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„Ich habe den Herrn gesehen!“

Maria Magdalena wird als Apostelin und Missionarin zu den Männern geschickt. Die Brüder sollen ihr, der Schwester, zuhören. Durch sie sagt Jesus allen Christen über alle Grenzen hinweg: Der Vater, zu dem ich hinaufsteige, ist auch euer Vater, das heißt, ihr seid nicht Konkurrenten, sondern Geschwister! Wenn ihr das begreift und beherzigt und danach lebt, könnt ihr alle Streitigkeiten begraben.

Statue einer trauernden Frau
Steinbildnis einer trauernden Frau (Bild: cocoparisiennePixabay)
direkt-predigtAbendmahlsgottesdienst am Ostersonntag, den 8. April 2007, um 10.00 Uhr in der Pauluskirche Gießen und am Ostermontag, den 9. April 2007, um 10.00 Uhr in der Thomaskirche Gießen

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

Am Ostersonntag begrüße ich alle herzlich im Gottesdienst in der Pauluskirche mit dem Ostergruß: „Christus ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!“

„Ich habe den Herrn gesehen“, das ist heute unser Thema. Wir hören, wie Maria von Magdala am ersten Ostermorgen dem auferstandenen Jesus begegnet. Und wir hoffen und beten, dass auch wir Jesus begegnen können, in diesem Gottesdienst und da, wo wir am Feiertag und im Alltag leben.

Wir singen das Lied 553:
Besiegt hat Jesus Tod und Nacht, stand auf im Morgengrauen
Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

„Ich habe den Herrn gesehen!“ Wie kommt Maria von Magdala zu diesem Osterbekenntnis? Wie kann sie ihn lebendig sehen, wenn er doch tot ist, gekreuzigt, gestorben und begraben?

Und selbst wenn sie ihn sehen konnte, was würde es uns nützen, wenn wir ihn doch nicht sehen können? Wie können wir ihn, Jesus, ihn, den Christus Gottes, lebendig sehen?

Herr, schenke du selbst uns sehende Augen des Glaubens, damit wir das Bekenntnis von Herzen mitsprechen können: „Christus ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!“

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

„Ich habe den Herrn gesehen!“ Der Herr, damit ist in der Bibel Jesus gemeint. Aber indem wir Jesus anschauen, erkennen wir als Christen in ihm und seiner Liebe auch Gott, den Vater, den Herrn des Volkes Israel und der ganzen Welt.

Denn Johannes der Täufer sagt im Evangelium nach Johannes 1, 18:

18 Niemand hat Gott je gesehen; der Eingeborene, der Gott ist und in des Vaters Schoß ist, der hat ihn uns verkündigt.

Aber müssten wir nicht vergehen vor dem Anblick des Herrn, wie es der Prophet Jesaja befürchtet, als er den Herrn in einer Vision vor Augen hat (Jesaja 6, 5)?

5 Da sprach ich: Weh mir, ich vergehe! Denn ich bin unreiner Lippen und wohne unter einem Volk von unreinen Lippen; denn ich habe den König, den Herrn Zebaoth, gesehen mit meinen Augen.

Gott, unser Vater im Himmel und Vater Jesu Christi, schenke uns die Ehrfurcht vor dem Geheimnis, dass du dich erkennen lässt in Jesus Christus, deinem Sohn. Herr Jesus Christus, erbarme dich unser in unseren Glaubenszweifeln. Herr Gott, heiliger Geist, schenke uns ein reines Herz, das dich schauen darf und kann. Wir rufen zu dir:

Herr, erbarme dich! „Herr, erbarme dich, Christe, erbarme dich, Herr, erbarm dich über uns!“

„Habe ich nicht unsern Herrn Jesus gesehen?“

– so fragt Paulus in 1. Korinther 9, 1. Menschen, die seine Autorität anzweifeln. 20 Jahre nach dem Tod Jesu sagt er wie Maria Magdalena am dritten Tag: „Ich habe den Herrn gesehen!“

Herr, schenke uns auch heute in der Pauluskirche den Glauben an deine Auferstehung, so dass wir sprechen: „Ich habe den Herrn gesehen!“

Lasst uns Gott lobsingen! „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen. Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat; nun ist gross Fried ohn Unterlass, all Fehd hat nun ein Ende“.

