Bild: Helmut Schütz

„Achtet doch darauf, wie es euch geht!“

Was käme dabei heraus, wenn wir heute über diesen Satz nachdenken würden, den Gott durch den Mund des Propheten Haggai ausspricht? „Achtet darauf, wie es euch geht!“ Würde uns auffallen, was bei uns im Argen liegt, im sozialen Miteinander, im Umgang mit der Natur, in der Unachtsamkeit auf das, was unsere Seele braucht?
Der Prophet Haggai auf dem Altarfenster der Johanneskirche Gießen zwischen Micha, Matthäus und Johannes, der Seher der Offenbarung
Der Prophet Haggai auf dem Altarfenster der Johanneskirche Gießen zwischen Micha, Matthäus und Johannes, dem Seher der Offenbarung

#predigtFriedensgottesdienst am Sonntag, den 11. November 2018, um 10.00 Uhr in der evangelischen Johanneskirche Gießen
Orgelvorspiel

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

Mit einem Wort des Propheten Haggai (1, 5+7) aus dem Text zur heutigen Predigt begrüße ich Sie alle herzlich in der Johanneskirche:

So spricht der HERR Zebaoth: Achtet doch darauf, wie es euch geht!

Wie meint Haggai diese Ermahnung? Dazu nachher mehr!

Aber wie komme ich überhaupt dazu, heute hier über den Propheten Haggai zu predigen?

Ich komme dazu, weil ich den Pfarrer der Lukasgemeinde vertrete. Wer mich noch nicht kennt: Ich bin Helmut Schütz, vor 20 Jahren nach Gießen in die Paulusgemeinde gekommen, inzwischen Pfarrer im Ruhestand.

Auf den Propheten Haggai komme ich, weil er dort vorn auf dem Altarfensterbild neben seinem etwas bekannteren Prophetenkollegen Micha abgebildet ist. Haggai hat mir, wenn ich hier im Gottesdienst saß, schon oft Rätsel aufgegeben: Warum hat der Künstler ausgerechnet ihn, von dem nur zwei kurze Kapitel der Bibel berichten, in eine Reihe sogar mit den Verfassern des ersten und letzten Buchs im Neuen Testament gestellt, die doch viel bedeutender sind: des Matthäusevangeliums und der Offenbarung des Johannes?

Vor zwei Monaten, am 9.9., hat Hedwig Steil zum Tag des offenen Denkmals in ihrer Führung zu den Fensterbildern der Johanneskirche darauf eine Antwort gegeben. Der Prophet Haggai hält den Bauplan für ein neues Gotteshaus in der Hand. Zu seiner Zeit ging es um den Wiederaufbau des von den Babyloniern zerstörten Tempels in Jerusalem. Das passt in eine Kirche wie die Johanneskirche, die ja auch ein Haus zum Lob Gottes ist.

Zu Beginn singen wir nun aus einem Lied über Gottes Haus, Nr. 166, die Strophen 1 bis 2 und 5 bis 6:

1. Tut mir auf die schöne Pforte, führt in Gottes Haus mich ein; ach wie wird an diesem Orte meine Seele fröhlich sein! Hier ist Gottes Angesicht, hier ist lauter Trost und Licht.

2. Ich bin, Herr, zu dir gekommen, komme du nun auch zu mir. Wo du Wohnung hast genommen, da ist lauter Himmel hier. Zieh in meinem Herzen ein, lass es deinen Tempel sein.

5. Stärk in mir den schwachen Glauben, lass dein teures Kleinod mir nimmer aus dem Herzen rauben, halte mir dein Wort stets für, dass es mir zum Leitstern dient und zum Trost im Herzen grünt.

6. Rede, Herr, so will ich hören, und dein Wille werd erfüllt; nichts lass meine Andacht stören, wenn der Brunn des Lebens quillt; speise mich mit Himmelsbrot, tröste mich in aller Not.

