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Ausstieg aus dem Alltagstrott

Wie kann man konkret das Joch Jesu auf sich nehmen? Wir sollen von ihm lernen, „sanftmütig und von Herzen demütig“ zu sein. Gönnen wir uns eine tägliche Zone der Stille, des Betens, der Konzentration auf die Bibel oder ein anderes Buch, einen kleinen Ausstieg aus dem Alltagstrott, wie ihn die Maria sich gönnte, als sie sich Jesus zu Füßen setzte.

Der Bibelspruch Matthäus 11, 28 an einer Hauswand: "Kommet her zu mir Alle..."
Eine Hauswand erinnert an Jesu Aufforderung, der Seele Ruhe zu gönnen (Bild: Wolfgang HeubeckPixabay)

#predigtGottesdienst am Sonntag, 31. Juli 2011, 10.00 Uhr in der evangelischen Pauluskirche Gießen

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

Ich begrüße Sie herzlich mit dem Wort aus dem Buch Jesaja 43, 1:

Nun spricht der HERR, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!“

Gemeinsam singen wir aus dem Lied 374 die Strophen 1 bis 2 und 5:

1. Ich steh in meines Herren Hand und will drin stehen bleiben; nicht Erdennot, nicht Erdentand soll mich daraus vertreiben. Und wenn zerfällt die ganze Welt, wer sich an ihn und wen er hält, wird wohlbehalten bleiben.

2. Er ist ein Fels, ein sichrer Hort, und Wunder sollen schauen, die sich auf sein wahrhaftig Wort verlassen und ihm trauen. Er hat’s gesagt, und darauf wagt mein Herz es froh und unverzagt und lässt sich gar nicht grauen.

5. Und meines Glaubens Unterpfand ist, was er selbst verheißen, dass nichts mich seiner starken Hand soll je und je entreißen. Was er verspricht, das bricht er nicht; er bleibet meine Zuversicht, ich will ihn ewig preisen.

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

Wir beten mit Psalm 102:

2 HERR, höre mein Gebet und lass mein Schreien zu dir kommen!

3 Verbirg dein Antlitz nicht vor mir in der Not, neige deine Ohren zu mir; wenn ich dich anrufe, so erhöre mich bald!

4 Denn meine Tage sind vergangen wie ein Rauch, und meine Gebeine sind verbrannt wie von Feuer.

5 Mein Herz ist geschlagen und verdorrt wie Gras, dass ich sogar vergesse, mein Brot zu essen.

8 Ich wache und klage wie ein einsamer Vogel auf dem Dache.

12 Meine Tage sind dahin wie ein Schatten, und ich verdorre wie Gras.

13 Du aber, HERR, bleibst ewiglich und dein Name für und für.

18 Er wendet sich zum Gebet der Verlassenen und verschmäht ihr Gebet nicht.

20 Denn er schaut von seiner heiligen Höhe, der HERR sieht vom Himmel auf die Erde,

21 dass er das Seufzen der Gefangenen höre und losmache die Kinder des Todes.

26 Du hast vorzeiten die Erde gegründet, und die Himmel sind deiner Hände Werk.

27 Sie werden vergehen, du aber bleibst; sie werden alle veralten wie ein Gewand; wie ein Kleid wirst du sie wechseln, und sie werden verwandelt werden.

28 Du aber bleibst, wie du bist, und deine Jahre nehmen kein Ende.

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Barmherziger Gott, wir kommen zu dir so, wie wir sind im Sommer 2011: Die einen haben herrliche Urlaubszeit erlebt, andere sind traurig über einen kühlen und nicht ganz so trockenen Sommer. Die einen konnten entspannen und Ruhe finden, anderen wird die Zeit zu lang, in der nichts Besonderes los ist. Manche unter uns sind voll innerer Freude über vieles, was ihnen geschenkt ist in ihrer Familie, und auf der anderen Seite ist da auch die Trauer um einen lieben Menschen, der uns fehlen wird. Wenn wir die Weltlage betrachten, sind wir bestürzt und in Sorge darüber, dass Verblendung und wahnhafter Hass immer wieder zu Terroranschlägen führt, wie erst vor wenigen Tagen in Norwegen. Alles bringen wir vor dich, Herr, denn du nimmst uns mit allem an, was uns bewegt. Wir rufen zu dir:

Herr, erbarme dich! „Herr, erbarme dich, Christe, erbarme dich, Herr, erbarm dich über uns!“

So spricht Jesus (Matthäus 11, 28):

Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.

