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Trauern und Hoffen

Die Elia-Geschichte endet mit einem dritten Wunder. Das Kind der Witwe kehrt ins Leben zurück, was Friedrich Rückert, Gustav Mahler und Reverend Sylvanus Wilfred nicht vergönnt war. Dieser glückliche Ausgang ist es aber nicht, womit Hoffnung steht und fällt. Elia macht Mut, Gott anzuklagen und das Menschenmögliche zu tun.

Denkmal für Friedrich Rückert in Schweinfurt
Denkmal für Friedrich Rückert in Schweinfurt (Bild: Stefan K.Pixabay)
Abendmahl am Tisch am Gründonnerstag, 24. März 2005, um 19.00 Uhr in der evangelischen Pauluskirche Gießen

Guten Abend, liebe Gemeinde!

Beim Tischabendmahl am Gründonnerstag in der Pauluskirche heißt das „Team halb 6“ Sie alle herzlich willkommen. Die Idee zur Gestaltung dieses Gottesdienstes kam von Lisa Machmüller und Werner Schütz, die ein Benefizkonzert mit Gustav Mahlers „Kindertotenliedern“ für die Opfer der Flutkatastrophe in Südostasien veranstalten wollten. Der Kirchenvorstand der Paulusgemeinde griff diese Idee auf und fasste den Beschluss, den Gesang der „Kindertotenlieder“ in unser traditionelles Gründonnerstagsabendmahl am Tisch einzubeziehen und die Kollekte des heutigen Abends der Wiederaufbauhilfe auf den Nicobaren und Andamanen zur Verfügung zu stellen.

In unserem Gemeindebrief finden Sie Hintergrundinformationen, die an dieser Stelle zu viel Zeit in Anspruch nehmen würden.

Allen, die bei der Vorbereitung dieses Gottesdienstes und des nachfolgenden Grüne-Soße-Essens mitgeholfen haben, dankt der Kirchenvorstand herzlich, insbesondere der Sängerin Lisa Machmüller und dem Pianisten Werner Schütz.

Jetzt feiern wir Gottesdienst unter dem Thema „Trauern und Hoffen“, denn Gott ist in unserer Mitte, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Amen.

Wir hören heute vier Lieder der Trauer; um auch der Hoffnung gleich zu Anfang Raum zu geben, stellen wir uns mit dem Lied 590 unter den Segen Gottes:

Herr, wir bitten: Komm und segne uns; lege auf uns deinen Frieden

Wir beginnen mit einer von vielen traurigen Geschichten aus Südostasien.

Reverend Sylvanus Wilfred, ein Pfarrer der Insel Car Nicobar, die in der Nähe Sumatras liegt, aber zur Kirche von Nordindien gehört, erzählt:

„Am 26. Dezember, als ich zur Kirche zum Sonntagsgottesdienst gehen wollte, fing die Erde an zu beben. Meine Frau Temar und ich holten unsere 3 Kinder heraus, 20 Jahre, 2 ½ Jahre und 6 Monate alt, und dann rannten wir weg in den Schutz des Dschungels. Ich kletterte einen Baum hoch mit dem Baby, und meine Frau kletterte auf einen anderen Baum mit unserem Sohn Emerson. Unsere Tochter Fobi kletterte allein auf einen eigenen Baum. Die erste und zweite Welle kam etwa 10 Meter hoch, aber wir blieben festgeklammert an den Bäumen. Die dritte Welle brach die Bäume und wir waren im Wasser. Meine linke Hand wurde eingeklemmt zwischen zwei umgestürzten Bäumen, aber ich hielt noch immer das Baby. Die fünfte Welle kam und riss mir das Baby aus der Hand. Meine Frau verlor auch unseren kleinen Jungen. Unsere Tochter war ebenfalls mit der Welle verschwunden. Die folgende Welle drückte die Bäume etwas auseinander und ich konnte meine Hand befreien. Meine Frau konnte ich retten, auch 60 andere Leute, die im Wasser ums Überleben kämpften und die ich auf höheres Gelände ziehen konnte. Ich fand auch einen blinden Mann, der sich im Dschungel verfangen hatte und half ihm heraus. Dann brachte ich die Leute in Sicherheit und betete mit ihnen.“

Eins von vielen Schicksalen vom 2. Weihnachtstag im Jahr 2004. Das Pfarrerehepaar Sylvanus musste wie so viele Eltern den Tod ihrer Kinder beklagen.

