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Was will die „Hamburger Neue Historische Schule“?

Ist Dr. Ralph Davidson „der vielleicht letzte große Universalgelehrte“, der durch seine „kulturrevolutionären Arbeiten … sehr mutig viele der bis dahin unumstößlichen historischen Wahrheiten in Frage gestellt“ hat (Wilhelm Kaltenstadler)? Er gehört wie Dr. Roman Landau und Hanna Eisler zur „Hamburger Neuen Historischen Schule“, die beweisen will, dass „unsere Bildungstradition eher in einer jüdischen als in einer lateinischen Tradition steht.“

Das Hamburger Rathaus
Das Hamburger Rathaus (Bild: PublicDomainPicturesPixabay)

Mein Interesse an wissenschaftlichen Arbeiten zur europäischen Zivilisationsgeschichte

Wilhelm Kaltenstadler ist ein sorgfältig arbeitender und differerenziert urteilender Historiker, den ich wegen seiner Arbeiten zu jüdischen, christlichen und islamischen Einflüssen auf die europäische Zivilisationsgeschichte sehr schätze.

In mehreren seiner Bücher beklagt er, dass sich „die aktuelle Diskussion über … die fundamentalen Werte des modernen Europa“ vorwiegend „auf die griechisch-römische Antike, die Aufklärung und die vor allem daraus abgeleiteten Menschenrechte“ bezieht, demgegenüber aber den Beitrag des Judentums und Christentums zur europäischen Zivilisationsgeschichte vernachlässigt.

„Die Entfernung des Juden-Christentums aus der Zivilisationsgeschichte und seine Verbannung ins metaphysische Reich der Religionen“ wurde nach Kaltenstadler „vom Historismus des 19. Jahrhunderts vollzogen“ und prägt „erstaunlicherweise immer noch das Denken der modernen Historiker“, vermutlich weil „man damals im 19. Jahrhundert den hellenistisch-römischen Imperialismus als bewundernswert und den pazifistischen Geist des Judentums als verweichlichend betrachtete.“ (1)

Ich kann diesem Anliegen eine Menge abgewinnen und viele gut belegte Gedankengänge in seinen Büchern nachvollziehen; auf das Neueste seiner Bücher (2) gehe ich unter der Überschrift Jüdische Kultur, die prägend bleibt, ausführlich und empfehlend ein.

Meine Beschäftigung mit der „Hamburger Neuen Historischen Schule“

Nun beruft sich Wilhelm Kaltenstadler in seinem Anliegen, „das Judentum und seine Kopie, das Christentum, wieder zum Gegenstand des allgemeinen Interesses“ zu machen, unter anderem auch auf Autoren der sog. „Hamburger Schule“:

„Auf die Notwendigkeit dieses Schrittes haben Ralph Davidson und Roman Landau mit Nachdruck hingewiesen.“ (3)

Insbesondere Ralph Davidson ist für ihn „der vielleicht letzte große Universalgelehrte“, der durch seine „kulturrevolutionären Arbeiten … sehr mutig viele der bis dahin unumstößlichen historischen Wahrheiten in Frage gestellt“ hat.

„Seine Bücher „Sprachgeschichte“, „Der große Schwindel“, „Kapitalismus, Marx und der ganze Rest“ (alle 1995 veröffentlicht), vor allem aber die Arbeit „Evidenz und Konstruktion“ (1998) und deren überarbeitete und popularisierte Fassung „Der Zivilisationsprozeß“ (2002) können, – und es ist wirklich nicht übertrieben, wenn ich das so euphorisch sage, – in ihrer geistesgeschichtlichen Bedeutung als die große kopernikanische Wende der Historiographie betrachtet werden.“ (4)

Um die Voraussetzungen der Argumentation Wilhelm Kaltenstadlers im Blick auf die jüdisch-christlich-islamische Thematik besser verstehen zu können, beschloss ich also, mich mit einigen der Bücher vor allem von Ralph Davidson, aber auch von Roman Landau, intensiver zu beschäftigen. Besonders folgende Sätze machten mich neugierig auf die Werke Davidsons:

„Geschichtswissenschaft ist eben keine saubere und völlig objektive Wissenschaft, sondern wird von den Siegern geschrieben, um ihre Siege zu glorifizieren und die nicht immer ganz saubere Methodik des Siegens zu verschleiern. Davidsons Methode dagegen könnte vielleicht als der Versuch bezeichnet werden, die Perspektive der Verlierer einzunehmen, und aus dieser Position heraus, eine Art lndizienprozeß gegen die Sieger zu führen.“ (5)

Ich habe dann tatsächlich fünf Bücher von Ralph Davidson und zwei Bücher von Roman Landau sehr gründlich gelesen. Die Lektüre war nicht uninteressant; ich kann viele Zweifel an der traditionellen Geschichtsauffassung durchaus nachvollziehen und habe anregende Denkanstöße mitgenommen.