Lasst uns Gott lobsingen! „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen. Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat; nun ist gross Fried ohn Unterlass, all Fehd hat nun ein Ende“.

Der Herr sei mit euch „und mit deinem Geist.“

Gott, Vater im Himmel, lass uns im Gottesdienst Worte hören, die uns eine Hilfe sind, die uns Mut machen, die uns Trost geben. Öffne unsere Ohren und unser Herz für das, was du uns zu sagen hast. Darum bitten wir dich im Namen Jesu Christi, unseres Herrn. „Amen.“

Wir hören aus dem Evangelium nach Lukas 10, 38-42:

38 Als sie aber weiterzogen, kam [Jesus] in ein Dorf. Da war eine Frau mit Namen Marta, die nahm ihn auf.

39 Und sie hatte eine Schwester, die hieß Maria; die setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seiner Rede zu.

40 Marta aber machte sich viel zu schaffen, ihm zu dienen. Und sie trat hinzu und sprach: Herr, fragst du nicht danach, dass mich meine Schwester lässt allein dienen? Sage ihr doch, dass sie mir helfen soll!

41 Der Herr aber antwortete und sprach zu ihr: Marta, Marta, du hast viel Sorge und Mühe.

42 Eins aber ist not. Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden.

Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. Halleluja. „Halleluja, Halleluja, Halleluja!“

Glaubensbekenntnis
Lied 404, 1+6-8:

1. Herr Jesu, Gnadensonne, wahrhaftes Lebenslicht: mit Leben, Licht und Wonne wollst du mein Angesicht nach deiner Gnad erfreuen und meinen Geist erneuen, mein Gott, versag mir’s nicht.

6. Ach zünde deine Liebe in meiner Seele an, dass ich aus innerm Triebe dich ewig lieben kann und dir zum Wohlgefallen beständig möge wallen auf rechter Lebensbahn.

7. Nun, Herr, verleih mir Stärke, verleih mir Kraft und Mut; denn das sind Gnadenwerke, die dein Geist schafft und tut; hingegen meine Sinnen, mein Lassen und Beginnen ist böse und nicht gut.

8. Darum, du Gott der Gnaden, du Vater aller Treu, wend allen Seelenschaden und mach mich täglich neu; gib, dass ich deinen Willen gedenke zu erfüllen, und steh mir kräftig bei.

Gnade sei mit uns und Friede von Gott, unserem Vater, und Jesus Christus, unserem Herrn. Amen.

Liebe Gemeinde, fast jeder von uns hat schon mal einen Knochenbruch erlitten. Ein unglücklicher Tritt im Haushalt, ein Ausrutschen auf der Straße, ein Foul beim Fußballspiel genügt schon, und ein Bein oder ein Arm ist gebrochen.

Die übliche Therapie für so einen Knochenbruch, wenn der Chirurg nicht noch etwas zurechtrücken und operieren muss, ist ein Gipsverband. Der stellt die Bruchstelle ruhig, und so kann der Körper selbst wieder neues Knochengewebe aufbauen. Die Bruchstelle bekommt dabei noch eine zusätzliche Verstärkung; genau an derselben Stelle wird in der Regel nicht noch einmal ein Bruch auftreten.

Was machen wir nun aber, wenn unsere Seele einen Knacks erleidet, wenn ein Mensch unter zu hohen Belastungen zusammenzubrechen droht? Da müht sich einer von früh bis spät in seiner Arbeit und kann es doch dem Chef nie recht machen; ein anderer zieht sich aus allen Kontakten zu Freunden und Bekannten zurück, weil er trotz aller Bemühungen keinen Arbeitsplatz findet und sich dafür schämt. Eine Frau leidet darunter, dass ihr Mann ihr keine Aufmerksamkeit mehr schenkt und wichtige Entscheidungen nicht mit ihr abspricht; ein Kind fürchtet sich schon wieder vor dem Tag, an dem die Schule wieder beginnt, weil dann das Mobbing auf dem Schulhof und die Angst vor den Klassenarbeiten wieder losgeht. Auch wer mit einer Krankheit kämpft, wer Trauer zu tragen hat, kann an den Rand seiner seelischen Kräfte geraten. Und manch einer leidet unter ständiger Angst und weiß gar nicht warum.

