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Die Wortüberlieferung Jesu im exegetisch-theologischen Meinungsstreit

Eine Arbeit zum Neutestamentlichen Hauptseminar „Soziale Fragen im Urchristentum und in der Spätantike“ von Herrn Professor Dr. H. Balz im Wintersemester 1975/76 an der Ruhr-Universität Bochum, eingereicht von Helmut Schütz am 31. März 1976, zum ersten Mal auf der Bibelwelt im alten Layout veröffentlicht im April 2010.

Der Schriftzug Jesus im Fischsymbol
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Inhalt

Literaturverzeichnis

1 Zur Vergleichbarkeit der Ansätze von Schulz und Theißen

2 Die Trägerschaft der Wortüberlieferung bei Schulz u. Theißen

2.1 Die These von Schulz: Q-Gemeinden

2.1.1 Die ältere Q-Gemeinde

2.1.2 Die jüngere Q-Gemeinde

2.2 Die These von Theißen: Wandercharismatiker

3 Die Interessen der beiden Exegeten

3.1 Gemeinsames Interesse: Ethischer Radikalismus

3.2 Gegensätzliches Theologieverständnis: Evangelium oder Gesetz

3.2.1 „Evangelische“ Hermeneutik Theißens

3.2.2 „Gesetzliche“ Hermeneutik von Schulz

3.3 Verdachtsmomente gegenüber legitimatorischer Exegese

4 Die methodischen Ansätze von Schulz und Theißen

4.1 Ideengeschichtlicher Ansatz bei Schulz

4.2 Literatursoziologischer Ansatz bei Theißen

5 Zur historischen Lokalisierung der Wortüberlieferung: Wandercharismatiker und sympathisierende Kleingemeinden

5.1 Wanderradikalismus

5.2 Die Aussendungsrede

5.2.1 Die beiden Grundversionen der Aussendungsrede

5.2.1.1 Der Q-Bericht

5.2.1.2 Der Markus-Bericht

5.2.2 Die Verschmelzung alter Überlieferung in beide Versionen

5.2.3 Die apophthegmatische Formulierung der Aussendungsrede

5.3 Sympathisantengruppen

6 Theologische Schlussfolgerung: Radikalismus ist kein Rigorismus

6.1 Naherwartung und situationsgebundene Ethik

6.2 Bedeutung der Tora

Anmerkungen

Bemerkungen des Gutachters

Gutachten von Prof. Dr. H. Balz

Literaturverzeichnis

A. Literatur, auf die durchgehend verwiesen wird:

Schulz (Q): Siegfried Schulz, Q. Die Spruchquelle der Evangelisten, Zürich, 1972

Schulz (E): Siegfried Schulz, Evangelium und Welt, Hauptprobleme einer Ethik des Neuen Testaments, in: Festschrift für Herbert Braun von Betz und Schottroff, Tübingen, 1973, S. 483-501

Theißen (W): Gerd Theißen, Wanderradikalismus. Literatursoziologische Aspekte der Überlieferung von Worten Jesu im Urchristentum, in: Zeitschrift für Theologie und Kirche 70, 1973, S. 245-271

Theißen (L): Gerd Theißen, Legitimation und Lebensunterhalt. Ein Beitrag zur Soziologie urchristlicher Missionare, in: New Testament Studies 21, 1975, S. 232-272

B. Literatur, die gelegentlich zusätzlich zitiert wird:

Hans Conzelmann, Geschichte des Urchristentums, Göttingen, 2. Auflage 1971

Joachim Jeremias, Das Problem des historischen Jesus, Stuttgart, 5. Auflage 1966

Manfred Josuttis, Gesetzlichkeit in der Predigt der Gegenwart, München, 1966

Ulrich Luz, Die wiederentdeckte Logienquelle, in: Evangelische Theologie 33, 1973, S. 527-533

Gerd Petzke, Exegese und Praxis. Die Funktion der neutestamentlichen Exegese in einer christlichen oder nachchristlichen Gesellschaft, in: Theologia Practica, X. Jahrgang, 1975, S. 2-19

Albert Schweitzer, Geschichte der Leben-Jesu-Forschung, Hamburg, 2. Auflage 1972 (Siebenstern-Taschenbuch 77-80)

Karl Barth, Kirchliche Dogmatik, Band III/2, Zollikon-Zürich, 1948

1 Zur Vergleichbarkeit der Ansätze von Schulz und Theißen

Siegfried Schulz und Gerd Theißen haben Ansätze zur Interpretation der Wortüberlieferung Jesu vorgelegt, die in charakteristischer Weise unterschieden sind. Ich beziehe mich auf die Arbeiten von Schulz, „Q“ sowie „Evangelium und Welt“ und von Theißen, „Wanderradikalismus“ sowie „Legitimation und Lebensunterhalt“ (1).

Auf den ersten Blick scheinen die Interpretationsversuche inkommensurabel zu sein. Schulz versucht, der Traditionsbildung in bestimmten Gemeinden auf die Spur zu kommen, deren Endprodukt sich im Neuen Testament literarisch niedergeschlagen hat, und beschränkt sich im vorliegenden Fall auf die Texte, die er als zur – fast ausschließlich Logien überliefernden – Quelle Q zugehörig erschließt (2), während für Theißen alle Jesuslogien des Neuen Testaments, ja noch der Didache, Material darstellen, um nach einer Trägerschaft Rückfragen zu stellen, die noch vor der literarischen bzw. unmittelbar vorliterarischen Traditionsbildung in Gemeinden zu suchen ist (3). Theißen macht somit den Versuch, die Kontinuität der Überlieferer mit der Jesusbewegung selbst herzustellen, also weit in die Zeit der mündlichen Überlieferung zurückzufragen (4). Dagegen geht Schulz von der Erkenntnis einer Anzahl verschiedener, nicht miteinander harmonisierbarer Strömungen im Urchristentum aus (5), deren Zusammenhang mit Jesus nicht völlig geklärt werden kann (6); die Frage nach Jesus ist für ihn spekulativ und auch ohne Bedeutung: „Am Anfang des Urchristentums steht… nicht… die Verkündigung des historischen Jesus“ (7); „in der Analyse von Schulz spielt der historische Jesus als Autor von Worten überhaupt keine Rolle“ (8). Schulz scheint also die Frage Theißens, ob es eine Möglichkeit gibt, auf Jesusworte bzw. Überlieferungen der ersten Jesusbewegung zurückzuschließen, d. h. den urchristlichen „Pluralismus“ (9) mittels eines Kriteriums zu sichten und auf den gemeinsamen Ausgangspunkt zurückzuverfolgen, eindeutig zu verneinen, ja nicht einmal die Frage zu stellen, und damit ein völlig anderes Thema als Theißen zu behandeln.

Dennoch sind beide Ansätze vergleichbar. Schulz berührt sich mit Theißens Fragestellung, allerdings in inhaltlichem Kontrast, indem er die von ihm ermittelten Träger der Q-Überlieferungen als „das älteste Judenchristentum Palästinas“ bezeichnet (10) und von dort aus – wenn auch sehr beiläufig – auf den historischen Jesus zurückschließt, den er inhaltlich im Sinne seiner Q-Interpretation versteht (11). Damit stehen beide Ansätze nicht nur zusammenhanglos nebeneinander, sondern sie schließen sich gegenseitig inhaltlich aus.

2 Die Trägerschaft der Wortüberlieferung bei Schulz und Theißen

Das Resultat der Überlegungen beider Autoren sei nun kurz skizziert, ohne an dieser Stelle schon auf die dabei verwendeten Methoden einzugehen.

2.1 Die These von Schulz: Q-Gemeinden

Nach Schulz geht die Quelle Q auf einen Traditionsprozess zurück, der in Gemeinden des „palästinensisch-transjordanischen Grenzraum(s)“ (12) begonnen hat und in zwei voneinander abgrenzbaren Schritten vor sich gegangen ist.

2.1.1 Die ältere Q-Gemeinde

„Am Anfang des Urchristentums steht der prophetisch-apokalyptische Enthusiasmus“ (13); die erste Phase der Traditionsbildung spielt sich in Gemeinden ab, die sich von der jerusalemisch-hebräischen Gemeinde zwar nicht in ihrer apokalyptischen Naherwartung und ihrem Festhalten an der mosaischen Tora unterscheiden, wohl aber in ihrer Gemeindeordnung. Es sind „von Propheten geleitete Gemeinden“ (14), deren „apokalyptische(r) Enthusiasmus durch Ostern (ausgelöst wurde), dh durch die Glaubensgewissheit dieser Propheten, dass der Nazarener nicht im Tode geblieben, sondern zu Gott erhöht sei und jetzt den endzeitlichen Geist gesandt habe“ (15). Die Propheten der Q-Gemeinde bilden Logien als Worte des erhöht-gegenwärtigen Menschensohns Jesus (16); sie leben in unmittelbarer Naherwartung, indem sie sich an die in ihrer Radikalität verschärfte Tora halten (17). Situationsbedingt ist die Verkündigung der Q-Gemeinde, weil sie einerseits an die apokalyptische Naherwartung gebunden ist, andererseits an die Mose-Tora, die „radikalisiert, nicht aber bewusst gesprengt“ wird (18). Die älteste Q-Gemeinde ist eine „Sondergemeinschaft im Religionsverband Israels“ (19).