Aber im Großen und Ganzen sind meine Erwartungen doch enttäuscht worden. Dabei gebe ich zu, dass ich viele fachwissenschaftliche Probleme als Laie nicht beurteilen kann. Aber auf den Gebieten, auf denen ich mich als Theologe einigermaßen auskenne, fielen mir doch so viele fehlerhafte und abwegige Argumentationen auf, dass ich mich inzwischen frage, ob diese Bücher nicht ihrem angestrebten Ziel, auf den jüdisch-christlichen Beitrag zur europäischen Zivilisation aufmerksam zu machen, eher schaden als nutzen. Dabei geht es mir nicht darum, Autoren niederzumachen, die die Geschichte aus einer „Perspektive der Verlierer“ zu betrachten suchen. Mein Interesse ist vielmehr, in ein Gespräch mit den Vertretern der „Hamburger Schule“ einzutreten, um sie auf meines Erachtens unhaltbare Beweisführungen aufmerksam zu machen, damit der Kern Ihres Anliegens, das ich ja teile, klarer hervortreten kann.

Wer gehört eigentlich zur „Hamburger Neuen Historischen Schule“?

Im Zusammenhang mit der „Hamburger Schule“ tauchen die Namen Lucas Brasi, Dr. Ralph Davidson, Hanna Eisler, Christoph Luhmann und Dr. Roman Landau als Buchautoren auf. In Ralph Davidsons Buch „Desiderate der Forschung“ verrät der Autor, dass Lucas Brasi sein Pseudonym ist. Aber auch „Ralph Davidson“ selbst soll das Pseudonym eines renommierten Gelehrten sein (wo genau ich das gelesen habe, weiß ich nicht mehr).

Im Internet ist über die „Hamburger Neue Historische Schule“ wenig zu finden. Außer einem Wikipedia-Artikel über Roman Landau und Informationen über die Buchveröffentlichungen seines U.B.W-Verlages fand ich nur einen Forums-Beitrag des Chronologiekritikers Eugen Gabowski (6), der Zweifel hegt, ob es außer Roman Landau überhaupt reale Mitglieder dieser Schule gibt.

Für die Vermutung, dass Dr. Roman Landau selbst der Historiker ist, der auch unter dem Pseudonym Ralph Davidson veröffentlicht, würde sprechen:

  • dass ihre Kurzbiographien sehr ähnlich sind („Kapitalismus, Marx und der ganze Rest“: „Dr. Ralph Davidson: 1956 in Prag geboren. Studium in Hamburg und London. Lebt heute als Journalist und Autor in Reading, Großbritannien“; „Wikipedia“-Artikel über Roman Landau: „Landau [geb. 1955] studierte an der Universität Hamburg und am University College London, Schwerpunkte des Studiums waren Wissenschaftsgeschichte, Literaturtheorie, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Er erhielt Hochbegabtenförderung durch die Friedrich-Ebert-Stiftung und wurde mit einer Arbeit zur amerikanischen Literaturtheorie an der Universität Hamburg promoviert“,
  • dass im genannten Wikipedia-Beitrag auch vermerkt ist: „Zahlreiche weitere Publikationen als Autor, Journalist und Photograph erschienen auch unter diversen Pseudonymen.“
  • dass beide häufig auf sehr ähnliche Weise argumentieren und die von ihnen benutzte Literatur zitieren, insbesondere eine Vorliebe für das Wort „Dämlichkeiten“ haben,
  • dass Davidson in seinem Buch „Desiderate der Forschung“ (S. 145) zwei Bibelzitate in genau derselben Übersetzung zusammenstellt, wie es Roman Landau in seinem Buch „Der Aufstieg Europas – Wie modern war das mittelalterliche Christentum?“ (S. 74f.) tut, nämlich 1 Samuel 16, 12 und 2 Könige 18, 26,
  • dass in dem Buch „Desiderate der Forschung“ Ralph Davidson mehrfach in der dritten Person auftaucht,
  • dass sowohl in Davidsons Buch „Der Zivilisationsprozeß“ als auch in Landaus Buch „Der Aufstieg Europas“ Werke von Bernal zitiert werden, wobei nicht deutlich gemacht wird, um welchen der beiden im jeweiligen Literaturverzeichnis genannten „Bernal“ es sich handelt – John D. oder Martin Bernal. Von John D. Bernal wiederum ist in beiden Literaturverzeichnissen eine einbändige „Sozialgeschichte der Wissenschaft“ aus dem Jahr 1970 aufgeführt; im Buchhandel oder in Universitätsbibliotheken ist jedoch nur eine „Sozialgeschichte der Wissenschaften“ in vier Bänden zu finden.