Wie gehen wir mit den Be- und Überlastungen unserer Seele um? In der letzten Woche ging eine erschreckende Meldung durch die Medien. Ich meine, abgesehen von den noch erschreckenderen Ereignissen in Norwegen, die ja wohl auch damit zu tun haben, dass ein Mensch mit seiner von Hass zerfressenen Seele nicht zurechtkam. Eine andere Nachricht fand ich ebenso alarmierend. Die Zahl der Menschen, die wegen psychischer Belastungen eine stationäre Behandlung in Anspruch nehmen, hat sich in den letzten 20 Jahren mehr als verdoppelt. Warum gibt es für immer mehr Menschen keinen Weg, im normalen Alltag mit ihrer Seele wieder ins Reine zu kommen?

Es müsste nicht nur für Knochenbrüche, sondern auch für seelische Knackse einen Gipsverband geben. In unserer Seele kann sehr leicht etwas kaputtgehen, nur sieht man es nicht wie einen Bein- oder Armbruch. Und natürlich kann man die Seele nicht einfach eingipsen! Richtig. Aber erinnern wir uns daran, wozu der Gipsverband gut ist: Zum Ruhigstellen, damit der Knochen heilen kann. Man müsste also einen Weg finden, um auch der Seele Ruhe zu verschaffen und ihr Zeit zum Heilen zu geben. Wunden der Seele sind nicht weniger ernstzunehmen als Verletzungen am Körper; Heilung braucht immer Zeit. Wenn jemand mit einem Beinbruch weiter herumlaufen würde, als sei nichts geschehen, würden wir ihn für verrückt erklären. Wer mit einem Armbruch, ohne ihn behandeln zu lassen, weiter Hausarbeit verrichtet, ist zumindest unvernünftig. Aber seelische Verletzungen und Überlastungen nehmen wir weniger ernst; wir wollen sie niemandem zeigen, wollen niemandem gegenüber so schwach erscheinen, darum tun wir oft so, als ob gar nichts wäre. Und außerdem: gibt es denn überhaupt einen Gipsverband für die Seele?

In der Tat gibt es so etwas. Ich möchte Ihnen Worte aus dem Evangelium nach Matthäus 11, 28-30, vorlesen. Da spricht Jesus:

Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.

Nun gut, wortwörtlich steht da nichts von einem Gipsverband. Aber Jesus zeigt uns einen Weg, um Ruhe zu finden für unsere Seelen. Das ist der Punkt, auf den ich heute hinaus will.

Dieser Weg beginnt damit, dass Jesus Menschen mit besonderen Belastungen direkt anspricht: „Mühselige und Beladene“, wie Martin Luther übersetzt. Da kann sich jeder angesprochen fühlen, dem die Belastungen in seinem Leben manchmal zu viel werden. In dem Wort „mühselig“ wird zwar auch angedeutet, dass mit anstrengender Mühe auch eine Seligkeit verbunden sein kann, nämlich die Befriedigung darüber, etwas geschafft und bewältigt zu haben. Aber der griechische Urtext meint eigentlich die körperlich harte Arbeit, die einen Menschen müde und seelisch mürbe macht und die Kräfte erlahmen lässt.

Da hat mich die Bemerkung eines anderen tief getroffen. Aber ich reiße mich zusammen und lasse mir nichts anmerken. So laufe ich tagelang herum mit einem Knacks im Selbstbewusstsein.

Da hat jemand einen schmerzhaften Verlust erlitten. Aber er fürchtet sich davor, sich seine Gefühle bewusst zu machen. Er verhärtet sieh nach außen, um nicht in einen Abgrund von Verzweiflung zu fallen. Es ist, als lege er statt eines Gipsverbandes eine schwere Panzerung um die verwundete Stelle, nur damit niemand auf die Idee kommt, er könne innerlich verletzt sein. Aber so eine Ritterrüstung verbirgt die Wunde nur, schmiegt sich nicht so an wie ein Gipsverband und hilft also auch nicht zur Heilung.

Oder jemand fühlt sich überlastet. Die Termine jagen einander. Ist ein großes Vorhaben abgeschlossen, steht schon wieder – ganz dringend – etwas anderes auf der Tagesordnung. Wie lange kann das gut gehen? Was tun, wenn die ersten Anzeichen für das innere Ausgebranntsein sich melden – Kreislaufbeschwerden, Lustlosigkeit, ständige Müdigkeit, Nervosität und Reizbarkeit? Immer wieder denkt er: das geht schon vorbei, das halte ich schon durch. Muss erst eine wirklich schlimme Krankheit ihn aus der Bahn werfen, ihn zur Ruhe zwingen?