2.1.2 Die jüngere Q-Gemeinde

In der Folgezeit führen Veränderungen der Situation zur Veränderung des Kerygma. Es enthält nun nicht mehr nur „prophetisch-enthusiastische(s) Spruchgut“, sondern auch „zB die Geschichtserzählung, zahlreiche Apophthegmata, apokalyptische Worte und sogar eine Apokalypse, Gleichnisse und mehrere Parabeln und schließlich ‚Ich-Worte‛, die auf die abgeschlossene Wirksamkeit des irdischen Jesus zurückblicken“ (20). Die Situation ist dadurch gekennzeichnet, dass der prophetische Enthusiasmus nachlässt, die Parusie nicht so schnell eintritt, wie man erwartet hat, und die inzwischen entstandenen Markus-Stoffe auf Q zurückwirken (21). Dies alles führt zum „kerygmatische(n) Rückgriff auf Worte und Taten des irdischen Jesus“ (22), aber in polemischer Wendung gegen die vormarkinische (*A*) „Wundermann-Christologie“ (23) und ohne Erwähnung einer Passion Jesu. Stattdessen wird der irdische Jesus als Gesandter der „himmlischen Sophia“ gesehen, der von ihr die Heilsmittlerschaft übertragen bekommt. Sein gewaltsamer Tod wird im Sinne der „deuteronomistischen Aussage vom gewaltsamen Geschick der Propheten“ gedeutet, nicht als Sühnetod; im Gegensatz zu den alttestamentlichen Propheten wird er aber „zu Gott als der verborgene Menschensohn erhöht“, um in Kürze mit der Sophia die apokalyptische Herrschaft anzutreten (24). Trotz der Parusieverzögerung wird also an der Naherwartung festgehalten.

Angesichts der Verfolgungen durch die Synagoge (25) ist die Gemeinde nicht mehr im jüdischen Religionsverband integriert. Sie treibt Mission in Israel, um dem „ganzen Gottesvolk“ vor dem apokalyptischen Ende die letzte Möglichkeit der Umkehr zu verkündigen und es dem heiligen Rest der Q-Gemeinde anzuschließen (26). Obwohl im Rahmen der Mission gerade den „Zöllnern und Sündern“ als „Verirrten“ der Ruf zur „Umkehr und Bekehrung“ gilt (27), wird die Tora nicht grundsätzlich aufgegeben; „sie ist mit ihrem ganzen theologischen Schwergewicht unverändert übernommen und weitertradiert worden“ (28); allerdings werden von der radikalen Nächstenliebe her einzelne Gebote aufgehoben.

Diese jüngere Traditionsschicht wird von Schulz als „hellenistisch-judenchristlich“ bezeichnet und in Syrien lokalisiert (29). Die heidenchristliche Endredaktion der Q-Quelle interessiert ihn in seinem Zusammenhang nicht.

2.2 Die These von Theißen: Wandercharismatiker

Theißen findet die ursprünglichen Träger der Wortüberlieferung nicht in einer Gemeinde, sondern in einer Wanderbewegung: „heimatlos vagabundierende Propagandisten ohne Erwerb und Wohnsitz“ (30). Sie praktizieren, was sie lehren, nämlich Bindungslosigkeit an Wohnsitz, Familie und Besitz, und zwar über Jahrzehnte hin (31). Nur so ist die mündliche Überlieferung von Jesusworten zu erklären, die in einer gemeindlichen Situation schlechterdings nicht zu praktizieren sind (32). Die „Wanderradikalen“ können als Überlieferer authentischer Jesusworte angesehen werden, weil sie in einer soziologischen Kontinuität mit Jesus stehen: „Jesus war der erste Wandercharismatiker“ (33) und weil sie existentiell mit ihnen übereinstimmen. Zwar bilden auch sie, die sich als Stellvertreter Jesu verstehen, eigene Logien und verändern ihr Verhalten entsprechend situativen Veränderungen, doch ist die Veränderung innerhalb dieser Bewegung nicht so schwerwiegend wie der Übergang von einer Wanderbewegung zu ortsansässigen Gemeinden (34). Theißens These schließt ein, dass die Wandercharismatiker noch bis lange nach der Zeit der Entstehung der Gemeinden existiert und die Gemeinden mit Jesusüberlieferungen versorgt haben (35).

3 Die Interessen der beiden Exegeten (35a)

Nach der Vorstellung der Thesen möchte ich eine allgemeine Überlegung einschieben. Wo so unterschiedliche Forschungsergebnisse erzielt werden, legt sich der Schluss nahe, dass bestimmte Interessen der Exegeten bei der Wahl dieser oder jener Auslegung bestimmend sein könnten. Die Gefahr, Wahrscheinlichkeiten oder Vermutungen als wissenschaftliche Wahrheiten erscheinen zu lassen, die dann zur Legitimation gegenwärtiger christlicher Theorie und Praxis herangezogen werden können, ist um so größer, als die Quellen eindeutige Aussagen historischer Art über die Zeit der ersten Hälfte des ersten Jahrhunderts in Palästina kaum zulassen. Angesichts des berechtigten Interesses jedoch, das Geschäft der Exegese auf gegenwärtige Probleme hin zu betreiben, kann aus dem Dilemma der schlechten Quellenlage, was historische Sicherheiten anbelangt, nicht mit dem Rückzug auf ein vermeintlich objektives Wissenschaftsverständnis begegnet werden, das die Ausschaltung der subjektiven Interessen aus der Exegese anstrebt, sondern gerade mit der Reflexion des Zusammenhangs zwischen dem immer vorhandenen Interesse des Exegeten und der Aussage des Textes. Ich möchte daher im folgenden auf die Interessen von Schulz und Theißen zu sprechen kommen, und zwar im Zusammenhang der ethischen und dogmatischen Schlussfolgerungen aus ihrer Beschäftigung mit der Wortüberlieferung.

3.1 Gemeinsames Interesse: Ethischer Radikalismus

Schulz und Theißen sind sich einig im Interesse an der radikalen Ethik, die sie in der Wortüberlieferung Jesu finden. Schulz sieht als bewiesen an, „dass die älteste Q-Gemeinde schon damals die Welt nicht bloß anders interpretiert, sondern sich zum Anwalt ihrer Veränderung im Hinblick auf Freiheit, Gerechtigkeit, Frieden und Emanzipation gemacht hat. Veränderung hier verstanden als Konzentration des Glaubens auf den ursprünglichen Gotteswillen, ganz in Liebe für den anderen Menschen… da zu sein“ (36). Für die gesamte Q-Tradition gilt „der sachlichen, eigentlichen und besten Intention“ nach, dass „alle Christen, alle Menschen die Verantwortung für den Menschen als Nächsten zu übernehmen (haben), einschließlich revolutionärer Konsequenzen“ (37) (*B*). Bei Theißen findet man zwar keine Formulierungen, die derart schnell und unvermittelt vom Text in die Gegenwart springen, doch ist auch bei ihm ein Interesse zu erkennen, den „urchristlichen Radikalismus“ gegenüber einer durch Gewalttätigkeit korrumpierten Kirche geltend zu machen (38).

3.2 Gegensätzliches Theologieverständnis: Evangelium oder Gesetz

Die Gemeinsamkeit der Autoren zerbricht aber sogleich, wenn nach dem zentralen theologischen Anliegen gefragt wird. Das mag im Hinblick auf heute anstehende Probleme für unwichtig gehalten werden, da ja in der gegenwärtigen kirchlichen und gesellschaftlichen Praxis gemeinsames Handeln nicht bis zur Angleichung unterschiedlicher theologischer Positionen aufgeschoben werden darf (39) (*C*); soll jedoch Theologie überhaupt einen Sinn haben, ist es notwendig, sich über die theologischen Unterschiede auch von Christen mit weitgehend gleicher Praxis klarzuwerden und sie in ihrem Stellenwert zu reflektieren (*D*).

3.2.1 „Evangelische“ Hermeneutik Theißens

Theißen geht unausgesprochen mit einer an Paulus und Luther geschulten Hermeneutik an die Wortüberlieferung Jesu heran (40), in der die Dialektik von Zorn und Gnade Gottes bzw. von Gesetz und Evangelium schon enthalten, wenn auch (noch) nicht theoretisch expliziert worden ist. (*E*) „Wie in den anderen Erneuerungsbewegungen“ des in der Krise befindlichen Judentums der Zeitenwende, der Pharisäer, Essener und Zeloten, liegt auch in der Täufer- und Jesusbewegung „eine Gesetzesverschärfung vor; aber sie führt nicht zur Verurteilung der anderen, sondern zum vernichtenden Urteil über alle und schafft so eine neue Solidarität: die Solidarität derer, die auf Gnade angewiesen sind“ (41). Obwohl die Tora, nicht grundsätzlich außer Kraft gesetzt wird, ist sie dadurch relativiert, dass sich die Jesusbewegung nicht an eine exklusive Gruppe von Menschen wendet, die die Tora zu erfüllen imstande sind, sondern gerade an die, die an den harten Forderungen der – pharisäisch ausgelegten – Tora gescheitert sind (42).

3.2.2 „Gesetzliche“ Hermeneutik von Schulz

Schulz konstatiert im Gegensatz zu Theißen einen „diametralen Gegensatz“ zwischen dem „enthusiastisch-apokalyptische(n) Kerygma der ältesten Q-Gemeinde“ und der „paulinischen Botschaft von der Rechtfertigung des Gottlosen allein aus Glauben“ (43). (*F*) Der Inhalt der Q-Traditionen, für die „der Nomos die Heilsgabe an Israel schlechthin“ ist und „ewige Gültigkeit“ hat, und der der Auffassung des Paulus zugrundeliegenden „gnostisierende(n) Gemeindetradition“ (44), für die das Gesetz mit Sünde und Tod auf die Seite der schlechthin zu verneinenden Welt gehört (45), ist nicht harmonisierbar. Paulus hätte in der Q-Gemeinde ein gesetzliches Christentum vorgefunden (46).