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

Was erwarten wir, wenn wir in dieses besondere Haus kommen, das wir Christen „Kirche“ nennen? In dem Lied eben war drei Mal vom Trost die Rede. Im Haus Gottes begegnen wir Gott von Angesicht zu Angesicht mit seinem Trost. Wie geht das, wenn Gott doch unsichtbar ist? Indem Gottes Wort in unseren Herzen Vertrauen und Trost wachsen lässt! Indem wir auf das hören, was Gott redet, und dazu beitragen, dass sein Wille erfüllt wird, werden wir an Leib und Seele satt und erfahren Trost in aller Not.

Kommt, lasst uns Gott anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Gott, du Tröster, vergib uns, wenn wir kleinmütig und verzagt sind, obwohl du uns doch Mut und Vertrauen zugesagt hast. Vergib, wo wir Menschen nicht recht bei Trost zu sein scheinen, weil wir auf Herausforderungen in Kirche und Gesellschaft nicht angemessen reagieren. Vergib, wenn wir zu wenig wahrnehmen, wo andere Menschen auf unseren Trost angewiesen sind, auf unsere Nähe, unser Zuhören, unseren Beistand. Wir rufen zu dir in deinem heiligen Hause:

Herr, erbarme dich! „Herr, erbarme dich, Christe, erbarme dich, Herr, erbarm dich über uns!“

Wir beten mit Worten aus Psalm 27, im Gesangbuch 714. Lesen Sie bitte die eingerückten Verse:

1 Der HERR ist mein Licht und mein Heil; vor wem sollte ich mich fürchten? Der HERR ist meines Lebens Kraft; vor wem sollte mir grauen?

4 Eines bitte ich vom HERRN, das hätte ich gerne: dass ich im Hause des HERRN bleiben könne mein Leben lang, zu schauen die schönen Gottesdienste des HERRN und seinen Tempel zu betrachten.

5 Denn er deckt mich in seiner Hütte zur bösen Zeit, er birgt mich im Schutz seines Zeltes und erhöht mich auf einen Felsen.

7 HERR, höre meine Stimme, wenn ich rufe; sei mir gnädig und antworte mir!

8 Mein Herz hält dir vor dein Wort: »Ihr sollt mein Antlitz suchen.« Darum suche ich auch, HERR, dein Antlitz.

9 Verbirg dein Antlitz nicht vor mir, verstoße nicht im Zorn deinen Knecht! Denn du bist meine Hilfe; verlass mich nicht und tu die Hand nicht von mir ab, du Gott meines Heils!

10 Denn mein Vater und meine Mutter verlassen mich, aber der HERR nimmt mich auf.

13 Ich glaube aber doch, dass ich sehen werde die Güte des HERRN im Lande der Lebendigen.

14 Harre des HERRN! Sei getrost und unverzagt und harre des HERRN!

Lasst uns Gott lobsingen! „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen. Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat; nun ist gross Fried ohn Unterlass, all Fehd hat nun ein Ende“.

Getrost kommen wir zu dir, guter Gott, und vertrauen auf deine Liebe. Getrost kommen wir in dein Haus und fragen uns heute: Willst du das eigentlich, ein eigenes Haus für dich selbst? Segne unser Hören und Nachdenken über dein Wort! Darum bitten wir dich im Namen Jesu Christi, unseres Herrn. „Amen.“

Wir hören die Lesung aus dem 2. Buch Samuel, Kapitel 7, in dem König David darüber nachdenkt, einen Tempel für Gott zu bauen:

1 Als nun der König in seinem Hause saß und der HERR ihm Ruhe gegeben hatte vor allen seinen Feinden umher,

2 sprach er zu dem Propheten Nathan: Sieh doch, ich wohne in einem Zedernhause, die Lade Gottes aber wohnt unter Zeltdecken.

3 Nathan sprach zu dem König: Wohlan, alles, was in deinem Herzen ist, das tu, denn der HERR ist mit dir.

4 In der Nacht aber kam das Wort des HERRN zu Nathan:

5 Geh hin und sage zu meinem Knecht David: So spricht der HERR: Solltest du mir ein Haus bauen, dass ich darin wohne?

6 Habe ich doch in keinem Hause gewohnt seit dem Tag, da ich die Israeliten aus Ägypten führte, bis auf diesen Tag, sondern ich bin umhergezogen in einem Zelt als Wohnung.