Natürlich kann es auch sein, dass beide Autoren einfach nur sehr eng zusammenarbeiten, bis dahin, dass sie einander wörtlich zitieren, ohne die Zitatherkunft zu belegen, oder dass der Verleger für seinen Autor das Literaturverzeichnis erstellt.

Zur Veröffentlichung meiner kritischen Kommentierungen und Anfragen

Meine kritischen Kommentierungen zu verschiedenen Büchern von Ralph Davidson und Roman Landau habe ich in Form einer Anfrage an die Autoren formuliert und Herrn Dr. Roman Landau persönlich zukommen lassen, auch mit der Bitte, als Verleger der Bücher von Ralph Davidson die ihn betreffenden Teile an den Autor weiterzuleiten.

Nach längerem Mail-Austausch schrieb ich ihm am 21. März 2019:

Lieber Herr Landau,

ich habe mich dazu [ob ich schlüssig finde, daß unsere Bildungstradition eher in einer jüdischen als in einer lateinischen Tradition steht] geäußert. Ich habe deutlich gemacht, dass ich zum Teil Ihre These richtig finde, aber auch Klärungsbedarf hinsichtlich vieler Ihrer Begründungen für Ihre These habe.

Aber da Sie immer noch nicht bereit sind, auch nur auf eine inhaltliche Anfrage zu antworten, hat es wohl keinen Zweck, diesen Mail-Austausch fortzuführen.

Ich denke, ich werde die kritischen Kommentierungen von Büchern Ihrer „Hamburger Schule“ auf meiner Homepage veröffentlichen. Vielleicht können dann Leser Ihrer Bücher zu den Kommentaren Stellung nehmen und evtl. sogar meine Fragen beantworten.

Übrigens habe ich zu diesem Zweck doch noch mal meine Texte überarbeitet. Und auch das eine oder andere weggelassen. Zum Beispiel die Sache mit den Druckfehlern, die ja wirklich nicht wichtig sind.

Haben Sie etwas dagegen, wenn ich in diesem Zusammenhang Sie auch nach Ihren Mails zitiere?

Mit freundlichen Grüßen
Helmut Schütz

Daraufhin kam als Antwort von Dr. Roman Landau am 22. März 2019 folgende Mail, in der er mich aufforderte, deren gesamten Text an die Veröffentlichung meiner kritischen Kommentierungen der Bücher von Davidson und Landau anzuhängen:

Auf keinen Fall dürfen Sie meine mails zitieren. Aber ich hatte gleich oder doch sehr schnell den Verdacht, daß Sie bewußt versuchen, mir auf den Keks zu gehen, um unfreundliche Antworten zu erhalten, die dann in Ihrer Unfreundlichkeit gegen mich verwendet werden können.

Und lassen Sie unbedingt auch die Kritik an den Tippfehlern drin. Es zeigt doch wunderbar welch‘ Geistes Kind Sie sind.

Und schreiben Sie bitte audrücklich dazu, dass ich Sie erfolglos gebeten habe, eine gekürzte und höflichere Version vorzulegen, in der Sie sich ausschließlich auf die Fehler in der Argumentation und die (vermeintlich) sinnentstellenden Zitate konzentrieren. Und diese dann Prof. Kaltenstadler zu schicken, der das alles ja auch angeblich übersehen hat, was sie da an sehr Kritikwürdigem gefunden haben.

Ein so umfangreiches und/aber kleinliches Konvolut eines sehr einseitig gebildeten Lesers durcharbeiten zu müssen, wird von uns als unzumutbar empfunden.

Und jetzt frage ich Sie zum dritten Mal, ob Sie unsere auf Levita basierende Argumentation („Schule“) schlüßig finden, daß unsere Bildungstradition eher in einer jüdischen als in einer lateinischen Tradition steht. ?

Ihre völlig unbegründete (und deshalb unqualifizierte) Antwort darauf „.. zum Teil Ihre These richtig finde..“ ist keine Antwort. Aber vielleicht müssen Pfarrer so diffus daher reden, damit sie sich jederzeit rausreden können, wie Schüler „.. wieso, hab ich doch gesagt.“ Der größte Teil unserer nervigen Korrespondenz erinnerte mich tatsächlich an die dunkelsten Tage meiner Schulzeit und meine teils sehr besserwisserischen Deutsch-Lehrer.

Mittelfreundliche Grüße RL

Ich finde es eigenartig, dass Männer, die mit mutigen Entwürfen bahnbrechende Wirksamkeit anstreben, keinerlei Interesse daran haben, auf kritische Anfragen und Kommentare inhaltlich einzugehen. Es mag ja sein, dass meine Kritik nicht berechtigt ist; dann könnten mich Landau und Davidson aber doch mit sachlichen Gegenargumenten widerlegen.