Sie sehen die Sonne nicht mehr aufgehen, während andere eine wunderbare Rettung erfahren.

Um ein Gefühl dafür zu bekommen, was eine Katastrophe wie die Flut in Südostasien bedeutet, hören wir heute „Kindertotenlieder“ von Friedrich Rückert, vier davon vertont von Gustav Mahler. Als erstes lesen wir Ihnen allerdings eines vor, das niemals gesungen wurde: „Weihnachten frisch und gesund“:

Weihnachten frisch und gesund
Im frohen Geschwisterrund,
Am Neujahr mit blassem Mund,
An den drei Kön‘gen im Grund.
So taten die Feste sich kund
Mit Tod und Grab im Bund.
Mein Herz bleibt bis Ostern wund
Und wird nicht bis Pfingsten gesund.

Ja, so ist es. Die Herzen der von Leid und Tod Betroffenen in Südostasien bleiben wund, werden noch lange nicht gesund. Wir anderen können nicht anders: Nach erstem Erschrecken über fremdes Leid müssen wir schon bald zur Normalität zurückkehren, uns unempfindlich machen für diesen unermesslichen Schmerz. Wir sind schlicht nicht in der Lage, mit allen Eltern mitzufühlen, die Kinder verloren haben, mit allen Kindern mitzuleiden, die ihre Eltern niemals wiedersehen werden. Mit einzelnen Menschen können wir mitfühlen, in einzelne Eltern oder Kinder können wir uns in begrenztem Maße einfühlen. Darum setzen wir uns heute im geschützten Rahmen dieses Gottesdienstes den Gefühlen der Trauer aus, wie sie der Dichter Friedrich Rückert empfunden und der Komponist Gustav Mahler in Musik umgesetzt hat. Das kann uns davor bewahren, verdrängen zu müssen, was uns zu sehr belastet – und hart und bitter zu werden.

Wir hören das erste der von Gustav Mahler vertonten Kindertotenlieder: „Nun will die Sonn‘ so hell aufgehn“:

Nun will die Sonn‘ so hell aufgehn,
Als sei kein Unglück die Nacht geschehn.

Das Unglück geschah nur mir allein!
Die Sonne, sie scheinet allgemein.

Du musst nicht die Nacht in dir verschränken,
Musst sie ins ew‘ge Licht versenken.

Ein Lämplein verlosch in meinem Zelt!
Heil sei dem Freudenlicht der Welt!

1833 und 1834 sterben zwei der zehn Kinder Friedrich Rückerts an Scharlach. Dass ein solcher Verlust nie vergessen, nie völlig bewältigt wird, wissen alle Väter und Mütter, die ein geliebtes Kind hergeben mussten. Der Vater Rückert schreibt über 300 Gedichte, in die seine Trauer einfließt. Er nennt sie Kindertotenlieder. 1905 vertont Gustav Mahler fünf dieser Lieder, von denen wir heute vier hören. Auch der Musiker hat 1907 den Tod einer fünfjährigen Tochter zu beklagen.

Wie gehen wir als Christen mit so heftiger Trauer um? Gibt es Trost von Gott für Väter wie Rückert oder Mahler? Viele fragen heute: „Wo war Gott, als das Seebeben geschah? Warum ließ er es zu?“

Wir geben darauf keine allgemeinen Antworten, sondern folgen einigen Spuren in einer Geschichte vom Propheten Elia. Sie steht im 1. Buch der Könige und spielt zu einer Zeit, in der das Land Israel unter einer furchtbaren Dürre leidet, die Todesopfer fordert (1. Könige 17):

1 Und es sprach Elia … zu [König] Ahab: So wahr der HERR, der Gott Israels, lebt, vor dem ich stehe: es soll diese Jahre weder Tau noch Regen kommen, ich sage es denn.