7 Habe ich die ganze Zeit, als ich mit allen Israeliten umherzog, je geredet zu einem der Richter Israels, denen ich befohlen hatte, mein Volk Israel zu weiden, und gesagt: Warum baut ihr mir nicht ein Zedernhaus?

8 Darum sollst du nun so zu meinem Knecht David sagen: So spricht der HERR Zebaoth: …

10 Ich will meinem Volk Israel eine Stätte geben und will es pflanzen, dass es daselbst wohne und sich nicht mehr ängstigen müsse und die Kinder der Bosheit es nicht mehr bedrängen…

11 Ich will dir Ruhe geben vor allen deinen Feinden. Und der HERR verkündigt dir, dass der HERR dir ein Haus bauen will.

12 Wenn nun deine Zeit um ist und du dich zu deinen Vätern legst, will ich dir einen Nachkommen erwecken, der von deinem Leibe kommen wird; dem will ich sein Königtum bestätigen.

13 Der soll meinem Namen ein Haus bauen, und ich will seinen Königsthron bestätigen ewiglich.

14 Ich will sein Vater sein, und er soll mein Sohn sein. Wenn er sündigt, will ich ihn mit Menschenruten und mit menschlichen Schlägen strafen;

15 aber meine Gnade soll nicht von ihm weichen…

16 Aber dein Haus und dein Königtum sollen beständig sein in Ewigkeit vor dir, und dein Thron soll ewiglich bestehen.

Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. Halleluja! „Halleluja, Halleluja, Halleluja!“

Glaubensbekenntnis

Wir singen aus dem Lied 282 die Strophen 1 bis 3:

1. Wie lieblich schön, Herr Zebaoth, ist deine Wohnung, o mein Gott; wie sehnet sich mein Herz zu gehen, wo du dich hast geoffenbart, und bald in deiner Gegenwart im Vorhof nah am Thron zu stehen. Dort jauchzet Leib und Seel in mir, o Gott des Lebens, auf zu dir.

2. Die Schwalb, der Sperling find’t ein Haus, sie brüten ihre Jungen aus, du gibst Befriedigung und Leben, Herr Zebaoth, du wirst auch mir – mein Herr, mein Gott, ich traue dir – bei deinem Altar Freude geben. O selig, wer dort allezeit in deinem Lobe sich erfreut.

3. Wohl, wohl dem Menschen in der Welt, der dich für seine Stärke hält, von Herzen deinen Weg erwählet! Geht hier sein Pfad durchs Tränental, er findet auch in Not und Qual, dass Trost und Kraft ihm nimmer fehlet; von dir herab fließt mild und hell auf ihn der reiche Segensquell.

Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Liebe Gemeinde!

Meine Predigt über den Propheten Haggai, der den Bauplan für den Zweiten Tempels Israels in den Händen hält, beginnt – mit dem König David. In der Lesung haben wir eben gehört, wie der sich fragt: Darf es denn sein, dass ich in einem Palast aus Zedernholz wohne, die Bundeslade mit den Tafeln der Zehn Gebote ist aber immer noch wie auf der Wanderung des Volkes Israel durch die Wüste in einem einfachen Zelt untergebracht?

Damals ist es der Prophet Nathan, der im Traum Gottes Willen erfährt. Und – Überraschung! – Gott will gar kein besonderes Haus für sich, jedenfalls noch nicht. Er ist immer zufrieden gewesen mit seiner Wohnung in einem Zelt. Zuerst liegen ihm zwei andere Dinge am Herzen: Erstens will er, dass alle Menschen in Israel eine Wohnung haben und in Sicherheit vor aller Bedrohung leben können. Und zweitens will er umgekehrt dem König David ein Haus bauen, das heißt: er und sein Haus, seine Dynastie, seine Nachkommen, sollen für immer Könige in Israel sein.