Ein Gipsverband für die Seele, wie könnte der also aussehen? Wie können wir uns heilsame Ruhe verschaffen, die wie ein anschmiegsamer, schützender Gipsverband ist?

Denken wir an die großen Menschen der Bibel. Z. B. Mose: wir erinnern uns daran, dass er das Volk Israel aus Ägypten führen soll. Als junger Mann geht ihm das Unglück seines Volkes nahe; er wäre sicher bereit, für sein Volk zu kämpfen. Ja, einmal erschlägt er einen Ägypter, der einen seiner Landsleute mit der Peitsche angetrieben hat. Da muss Mose fliehen, und er zieht sich jahrelang in die Wüste zurück, bis er schließlich heranreift zu dem Mann, der das Volk des Israeliten in das neue Land führt. Oder Johannes der Täufer: er härtet sich jahrelang in der Wüste ab, um dann glaubhaft und mit hohem Anspruch seine Botschaft der Umkehr zu verkünden. Oder Jesus: Bevor er sich mit den Menschen einlässt, geht er erst vierzig Tage in die Wüste; auch während seiner öffentlichen Tätigkeit zieht er sich immer wieder in die Stille zurück.

Die Zahl 40 scheint hier eine besondere Rolle zu spielen: vierzig Jahre, vierzig Tage. Es ist eine runde Zahl, die Vollkommenheit andeuten soll, soviel wie gerade genug ist, um der Seele genug innere Kräfte zuzuführen. Ein Gipsverband braucht ja auch nur eine gewisse Zeit angelegt zu werden, dann muss der Knochen, müssen die Gelenke wieder benutzt werden. So wollen auch die Kräfte der Seele nach Zeiten der Stille aktiv eingesetzt werden. Den Zusammenhang zwischen Stille und Aktivität drückt ein Wort auf besondere Weise aus: „Bete und arbeite“.

Mit dem Wort „Bete“ wird deutlich, dass ein Gipsverband für die Seele nicht nur ein einfaches unbestimmtes Abwarten ist. Beten ist eine Offenheit zu Gott hin, zu einem Gegenüber, von dem wir alles Entscheidende für unser Leben erwarten können. Stille und Ruhe bedeutet also auch ein zeitweiliges Stillehalten mit eigener Tätigkeit, um frei zu werden für etwas, das uns nur von außen zukommen kann. Wer ständig in Aktion, in Hetze ist, wer ständig geschäftig herumläuft wie die fleißige Marta in der Jesusgeschichte, die wir vorhin gehört haben, wer ständig sich berieseln lässt von Lärm, Musik, immer neuen Eindrücken, ohne einmal wirklich zur Ruhe zu kommen, der verpasst das Eine wirklich Notwendige, nämlich zuzuhören, was Gott mit unserem Leben vorhat, darüber nachzusinnen, wozu wir auf der Welt sind, uns einzulassen auf ein Gegenüber und uns Trost oder Aufmunterung oder neue Kräfte schenken zu lassen. Maria hat in der Geschichte dieses gute Teil erwählt, nur einfach dazusitzen und Jesus zuzuhören, und den Abwasch in der Küche auch mal stehen zu lassen.

Wie gesagt, auch Jesus selbst war nicht pausenlos in Aktion. Er brauchte seine Zeiten der Stille, des Gebets, der Erholung, um seine Kräfte wiederzugewinnen. Manchmal musste er sich regelrecht hinwegstehlen von dem allzu aufdringlichen Volk, um Zeit für sich und sein Gespräch mit dem Vater im Himmel zu haben. Den meisten von uns wird‛s ähnlich gehen: wenn wir uns nicht die Zeit wirklich bewusst nehmen für‛s Gebet, da „kommen wir einfach nicht dazu“, dann zerrinnt uns die Zeit wegen unserer vielfältigen Unternehmungen des Tages nur so durch die Finger.