Schulz denkt diese gesetzliche Linie in die Gegenwart hinein weiter, indem er die oben genannten ethischen Forderungen als „theologische Impulse“ interpretiert, die „heute aufzunehmen und in den Horizont von Theologie, Kirche und Gesellschaft empirisch-kritisch einzubringen“ sind (47). Zur Legitimation seines gesetzlichen Verständnisses von Theologie versucht er nachzuweisen, dass auch die Q-Gemeinden, die „das älteste Judenchristentum Palästinas“ darstellen und zwei Dingen durch ihre ganze Entwicklung treu bleiben, nämlich „dem Eifer für die Mose-Tora und der sehnsüchtigen Erwartung des nahen Endes“ (48), Evangelium repräsentieren; er belegt diese Behauptung aber nur damit, dass das Urchristentum… keineswegs und in allen seinen Teilen vom Passionskerygma als dem Evangelium bestimmt“ gewesen sei (49). Die Brisanz dieses Ansatzes liegt allerdings gerade darin, dass die paulinisch-markinische Evangeliumsverkündigung, die bis heute teils formal die Kirche bestimmt, teils immer wieder kritische Impulse freigesetzt hat – so bei Luther, so bei Karl Barth – als Aufweichung der Toraverschärfung unter gnostisch-weltverneinenden Einflüssen verstanden wird (50).

In einem gewissen Widerspruch zum gesetzlichen Verständnis der Q-Gemeinde stehen die Aussagen von Schulz über die Bedeutung des Osterkerygma (51) und über die „präexistente, himmlische Sophia“als „eigentliche Heilsmittlerin“, deren Gesandter Jesus ist, welcher, mit göttlicher Vollmacht ausgerüstet, in seinen Worten und Taten bereits das Reich Gottes antizipiert (52), vor allem aber überhaupt die Hervorhebung der apokalyptischen Naherwartung, die doch in erster Linie ein Handeln Gottes und nicht der Menschen im Auge hat (53) (*G*). Schulz kann sogar formulieren, dass die älteste Q-Gemeinde schon, „als vom erhöht-gegenwärtigen Jesus berufene und erwählte Endzeitgemeinde…, …implizit den Rahmen einer eschatologischen Sekte innerhalb des Spätjudentums verlassen“ hat und dass in ihr „nicht ‚allgemeine religiöse oder moralische Wahrheiten‛ verkündet“ werden, sondern gesagt wird, „wie es sich mit der anbrechenden Basileia verhält, ‚dass nämlich Gott dem Menschen in Gnade und Forderung nahegekommen sei‛“ (54) – um dann doch die Bedeutung der Naherwartung ausschließlich in der dadurch verschärften ethischen Forderung, nicht in einer Dialektik von Verurteilung und gleichzeitigem Freispruch, der dann erst ethisches Handeln ermöglicht, zu sehen (55). So ist das „menschheitswendende Ereignis der Humanitas Jesu“ für die heutige Zeit ohne Rest, ohne Dialektik von göttlichem und menschlichem Handeln in menschlichen „Dienst am Leben“ zu übersetzen (56), lässt er „das Heilsgeschehen selbst in der Vergangenheit liegen.., und (übermittelt) der Gegenwart nur die ethischen Konsequenzen daraus“ (57).

3.3 Verdachtsmomente gegenüber legitimatorischer Exegese

Die historische These, die Schulz und Theißen aufgestellt haben, ist zumindest zu einem Teil eine Legitimation ihres jeweiligen theologischen Anliegens. Bevor nach ihrer Verifikation gefragt wird, soll noch einmal der Verdacht, es könne sich um bloße Legitimation ohne historisch erweisbaren Anhalt handeln, auf die Spitze getrieben werden.

Theißen steht wegen seines Bezugs auf die quellenleere Zeit der mündlichen Überlieferung auf den ersten Blick in der größeren Gefahr der Spekulation. Allzu verlockend ist für reformatorisch ausgerichtete Theologen die Herstellung einer Kontinuität zwischen Jesus und Paulus im zentralen theologischen Anliegen. Hier könnte sich nach dem Scheitern der Leben-Jesu-Forschung (58) und der Versuche, unmittelbar die „ipsissima vox Jesu“ zu vernehmen (59), ein neuer Anlauf anmelden, den wirklichen Jesus, oder sei es auch nur die Jesusbewegung, objektiv in den Griff zu bekommen bzw. ein Kriterium für das eigentlich Christliche wissenschaftlich zu erheben, um es für heutiges Christsein legitimatorisch oder gar normativ zu verwenden (60).

In seiner Beschränkung auf eine bestimmte Phase in der Entwicklung einer bestimmten Gemeinde, deren Tradition einigermaßen rekonstruierbar ist, scheint Schulz historisch redlicher vorzugehen. Bei seiner Legitimation eines gesetzlichen Verständnisses von Christentum legt er Wert darauf, dass er sich auf eine unter mehreren Traditionen bezieht (61), mit der in ein Gespräch zu treten sich heute besonders lohne. Es stellt sich aber die Frage, ob er diesen Ansatz durchhält. Er fragt zwar kaum nach dem Rückbezug der Q-Traditionen zum historischen Jesus, obwohl sich auch Q mit der Christologie des erhöht-gegenwärtigen Menschensohns von ihm her versteht, insistiert aber auf dem Alter der Q-Gemeinden und erklärt alle anderen Strömungen praktisch zu Weiterentwicklungen des Kerygma von Q (62) (*H*). So entsteht der Eindruck, dass er seinerseits gegenüber der Paulus-Luther-Barth-Tradition ein ursprünglicheres Christentum vorstellen will.

4 Die methodischen Ansätze von Schulz und Theißen

Im Zuge der Darstellung der methodischen Ansätze beider Autoren, die nun folgt, beginne ich mit einer wertenden Betrachtung, die von einer weitgehenden Übereinstimmung mit den Interessen Theißens ausgeht.

4.1 Ideengeschichtlicher Ansatz bei Schulz

Implizit wurde schon gesagt, dass Schulz traditionsgeschichtlich vorgeht, indem er die Entstehung und Veränderung einer bestimmten Tradition in den Q-Gemeinden verfolgt. Er setzt voraus, dass eine schriftliche Logienquelle existiert, und rekonstruiert sie mit Hilfe der Vokabelstatistik und der Zuweisung von Textdifferenzen an die Evangelienredaktoren (63). Ausgehend von unterschiedlichen Akzentuierungen im Stoff der Q-Quelle und mit Hilfe von traditionsgeschichtlichen Vergleichen – wobei insbesondere die jüdische Apokalyptik, Weisheit und deuteronomistische Theologie herangezogen werden – gelangt er zur Differenzierung der beiden Traditionsschichten, die aufeinander aufbauen und der Logienquelle zugrundeliegen (64).

Diese Traditionen weisen nun zwar eine geradezu „erschreckende Situationsbedingtheit“ (*) auf (65), die allerdings in nahezu rein ideengeschichtlichen Kategorien ausgedrückt wird. Damit will ich sagen, dass die hier angesprochene Situation selbst schon entweder Bestandteil des Kerygma ist, nämlich die apokalyptische Naherwartung bzw. später die Parusieverzögerung und auch die Bestimmtheit durch den erhöht-gegenwärtigen Herrn, oder aber Bestandteil des selbstverständlich übernommenen Normsystems, nämlich die Mose-Tora. Eine Bezugnahme auf reale Geschehnisse geschieht nur beiläufig, z. B. die Verfolgung der Q-Gemeinden durch die Juden. Ideengeschichtlich nenne ich diesen Ansatz insofern, als er bestimmten geistigen Bewegungen und ihren Manifestationen den nahezu ausschließlichen Einfluss auf den Fortgang der Geschichte einräumt und die Lebenswelt der geschichtlichen Menschen nicht einmal in den Blick zu bekommen versucht. (*I*)

Im Schlussteil der Abhandlung von Schulz, in dem er zusammenstellt, was heute noch von den Q-Texten zu lernen sei, bestätigt sich der Eindruck, dass er im Grunde nicht geschichtlich, sondern zeitlos-idealistisch denkt, trotz der unbestreitbar progressiven Intentionen. Indem der „apokalyptische Impuls“ der Logien umgesetzt wird in Protest gegen Inhumanität und Bemühung um mehr Humanität im Horizont der „von Menschen selbst geschaffenen Zukünfte“ (66), indem ethische Idealbegriffe wie Gerechtigkeit, Freiheit, Frieden, Menschlichkeit, Menschenwürde, Veränderung vor Hinweisen auf strukturelle Bedingungen der Gesellschaftsveränderung vorherrschen (67), ist deutlich die Einbahnstraße von der Idee zur Wirklichkeit in der Absicht ihrer Veränderung betreten, leider in solch gedanklicher Blässe und ohne jedes erkennbare systematische Ordnungsprinzip (*J*), dass man sich eine bessere Darstellung des „gesetzlichen“ Verständnisses von Christentum wünschen und vorstellen kann.

Der ideengeschichtlichen Fragestellung, die ja nicht von vornherein abzulehnen ist – außer in ihrer Absolutsetzung -, wird Schulz z. T. selbst nicht gerecht. Die Kriterien, mit deren Hilfe er die beiden Traditionsschichten voneinander abhebt, sind sehr schematisch und müssten eigentlich durch die Analyse erst erhoben werden, statt von vornherein vorausgesetzt werden zu können (68). Die These, am Anfang des Urchristentums habe eine von enthusiastischen Propheten geleitete Gruppe von Gemeinden gestanden, die nichts mit der Jerusalemer Urgemeinde zu tun gehabt habe, ist nichts weiter als ein Postulat (*K*), um dem Gedankengebäude von Schulz ein Fundament zu geben. Es spricht nicht mehr als eine Vermutung und der Mangel einer besseren Hypothese für die Existenz dieser Gemeinden, für die nach Theißen eine erhebliche Portion Weltfremdheit postuliert werden muss (69).