Allerdings muss ich es natürlich akzeptieren, wenn sie Wichtigeres zu tun haben, als sich mit den für sie „nervigen“ Argumenten eines unbedeutenden und „sehr einseitig gebildeten“ Pfarrers im Ruhestand zu beschäftigen.

Um der Sache willen (wie ich sie oben im ersten Abschnitt dargelegt habe) fände ich es allerdings sinnvoll und hilfreich, wenn die Autoren der „Hamburger Schule“ auf Argumentationen verzichten würden, die bei genauem Hinsehen nicht stichhaltig sind. Wenn sie diese dennoch aufrechterhalten wollen, sollten sie willens und in der Lage sein, sie mit zwingenderen Belegen zu untermauern.

So viel zur Frage, warum ich meine kritischen Kommentierungen von Büchern der Autoren Ralph Davidson und Roman Landau unter den nachstehend anklickbaren Links veröffentliche:

Ralph Davidson: „Kapitalismus, Marx und der ganze Rest“

Ralph Davidson: „Sprachgeschichte“

Ralph Davidson: „Der Zivilisationsprozess“

Lucas Brasi: „Die erfundene Antike“

Roman Landau: „Der Aufstieg Europas“

Ralph Davidson: „Desiderate der Forschung“

Die Namen der 12 Apostel und das christliche „Paschen“

Auf diesem Wege kann jeder, der sich ebenfalls mit der „Hamburger Neuen Historischen Schule “ befasst hat oder noch befassen möchte, damit auseinandersetzen. Und vielleicht sogar meine Fragen beantworten bzw. meine Kritik, wo sie unberechtigt ist, widerlegen.

Helmut Schütz

Anmerkungen

(1) Wilhelm Kaltenstadler, „Die Modernität der jüdisch-christlichen Idee. Sind Judentum und Christentum vorsätzlich aus der Zivilisationsgeschichte herausgeschrieben worden?“, Hamburg 2011, S. 11. Gleichlautend steht das Zitat in seinem Buch „Die jüdisch-christlich-islamische Kultur Europas. Wurzeln – Strukturen – Entwicklungen“ (Leipzig 2014); dazu ist mir eine Seitenangabe nicht möglich, da ich nur auf das eBook Zugriff habe.

(2) Wilhelm Kaltenstadler, „Altes Testament, jüdische Kultur und deutsches Judentum“, Nordhausen 2018.

(3) Wilhelm Kaltenstadler, „Modernität…“, S. 11 (siehe Anm. 1).

(4) Ebd., S. 8.

(5) Ebd., S. 8.

(6) Eugen Gabowski schreibt in dem seiner Internetseite „Geschichte und Chronologie“ zugeordneten Forum: „Im deutschsprachigen Raum beschäftigte sich mit dem Thema der Antikeerfindung Dr. Roman Landau (Hamburg), Historiker, Journalist, Fotograf und Herausgeber von geschichtskritischen Büchern. Er und seine Autoren, die aber noch nie anders als ‚Papiertiger‘ in Erscheinung getreten sind, haben etwa 10 Bücher veröffentlicht… Man kann durchaus vermuten, dass hinter der ganzen ‚Hamburger Neuen Historischen Schule‘ nur der Mentor selbst sich verbirgt und damit einen Bourbaki mit der Innenseite nach außen (bei Bourbaki veröffentlichen zahlreiche Mathematiker verschiedene Bücher unter diesem einen Künstlernamen). Hinter dieser nett aussehenden Zurückhaltung verbirgt sich ein originell denkender und scharfsinniger Kritiker, der neue Bilder der Vergangenheit gut beschreibt, aber leider nichts von der viel weiter gehenden russischen kritischen Forschung weiß.“

Ein Kommentar zu „Was will die „Hamburger Neue Historische Schule“?“

  1. Und weil er so schrecklich „enttäuscht“ war, schrieb der merkwürdige Herr Pastor an Prof. Kaltenstadler, dass er sich „freuen“ würde, mit der „Hamburger Schule“ in Kontakt zu kommen. Woran genau hat dieser staatstragende Pastor also dann seine „Freude“.? Und apropos Staatskirche:
    Während der „nationalsozialistischen“ Erschießungen, den Massenmorde an unschuldigen Zivilisten, Frauen und Kindern konnten die Mörder in staatlichem Auftrag damals erstaunlicherweise seelsorgerischen Beistand von den Pastoren der evangelischen Staatskirche bekommen. (ZEIT, Nr. 4, vom 15. 1. 1998 S. 12)
    3000 katholische Pfarrer bezahlten ihren Widerstand aber mit dem Leben.

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