Weil Jesus zeitweise nicht für das Volk da sein wollte, konnte er also in Stille und Gebet neue Kraft sammeln. Und danach konnte er glaubwürdig sagen: „Kommet her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken!“ Wer also ihn, diesen Jesus, in der Stille findet, der wird sich gestärkt fühlen, auch wenn er unter sehr viel Mühsal und Belastung zu seufzen hat. Und es muss nicht dabei bleiben, dass solche Stärkung nur in der inneren Beziehung zu Jesus im Gebet stattfindet. Jesus hat die Menschen ja direkt zu sich kommen lassen, hat sie berührt und angefasst, hat ihnen Mut zugesprochen oder ermahnt, hat sie als Personen mit ihrer Verantwortung ernst genommen und ihnen die Sünden vergeben. Und er hat allen, die zu ihm kamen, die Vollmacht und die Erlaubnis gegeben, in seinem Namen genauso zu handeln. Also können auch wir in unserer Umgebung Menschen finden, die an uns das tun, was Jesus damals an Menschen getan hat: uns annehmen, ernstnehmen, trösten, ermahnen, Zeit für uns haben, uns zuhören. Und wir selber können, wenn wir so gestärkt werden, auch für andere in dieser Weise ein Nächster werden.

Jesus sagt nicht: ihr werdet keine Probleme mehr haben. Er spricht von dem Joch, das alle Menschen, die ihm nachfolgen, auf sich nehmen müssen. Es ist ein leichtes Joch deswegen, weil es dazu dient, die eigenen Lasten besser tragen zu können. In Ostfriesland habe ich einmal so ein Joch kennengelernt, das bestand aus einer Stange, die man sich bequem auf Schulter und Nacken legen konnte, und rechts und links hingen Eimer an der Stange. So konnte man damals über weite Strecken Wasser transportieren, auf Ostfriesisch nannte man das „Jück und Emmers“, Joch und Eimer. Ich meine, Jesus meint das mit seinem Joch ähnlich. Er sagt uns: Ihr sollt mein Joch auf euch nehmen, ihr braucht nur das zu tragen, was ich euch zumute. Und ich überfordere euch nicht. Ihr sollt eure Nächsten lieben wie euch selbst, nicht mehr und nicht weniger. Mit zusätzlichen Lasten sollt ihr euch nicht überfordern. Z. B. sollt ihr nicht versuchen, selber eure Sünden abzubüßen. Das habe ich, Jesus, längst für euch getan.

Und ihr sollt nicht versuchen, es allen Leuten recht zu machen. In Liebe darf man sich gegen übermäßige Ansprüche anderer Leute zur Wehr setzen, dabei hat Jesus damals zum Beispiel Maria gegen ihre Schwester Marta unterstützt. Ihr braucht auch nicht in jedem Augenblick eures Lebens Stärke zeigen. Lasst euch Zeit, die Wunden eurer Seele auszuheilen; sucht euch jemanden, dem ihr vertrauen könnt, bei dem ihr euch ausweinen könnt, der euch hilft, wieder mit euch und den Menschen zurechtzukommen. So sieht das sanfte Joch Jesu aus, das wie ein Gipsverband hilft, unserer Seele Ruhe zu geben und unseren gebeugten Rücken wieder aufzurichten.

Wie kann man konkret das Joch Jesu auf sich nehmen? Er fordert uns auf, dass wir von ihm lernen, „sanftmütig und von Herzen demütig“ zu sein. Vielleicht können wir das besser, wenn wir uns eine tägliche Zone der Stille gönnen, eine Zeit des Schweigens, des Betens, der Konzentration auf die Bibel oder ein anderes Buch, einen kleinen Ausstieg aus dem Alltagstrott, wie ihn die Maria sich gönnte, als sie sich Jesus zu Füßen setzte.

Sanftmut und Demut im Alltag einzuüben, bedeutet dann nicht, sich von anderen demütigen und entwürdigen zu lassen. Sanftmut bedeutet, zu warten, bevor ich nach einer Verletzung zurückschlagen will, und zu schauen, wie ich damit fertig werde, ohne den wieder zu verletzen, der mir das angetan hat. Vielleicht gelange ich dann zu einem offenen Wort, zu Vergebung, zu einer neuen Beziehung zum anderen. Und Demut ist der Mut zum Dienen, die Offenheit für das, was ein anderer braucht, was ihn belastet, der Mut, jemanden darauf anzusprechen, ob er Hilfe benötigt. Zur Demut kann aber auch gehören, dass man einen anderen auf überzogene Ansprüche hinweist und dazu ein klares Nein sagt.