4.2 Literatursoziologischer Ansatz bei Theißen

Theißen ist einer der wenigen mir bekannten Theologen, die über die ideengeschichtliche Methode hinausfragen. Er nimmt die geschichtlich-gesellschaftliche Situation um die Zeitenwende, die Lebensumstände und den Lebensunterhalt der Logientradenten ausdrücklich in den Blick. Da er hinter die literarischen Quellen und vorliterarischen Großtraditionen zurückfragen will, verwendet er die Methoden der Formgeschichte. Ihre bisherige Ausprägung sieht Theißen lediglich als einen Teil einer literatursoziologischen Beschäftigung mit dem Neuen Testament an, den nämlich, der sich mit der Intention bestimmter mündlicher Überlieferungen, die in typischer Ausprägung, an bestimmte „Sitze im Leben“ gebunden, immer wiederkehren, befasst. Er selbst möchte umgekehrt auf die Bedingtheit der Überlieferungen eingehen, die von der Lebenswelt der Überlieferer ausgeht (70). Trotz seiner vorsichtigen Absicherung gegen den Vorwurf, er wolle die christliche Botschaft auf bestimmte gesellschaftliche Bedingungen reduzieren (71), möchte ich seinen Ansatz in bewusstem Hinausgehen über die traditionelle historisch-kritische Methode einen historisch-materialistischen nennen. Darunter verstehe ich eine Methode der Geschichtsbetrachtung, die ein dialektisches Wechselverhältnis von sozialer, politischer, ökonomischer Situation und entsprechendem Handeln, entsprechenden Ideen der Menschen annimmt und als Hintergrund der Entstehung von literarischen Dokumenten in Rechnung stellt. Der Mangel vieler marxistischer Versuche, die Entstehung des Christentums zu begreifen, liegt darin, diesem Ansatz nicht konsequent genug zu folgen und stattdessen in einen völlig undialektischen ökonomischen Determinismus (*L*), einen die Tatsache der schlechten Quellenlage überspielenden Dogmatismus – den man allerdings auch bei christlichen Autoren findet (72) – oder gar wieder einen Idealismus zu verfallen (73).

Theißens Analyse hat den Vorzug, an bestimmten Texten mit Hilfe der formgeschichtlichen Methoden konkrete geschichtliche Lebensbedingungen zu erschließen, die er dann im sozioökonomischen, sozioökologischen und soziokulturellen Kontext interpretiert (74). Von hier aus ergeben sich überraschende Einsichten über den Sinn vieler Jesusworte, die mühsam umzuinterpretieren versucht worden war (75). Ein weiterer Vorzug der Arbeit von Theißen ist, dass er die Tatsache, dass nur späte Quellen existieren, nicht ignoriert. So erhebt er nicht den Anspruch, dem historischen Jesus bestimmte Worte zuschreiben oder absprechen zu können, behauptet aber die Wahrscheinlichkeit einer Zuordnung bestimmter Teile (wenn nicht des größten Teils) der Wortüberlieferung zur Bewegung der Wanderradikalen, die mit Jesus – wieder aller Wahrscheinlichkeit nach – in historischer Kontinuität gestanden haben (76).

Schließlich versucht Theißen die Texte als Theologe zu interpretieren und ihre theologische Intention herauszubekommen (*M*). Es mag überraschend erscheinen, dass sich mit der materialistischen Methode eine paulinisch-lutherische theologische Hermeneutik verbinden kann. Hier wird aber lediglich deutlich, dass die Frage nach Gott historisch offen bleiben muss – was bei der materialistischen Fragestellung deutlicher ist als bei der ideengeschichtlichen, die man ja leichter mit der Frage nach Gott verwechseln kann. Ob die Jesusbewegung theologisch interpretiert werden kann – im Sinne der Feststellung: dort handelt Gott -, ist nicht historisch entscheidbar, sondern hängt vom eigenen Verständnis und Verhältnis zur Tradition (*N*) ab. Wie die Wahrheit jedes Textes nur im Gespräch zwischen dem Anliegen des Textes und dem Interesse des Lesers erkennbar ist, so ist die theologische Wahrheit nur erkennbar für den, dem sie sich als Offenbarung über sein eigenes Gottesverhältnis erschließt (*O*). Bedroht wird ein Glaube nur dann von der materialistischen Methode, sofern er sich an metaphysische Tatsachen, an geschichtlich zu sichernde Glaubensgrundlagen, an natürliche Theologie halten zu müssen meint. Betont sei auch, dass die historisch-materialistische Methode ihre Grenzen überschreitet, wenn sie ihrerseits ein quasi metaphysisches Sinngebungsschema absichern helfen soll. Insofern entlehne ich zwar den Begriff des Historischen Materialismus der marxistischen Philosophie, beschränke sie aber – wie z. B. auch Karl Barth (77) – auf ihren begrenzten, methodischen, geschichtsanalytischen Aspekt. In dieser Methode ist die ideengeschichtliche Fragestellung aufgehoben.

5 Zur historischen Lokalisierung der Wortüberlieferung: Wandercharismatiker und sympathisierende Kleingemeinden

Ich habe deutlich zu machen versucht, aus welchen methodischen Gründen mir grundsätzlich der Theißensche Ansatz weiterzuführen scheint als derjenige von Schulz. Das muss aber wenigstens an einigen Punkten inhaltlich ausgeführt und exegetisch konkretisiert werden.

5.1 Wanderradikalismus

Im Methodenabschnitt habe ich bereits angedeutet, dass ich Theißens These vom Wanderradikalismus einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit zubillige. Der formgeschichtliche Rückschluss von der Ethik auf die Praxis ergibt die plausible Erklärung des „Sitzes im Leben“ einer Reihe von Worten der Wortüberlieferung, der kein gesellschaftlich oder kirchlich etablierter Sitz ist, sondern die Randexistenz des heimatlosen Wanderpredigers (78). Die Parallele der Kyniker erweist, dass Wanderer nichts absolut Neues in der philosophisch-religiösen Zeitgenossenschaft darstellen (79). Die soziale Krise um die Zeitenwende ist schließlich eine Situation, die die Existenz von Entwurzelten ohnehin hervorbrachte (80). Die Regeln für Wandermissionare in den Aussendungsreden bestätigen die Existenz der Wanderradikalen und machen Aussagen über die Art ihres Lebensunterhalts (81).

5.2 Die Aussendungsrede

An diesem Punkt möchte ich exemplarisch die exegetischen Positionen von Schulz und Theißen miteinander vergleichen. Denn Schulz kommt gerade für die Aussendungsrede zum entgegengesetzten Schluss wie Theißen: die Aussendungsrede ist für ihn ein in sich geschlossenes, erst in der zweiten Phase der Q-Gemeinde entstandenes Gebilde zur Legitimation der Israelmission unter kerygmatischem Rückgriff auf den irdischen Jesus (82) (*P*)

5.2.1 Die beiden Grundversionen der Aussendungsrede

Die Aussendungsrede ist in zwei Ausformungen überliefert, die nicht literarisch voneinander abhängig sind und den beiden synoptischen Quellen, Markus und Q, zugehören bzw. zugeordnet werden können (83). Schulz sieht in Lk 10, 2-12 weitgehend die Q-Version erhalten. Dafür spricht, dass Lukas beide Berichte nebeneinander hat bestehen lassen, während Matthäus beide Texte verschmolzen hat. Lukas konnte das unbedenklicher tun, da für ihn die Zeit Jesu einer vergangenen Epoche angehört, für die andere Regeln galten, während Matthäus die Regeln den gegenwärtigen Erfordernissen anzupassen sucht (84).

5.2.1.1 Der Q-Bericht (85)

Der Q-Bericht beginnt mit der Bitte um „Arbeiter“, weil die Herrschaft Gottes, die „Ernte“, nahe ist. Darauf folgt logisch das Sendungswort; die Ausrüstungsregel schließt sich an (worin eine Abgrenzung vom normalen Bettlertum ausgesprochen ist). Die Regeln für das Verhalten in den Häusern (wo es um Lebensunterhalt und Unterkunft geht) und in den Städten (wo es um den eschatologischen Auftrag der Boten geht – Heilung und Verkündigung – und um die Entscheidung der Angesprochenen, denen bei Nichtaufnahme der Fluch hinterlassen wird) führen den Abschnitt zu Ende.

5.2.1.2 Der Markus-Bericht

Die Perikope bei Markus steht im Kontext von Jesu Lehre in den Dörfern und berichtet einleitend vom Beginn der Sendung der Zwölf, denen Vollmacht gegeben wird über unreine Geister. Darauf folgt wie in Q die Ausrüstungsregel, allerdings anderen Inhalts, weniger radikal. Die Verhaltensregel im Haus ist reduziert auf das Bleiben in einem Haus, die für einen Ort ist reduziert auf das Verhalten bei Nichtaufnahme. Anschließend wird von der Ausführung der Worte in Verkündigung und Heilungen der Jünger berichtet.