Es geht also um zwei politische Ziele, die so ähnlich auch gerade im hessischen Wahlkampf eine Rolle gespielt haben: „Sozialer Wohnungsbau für alle“ und „Stabile politische Verhältnisse im Frieden“. Erst wenn diese Projekte in Israel in die Tat umgesetzt sind, soll Davids Sohn Salomo auch „dem Namen des HERRN“ ein Haus bauen. Das soll also ein Tempel sein, in dem die Taten des Gottes gefeiert werden, der sein Volk befreit und den Menschen Gerechtigkeit und Frieden bringt.

Keine 400 Jahre nach David ist der Tempel Salomos zerstört, und die Juden leben alles andere als sicher und in Frieden, teils unter armseligen Bedingungen in ihrem verwüsteten Land und teils nach Babylon deportiert.

Aber dann kommen die Perser an die Macht und erlauben den Juden die Rückkehr in ihr Land. Das ist nun die Zeit, in der der Prophet Haggai die Stimme Gottes hört. Die Bibel überliefert im Buch Haggai sogar ganz genau, an welchem Tag das geschehen ist. Das wäre, wenn die Berechnungen stimmen, nach unserem Kalender der 29. August im Jahr 520 v. Chr. (Haggai 1):

1 Im 2. Jahr des Königs Darius, im 6. Monat, am 1. Tage des Monats, geschah des HERRN Wort durch den Propheten Haggai zu Serubbabel, dem Sohn Schealtiëls, dem Statthalter von Juda, und zu Jeschua, dem Sohn Jozadaks, dem Hohenpriester.

Ein Wort des HERRN geschieht. So drückt es die Bibel aus, wenn im Kopf eines Propheten plötzlich Worte da sind, die nur von Gott kommen können und die er weitersagen muss. In diesem Fall richtet er sie an die beiden führenden Männer der Provinz „Jehud“ im persischen Reich. Der eine ist Serubbabel, ein Nachkomme von König David. Der andere ist Jeschua, der Hohepriester, man könnte ihn, wie er in der griechischen Bibel heißt, auch Jesus nennen. Mit beiden Würdenträgern gibt es aber ein Problem. Eigentlich wäre Serubbabel ja gerne wieder König auf dem Thron Davids geworden. Aber das ließ die persische Oberherrschaft nicht zu; er ist lediglich Statthalter des persischen Königs. Und der Hohepriester Jeschua – er ist ein Priester – noch – ohne Tempel.

2 So spricht der HERR Zebaoth: Dies Volk spricht: Die Zeit ist noch nicht da, dass das Haus des HERRN gebaut werde.

Der HERR Zeboth, der von seinen Engelmächten umscharte Befreiergott Israels, er zitiert des Volkes Stimme. „Nein, den Tempel wollen wir noch nicht wieder aufbauen, es gibt Dringenderes zu tun.“ Fast klingt es so, als ob die Menschen im Volk sich an das erinnern würden, was Jahrhunderte zuvor der Prophet Nathan zu König David sagte. Es ist doch wichtiger, wenn das Volk Wohnungen hat; Gott wird gerne warten.

Zur Zeit des Haggai stellt Gott aber solche Überlegungen in Frage.

3 Und des HERRN Wort geschah durch den Propheten Haggai:

4 Ist denn eure Zeit da, dass ihr in euren getäfelten Häusern wohnt, aber dies Haus muss wüst stehen?

Wenn ich es richtig verstanden habe, ist es Gott in der Zeit Davids um sozialen Wohnungsbau gegangen. Das ganze Volk sollte im Lande sicher und im Frieden wohnen. Jetzt spricht Gott von „getäfelten Häusern“, das klingt eher nach Luxusvillen für die führenden Kreise und gerade nicht nach Wohnraum für die gesamte Bevölkerung. Statt um die Parole: „Erst soziale Sicherung und Friedenspolitik, dann Tempelbau“ geht es eher um Egoismus: „Lieber alles Geld privat ausgeben als für die Religion.“ An dieser Stelle hört Haggai nun von Gott das Wort, das die Leute anregen soll, über sich selber nachzudenken.