Der Herr sei mit euch „und mit deinem Geist.“

Gott, mit unserem Glauben und mit unseren Zweifeln kommen wir an Ostern in die Kirche. Unter uns sind Menschen mit fester Zuversicht, aber vielleicht auch Menschen, die nicht zur Ruhe kommen vor Schmerzen oder Belastungen.

Lass uns nun der Weg der Maria Magdalena am Ostermorgen mitgehen und lass es in uns Ostern werden! Darum bitten wir dich, Gott, im Namen Jesu Christi, unseres Herrn. „Amen.“

Wir hören die Lesung aus dem Evangelium nach Markus 16, 1-8:

1 Und als der Sabbat vergangen war, kauften Maria von Magdala und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und ihn zu salben.

2 Und sie kamen zum Grab am ersten Tag der Woche, sehr früh, als die Sonne aufging.

3 Und sie sprachen untereinander: Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür?

4 Und sie sahen hin und wurden gewahr, dass der Stein weggewälzt war; denn er war sehr groß.

5 Und sie gingen hinein in das Grab und sahen einen Jüngling zur rechten Hand sitzen, der hatte ein langes weißes Gewand an, und sie entsetzten sich.

6 Er aber sprach zu ihnen: Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hinlegten.

7 Geht aber hin und sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er vor euch hingehen wird nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat.

8 Und sie gingen hinaus und flohen von dem Grab; denn Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen. Und sie sagten niemandem etwas; denn sie fürchteten sich.

Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. Halleluja. „Halleluja, Halleluja, Halleluja!“

Glaubensbekenntnis

Wir singen aus dem Lied 114 die Strophen 1, 5, 8 und 9:

1. Wach auf, mein Herz, die Nacht ist hin, die Sonn ist aufgegangen. Ermuntre deinen Geist und Sinn, den Heiland zu umfangen, der heute durch des Todes Tür gebrochen aus dem Grab herfür der ganzen Welt zur Wonne.

5. Geh mit Maria Magdalen und Salome zum Grabe, die früh dahin aus Liebe gehen mit ihrer Salbungsgabe, so wirst du sehn, dass Jesus Christ vom Tod heut auferstanden ist und nicht im Grab zu finden.

8. Scheu weder Teufel, Welt noch Tod noch gar der Hölle Rachen. Dein Jesus lebt, es hat kein Not, er ist noch bei den Schwachen und den Geringen in der Welt als ein gekrönter Siegesheld; drum wirst du überwinden.

9. Ach mein Herr Jesu, der du bist vom Tode auferstanden, rett uns aus Satans Macht und List und aus des Todes Banden, dass wir zusammen insgemein zum neuen Leben gehen ein, das du uns hast erworben.

Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Liebe Gemeinde!

Was ist am Ostermorgen geschehen, dass Jüngerinnen und Jünger an die Auferstehung Jesu glauben konnten?

Wie geheimnisvoll das ist, was am Ostermorgen geschieht, ist schon daran zu erkennen, dass die vier Evangelisten sich nicht einig sind, wie viele und welche Frauen denn nun eigentlich das leere Grab Jesu entdecken. Matthäus spricht von Maria Magdalena und der anderen Maria. Lukas erwähnt außer den beiden Marien noch Johanna, Markus nennt den Namen Salome. Johannes erzählt nur von einer Frau, nämlich der Maria, die aus dem Dorf Magdala stammt.

Die Markuserzählung haben wir in der Schriftlesung gehört, in der Predigt hören wir die Ostergeschichte, wie sie im Johannesevangelium steht. Sie konzentriert sich auf die eine Frau Maria in ihrer Trauer und Verzweiflung nach dem Tod Jesu, so wie am Abend des gleichen Tages der eine Mann Thomas mit seinen Zweifeln in den Mittelpunkt rückt. Allerdings werden wir sehen, wie in der Geschichte der Maria zwei Männer eine eigenartige Nebenrolle spielen.