5.2.2 Die Verschmelzung alter Überlieferung in beide Versionen

Schulz sieht die Markus-Version als verkürzte Übernahme der Q-Tradition, mit der Markus nichts mehr habe anfangen können; damit stützt er seine These, dass der Q-Text die älteste Version dieser Tradition enthält (86). Die Tatsache, dass ein Text ausführlicher und geschlossener erscheint, beweist aber noch nicht dessen höheres Alter. Der Q-Text könnte also auch in der Q-Gemeinde – wo immer sie lokalisiert werden kann – unter Rückgriff auf vorliegende Traditionen zu einem geschlossenen Ganzen formuliert worden sein; dabei könnte gerade die Glattheit der Konstruktion, der klare Aufbau und das bewusst einheitliche Verfahren bei der Aufzählung der verbotenen Ausrüstungsgegenstände (87) ein Indiz dafür sein, dass es sich nicht um Reflexionen über eine gerade initiierte und gelebte Praxis handelt, sondern um übernommene Traditionen, die man – geringfügig verändert und idealisiert – in Ehren halten will. Umgekehrt könnte der Markustext mit seiner weniger radikal erscheinenden Ausrüstungsregel – Stab und Sandalen sind erlaubt – durchaus eine geübte Praxis von Wandermissionaren wiedergeben; denn der Verzicht auf Stab und Sandalen hätte ja nichts zu tun mit dem Ziel, sich von der üblichen Bettelei abzugrenzen, und beträfe nicht die Angewiesenheit auf die Menschen, sondern die Schutzlosigkeit gegenüber den Tieren und der Wegebeschaffenheit (88). Beide Texte scheinen verschiedene Züge einer Wanderradikalenregel zu bewahren: neben dem gemeinsamen Verzicht auf den Bettelsack erwähnt Markus den Verzicht auf Geld und Brot sowie auf den zweiten Rock – der ein Kennzeichen der Kyniker war (89); Lukas hat demgegenüber den Grußverzicht auf dem Wege aufbewahrt, den Theißen wohl richtig als Mittel interpretiert, keine Verwechslung mit aufdringlicher Bettelei herbeizuführen (90).

Die Ausstattung der Boten mit Vollmacht über unreine Geister bei Markus weist ebenfalls auf alte Tradition hin: schließlich verstehen sich die Wandercharismatiker von einer solchen ihnen übertragenen Vollmacht her, wenn man die überlieferten Ich-Worte – was doch wahrscheinlich ist – wirklich durch sie überliefert denkt (91). Die Rede vom Beginn der Sendung mag – entgegen der Intention des Markus – andeuten, dass die Sendungsrede als Regel nicht nur einmalig zu Zeiten Jesu gegolten hat.

Sprachlich lassen zwei Indizien auf alte Tradition innerhalb des Markus-Berichts schließen: einmal der umgangssprachliche plötzliche Wechsel von der Aufzählung in den Imperativ bei der Ausrüstungsregel (92) (*Q*), dann die viel unkompliziertere Formulierung des Wortes vom Staubabschütteln gegenüber der Q-Version (93).

5.2.3 Die apophthegmatische Formulierung der Aussendungsrede

Vom eben Gesagten her ist es zwar richtig, dass hier ein Jesuswort in der Form eines Apophthegma überliefert wird, indem ein Wort mit einer Situation aus dem Leben des irdischen Jesus verbunden wird. Die vorliegenden Versionen sind auch sicher erst in sesshaften Gemeinden formuliert worden, möglicherweise zur Vergewisserung der eigenen Identität angesichts von Verfolgungen (94). Der Inhalt des Überlieferten weist aber sehr wahrscheinlich zurück auf die Wanderer im Umkreis und in der Nachfolge Jesu. Jedenfalls ist kaum vorstellbar, wie im Rahmen einer Gemeinde diese Praxis verwirklicht worden sein soll. Ausgerechnet in der Zeit der Parusieverzögerung und der beginnenden Verfolgung durch die Juden soll die Israelmission beginnen, an die vorher nicht gedacht worden war (95). Allein die drängende Zeit der anbrechenden Endzeit – als ob sie vorher als weniger nahe erlebt worden wäre – veranlasst die Q-Leute auf einmal, missionierend von Ort zu Ort zu eilen, wobei sie angeblich wegen der Eile auf dem Weg jeden Gruß verweigern müssen, umgekehrt aber in jedem Haus, in dem sie einkehren, den Friedensgruß zu entrichten verpflichtet sind (96). Sie geben sich plötzlich Anweisungen in nie da gewesener Schärfe, etwa auf Sandalen bei der Wanderung zu verzichten und nicht für ihren Unterhalt zu sorgen, da sie bei ihrer Missionsarbeit als „wirkliche Arbeiter“ unterstützt zu werden erwarten (97). Diese Vermutungen, die für Schulz aber mehr als das darstellen, können zwar nicht hundertprozentig widerlegt werden, haben aber jedenfalls geringere Wahrscheinlichkeit als die Erklärung der Regeln der Aussendungsrede von der sozialen Situation der Wanderradikalen am Beginn der Jesusbewegung her.

5.3 Sympathisantengruppen

Das Problem, das auch Theißen offen lässt, ist die Frage, ob die Wandercharismatiker die einzigen waren, die von Anfang an Jesusworte überliefert haben, bzw. ob die Mehrzahl der Jesusworte durch sie tradiert wurden.

Schon in der Aussendungsrede wird deutlich, dass sich nicht alle Menschen in den Dörfern und Häusern – auch abgesehen von jenen, die sich den Fluch zuziehen – den Boten anschließen. Verlangt wird im Horizont des anbrechenden Reiches Gottes hier lediglich, dass sie die Wanderer aufnehmen, nicht dass sie selber alle Wandercharismatiker werden müssten. Diese Beobachtung kann zwar nur ein schwaches Licht auf das Problem werfen, wie aus der Bewegung der Wanderer allmählich sesshafte Gemeinden werden konnten. Schon in den Anfängen scheint es allerdings Sympathisantengruppen der Jesusleute in den Dörfern gegeben zu haben, die man als eine Vorform der späteren Gemeinden ansehen kann. Zu ihnen gehören Zöllner, von denen berichtet wird, dass sie Jesus und die Jünger bei sich aufnehmen, Verwandte der Jünger – wie die Schwiegermutter des Petrus -, die nicht außerhalb der Jesusbewegung stehen, auch wenn sie zu Hause bleiben, geheilte Kranke, die nach Hause entlassen werden (*R*), und sogar reiche Mäzene – wie die Frau eines herodianischen Beamten (98).

Der Prozess, im Laufe dessen die Gemeinden allmählich die Bedeutung der Wandercharismatiker weit überholen, lässt sich nicht mehr verfolgen. Am Ende dieses Prozesses zeigt sich, dass auch die Wanderradikalen starken Veränderungen unterworfen gewesen sind. Dies zeigt sich in späten Logiensammlungen, in denen alte Überlieferung von charismatischen Neuformulierungen völlig überwuchert ist (99), in der Kritik des Paulus an Wanderpropheten, die die Praxis der Absicherung durch Empfehlungsschreiben pflegen und des Geistbesitzes sicher zu sein wähnen (100), schließlich auch in den Regeln der Didache zur Unterscheidung der falschen von den wahren Propheten (101) (*S*). Wie weit der Veränderungsprozess der Logien schon in den Evangelien fortgeschritten sein mag, ist nicht entscheidbar; jedenfalls ist von hier aus erhöhte Vorsicht bei der Suche nach alter Überlieferung geboten.

6 Theologische Schlussfolgerung: Radikalismus ist kein Rigorismus

Die Existenz der sesshaften Sympathisanten ist ein wichtiges Indiz für die Tatsache, dass der Radikalismus der Wandercharismatiker kein idealistischer Rigorismus ist, keinem starren Gesetz entspricht. Dennoch redet Theißen vom Radikalismus der Wanderer, dessen Bedeutung also noch genauer zu erheben ist.

6.1 Naherwartung und situationsgebundene Ethik

Von Theißen her ist unter Radikalismus nicht eine allgemeinverbindliche Idee zu verstehen, sondern die konkrete Antwort bestimmter Menschen auf die Botschaft vom nahen Reich Gottes im Rahmen ihrer konkreten Situation. Armut, Heimatlosigkeit und Familienlosigkeit sind somit keine Prinzipien einer allgemeinen Ethik, sondern einfach reale Praxis (*T*). Für Fischer und Bauern ist die Ausübung ihres Berufs auf der Wanderung objektiv nicht mehr möglich (102). Dass trotzdem Regeln überliefert sind, durch die diese Praxis in bestimmte Bahnen gelenkt werden soll, ist auf dem Hintergrund verständlich, dass ein Bettlervagabundentum in einer Zeit der härtesten Steuer- und Abgabenlast sowie der Überbevölkerung nichts Ungewöhnliches ist, dass ein freiwilliges Aufgeben seines Berufs leicht mit Arbeitsscheu verwechselt werden kann und dass die Bewegung, die vom anbrechenden Gottesreich alles erwartet, sich (vielleicht) auch von den kynischen Wanderphilosophen unterscheiden will, die das Heil von der Überlegenheit des Geistes über die Materie erwarten (103). Das Vertrauen auf Gott konkretisiert sich im Vertrauen auf die Gesellschaft, die allerdings nicht optimistisch gesehen wird; von Gott wird erhofft, dass er die Voraussetzungen für die Erfüllung des Vertrauens durch die Weckung des Glaubens an die Reichsbotschaft erst schafft, andererseits die Verfolgten auch im Leiden stärkt (104). Dieses Vertrauen ist geradezu ein Gegenbild gegen ein sich abschließendes gesetzliches Enthusiastenleben, das bei aller Missionstätigkeit doch Unterschiede zwischen Gesetzestreuen und dem Gesetz Fernstehenden macht. Die Erfüllung ethischer Prinzipien ist nicht die Bedingung für die Teilhabe am Reich Gottes. Das bedeutet nicht, dass es keine ethischen Weisungen gäbe, diese können aber für Menschen in unterschiedlichen Situationen unterschiedlich ausfallen. Mit dem Zöllner wird gespeist, der Pharisäer wird angeklagt. Dem Wanderer gilt der Grundsatz, seine Familie zu verlassen, andererseits gilt die Unauflöslichkeit der Ehe. Der reiche junge Mann wird zur bedingungslosen Nachfolge aufgefordert, geheilte Kranke werden nach Hause geschickt. Grundprinzip der Ethik ist die Liebe, die nicht an allgemeingültige Prinzipien gebunden ist.