5 Nun, so spricht der HERR Zebaoth: Achtet doch darauf, wie es euch geht:

6 Ihr sät viel und bringt wenig ein; ihr esst und werdet doch nicht satt; ihr trinkt und bleibt doch durstig; ihr kleidet euch, und keinem wird warm; und wer Geld verdient, der legt‘s in einen löchrigen Beutel.

7 So spricht der HERR Zebaoth: Achtet doch darauf, wie es euch geht!

„Achtet doch darauf, wie es euch geht!“ Was käme dabei heraus, wenn wir heute darüber nachdenken würden? Würde uns auffallen, was bei uns im Argen liegt, im sozialen Miteinander, im Umgang mit der Natur, in der Unachtsamkeit auf das, was unsere Seele braucht? Würde uns auch auffallen, dass wir manches schwärzer malen, als es ist, weil uns gar nicht mehr bewusst ist, wie viel besser als früher es uns heute mit so vielen technischen, sozialen und politischen Errungenschaften geht?

Damals redet Gott den Leuten in seinem Volk konkret ins Gewissen: Alle Anstrengungen bringen nichts! Sie säen zwar und verdienen Geld. Aber die Ernte ist mager und das Geld zerrinnt ihnen zwischen den Fingern. Sie haben zu Essen und zu Trinken und genug zum Anziehen. Aber trotzdem wird weder Hunger noch Durst wirklich gestillt, und es fehlt an menschlicher Wärme.

Könnte Gott damit auch unsere Gesellschaft meinen, in der viel produziert und verdient wird und trotzdem so viele unzufrieden sind? Wir haben einen Überfluss an Essen, allzuviel wird in den Müll geworfen, und andere suchen in den Mülltonnen nach verwertbarem Essen oder nach Pfandflaschen? „Ihr verdient viel und keinem wird warm.“ Dann sagt Gott:

8 Geht hin auf das Gebirge und holt Holz und baut das Haus! Und ich will Wohlgefallen daran haben und will meine Herrlichkeit erweisen, spricht der HERR.

Ist das nun die Lösung? Alles wird gut, wenn ihr mir den Tempel wieder aufbaut, ein Haus aus Holz von den Zedern des Libanon? Der Prophet Haggai hört es tatsächlich so: Wenn die Leute sich wieder auf den Gott besinnen, der Befreiung und Gerechtigkeit schafft, dann gerät die ganze Gesellschaft wieder auf die richtige Bahn. „Ich will meine Herrlichkeit erweisen“ – damit meint Gott genau das, dass man im Land isst und trinkt und auch satt wird, dass man sät und genug erntet, dass Geld verdient wird und jeder zufrieden ist. Denn soziale Kälte, Unrecht, Unfrieden gehen radikal gegen Gottes Ehre!

Es geht also nicht um einen sozusagen egoistischen Wunsch Gottes, wieder ein Haus für sich zu haben. Haggai spürt vielmehr, dass die Leute den Namen Gottes selbst vergessen haben – den Namen, der für ein Zusammenleben in Gerechtigkeit und Frieden steht, für soziale Wärme und Zufriedenheit. Und so hört Haggai, wie Gott noch deutlicher werden muss:

9 Ihr erwartet wohl viel, aber siehe, es wird wenig; und wenn ihr‘s schon heimbringt, so blase ich‘s weg. Warum das?, spricht der HERR Zebaoth. Weil mein Haus so wüst dasteht; ihr aber eilt, ein jeder für sein Haus zu sorgen.