Frau Burk liest den Text in Johannes 20, 1-18, und lege ihn Vers für Vers aus:

1 Am ersten Tag der Woche kommt Maria von Magdala früh, als es noch finster war, zum Grab und sieht, dass der Stein vom Grab weg war.

Mir fällt auf, dass Johannes nicht von der Auferstehung „am dritten Tage“ spricht. Er zählt nicht die Tage seit der Kreuzigung, sondern er beginnt seine Ostererzählung mit der Formulierung: Am „Tag Eins“ der Woche. Genau so fängt am Anfang der Bibel die Schöpfung an, als Gott das Licht erschafft: „Es ward Abend, und es ward Morgen: jom ächadhemera mia – Tag Eins.“ Johannes stellt diesen Zusammenhang bewusst her. Für ihn ist der Ostermorgen der Beginn einer neuen Schöpfung.

Aber Maria merkt davon noch nichts, denn es ist noch finster, gerade so wie vor dem ersten Schöpferwort Gottes (1. Buch Mose – Genesis 1, 2):

„Die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser.“

Chaosfluten, Bosheit, Todesmächte treiben auch inmitten der guten Schöpfung Gottes noch ihr Unwesen, sie haben sogar den Sohn Gottes ins Grab gebracht. Noch sieht Maria nichts davon, dass Gott an diesem Tag Eins der Woche nach der Grablegung des Gottessohnes ein neues mächtiges Schöpferwort gesprochen hat. Sie sieht nur, dass der Stein weg ist, der das Grab verschlossen hat, und das versetzt sie nicht etwa in Freude, sondern in helle Aufregung.

2 Da läuft sie und kommt zu Simon Petrus und zu dem andern Jünger, den Jesus lieb hatte, und spricht zu ihnen: Sie haben den Herrn weggenommen aus dem Grab, und wir wissen nicht, wo sie ihn hingelegt haben.

Aus der Tatsache, dass der Stein vor dem Grab weg ist, zieht Maria den Schluss: Jemand muss den Leichnam Jesu weggenommen haben. Jemand, der nicht einmal zulassen will, dass sie einen Ort zum Trauern hat. Hatte die römische Besatzungsmacht Angst davor, dass Jesu Grab als Kultstätte für Aufständische dienen könnte?

Maria macht sich auf den Weg, so schnell sie kann, und alarmiert die beiden für das Johannesevangelium wichtigsten Jünger: Petrus und den anderen, den Lieblingsjünger, den Johannes nie mit Namen nennt.

3 Da ging Petrus und der andere Jünger hinaus, und sie kamen zum Grab.

4 Es liefen aber die zwei miteinander, und der andere Jünger lief voraus, schneller als Petrus, und kam zuerst zum Grab,

5 schaut hinein und sieht die Leinentücher liegen; er ging aber nicht hinein.

Für eine Weile verschwindet Maria aus dem Erzählfaden. Um eine Männersache geht es: Johannes erzählt von einem Wettrennen. Petrus ist langsamer als der andere Jünger, aber der scheint eine Scheu davor zu haben, in das offene Grab hineinzugehen.

6 Da kam Simon Petrus ihm nach und ging in das Grab hinein und sieht die Leinentücher liegen,

7 aber das Schweißtuch, das Jesus um das Haupt gebunden war, nicht bei den Leinentüchern liegen, sondern daneben, zusammengewickelt an einem besonderen Ort.

8 Da ging auch der andere Jünger hinein, der zuerst zum Grab gekommen war, und sah und glaubte.

9 Denn sie verstanden die Schrift noch nicht, dass er von den Toten auferstehen müsste.

10 Da gingen die Jünger wieder heim.

Johannes wird mit der Erwähnung der beiden Jünger auf die Haltung verschiedener Gruppierungen seiner eigenen Zeit anspielen: da gibt es Judenchristen wie Petrus, der im Grab genaue Beobachtungen anstellt und daraus Schlüsse zieht. Und da gibt es Heidenchristen wie den anderen Jünger, der sich nicht „vordrängelt“, obwohl er schneller gelaufen ist; auch er „sah und glaubte“. Will Johannes sagen: Beim Wetteifern im Glauben darf es keine Gewinner und keine Verlierer geben? Im übrigen verstehen beide bis jetzt noch nicht die Bedeutung der Auferstehung Jesu von den Toten nach der heiligen Schrift der Juden. Am Ende gehen beide Jünger nach Hause. Sie lassen Maria allein zurück. Der Kummer der Frau ist ihnen schon die ganze Zeit unwichtig gewesen. Erstaunlich: immerhin rückt der Evangelist Maria nun doch wieder in den Mittelpunkt:

11 Maria aber stand draußen vor dem Grab und weinte. Als sie nun weinte, schaute sie in das Grab

12 und sieht zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, einen zu Häupten und den andern zu den Füßen, wo sie den Leichnam Jesu hingelegt hatten.

Ganz anders wird hier der Blick der Frau ins Grab im Unterschied zum Blick der eben erwähnten Männer geschildert. Die Männer haben Tücher gesehen, Leinentücher, Schweißtuch, Gegenstände eben. Die Frau weint, lässt ihren Gefühlen freien Lauf, und sie sieht nicht Gegenstände, sondern lebendige Wesen, zwei Engel. Wo Jesu Leichnam gelegen hat, da sitzen sie am Kopf- und Fußende, als hielten sie für ihn die Totenwache.

13 Und die sprachen zu ihr: Frau, was weinst du? Sie spricht zu ihnen: Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben.

Die Engel interessieren sich für den Schmerz der Maria. Und sie wiederholt ihnen gegenüber ihre Klage. Sie will einen Ort für ihre Trauer, sie will wissen, wo man Jesus hingelegt hat.

14 Und als sie das sagte, wandte sie sich um und sieht Jesus stehen und weiß nicht, dass es Jesus ist.

Diesmal ist es die Frau, die eine weitere Antwort der Engel gar nicht abwartet, als ob sie in ihrem Schmerz überhaupt keinen Trost zu erwarten wagt. Sie wendet sich weg vom Grab, wohl um sich in ihrer Trauer zu verkriechen. Aber da sieht sie eine Gestalt im Weg stehen. Und Maria merkt immer noch nicht, was für ein Morgen das ist. Ihr von Tränen verschleierter Blick nimmt nicht wahr, welche Tat Gott an diesem Ostermorgen vollbracht hat. Sie erkennt Jesus nicht, obwohl er direkt vor ihr steht.

15 Spricht Jesus zu ihr: Frau, was weinst du? Wen suchst du? Sie meint, es sei der Gärtner, und spricht zu ihm: Herr, hast du ihn weggetragen, so sage mir, wo du ihn hingelegt hast; dann will ich ihn holen.

Zum dritten Mal wiederholt Maria ihre Klage über den verschwundenen Leichnam des Mannes, den sie über alles geliebt hat. Es ist, als wolle Johannes überdeutlich machen, wie wenig wir Menschen damit rechnen, dass der Tod überwindbar sein könnte. Maria klammert sich mit Händen und Füßen an das bisschen Trost, das sie sich erhofft, wenn sie den toten Körper ihres Freundes und Lehrers salben und einbalsamieren und in Ehren bestatten kann.

16 Spricht Jesus zu ihr: Maria! Da wandte sie sich um und spricht zu ihm auf hebräisch: Rabbuni!, das heißt: Meister!

Direkt spricht Jesus Maria nun mit Namen an. Hier ist er der Gute Hirte, der die Seinen kennt, und an dieser Stimme erkennt nun Maria auch ihren Herrn. Sie wendet sich um, so erzählt Johannes zum zweiten Mal, wendet sich also jetzt erst richtig Jesus zu, blickt ihm in die Augen, erkennt ihn mit ihrem Herzen und redet ihn in der Sprache der Bibel auf Hebräisch als ihren Rabbi an, ihren Lehrmeister in der Auslegung der Tora und im Vertrauen auf Gott.

