zurückblicken. Aber wir wollen heute nicht nur auf das Schwere und Traurige in seinem Leben schauen, denn traurig sind wir sowieso, wenn wir einen Menschen loslassen müssen, der uns nahestand. Trauer enthält immer auch ein Stück Dankbarkeit für Begegnungen und Prägungen, und nichts ist wichtiger in der Erinnerung an einen Menschen als die Liebe, die wir für ihn empfunden und von ihm erfahren haben.

Als er heiratete, ließ Pfarrer M. es sich nicht nehmen, kurz vor seinem Ruhestand noch diese Trauung vorzunehmen. Das junge Ehepaar Y. bekam als Trauspruch das Wort aus 1. Korinther 13, 13 mit auf den Weg:

Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.

Erinnerungen an das Leben des Verstorbenen

Erst in der letzten Zeit stellte sich heraus, wie schwer krank Herr Y. tatsächlich war. Er führte ja ein ziemlich von der Außenwelt zurückgezogenes Leben, aber nach dem letzten Krankenhausaufenthalt hätte er in seiner Wohnung wohl gar nicht mehr auf sich allein gestellt leben können.

Nun ist er gestorben, und das ist hart für die, die ihn vermissen, die Erwartungen auf ihn gerichtet haben, die ihm auch in seinen dunkelsten Stunden nahe zu sein versuchten. Er war ja ein Teil des Lebens von Ihnen allen, für lange oder kurze Zeit, und es ist wichtig zu spüren und auszuhalten, was jetzt an Gedanken und Gefühlen hochkommt. Zum Prozess des Trauerns gehört eine ganze Menge an durchaus gemischten Gefühlen, von der Depri-Stimmung bis zur dankbaren Wehmut, vom heulenden Elend bis hin zu einer Mordswut auf den Gott, der so viel Leid und einen solchen Tod zugelassen hat.

Ja, es ist durchaus normal und in Ordnung, auch mit Gott böse zu sein und ihn zu fragen: Warum lässt du das zu? Nicht unbedingt um eine Antwort auf eine solche Frage zu bekommen, sondern um gerade auch in einem solchen Gefühl den Kontakt zu Gott zu bewahren oder wiederzugewinnen. Denn wo sollen wir sonst echten Trost finden, wenn nicht bei dem Gott, von dem unser Leben herkommt und der es uns wieder nimmt? Nach der Bibel ist Gott kein namenloses Schicksal, ihm sind wir nicht gleichgültig, ihn kümmert unser Leid und er gönnt uns neue Freude. Vor ihm können und müssen wir nichts verbergen; er kennt besser besser als wir selbst, was im Innersten unserer Seele vor sich geht.

Vorhin haben wir den 139. Psalm gebetet; da kam der merkwürdige Satz vor (Psalm 139, 12):

Finsternis ist wie das Licht.

Das klingt paradox. Wer das so gebetet hat, der muss wohl erfahren haben, dass Gott durchaus Finsternis in Licht, Trauer in Freude, Angst in Vertrauen und sogar Hass in Liebe verwandeln kann (Psalm 139, 11-12):

Spräche ich: Finsternis möge mich decken und Nacht statt Licht um mich sein, so wäre auch Finsternis nicht finster bei dir, und die Nacht leuchtete wie der Tag.

Es kann im Leben so weit kommen, dass man nichts und niemanden mehr sehen will, weil man zu sehr trauert, zu sehr leidet, zu viel Schmerz empfindet. Wenn der Blick auf die Realität zu sehr weh tut, möchte man es lieber dunkel um sich haben und sieht so auch nicht mehr das Licht am Ende des Tunnels.

Aber bei Gott ist das nicht das letzte Wort: Wenn wir keine Hoffnung mehr für unser Leben sehen, gibt er uns doch nicht auf. Wenn wir es für unmöglich halten, das Knäuel aus Krankheit, Schuld und Schmerz zu entwirren, aus dem unser Schicksal manchmal besteht, dann ist Gott da mit seiner Liebe, seiner Vergebung, seinem Trost. Wo wir am Ende sind, sind Gottes Wege noch lange nicht in eine Sackgasse geraten.

Wenn wir uns Gott anvertrauen, tun sich uns neue Wege auf: Wir dürfen abwerfen und loslassen, was uns wie eine schwere Last niederdrückt. Wir müssen nicht immer herunterschlucken, was uns auf der Seele liegt und uns die Kehle zuschnürt. Wir dürfen fühlen, was wir fühlen, und uns von der Seele reden, was uns belastet. Das geht nicht überall, aber im Gebet geht es allemal und auch dort, wo wir uns auf die Verschwiegenheit eines guten Zuhörers verlassen können.

Zum Schluss meiner Ansprache möchte ich Ihnen ein Wort aus dem Buch Tobias 3, 23 mitgeben. Da betet eine Frau zu Gott:

Du hast nicht Gefallen an unserm Verderben: nach dem Gewitter lässt du die Sonne wieder scheinen, und nach Klagen und Weinen überschüttest du uns mit Freuden.

An diesen Vers musste ich denken, weil Sie mir erzählt haben, wie sehr sich Herr Y. über den Sonnenschein gefreut hat. Wer Abschied nehmen und Trauer durchstehen kann, dem wird auch irgendwann die Sonne wieder scheinen.

Das Bild von der Sonne kann uns auch helfen, an das ewige Leben im Himmel zu glauben. Paul Gerhardt hat vor über 300 Jahren ein Lied gedichtet, in dem die Zeilen vorkommen (EG 351, 13):

Die Sonne, die mir lachet, ist mein Herr Jesus Christ; das, was mich singen machet, ist, was im Himmel ist.

Was für uns als absolutes Ende und finsterer Abgrund erscheint, der Tod, ist für Gott der Durchgang in ein neues, herrlicheres Leben, so großartig, dass wir es uns nicht einmal vorstellen können. Gott hält seine Hand über uns, hier auf Erden und erst recht drüben im Himmel. Im Vertrauen auf ihn dürfen wir Herrn Y. getrost loslassen. Amen.

Orgelspiel: So nimm denn meine Hände

Barmherziger Gott, wir müssen Abschied nehmen von Herr Y. Unsere Trauer bringen wir vor dich, alles, was auf unserer Seele liegt. Wir danken dir auch: für alles Gute, das du uns erwiesen hast mit dem Leben des Verstorbenen; für die Kraft, die du uns gibst, um auch das Schwere zu tragen. Du bist der Gott, der tröstet und befreit. Noch einmal beten wir zu dir mit Worten aus einem Lied der Bibel, Psalm 73:

21 Als es mir wehe tat im Herzen und mich stach in meinen Nieren,

22 da war ich ein Narr und wusste nichts, ich war wie ein Tier vor dir.

23 Dennoch bleibe ich stets an dir; denn du hältst mich bei meiner rechten Hand,

24 du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich am Ende mit Ehren an.

25 Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde.

26 Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil.

Amen.

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