„Ihr erwartet wohl viel, aber siehe, es wird wenig.“ Könnten wir diesen Satz auch auf unsere Wachstumsgesellschaft beziehen? Immer mehr muss produziert und verkauft werden, damit die Profite stimmen – und dann würde angeblich nebenbei wie von selbst soziale Gerechtigkeit entstehen, so wird es gesagt. Aber eben dazu kommt es nicht ohne zusätzliche bewusste Anstrengungen, zumal das Wachstum jederzeit wieder stocken kann und die öffentlichen Kassen noch leerer werden. Zusätzlich kennen wir die Gefahr, dass ungebremstes Wachstum zu Finanzblasen führt, so dass irgendwann Menschen ihr ganzes Geld verlieren – allerdings nicht unbedingt nur diejenigen, die für die Krise verantwortlich sind, indem sie nur an sich selber denken. „Ich blase es weg…“

10 Darum hat der Himmel über euch den Tau zurückgehalten und das Erdreich seinen Ertrag.

11 Und ich habe die Dürre gerufen über Land und Berge, über Korn, Wein, Öl und über alles, was aus der Erde kommt, auch über Mensch und Vieh und über alle Arbeit der Hände.

Das klingt jetzt für unsere modernen Ohren seltsam. Damals war es klar: Dürrezeiten und Stürme, die die Ernte vernichteten, kamen von Gott. Von wem sonst? Wir würden heute nicht mehr den trockenen Sommer oder Überschwemmungen und Waldbrände unmittelbar auf ein strafendes Eingreifen Gottes zurückführen. Aber obwohl wir viel mehr über die natürlichen Ursachen von Wind und Wetter, von Katastrophen und sogar von langfristiger Klimaveränderung wissen, sind wir trotzdem weit davon entfernt, das wenige, das wir durch unser steuerndes Eingreifen zum Guten wenden könnten, auch wirklich in die Wege zu leiten.

Was geschieht nun damals, als Haggai aufhört, zu sprechen? Werden die Verantwortlichen auf ihn, auf Gottes Wort hören?

12 Da gehorchten Serubbabel, der Sohn Schealtiëls, und Jeschua, der Sohn Jozadaks, der Hohepriester, und alle Übrigen vom Volk der Stimme des HERRN, ihres Gottes, und den Worten des Propheten Haggai, wie ihn der HERR, ihr Gott, gesandt hatte; und das Volk fürchtete sich vor dem HERRN.

Tatsächlich hören Serubbabel und Jeschua auf die Worte, die Haggai ihnen von Gott übermittelt hat. Und auch alle Übrigen vom Volk haben inzwischen offenbar zugehört und kommen zu einer neuen Ehrfurcht vor dem Gott, der ihnen ins Gewissen geredet hat. Auf diese Bereitschaft, Gott zuzuhören, reagiert Gott unmittelbar mit einem liebevollen Zuspruch:

13 Da sprach Haggai, der Bote des HERRN, der beauftragt war mit der Botschaft des HERRN an das Volk: Ich bin mit euch, spricht der HERR.

So kann das Tempelprojekt auch wirklich in Angriff genommen werden.

14 Und der HERR erweckte den Geist Serubbabels, des Sohnes Schealtiëls, des Statthalters von Juda, und den Geist Jeschuas, des Sohnes Jozadaks, des Hohenpriesters, und den Geist aller Übrigen vom Volk, dass sie kamen und arbeiteten am Hause des HERRN Zebaoth, ihres Gottes,

15 am 24. Tage des 6. Monats im zweiten Jahr des Königs Darius.

Menschen können nicht aus eigener Kraft auf Gott hören und tun, was er will . Gott selber muss den Geist aller Beteiligten erwecken. Ein zweites Datum wird genannt: schon 23 Tage später, am 21. September 520 v. Chr., beginnt der Wiederaufbau des Tempels. Unmittelbar darauf wird erzählt, wie Gott weitere 26 Tage später noch einmal durch den Propheten Haggai das Wort ergreift, am 17. September 520 v. Chr. (Haggai 2):

1 Am 21. Tage des 7. Monats geschah des HERRN Wort durch den Propheten Haggai:

2 Sage zu Serubbabel, dem Sohn Schealtiëls, dem Statthalter von Juda, und zu Jeschua, dem Sohn Jozadaks, dem Hohenpriester, und zu den Übrigen vom Volk und sprich:

3 Wer ist unter euch noch übrig, der dies Haus in seiner früheren Herrlichkeit gesehen hat? Und wie seht ihr‘s nun? Sieht es nicht wie nichts aus?