17 Spricht Jesus zu ihr: Rühre mich nicht an! denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater.

Was Jesus am gleichen Abend dem Thomas gestattet, das erlaubt er der Maria nicht: ihn anzufassen. Wie Jesus dort auf den Zweifler individuell eingeht, so kümmert sich Jesus hier individuell um die besondere Not der Maria. Ihr großer trauriger Herzenswunsch ist es doch, seinen Leichnam zu finden und festzuhalten. Und Jesus hilft ihr, diesen zwanghaften Gedanken und damit die Trauer selbst loszulassen. „Rühr mich nicht an, klammere dich nicht an meinen Körper, weder an meinen toten Körper noch an die Vision, die du jetzt erblickst, oder an meinen Astralleib, wie es manche nennen würden.“

Aber wenn Maria Jesus mit ihren leiblichen Händen nicht anfassen darf, wieso kann sie ihn dann mit ihren leiblichen Augen sehen? Offenbar will Johannes klarstellen: Gott schauen, den auferstandenen Herrn sehen, das ist kein normales, alltägliches Sehen. Sonst hätte Maria Jesus ja sofort erkennen müssen. Hätte es damals schon Fotokameras gegeben, Maria hätte kein Foto von Jesus aufnehmen und für die Nachwelt aufbewahren können. Nein, sie sieht den Herrn erst wirklich, als sie seine Stimme hört. Sie erlebt eine wunderbare Begegnung mit Jesus, ähnlich wie der Prophet Jesaja, der in einer Vision Gott auf seinem Thron erblickt. Wie Johannes das schildert, klingt es so, als ob Maria einem Geist begegnet: Jesus ist in einer Art Zwischenwelt, bevor er zum Vater in den Himmel hinaufsteigt; jedenfalls kann sie Jesus nicht in die Arme schließen und ihn hier behalten auf der Erde.

Stattdessen bekommt sie von Jesus persönlich einen Auftrag und eine Botschaft:

Geh aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.

Sie, die Frau, wird zu den Männern geschickt. Zu denen war sie ja schon einmal gelaufen, vorhin aber in zielloser Panik. Jetzt hat ihr Weg ein klares Ziel. Jetzt sollen die Brüder ihr, der Schwester, zuhören. Offenbar kommt es Johannes, der ja den Wettlauf von Petrus und dem Lieblingsjünger so ausführlich geschildert hat, darauf an, dass es im Streit christlicher Gruppen untereinander nicht darum gehen darf, wer sich am Ende mit Macht durchsetzt und so Recht behält. Damals in der Auseinandersetzung zwischen Judenchristen und Heidenchristen, heute im Streit zwischen Liberalen und Evangelikalen, zwischen Konservativen und Progressiven darf nicht der Auferstandene selbst überhört werden. Und was sagt der Auferstandene durch seine Apostelin und Missionarin Maria Magdalena allen Christen über alle Grenzen hinweg? Er sagt: Der Vater, zu dem ich hinaufsteige, ist auch euer Vater, das heißt, ihr seid nicht Konkurrenten, sondern Geschwister! Er sagt: Der Gott, in dessen Welt ich hinübergehe, ist nicht nur mein Gott, sondern auch euer Gott, ihr seid Gotteskinder! Wenn ihr das begreift und beherzigt und danach lebt, könnt ihr alle Streitigkeiten begraben sein lassen und getrost gemeinsam in der Nachfolge des Herrn leben.

18 Maria von Magdala geht und verkündigt den Jüngern: Ich habe den Herrn gesehen, und das hat er zu mir gesagt.

Die von Trauer gebeugte Maria ist von Jesus nicht nur persönlich getröstet und aufgerichtet worden, sie hat auch Selbstbewusstsein gewonnen. Sie wagt es, in einer von Männern beherrschten Gesellschaft als Predigerin aufzutreten. Ihre Verkündigung fasst sie in einem Satz zusammen: „Ich habe den Herrn gesehen“, und was sie gesehen hat, das vermittelt sie den anderen, indem sie davon erzählt, was er zu ihr gesprochen hat.

So beginnt für Maria aus Magdala der Tag Eins der neuen Schöpfung. Sie ist verwandelt worden, ist eine neue Frau geworden. Auferstehung bedeutet: Selber zu neuem Leben finden. „Den Herrn sehen“ bedeutet: sich selber neu erkennen, neu sehen, neu finden im Vertrauen zum Herrn.