Womöglich war es gar nicht von zentraler Bedeutung, dass die Wandercharismatiker diese besondere Form der Radikalität ihres Vertrauens auf das anbrechende Reich Gottes lebten. Ein Wanderradikalismus als Idee wäre schon deshalb in sich widersprüchlich, da zum Lebensunterhalt der Missionare Menschen arbeiten, die wegen ihres Sorgens dann eben von den durch sie unterhaltenen Predigern verurteilt werden müssten (105). Die Radikalität des Lebens der Wandercharismatiker macht nur exemplarisch deutlich, zu welchen Dingen Menschen fähig waren, die das anbrechende Reich Gottes als ihr Heil auf ihrer Seite wussten und deren Situation gerade diese besondere Art von Verzicht auf menschliches Sorgen nahelegte. Die radikale Menschlichkeit dieses Heils zeigt sich darin, dass die im Heil implizierte Forderung nicht alle gleich trifft und zwingt.

6.2 Bedeutung der Tora

Schulz definiert Radikalismus von einer anderen Seite her, nämlich dem verschärften Gesetz des Mose. Für ihn ist von größter Bedeutung, dass die jüdische Tora für die Q-Gemeinden und schon für Jesus Heilsbedeutung behielt (106). Er kann sich dabei auf Stellen wie Mt 5, 17 stützen. Wenn aber das Ressentiment gegen Zöllner – wie Mt 5, 46 andeutet – erst in der jüngeren Q-Gemeinde abgebaut worden sein soll, wenn Mk 7, 15 erst einer späteren Weiterentwicklung der urchristlichen Ideen zu verdanken sein soll (107), dann ist schlechthin unverständlich, warum Jesus ohne einen realen Hintergrund solche und andere Sprüche und Praktiken zugesprochen werden können. Schließlich ist ja auch eine Rückentwicklung in gesetzliches Denken in der Q-Gemeinde durchaus denkbar (*U*).

Auch Theißen kommt natürlich nicht an der Erkenntnis vorbei, dass erst Paulus (*V*) das Ende des Gesetzes ausdrücklich reflektiert. Er sieht dies aber als Explikation von Glaubensinhalten an, die im Wanderradikalismus schon enthalten waren und nun unter veränderten Umständen (108) notwendigerweise ausgeführt werden müssen (*W*). Dass von Jesus und der Wanderbewegung das Gesetz faktisch weiterhin anerkannt wird, führt Theißen auf die unterschiedliche Lage der Wanderer und der Sympathisanten zurück, was einiges für sich hat (109). Inhaltlich ist nochmals darauf hinzuweisen, dass sich auch hier zeigen könnte, dass einfach eine neue Praxis gelebt wird, ohne dass schon ein Bewusstsein dafür da ist, dass diese Praxis das bisherige Gesetzesverständnis grundlegend sprengt. Es kommt einfach niemand auf die Idee, die Tora abzuschaffen. Sie gilt als Lebensregel wie bisher; ihre Erfüllung als Kriterium des Heils ist aber überholt. (*X*) Schon die Bußpredigt des Täufers schließt alle unter dem Gericht Gottes zusammen; die Botschaft des nahen Reiches Gottes in der Jesusbewegung knüpft daran an und verdeutlicht in vielen Sprüchen, Gleichnissen, Heilungserzählungen bzw. zunächst den Heilungen selbst die Heilsbedeutung der anbrechenden Gottesherrschaft. Von daher ist sogar eine Toraverschärfung möglich und unausbleiblich; insofern ist Schulz rechtzugeben. Aber die Jesusbewegung ist keine Gruppe von Pharisäern auf einer höheren Ebene, die nun ihrerseits nur aus denen besteht, die das Gesetz, und sei es ihr neues Gesetz der „Wanderradikalität“, erfüllen können. Wo sie in einer neuen Gesetzlichkeit und Selbstüberschätzung erstarren, werden sie später von Paulus zu Recht kritisiert (110). Bei Schulz bleibt umgekehrt letztlich unverständlich, wie ausgerechnet die toratreue jüngere Q-Gemeinde sich Zöllnern und Sündern geöffnet haben soll, womit faktisch die Heilsgeltung der Tora aufgehoben ist (111) (*Y*).

Anmerkungen

(1) Genaue Angaben im Literaturverzeichnis.

(2) Schulz (Q) 40: „die erklärte Zielvorstellung dieser Arbeit: hier geht es… um die möglichst weitgehende Eruierung von Q-Stoffen“.

(3) Theißen (W) 249 zitiert auf einer einzigen Seite Stellen aus Markus, aus der Logienquelle und der Didache; 247 formuliert er sein Interesse an der mündlichen Überlieferung, da „Jesus seine Worte nicht schriftlich fixiert hat“.

(4) Ebenda 247: „Mündliche Überlieferung“ kann sich nur erhalten, wenn „ihre Tradenten… sich in irgendeiner Weise mit der Überlieferung identifizieren“.

(5) Schulz (Q) 168: Die „kerygmatischen Aussagen“ von Paulus und von Q können „nicht harmonisiert werden“. Schulz (E) 485: „Das Urchristentum (kannte) kein einheitliches Weltverständnis… (es war) nicht nur uneinheitlich sondern antithetisch strukturiert“. Die Hauptströmungen sind das „apokalyptische“, das „dualistische“ und das „frühkatholische Urchristentum“.

(6) Schulz (Q) 165 kennt den irdischen Jesus nur im „kerygmatische(n) Rückgriff“ bestimmter Traditionen, der „in den ältesten Q-Stoffen“ aber nicht einmal stattfindet; letztere sind auch nicht „mit der Verkündigung des historischen Jesus ohne weiteres identisch“.

(7) Ebenda.

(8) Luz 531.

(9) Schulz (E) 484.

(10) Schulz (Q) 487.

(11) Schulz (Q) 165: „Die wieder notwendige und entscheidende Frage nach dem historischen Jesus muss also aufgrund des Kerygma der ältesten Q-Gemeinde neu aufgenommen und beantwortet werden“, und zwar im Anschluss an die Bultmannsche Feststellung, dass überlieferte Jesusworte und Worte urchristlicher Propheten (als Worte des gegenwärtigen Auferstandenen) in der Gemeinde gleichrangig waren. 53: „Die ältesten Q-Stoffe sind die Geburtsstunde des Urchristentums.“

(12) Ebenda 166.

(13) Ebenda 165.

(14) Ebenda 166. Im Gegensatz dazu versteht sich „die aramäisch sprechende Urgemeinde… als himmlischer Gottestempel…, der auf den Säulen des Jakobus, Kephas und Johannes ruht“.

(15) Ebenda 168.

(16) Ebenda 58: „Der erhöht-gegenwärtige Herr spricht direkt durch den Mund seiner Propheten zur Endzeitgemeinde“.

(17) Ebenda 168f: „Sämtliche Forderungen und Zusagen der Verkündigung waren also getragen von der unbeirrbaren Hoffnung auf die ganz nahe Ankunft der Gottesherrschaft“. 170: In der Tora „war das Heil für ganz Israel ein für allemal beschlossen, allerdings in der Interpretation, die ihr der erhöht-gegenwärtige Menschensohn-Jesus durch die Verkündigung seiner Pneumatiker gegeben hatte“, die eine „Tora-verschärfung…, als Rückgang vom Wortlaut auf die Intention des alttestamentlichen Gesetzes, nämlich für den Nächsten in Liebe da zu sein“ bedeutet.

(18) Ebenda.

(19) Ebenda 171.

(20) Ebenda 481.

(21) Ebenda 482.

(22) Ebenda 481.

(23) Ebenda 182.

(24) Ebenda 483.

(25) Ebenda 486.

(26) Ebenda 411.

(27) Ebenda 385.

(28) Ebenda 485.

(29) Ebenda 481.

(30) Theißen (L) 192.

(31) Theißen (W) 249ff. 248: „Wer hat solche Worte 30 Jahre und länger mündlich tradiert? Wer hat sie ernst genommen? Wer hat sie ernst nehmen können?“

(32) Ebenda: „Ethischer Radikalismus macht die Worte Jesu absolut untauglich zur Regelung alltäglichen Verhaltens“.

(33) Ebenda 257.

(34) Ebenda: „Was durch ihren (sc. der Wandercharismatiker) Lebensstil geprägt ist, ist deswegen noch lange nicht ‚unecht‛. Ihr Wanderradikalismus geht auf Jesus selbst zurück. Er ist authentisch… existentiell authentisch“.

(35) Ebenda 255: „Sie waren die Tradenten der Worte Jesu, auch nach der Evangelienbildung. Noch im 2. Jahrhundert n. Chr. bezieht Papias Jesustraditionen von vorbeikommenden, wandernden Jüngern des Herrn“.

(35a) Die folgenden Überlegungen sind angeregt und beeinflusst durch Gedanken des Artikels „Exegese und Praxis“ von Gerd Petzke. Vgl. vor allem 19: „Als kritisch orientierte Informationswissenschaft wird die Exegese die an sie herangetragenen Interesse offenlegen“ (These 3).

(36) Schulz (Q) 174.