Aus dem Alltag in die Stille finden, aus der Stille wieder in den Alltag zurückkehren, darauf kommt es an. Beten hat seine Zeit, und Arbeiten hat seine Zeit. Ebenso ist es mit Geben und Nehmen, mit Reden und Schweigen, mit Glauben und Zweifeln. Eins stützt das andere; und wer nur das eine erfahren will, der erfährt sich nur halb. Wir brauchen nicht immer nur stark sein oder scheinen; wir können dazu stehen, dass wir viele Lasten nur mit dem Joch Jesu, mit seiner Sanftmut und Demut, tragen können und manchmal einen Gipsverband für die Seele brauchen. Amen.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben. Amen.
Lied 368, 1-3+6-7:

1. In allen meinen Taten lass ich den Höchsten raten, der alles kann und hat; er muss zu allen Dingen, soll’s anders wohl gelingen, mir selber geben Rat und Tat.

2. Nichts ist es spät und frühe um alle meine Mühe, mein Sorgen ist umsonst; er mag’s mit meinen Sachen nach seinem Willen machen, ich stell’s in seine Vatergunst.

3. Es kann mir nichts geschehen, als was er hat ersehen und was mir selig ist. Ich nehm es, wie er’s gibet; was ihm von mir beliebet, dasselbe hab auch ich erkiest.

6. Ihm hab ich mich ergeben zu sterben und zu leben, sobald er mir gebeut; es sei heut oder morgen, dafür lass ich ihn sorgen, er weiß allein die rechte Zeit.

7. So sei nun, Seele, deine und traue dem alleine, der dich geschaffen hat. Es gehe, wie es gehe, dein Vater in der Höhe, der weiß zu allen Sachen Rat.

Lasst uns beten. Gott, wir dürfen zu dir reden, wir dürfen auch auf dich hören. Nur wenn wir still werden, hören wir deine Stimme, nur dann wird uns bewusst, was du uns sagen willst. Mach uns bereit, dein Joch auf uns zu nehmen, die Last der Nächstenliebe, der Sanftmut, der Demut, die eine leichte Last ist, weil sie uns die eigene Last der Sorge für diesen Tag zu tragen hilft. Schenke uns die Erfahrung, dass wir an unserer Last nicht allein zu tragen haben, wenn wir uns der Hilfe anderer öffnen. Schenke uns Ruhe und Stille, in der wir neue Kraft gewinnen. Schenke uns Gemeinschaft, in der wir einander unterstützen, statt uns gegenseitig unter Druck zu setzen und zu verletzen. Mach uns sensibel dafür, wann der richtige Zeitpunkt da ist: für ein Gespräch oder fürs in-Ruhe-Lassen, fürs Reden oder fürs Schweigen, für das vertrauensvolle Glauben oder fürs kritische Fragen, für die Stille oder für den anstrengenden Einsatz für andere. Herr, hilf das Rechte sagen, hilf uns das Gute wagen, Herr, hilf das Rechte tun!

Insbesondere denken wir heute im Gebet an …, die vor zwei Wochen im Alter von … Jahren gestorben ist und für die wir vor einer Woche in unserer Pauluskirche die Trauerfeier gehalten haben. Wir vertrauen sie dir an, die ihr ganzes Leben lang im Vertrauen auf dich gelebt hat und für die es selbstverständlich war, sich mit ihren ganzen Kräften einzusetzen in Familie und Kirche, wo immer sie sich zu einem Dienst herausgefordert sah. Wir bitten dich für den Ehemann und die Familie, dass sie auf dem Weg ihrer Trauer deinen Trost und deine Hilfe erfahren. Wir bitten dich für uns in der Gemeinde, dass wir ihr Andenken bewahren, indem wir ihr nacheifern und an unserem Platz im Vertrauen auf dich den Dienst tun, der uns aufgetragen ist. Amen.

In der Stille bringen wir vor dich, Gott, was wir persönlich auf dem Herzen haben.

Gebetsstille und Vater unser
Abkündigungen
Lied 361, 1+6+12:

1. Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt der allertreusten Pflege des, der den Himmel lenkt. Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann.

6. Hoff, o du arme Seele, hoff und sei unverzagt! Gott wird dich aus der Höhle, da dich der Kummer plagt, mit großen Gnaden rücken; erwarte nur die Zeit, so wirst du schon erblicken die Sonn der schönsten Freud.

12. Mach End, o Herr, mach Ende mit aller unsrer Not; stärk unsre Füß und Hände und lass bis in den Tod uns allzeit deiner Pflege und Treu empfohlen sein, so gehen unsre Wege gewiss zum Himmel ein.

Geht mit Gottes Segen:

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

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