Was Maria getan hat, versuche ich ihr in dieser Predigt nachzumachen. Auch ich sehe Jesus als Sohn Gottes, als den Lebendigen, indem ich auf seine Stimme höre, indem ich weitersage, was Maria den Männern verkündigt hat und was mir die Bibel unter anderem durch sie weitergesagt hat. Sie darf Jesus nicht anfassen, und auch wir stehen mit leeren Händen vor dem unsichtbaren Gott und dem unfassbaren Auferstandenen, der uns dennoch unsichtbar mit seinen Händen führt und leitet und uns die Hände mit seinem Segen füllt. Amen.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben. Amen.

Wir singen das Lied 382:

Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr

Im Abendmahl ist der lebendige Christus unter uns, der Sohn des Vaters im Himmel. Durch ihn sind auch wir Kinder des himmlischen Vaters. Durch ihn sind wir eine Gemeinschaft von Geschwistern, ob uns das nun gefällt oder nicht.

Gott, lass uns nicht um uns selber kreisen in Verzagtheit oder Übermut, in Egoismus oder Gleichgültigkeit. In der Stille bringen wir vor dich, was unsere Seele belastet:

Beichtstille

Wollt Ihr euch verwandeln lassen durch Gottes Vergebung und die Hoffnung auf die Auferstehung der Toten? Dann sagt laut oder leise oder auch still im Herzen: Ja!

Auf euer aufrichtiges Bekenntnis spreche ich euch die Vergebung eurer Sünden zu – im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Der Herr sei mit euch. „Und mit deinem Geiste.“

Erhebet eure Herzen! „Wir erheben sie zum Herren.“

Lasset uns Dank sagen dem Herrn, unserem Gott. „Das ist würdig und recht.“

Würdig und recht ist es, an die Auferstehung am Tag Eins der neuen Schöpfung zu glauben, an die Möglichkeit unserer Verwandlung zum Guten und an ein ewiges Leben, das hier durch deinen Geist der Liebe beginnt und dort im Himmel vollendet sein wird. Zu dir rufen wir und preisen dich, Heiliger Gott:

Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth; alle Lande sind seiner Ehre voll. Hosianna in der Höhe. Gelobet sei, der da kommt im Namen des Herrn. Hosianna in der Höhe.

Vater unser und Abendmahl

Gott, Vater Jesu Christi und unser Vater, lass uns dich schauen im Vertrauen auf deine Liebe, im Loslassen von Vorurteilen und Hass, von Angewohnheiten und zwanghaften Gedanken. Lass uns dich schauen, indem wir Jesu Worte hören und uns das Bild seines Lebens und Leidens, das Bild seines Todes und seiner Auferstehung vor Augen stellen. Lass uns dich schauen, indem wir uns Menschen der Bibel zum Vorbild nehmen: Maria Magdalena und Thomas, Petrus und den Lieblingsjünger. Lass uns dich schauen, indem wir heute aufeinander zugehen und aufeinander hören: auf die Zweifel und den Glauben der Nachbarin oder des Arbeitskollegen, auf das, was der Mensch mir zu sagen hat, der mit mir zur Paulusgemeinde geht.

Gott, Vater im Himmel, nimm uns mit hinein in deine neue Schöpfung, die am Ostermorgen mit dem Tag Eins der neuen Schöpfung begonnen hat. Lass uns im Glauben vorankommen Schritt für Schritt, unser Leben hindurch, bis wir vollendet werden in deinem Reich, wenn es an der Zeit ist. Verwandle uns schon hier auf Erden durch den lebendigen Glauben an die Auferstehung deines Sohnes. Amen.

Wir singen das Lied 99:

Christ ist erstanden von der Marter alle; des solln wir alle froh sein, Christ will unser Trost sein. Kyrieleis.

Wär er nicht erstanden, so wär die Welt vergangen; seit dass er erstanden ist, so lobn wir den Vater Jesu Christ‘.

Kyrieleis. Halleluja, Halleluja, Halleluja! Des solln wir alle froh sein, Christ will unser Trost sein. Kyrieleis.

Abkündigungen

Geht mit Gottes Segen in das Osterfest:

Der Herr segne euch und behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

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