(37) Ebenda 488.

(38) Theißen (W) 271.

(39) Als Beispiel sei auf einen Brief von Helmut Gollwitzer an Luise Schottroff verwiesen, in dem er sich für Dorothee Sölle, „ungeachtet vermutlich weiter vorhandener Differenzen“, angesichts großer „Gemeinsamkeit in der Erkenntnis heutiger christlicher Praxis und Evangeliumsauslegung“ wegen eines ihr streitig gemachten Lehrauftrags einsetzt (Berlin, 2.2.74).

(40) Mit Schulz (Q) 167 gesprochen: Theißen geht an die Wort überlieferung „von der paulinischen Dialektik der Glaubens und Werkgerechtigkeit aus“ heran.

(41) Theißen (L) 198.

(42) Ebenda: „Solch einer Bewegung musste es zunächst völlig fern liegen, sich von den anderen Gruppen der Gesellschaft abzugrenzen und sich gesondert zu organisieren. Hier wurde jeder akzeptiert. Es ist kein Zufall, dass man besonders bei den sozial Deklassierten Anklang fand, gerade bei denen, die sich durch ihre Lebenspraxis gegenüber dem Gesetz kompromittieren mussten: den Zöllnern und Prostituierten, aber auch den anderen ‚Sündern‛, d, h. allen anderen, die den Normen der jüdischen Gesellschaft nicht gerecht werden konnten“.

(43) Schulz (Q) 167.

(44) Ebenda.

(45) Ebenda 168: „Für jene (sc. gnostisierende Gemeindetradition).., gehört der Nomos mit der Sünde als Sündenmacht und dem Tode als Todesmacht auf die Seite der Unheilsmächte, denen der Mensch hoffnungslos versklavt und ausgeliefert ist“. – Am Rande – da es hier nicht um Paulusinterpretation geht – sei erwähnt, dass Schulz hier Paulus im Grunde gnostisch-marcionitisch fehlzuinterpretieren scheint (*Z*). Reine Gnosis im Sinne des eben zitierten Satzes vertritt Paulus schon deshalb nicht, weil das Gesetz für ihn grundsätzlich „zum Leben gegeben“ (Rm 7, 10) und „heilig“ ist (Rm 7, 12). Schulz scheint umgekehrt Gesetz und Apokalyptik einfach zu identifizieren, 167: „dogmatisch gesprochen ist aber ein solches unbeirrbares Festhalten des Paulus an der apokalyptischen Naherwartung…, ebenfalls Gesetz!“, die Kehrseite des Zusammenwerfens der „Rechtfertigung allein aus Glauben“ (167) mit der Gnosis in einen Topf. „Der Mensch kann keine Forderung erfüllen“ (168), das ist zwar die Meinung des Paulus, aber doch nicht, weil das Gesetz – gnostisch – zur an sich schlechten Welt gehört, sondern weil das gute Gesetz von der Sünde in Dienst genommen wurde (***). Schulz versteht offenbar nicht im geringsten die Dialektik, dass gerade von der Naherwartung, vom Handeln Gottes her, die scharfe Pauluskritik am Gesetz erfolgt, das der Mensch zu seiner Selbstrechtfertigung missbraucht – ein Missbrauch, von dem er durch das Evangelium befreit wird! Vgl. aber Anm. 50.

(46) Ebenda 167.

(47) Ebenda 174.

(48) Ebenda 487.

(49) Ebenda 486.

(50) So zu schließen aus 167f. Es soll aber nicht verschwiegen werden, dass an anderer Stelle, Schulz (E) 487, Paulus gegenüber dem gnostischen „Wesensdualismus Gott und Welt als Unheilsmacht“ in Schutz genommen wird. „Nicht weil der Kosmos dem Wesen nach gottfeindlich ist, sondern weil er in Kürze seinem Ende zueilt, darum wird von der vorpaulinischen Gemeinde die Distanz zur Welt gefordert“. Daraus wird bei Paulus selbst eschatologisch bestimmte „Weltindifferenz“, mit deren Hilfe später der Frühkatholizismus „den bestehenden status quo vorhandener Sozialordnungen metaphysisch begründet“ (490). Diese eigentliche „paulinische Weltindifferenz“ ist im Zusammenhang mit „Weltverantwortung“ heute „neu zu formulieren“ (490).

(51) Schulz (Q) 168.

(52) Ebenda 483.

(53) Ebenda 169: „Jesus und die Seinen erwarten alles von Gott, nichts von der Kraft ihres Denkens und ihrer Arme“.

(54) Ebenda 171.

(55) Ebenda 189: „Toralogie und Christologie sind in den ältesten und jüngeren Q-Stoffen… gleich geblieben. Verschärfte dort der erhöht-gegenwärtige Herr das Mose-Gesetz vor dem nahen Ende, indem er den ursprünglichen Gotteswillen freilegte, so praktiziert hier der irdische Jesus ebenfalls den völligen Gehorsam gegenüber Gottes Willen im Gesetz vor dem baldigen Anbruch der Basileia“. „Allein die Tora legitimiert und begründet die Gottessohnschaft des irdischen Jesus“.

(56) Ebenda 489.

(57) Josuttis 35.

(58) Schweitzer 620: „Es ist der Leben-Jesu-Forschung merkwürdig ergangen. Sie zog aus, um den historischen Jesus zu finden, und meinte, sie könnte ihn dann, wie er ist, als Lehrer und Heiland in unsere Zeit hineinstellen… Aber er blieb nicht stehen, sondern ging an unserer Zeit vorüber und kehrte in die seinige zurück“.

(59) Jeremias 19.

(60) Das wäre allerdings nach Petzke 12 das Interesse nahezu aller bisherigen Exegese, für die gilt: „die Bibel ist die Norm und daher die Exegese eine normative Wissenschaft“.

(61) Nach Schulz (Q) 487 müssen wir „die Pluralität der kerygmatischen Entwürfe im Urchristentum akzeptieren“. 168: Man kann nicht „einen kerygmatischen Entwurf gegen den anderen ausspielen“.

(62) Ebenda 487: „Wir stoßen mit den Q-Stoffen auf das älteste Judenchristentum Palästinas“. 53: „Diese ältesten Q-Stoffe sind die Geburtsstunde des Urchristentums“.

(63) Nach Luz 530. Vgl. Schulz (Q) 40f.

(64) Schulz (Q) 47ff.

(65) Ebenda 168.

(66) Ebenda 487

(67) Sätze bei Schulz (Q) (487f.) in denen diese Bedingungen wenigstens angedeutet werden, lauten so: „Dieses Kerygma, das den Menschen von Grund auf wandelt, ermächtigt und nötigt uns, nicht nur gegen Unterdrückung, Manipulation und Unmenschlichkeit zu protestieren, sondern auch im Rahmen unserer jetzigen Bedingungen uns planvoll und progressiv um mehr Gerechtigkeit, mehr Freiheit und mehr Frieden zu bemühen, aber nicht jenseits, sondern engagiert in unserer Welt der technisch-industriellen, wirtschaftlichen und politischen Herrschaftsapparate. Vor allem: Es geht nicht darum, zu allem und jedem seine Stimme zu erheben, sondern um konsequente Strategie zeitgemäßer Veränderungen für humane Zielsetzungen in technischen Sachzwängen“.

(68) Luz 531.

(69) Theißen (W) 257: „Wegen des radikalen Ethos der Worte muss diese Gemeinde (sc. die Q-Gemeinde) als sehr ‚weltfremd‛ (als ‚enthusiastisch‛) erscheinen, wofür primär die Naherwartung verantwortlich gemacht wird“.

(70) Ebenda 246: „Das Neue Testament literatursoziologisch untersuchen heißt also: nach Intentionen und Bedingungen typischen zwischenmenschlichen Verhaltens von Autoren, Tradenten und Adressaten neutestamentlicher Texte zu fragen“.

(71) Ebenda 246 „unser Thema ist nicht die Entstehung einer geistigen Überlieferung, sondern ihre Verbreitung, ihre Überlieferung und Erhaltung“. Die Entstehung „einer geistigen Überlieferung“ lässt sich weder „unabhängig von sozialhistorischen Faktoren verstehen“ noch „ausschließlich aus solchen Faktoren ableiten“.

(72) Z. B. bei Conzelmann 3: „Ideen können ‚in der Luft liegen‛. Sie setzen sich durch, wenn eine Gruppe oder eine Zeit sich in ihnen erkennt. Der christliche Glaube lag nicht ‚in der Luft‛“.

(73) Auch der Marxismus kann idealistische Betrachtungsweisen hervorbringen, wenn er z. B. Vorstellungen des kapitalistischen Zeitalters einfach auf die Zeit des Urchristentums überträgt, ohne die damaligen politisch-ökonomischen Voraussetzungen in Rechnung zu stellen.

(74) Theißen (W) 258ff. 268: „Die skizzierten ökonomischen, ökologischen und kulturellen Faktoren sind soziale Bedingungen der Wortüberlieferung. Ohne sie wäre sie uns weder überliefert noch in der Form überliefert, in der sie uns jetzt vorliegt“.

(75) Exemplarisch sei nur hingewiesen auf die „schichtspezifische(n) Lebensweisheiten“, die Geschichtsschreibung „aus einer Perspektive ‚von unten‛“ (ebenda 264).

(76) Ebenda 257. Vgl. Anm. 34.

(77) Barth 466: „(Der Materialismus) lebt von dem, was im historischen Materialismus nicht nur zwängerische Konstruktion, sondern geschichtlich zweifellos wahr und wirklich ist“.