Der Prophet Elia ist also der Überzeugung, diese Naturkatastrophe sei eine Strafe von Gott für König Ahab und sein Volk.

Ob diese Deutung stimmt, lasse ich dahingestellt sein; dass Ahab ein ungerechter König war, stimmt schon, und dass es Gewalt und Ausbeutung im Land gab, ist auch wahr. Auch heute sehen manche in Katastrophen eine Strafe oder Warnung Gottes, vielleicht weil es immer genug Bosheit in der Welt gibt, die Strafe verdiente.

Dabei bleibt allerdings die Frage offen: Was ist mit unschuldigen Opfern, wenn die Natur aus den Fugen gerät? Warum werden Opfer gemeinsam mit Tätern gestraft? Was ist mit den toten Kindern, warum werden Kinder doppelt gestraft, die nach dem Verlust ihrer Familie auch noch in die Fänge von Menschenhändlern geraten?

Auch in unserer Elia-Geschichte geht es um Einzelschicksale: drei Menschen geraten auf Grund der von Elia selbst angekündigten Strafaktion Gottes unverschuldet in Not. Um ihr Schicksal geht es in der folgenden Erzählung:

2 Da kam das Wort des HERRN zu [Elia]:

3 Geh weg von hier und wende dich nach Osten und verbirg dich am Bach Krit, der zum Jordan fließt.

4 Und du sollst aus dem Bach trinken, und ich habe den Raben geboten, dass sie dich dort versorgen sollen.

5 Er aber ging hin und tat nach dem Wort des HERRN und setzte sich nieder am Bach Krit, der zum Jordan fließt.

6 Und die Raben brachten ihm Brot und Fleisch des Morgens und des Abends, und er trank aus dem Bach.

So weit, so gut. Der Prophet Elia erfährt wunderbare Bewahrung in der Hungersnot. Geschildert wird das mit einem Motiv, das wir aus Märchen kennen. Freundliche Tiere versorgen den guten Menschen mit Nahrung. Aber dann scheint die Natur doch stärker zu sein als die behütende Hand Gottes.

7 Und es geschah nach einiger Zeit, dass der Bach vertrocknete; denn es war kein Regen im Lande.

Droht dem Propheten Elia nun doch der Hungertod?

Wir hören ein zweites Kindertotenlied: „Nun seh‘ ich wohl, warum so dunkle Flammen.“

Nun seh‘ ich wohl, warum so dunkle Flammen
Ihr sprühtet mir in manchem Augenblicke.
O Augen! Gleichsam um voll in einem Blicke
Zu drängen eure ganze Macht zusammen.

Dort ahnt‘ ich nicht, weil Nebel mich umschwammen,
Gewoben vom verblendenden Geschicke,
Dass sich der Strahl bereits zur Heimkehr schicke,
Dorthin, von wannen alle Strahlen stammen.

Ihr wolltet mir mit eurem Leuchten sagen:
Wir möchten nah dir bleiben gerne,
Doch ist uns das vom Schicksal abgeschlagen.

Sich uns nur an, denn bald sind wir dir ferne!
Was dir nur Augen sind in diesen Tagen:
In künft‘gen Nächten sind es dir nur Sterne.

Bis jetzt ist der Prophet Elia mitten in einer Naturkatastrophe durch andere Naturkräfte bewahrt geblieben. Als diese Quelle der Rettung versiegt, wird Elia einen anderen Weg geführt.

8 Da kam das Wort des HERRN zu ihm:

9 Mach dich auf und geh nach Zarpat, das bei Sidon liegt, und bleibe dort; denn ich habe dort einer Witwe geboten, dich zu versorgen.

10 Und er machte sich auf und ging nach Zarpat. Und als er an das Tor der Stadt kam, siehe, da war eine Witwe, die las Holz auf. Und er rief ihr zu und sprach: Hole mir ein wenig Wasser im Gefäß, dass ich trinke!