Warum spricht Gott noch einmal zu den Wiederaufbauwilligen des Gotteshauses? Sinkt ihnen doch der Mut, weil sie inmitten der Trümmer des alten Tempels nichts von seiner einstigen Herrlichkeit erkennen können? Die weit über 70-Jährigen wissen ja noch, wie er bis zu seiner Zerstörung vor 67 Jahren ausgesehen hat.

4 Aber nun, Serubbabel, sei getrost, spricht der HERR, sei getrost, Jeschua, du Sohn Jozadaks, du Hoherpriester! Sei getrost, alles Volk im Lande, spricht der HERR, und arbeitet! Denn ich bin mit euch, spricht der HERR Zebaoth –

5 nach dem Wort, das ich euch zusagte, als ihr aus Ägypten zogt -, und mein Geist soll unter euch bleiben. Fürchtet euch nicht!

Trost spricht Gott allen zu, die am Haus Gottes arbeiten. Er wiederholt seinen Zuspruch: „Ich bin mit euch!“ Und in den drei Dingen, die er hinzufügt, macht er deutlich, welcher Gott es ist, der hier spricht:

Erstens ist es der Gott, der Israel aus der Sklaverei in Ägypten befreit hat. Das bedeutet: Er wird es auch wieder tun. Er steht für Freiheit, für Gerechtigkeit. Sogar dann, wenn im eigenen Land ägyptische Verhältnisse drohen, wie im Unterdrückerstaat der Pharaonen.

Zweitens verspricht Gott den Menschen seinen Geist, der soll unter ihnen bleiben. Sie müssen nicht nur um sich selbst kreisen, nicht nur um Profit und Luxus. Sie können sich anstecken lassen von Gottes Liebe zur Gerechtigkeit, zur Freiheit.

Und drittens sagt Gott: „Fürchtet euch nicht!“ Wer Angst hat, reagiert leicht mit Abwehr, Hass und Egoismus. Gott überwindet Angst und schenkt Mut.

An dieser Stelle möchte ich einen Blick auf die Farben des Fensterbildes werfen, auf dem Haggai dargestellt ist. Den Propheten umgibt die rote Farbe der Liebe wie ein Mantel, ja, fast sieht es so aus, als hätte Haggai Engelsflügel, als gehöre er als menschlicher Bote des Wortes Gottes zu den Engeln, die den heiligen Namen Gottes umscharen, den HERRN Zebaoth. Und vom blau gemalten Heiligenschein, fließt das Blau der Treue Gottes herunter bis vor den Leib und vor die Hände des Propheten, er schöpft aus dieser Treue Gottes wie aus einem unerschöpflichen Schatz und holt den Plan für ein Gotteshaus hervor, den er behutsam und sorgsam zwischen seinen Händen hält. Wir sind von Gottes Treue gehalten und getragen, indem Menschen wie Haggai sich darum kümmern, dass wir uns im Namen des treuen Gottes versammeln können. „Achtet doch darauf, wie es euch geht…“

Und dann überkommen den Haggai weitere Worte Gottes, die unglaublich klingen:

6 Denn so spricht der HERR Zebaoth: Es ist nur noch eine kleine Weile, dass ich Himmel und Erde, das Meer und das Trockene erschüttere.

7 Dann will ich alle Völker erschüttern, dass aller Völker Kostbarkeiten kommen, und ich will dies Haus mit Herrlichkeit füllen, spricht der HERR Zebaoth.