(78) Theißen (W) 252: „Der ethische Radikalismus der Wortüberlieferung ist Wanderradikalismus… Nur am Rande der Gesellschaft hat dies Ethos eine Chance… Es hat keinen Sitz im Leben, sondern muss am Rande des normalen Lebens eine von außen gesehen durchaus fragwürdige Existenz führen“.

(79) Ebenda 256.

(80) Theißen (L) 193.

(81) Theißen (W) 258-260.

(82) Schulz (Q) 410.

(83) Die Aussendungsrede ist vierfach überliefert: Mt 9, 37-38 + 10, 7-16; Lk 10, 2-12; Lk 9, 1-5; Mk 6, 7-11.

(84) Theißen (W) 270: „Deutlicher noch als die anderen Evangelisten hebt er (sc. Lukas) die Periode des Lebens Jesu als eine besondere Zeit hervor, in der andere ethische Regeln als sonst galten. Deshalb kann er einerseits den ethischen Radikalismus der Worte Jesu am getreuesten bewahren. Andererseits distanziert er sich unmissverständlich vom urchristlichen Wanderradikalismus“.

(85) Die Paraphrasen bzw. Kurzbeschreibungen der Perikopen orientieren sich am griechischen Text, obwohl die Begriffe, die zitiert werden, in deutscher Übersetzung erscheinen. Die Kriterien der Zugehörigkeit zu Q sind von Schulz (Q) 404-407 entlehnt.

(86) Schulz (Q) 408.

(87) Im Gegensatz zur Markusversion werden nur nicht-erlaubte Gegenstände aufgeführt.

(88) Von der Matthäus-Version der Aussendungsrede her beurteilt Theißen (W) 258f. den Stab anders, nämlich als Verteidigungsinstrument gegenüber Menschen und als Charakteristikum des kynischen Wanderphilosophen. Es ist im Grunde nicht entscheidbar, welche Regel die ursprünglIche war; selbst Matthäus könnte gegen beide Quellen alte Tradition bewahrt haben.

(89) Ebenda 259: „Mantel, Tasche und Stab sind die Charakteristika der kynischen Wanderphilosophen“.

(90) Ebenda. Gegen Schulz (Q) 416, der den Grußverzicht aus der eschatologischen Zeitknappheit erklärt.

(91) Theißen (W) 254.

(92) „Und er befahl ihnen, sie sollten nichts mit auf den Weg nehmen als nur einen Stab, kein Brot, keine Tasche, kein Geld im Gürtel, sondern nur Sandalen an den Füßen, und zieht nicht zwei Röcke an!“

(93) Mk: „Schüttelt den Staub ab, der euch an den Sohlen hängt, ihnen zum Zeugnis!“ Lk (Q): „Auch den Staub, der sich von eurer Stadt uns an die Füße gesetzt hat, wischen wir wider euch ab“.

(94) Schulz (Q) 409: In der Aussendungsrede liegt „formgeschichtlich ein Apophthegma, dh der kerygmatischen Intention nach eine Szene aus dem Leben Jesu, vor“.

(95) Ebenda 410.

(96) Ebenda 416

(97) Ebenda 415/417.

(98) Theißen (W) 266: „Die Wortüberlieferung rechnet mit kleinen Gemeinden“. Vgl. Anm. 42. Theißen (L) 199: „Es ist ferner kein Zufall, dass die einzige namhaft gemachte Gönnerin der jungen Bewegung, Johanna, die Frau des Chusa, mit einem herodäischen Verwaltungsbeamten verheiratet ist. Sie gehörte gewiss nicht zu den im Volk beliebtesten Kreisen“.

(99) Z. B. im Thomasevangelium.

(100) Theißen (L) 212.

(101) Theißen (W) 253.

(102) Ebenda 264.

(103) Ebenda 256.

(104) Ebenda 262f. und Theißen (L) 199.

(105) Ebenda 192: „Die Frage des Lebensunterhalts rührt… an die Wurzeln seiner (sc. des Wandercharismatikers) geistigen Existenz, sie berührt die Glaubwürdigkeit seiner exponierten Lebensweise“.

(106) Vgl. Anm. 55.

(107) Schulz (Q) 485: „Der Sabbat wird auch von den jüngeren Q-Gemeinden nicht problematisiert – ein Wort wie Mk: 2,27 sucht man in Q vergebens“.

(108) Theißen (L) 200ff.

(109) Theißen (W) 267, Anm. (von Theißen) 64.

(110) Theißen (L) 212: „Das Gebot hatte ja den Sinn, dass sich der Wandercharismatiker ganz der Mission widmen kann, dass es der Evangeliumspredigt dient… De facto war die Verpflichtung zu charismatischer Askese oft ein Privileg und sie wurde es immer mehr, je mehr urchristliche Gemeinden entstanden. Der Verzicht auf dies ‚Privileg‛ mochte gegen den Buchstaben des Jesuswortes verstoßen, aber er entspricht seinem Geist“.

(111) Schulz (Q) 385: „Das Einladen der geächteten Zöllner und ausgestoßenen Sünder meint im Kontext von Q keineswegs, dass das Zeremonialgesetz grundsätzlich und planmäßig aufgehoben würde, wohl aber bewusste Ablehnung der pharisäischer wie qumranessenischen Verachtung des am-ha-ares und der Dämonisierung der ‚Kinder der Finsternis‛!“ Dies mag auch durchaus irgendeinem Entwicklungsstand irgendeiner Gemeinde entsprechen, aber doch kaum ohne einen Bezug auf Elemente, die schon in der Tradition, die ihnen von Jesus her zugekommen ist, in dieser Richtung angelegt gewesen sind.

Bemerkungen des Gutachters

(*A*) und vor allem markinische! – nach Schulz

(*B*) Intention: Dienst am Leben!

(*C*) könnte man überhaupt „Handeln“ und „Position“ so auseinandernehmen?

(*D*) ja!

(*E*) Ist das wirklich hermeneutische Vorgabe? – Lutherischer Provenienz? Oder eher Konzentrat einer Reihe von historischen Einsichten?

(*F*) Das klingt so, als wäre bei Theißen eine Harmonisierung möglich.

(*G*) !

(*H*) bzw. Gegenpositionen, wie ja für ihn die Q-Theologie überhaupt nur durch die Einarbeitung in die völlig anders gearteten Groß-Evangelien erhalten blieb:

(*I*) Kann man das nach dem Obigen (*) so sagen? Prophetie, Tora, Erwartung sind für Schulz die Situation, also eher ein abstrakter Situationsbegriff. Anschließend bezieht er ja auch die Verfolgungen durch die Synagoge usw. ein.

(*J*) eher als rhetorisches Monument

(*K*) nicht ganz, vgl. Jerusalemer Passionstradition

(*L*) !

(*M*) Hierbei ist allerdings der Unterschied zu Schulz nicht groß

(*N*) genauer: zu dem Gott, von dem diese Tradition spricht

(*O*) !

(*P*) was allerdings auch das Wandern von Missionaren voraussetzt

(*Q*) !

(*R*) Nicht allen gilt der Nachfolgeruf!

(*S*) vgl. 3. Joh.

(*T*) Jesu Praxis?

(*U*) und wahrscheinlich!

(*V*) soweit wir Texte haben

(*W*) !

(*X*) Ist das nicht erst Paulus?

(*Y*) Schulz denkt ja an die zunehmende Spannung Gemeinde – Israel

(*Z*) eben: Rm 7!

(***) gut

Gutachten

Helmut Schütz: Die Wortüberlieferung Jesu im exegetisch-theologischen Meinungsstreit. Eine Gegenüberstellung der Ansätze von Siegfried Schulz und Gerd Theißen (Hauptseminararbeit)

Der Verfasser legt eine scharfsinnige, gut gegliederte und theologisch durchaus relevante Seminararbeit vor. Aus einem ursprünglich weiteren Themenbereich über die Ansätze der Jesusüberlieferung hat er sich als spezielles Thema einen kritischen Vergleich zwischen S. Schulz und G. Theißen herausgegriffen. Dabei beschränkt er sich auf die wichtigsten Grundzüge der Position von Schulz, um daran das Methodische und vor allem die theologischen Implikationen deutlich zu machen. Im Referat wird er den beiden Autoren voll gerecht. Seine Kritik ist besonders deshalb anerkennenswert, weil sie sich nicht auf Einzelheiten beschränkt, sondern in die hermeneutischen und wissenschaftstheoretischen Grundlagen vordringt. Auch der Verfasser hat natürlich das Problem der Kontinuität zwischen Jesus, den ältesten Gemeinden bzw. Wandergruppen und den späteren Gemeinden nicht lösen können. Er kann aber immerhin einige Punkte andeuten, die – zu Recht – über den Ansatz von Schulz hinausführen. Gerne hätte man sich die Analyse und Diskussion der Aussendungsrede ausführlicher gewünscht und zudem weiteres Textmaterial herangezogen gesehen, vor allem zur Frage der Tora-Kritik, bzw. Tora-Verschärfung. Auch die Einbeziehung der Arbeiten von Schille hätte sich gelohnt. Insofern ist diese Seminararbeit ein Anfang, aber durchaus ein lohnender Anfang, dem eventuell noch weitere Schritte folgen könnten.

Besonders überzeugend demonstriert der Verfasser seine Fähigkeit, historische Analyse und theologisches Urteil kritisch miteinander zu verbinden. Im Blick darauf scheue ich mich nicht – trotz des Fehlens ausführlicher Textinterpretationen und trotz des nur umrisshaft entworfenen eigenen Konzeptes -, diese Arbeit als eine sehr erfreuliche und überzeugende Leistung zu bewerten. Beurteilung: Sehr gut.

Prof. Dr. H. Balz, Bochum-Querenburg, 27. April 1976

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