11 Und als sie hinging zu holen, rief er ihr nach und sprach: Bringe mir auch einen Bissen Brot mit!

12 Sie sprach: So wahr der HERR, dein Gott, lebt: ich habe nichts Gebackenes, nur eine Handvoll Mehl im Topf und ein wenig Öl im Krug. Und siehe, ich hab ein Scheit Holz oder zwei aufgelesen und gehe heim und will mir und meinem Sohn zurichten, dass wir essen – und sterben.

„Essen und sterben“, das sind die zentralen Worte der alleinerziehenden Mutter, die vor dem Stadttor von Zarpat dem Propheten Elia begegnet. Hoffnungslos sieht ihr Schicksal aus, und ihre Worte klingen schicksalsergeben. „Nein“, meint sie, „wie soll ich dir helfen, ich habe selber nur noch eine letzte Mahlzeit für mein Kind und mich, dann wartet nur noch der Tod auf uns.“ Damit findet sich Elia aber nicht ab.

13 Elia sprach zu ihr: Fürchte dich nicht! Geh hin und mach’s, wie du gesagt hast. Doch mache zuerst mir etwas Gebackenes davon und bringe mir’s heraus; dir aber und deinem Sohn sollst du danach auch etwas backen.

14 Denn so spricht der HERR, der Gott Israels: Das Mehl im Topf soll nicht verzehrt werden, und dem Ölkrug soll nichts mangeln bis auf den Tag, an dem der HERR regnen lassen wird auf Erden.

15 Sie ging hin und tat, wie Elia gesagt hatte. Und er aß und sie auch und ihr Sohn Tag um Tag.

16 Das Mehl im Topf wurde nicht verzehrt, und dem Ölkrug mangelte nichts nach dem Wort des HERRN, das er durch Elia geredet hatte.

Wieder eine märchenhafte Geschichte, die erzählt wird, um Hoffnung zu wecken: Es gibt keine aussichtslose Situation, wenn man noch bereit ist zu teilen, wenn die Menschlichkeit noch nicht gestorben ist. Kürzlich erzählte mir eine Frau, dass in ihrer alten Heimat im Osten kurz nach dem Krieg viele Flüchtlinge bei ihr vorbeikamen. Sie hatte selber nur das Nötigste. Aber sie gab, was sie konnte und sagte ihren reicheren Nachbarn: „Wir sind nicht ausgebombt worden, uns hat man noch nicht davongejagt. Es ist unsere Pflicht und Schuldigkeit, zu helfen, wenn jemand einen Teller Suppe braucht.“

So weit, so gut. Aber das Schlimmste für die Mutter und ihren Gast Elia kommt erst noch.

17 Und nach diesen Geschichten wurde der Sohn seiner Hauswirtin krank, und seine Krankheit wurde so schwer, dass kein Odem mehr in ihm blieb.

18 Und sie sprach zu Elia: Was hab ich mit dir zu schaffen, du Mann Gottes? Du bist zu mir gekommen, dass meiner Sünde gedacht und mein Sohn getötet würde.

19 Er sprach zu ihr: Gib mir deinen Sohn! Und er nahm ihn von ihrem Schoß und ging hinauf ins Obergemach, wo er wohnte, und legte ihn auf sein Bett

20 und rief den HERRN an und sprach: HERR, mein Gott, tust du sogar der Witwe, bei der ich ein Gast bin, so Böses an, dass du ihren Sohn tötest?

Wir hören das dritte Kindertotenlied, geschrieben von Friedrich Rückert, vertont von Gustav Mahler, gesungen von Lisa Machmüller, und begleitet von Werner Schütz: „Wenn dein Mütterlein“.

Wenn dein Mütterlein
Tritt zur Tür herein,
Und den Kopf ich drehe,
Ihr entgegen sehe,
Fällt auf ihr Gesicht
Erst der Blick mir nicht,
Sondern auf die Stelle
Näher nach der Schwelle,
Dort wo würde dein
Lieb Gesichtchen sein,
Wenn du freudenhelle
Trätest mit herein
Wie sonst, mein Töchterlein.