Seltsam – diese Voraussage klingt einerseits nach einer Katastrophe, bei der alles in der ganzen Schöpfung in Unordnung gerät und über den Haufen geworfen wird: Himmel und Erde, Festland und Ozeane. Aber auf der anderen Seite scheint diese weltweite Umwälzung für den Tempel in Jerusalem sehr gute Folgen zu haben: Die fremden Völker, von denen Israel wenig Gutes erfahren hat, werden kommen und das Haus des Einen Gottes mit allen erdenklichen Kostbarkeiten füllen. Das klingt nach einer unerfüllbaren Utopie, und tatsächlich ist das auch nicht wortwörtlich in Erfüllung gegangen, schon gar nicht in so kurzer Zeit. Heißt das, das dieses Wort, das doch von Gott sein soll, nicht wahr ist? Hören wir, welche Begründung der Prophet Haggai für die unglaublichen Worte Gottes zu hören bekommt:

8 Denn mein ist das Silber, und mein ist das Gold, spricht der HERR Zebaoth.

Vordergründig scheint dieser Satz auszudrücken, dass die Völker deswegen zum Tempel des HERRN Zebaoth kommen, um alle Kostbarkeiten, die Gott sowieso schon gehören, zurückzubringen. „Mein ist das Silber, und mein ist das Gold.“ Bedenken wir aber nochmals, von welchem Gott hier die Rede ist. Es sind ja gerade nicht buchstäblich zu verstehende Schätze, die in den Augen Gottes wahrhaft wertvoll sind, sondern es ist die Befreiung von Unterdrückung, die Schaffung von Recht und sozialer Wärme und Zufriedenheit. Solche Kostbarkeiten sollen Gottes Tempel erfüllen, sollen von denen ausstrahlen, die in das Haus Gottes gehen. Will Haggai sagen, dass die Botschaft des befreienden Gottes die Verhältnisse in aller Welt umstürzen müsste, so dass alle Völker zum Tempel in Jerusalem kommen und ihre kostbaren Geschichten von Freiheit und Gerechtigkeit erzählen? Ich finde, wir dürfen uns das ruhig so vorstellen, zumal die letzten Worte, die Haggai an diesem Tag von Gott hört, das noch einmal bestätigen:

9 Es soll die Herrlichkeit dieses neuen Hauses größer werden, als die des ersten gewesen ist, spricht der HERR Zebaoth; und ich will Frieden geben an dieser Stätte, spricht der HERR Zebaoth.

Ein Tempel, eine Kirche, jedes Haus Gottes will erfüllt sein von einer Herrlichkeit, die die wahre Ehre Gottes widerspiegelt. Sie erinnern sich, was später die Engel in der Weihnachtsgeschichte des Lukas singen? „Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden!“ Friede, auf hebräisch Schalom, das umfasst ein wahrhaft mitmenschliches Zusammenleben aller Kinder Gottes aus allen Völkern und Kulturen. Indem Haggai während des Tempelbaus mit den Augen Gottes so weit hinausschaut über Jerusalem hinaus in die ganze Welt, setzt er jedem Haus Gottes überall in der Welt und in jeder Religion ein klares Ziel: Es dient zum Lob des Gottes, der Frieden geben will für alle Menschen. Und dieser Gott nimmt uns alle in Anspruch, um diesem Frieden zu dienen – damit alle satt werden und kein Mensch an sozialer Kälte erfriert. Amen.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben. Amen.
Lied 426: Es wird sein in den letzten Tagen
Abkündigungen
Kollekte und Musik
Dank und Fürbitten
Gebetsstille und Vater unser

Wir singen aus dem Lied 423 die Strophen 4, 6, 7 und 9:

4. Lass alle, die regieren, ihr Amt getreulich führen, schaff jedermann sein Recht, dass Fried und Treu sich müssen in unserm Lande küssen, und segne beide, Herrn und Knecht.

6. Gib uns den lieben Frieden, mach alle Feind ermüden, verleih gesunde Luft, lass keine teuren Zeiten auf unsre Grenzen schreiten, da man nach Brot vergebens ruft.

7. Die Hungrigen erquicke und bringe die zurücke, die sonst verirret sein. Die Witwen und die Waisen wollst du mit Troste speisen, wenn sie zu dir um Hilfe schrein.

9. Komm als ein Arzt der Kranken, und die im Glauben wanken, lass nicht zugrunde gehn. Die Alten heb und trage, auf dass sie ihre Plage geduldig mögen überstehn.

Geht mit Gottes Segen:

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

Orgelnachspiel
Kirchenkaffee

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