Wenn dein Mütterlein
Tritt zur Tür herein,
Mit der Kerze Schimmer,
Ist es mir, als immer,
Kämst du mit herein,
Huschtest hinterdrein,
Als wie sonst ins Zimmer!
O du, des Vaters Zelle,
Ach, zu schnelle, zu schnell
Erlosch‘ner Freudenschein!

Hier ist die Mutter kurz davor, den Mann Gottes achtkantig aus ihrem Haus zu werfen. Hat er nicht Gottes Strafe über sie gebracht? Was hat sie davon, dass Gott wegen des Propheten besonders auf sie geachtet hat? Was nützt ihr die Bewahrung vor dem Hungertod, wenn Gott sie aus unerfindlichem Grund mit dem Tod ihres Kindes strafen will?

Elia tadelt sie nicht für ihren – verständlichen – Zorn. Er teilt ihn sogar und gibt die Anklage der Frau direkt an Gott weiter: „HERR, mein Gott, tust du sogar der Witwe, bei der ich ein Gast bin, so Böses an, dass du ihren Sohn tötest?“

Die Stärke des Elia sehe ich darin, dass er differenzieren kann. Für ihn ist nicht jedes Übel eine Strafe Gottes. Bei König Ahab ist für ihn die Sache klar. Der soll die Hungersnot als Strafgericht für sein Unrecht erfahren und in sich gehen. Dem soll klar werden: es ist ein Geschenk des Himmels, wenn genug zu essen da ist; und es gefällt Gott nicht, wenn man mit diesem Geschenk egoistisch umgeht. Aber die Witwe ist keine böse Frau. Sie hat ihn als Gast aufgenommen, obwohl sie selber nichts hat. Elia versteht nicht, warum Gott ihr Kind tötet. Er findet sich damit nicht ab. Er streitet mit Gott. Er klagt ihn sogar an. Es gibt Leid, für das es keine Erklärung gibt. Es gibt unerforschliche Ratschlüsse Gottes, in die nicht einmal der frömmste Mensch Licht bringen kann. Diesen Tod kann man nur betrauern, es gibt Schmerz, der keine Strafe ist, den man einfach tragen muss.

Wir hören das vierte und letzte der Kindertotenlieder, die uns Lisa Machmüller heute singt: „Oft denk ich, sie sind nur ausgegangen.“

Oft denk‘ ich, sie sind nur ausgegangen!
Bald werden sie wieder nach Hause gelangen!
Der Tag ist schön! O sei nicht bang!
Sie machen nur einen weitern Gang.

Jawohl, sie sind nur ausgegangen
Und werden jetzt nach Haus gelangen!
O sei nicht bang, der Tag ist schön!
Sie machen nur den Gang zu jenen Höh‘n.

Sie sind uns nur vorausgegangen
Und werden nicht wieder nach Haus verlangen!
Wir holen sie ein auf jenen Höh‘n!
Im Sonnenschein! Der Tag ist schön.
Auf jenen Höh‘n.

Friedrich Rückerts Texte enthalten auch Hoffnung. In diesem letzten Lied spielt er mit dem Gedanken des Ausgehens aus dem Haus und des nicht wieder Nach-Haus-Gelangens. Er kann ein Stück Trost darin finden, dass die Kinder den Eltern und Geschwistern nur vorausgegangen sind in die Höhen des Himmels und dass sie dort auf eine andere Weise in ein ewiges Zuhause gelangt sind.

Die Elia-Geschichte geht noch einmal etwas anders mit dem Thema Hoffnung um.

Hier ist der Prophet noch nicht bereit, den Kampf um das irdische Leben des Kindes der Witwe aufzugeben. Er fragt sie, ob er das leblose Kind mit zu sich nach oben in sein persönliches Schlafzimmer nehmen darf. Und nachdem er heftig zu Gott gebetet hat, wie wir gehört haben, legt er sich mit aller Kraft ins Zeug, um das Leben des Kindes zu retten:

21 Und er legte sich auf das Kind dreimal und rief den HERRN an und sprach: HERR, mein Gott, lass sein Leben in dies Kind zurückkehren!

Es klingt wie eine Mischung aus einem schamanischen Wunderheilungs-Ritual und der Wiederbelebungsmaßnahme eines Ersthelfers. Es klingt auch anstößig – schon dass sich der Prophet mit dem Kind in sein Schlafzimmer zurückzieht. Dann erst recht, dass er sich drei Mal auf das Kind drauflegt. Überschreitet er hier nicht Grenzen? Ist das heilende Nähe oder verbotene Berührung? Könnte er nicht das Kind erdrücken statt zum Leben erwecken? Elia geht das Risiko ein: Im Vertrauen auf Gott setzt er sich ein mit seiner ganzen Kraft. Und zugleich verlässt er sich auf sein Gebet zu dem Gott, den er eben noch angeklagt hat. Der ist zuständig für Leben und Tod. Der ist ansprechbar auf Hoffnung angesichts der Hoffnungslosigkeit.

22 Und der HERR erhörte die Stimme Elias, und das Leben kehrte in das Kind zurück, und es wurde wieder lebendig.

23 Und Elia nahm das Kind und brachte es hinab vom Obergemach ins Haus und gab es seiner Mutter und sprach: Sieh da, dein Sohn lebt!

24 Und die Frau sprach zu Elia: Nun erkenne ich, dass du ein Mann Gottes bist, und des HERRN Wort in deinem Munde ist Wahrheit.

So endet die Elia-Geschichte mit einem dritten Wunder. Das Kind der Witwe kehrt ins Leben zurück, was den Kindern Friedrich Rückerts und Gustav Mahlers und Reverend Sylvanus Wilfreds nicht vergönnt war. Dieser glückliche Ausgang ist es aber nicht, womit die Hoffnung, die in dieser Geschichte geweckt wird, steht und fällt. Auch wo Tod irdisch endgültig bleibt, ist es sinnvoll, Hoffnung von Gott einzuklagen und das Menschenmögliche zu tun. Auch die hoffnungsloseste Situation kann sich wenden. Auch aus dem Bösesten kann Gutes entstehen. Nur – in der Hand haben wir das nicht. Hoffnung ist und bleibt ein Geschenk. Amen.

Wir singen das Lied auf der Rückseite des Programms: „Hoffen wider alle Hoffnung“:
Hoffen wider alle Hoffnung, glauben, dass es dennoch weitergeht

Heute ist Gründonnerstag. Heute erinnern wir uns auch an einen Mann, der den Tag nach dem Gründonnerstag irdisch nicht überlebt hat. Jesus, Gottes Kind, stirbt am Karfreitag und sieht diesen Tod voraus. Er sehnt sich nicht nach diesem Tod, doch er flieht nicht und wehrt sich nicht mit Gewalt. Sein Tod ist nicht die Folge einer Naturkatastrophe, sondern von Menschen gewollt. Sie wollen ihn aus dem Weg räumen. Für sie ist es Gotteslästerung, dass er Sünden vergibt und den Toten die Auferstehung verspricht. Die Hoffnung, die Jesus in verzweifelten Menschen weckt, wollen sie töten. Die Liebe, mit der er alle Menschen liebt, wollen sie ungeschehen machen.

Doch damit kommen sie nicht durch. Die Liebe Jesu setzt sich durch. Man kann zwar seinen irdischen Leib töten, aber er wird auferweckt zu neuem Leben. Sein geistlicher Leib wird überall da als lebendig erfahren, wo Christinnen und Christen die Kraft seines Geistes erfahren, sich von ihm trösten und stärken lassen und ihm nachfolgen.

Im Evangelium nach Johannes 6 sagt Jesus:

48 Ich bin das Brot des Lebens.

50 Dies ist das Brot, das vom Himmel kommt, damit, wer davon isst, nicht sterbe.

51 Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist. Wer von diesem Brot isst, der wird leben in Ewigkeit. Und dieses Brot ist mein Fleisch, das ich geben werde für das Leben der Welt.

Was wir essen, ist und bleibt Brot. Warum nennt Jesus es sein Fleisch? Weil die Kraft, die er uns schenkt, nämlich sein Geist, etwas ganz Konkretes, Reales, Handgreifliches ist. Der Geist der Liebe Jesu ist zwar ein unverfügbares Geschenk, hat aber sichtbare, spürbare Folgen. Gibt uns ganz real Hoffnung, lässt uns aufstehen, wo wir niedergedrückt waren, gibt uns Trost, wo wir durch Trauer oder Schmerz wie gelähmt waren, gibt uns Mut, uns unseren Ängsten zu stellen, und Unrecht entgegenzutreten.

Wir hören die Worte, mit denen Jesus uns das Brot seines Leibes austeilt und ebenso den Kelch der Versöhnung:

Der Herr Jesus, in der Nacht, da er verraten ward, nahm er das Brot, dankte und brach’s und gab’s seinen Jüngern und sprach: Nehmt, esst; das ist mein Leib, der für euch gegeben wird. Das tut zu meinem Gedächtnis.

Und er nahm den Kelch und dankte, gab ihnen den und sprach: Trinkt alle daraus; das ist mein Blut des Bundes, das vergossen wird für viele zur Vergebung der Sünden. Das tut, so oft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis.

Nehmt und gebt weiter, was euch geschenkt ist – das Brot der Liebe Gottes.

Herumreichen des Korbs

Nehmt hin und empfangt, was euch geschenkt ist – das Blut des Bundes, vergossen für viele.

Austeilen der Kelche

Jesus spricht:

„Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist. Wer von diesem Brot isst, der wird leben in Ewigkeit“ (Johannes 6, 51).

Nun lasst uns beten.

Gott, lass uns gehen auf dem Weg des Schauens. Schenke uns ein reines Herz, dass wir dich so erkennen wie ein Kind, das dir vertraut. Schenke uns die Gewissheit, dass du uns liebst und dass wir von dir eine menschliche Würde bekommen haben, die uns niemand nehmen kann.

Gott, lass uns gehen auf dem Weg des Empfangens. Gib uns die Kraft auszuhalten, was wir nicht ändern können. Mit Gelassenheit lass uns hinnehmen, dass wir nicht überall helfen können und nicht alle unsere Schwächen in den Griff kriegen. Lass uns einsehen, dass wir auf Vergebung angewiesen bleiben.

Gott, lass uns gehen auf dem Weg des Tuns. Lass uns erkennen, was gut und was böse ist. Gib uns Orientierung in einer Welt, in der alle Maßstäbe verschwimmen und in der es immer mehr Egoismus gibt, im Kleinen wie im Großen. Hilf uns, das Wort zu beherzigen: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.

Gott, lass uns gehen auf dem Weg der Hoffnung, die nicht stirbt, weil wir dir vertrauen dürfen, weil deine Liebe für uns und in uns lebendig bleibt. Wir bleiben lebendig auch wenn wir trauern. Wir gehen nicht verloren, auch wenn wir sterben müssen. Amen.

Wir beten mit Jesu Worten:

Vater unser

Danke schön an die Sängerin und den Klavierspieler – danke auch denen, die Texte gelesen haben und uns bewirten!

Der Segen des Gottes von Sarah und Abraham, der Segen des Sohnes, von Maria geboren, der Segen des Heiligen Geistes, der uns tröstet wie eine Mutter ihre Kinder, sei mit euch allen. Amen.

Wir singen das Lied 612:
Fürchte dich nicht, gefangen in deiner Angst, mit der du lebst
Klaviernachspiel

Wir essen jetzt gemeinsam zu Abend – es gibt Grüne Soße mit Fladenbrot. Guten Appetit!

Grüne-Soße-Essen

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