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Weinen kann nur der, der liebt

Jesus weint über Jerusalem, er trauert um die Stadt, die zerstört werden wird. Weinen kann nicht der, der nach Vergeltung ruft, sondern der, der zu vergeben fähig ist. Nicht der weint, dem Prinzipien heiliger sind als Menschen, sondern der, der mit den Menschen, auch den irrenden, fühlt.

Weinen kann nur der, der liebt: Nur das traurige Gesicht Jesu, eine grobe Holzschnitzerei, im Profil vor schwarzem Hintergrund rechts
Jesus weint über Jerusalem (Bild: Annick VanblaerePixabay)

#predigtGottesdienst am 10. Sonntag nach Trinitatis, 19. August 1979, um 9.30 in Weckesheim, um 10.30 in Reichelsheim (Israelsonntag)
Orgelvorspiel

Herzlich willkommen heute in diesem Gottesdienst! Dieser Sonntag wird in allen Kirchen als Israelsonntag gefeiert. Früher war es der Gedenktag an die Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 durch die Römer; es wurde ein Tag des Triumphs der Kirche über das jüdische Volk. Heute können wir den Israelsonntag als Tag christlicher Umkehr begehen. Indem wir uns an unsere Schuld gegenüber dem jüdischen Volk erinnern, können wir erste Schritte zur Versöhnung weisen. Wir dürfen uns dann daran freuen, dass unser Glaube aus jüdischen Wurzeln wächst, und wir können – mit Israel gemeinsam – Gott loben und preisen.

Lied EKG 264 (EG 390), 1-3:

1. Erneure mich, o ewigs Licht, und lass von deinem Angesicht mein Herz und Seel mit deinem Schein durchleuchtet und erfüllet sein.

2. Schaff in mir, Herr, den neuen Geist, der dir mit Lust Gehorsam leist‘ und nichts sonst, als was du willst, will; ach Herr, mit ihm mein Herz erfüll.

3. Auf dich lass meine Sinne gehn, lass sie nach dem, was droben, stehn, bis ich dich schau, o ewigs Licht, von Angesicht zu Angesicht

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

Wir stimmen ein in ein Sündenbekenntnis der Juden aus dem Buch des Propheten Daniel 9, 15-18:

15 Und nun, Herr, unser Gott, der du dein Volk aus Ägyptenland geführt hast mit starker Hand und hast dir einen Namen gemacht, so wie es heute ist: wir haben gesündigt, wir sind gottlos gewesen.

16 Ach Herr, um aller deiner Gerechtigkeit willen wende ab deinen Zorn und Grimm von deiner Stadt Jerusalem und deinem heiligen Berg. Denn wegen unserer Sünden und wegen der Missetaten unserer Väter trägt Jerusalem und dein Volk Schmach bei allen, die um uns her wohnen.

17 Und nun, unser Gott, höre das Gebet deines Knechtes und sein Flehen. Lass leuchten dein Antlitz über dein zerstörtes Heiligtum um deinetwillen, Herr!

18 Neige dein Ohr, mein Gott, und höre, tu deine Augen auf und sieh an unsere Trümmer und die Stadt, die nach deinem Namen genannt ist. Denn wir liegen vor dir mit unserm Gebet und vertrauen nicht auf unsre Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit.

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen Geiste, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Wir beten. Wir müssen vor Gott unsere Schuld bekennen. Weil wir kaum noch einen Juden kennen, haben wir das Gefühl für das jüdische Leid verloren oder weggeschoben. Weil wir schon so lange Zeit nach Auschwitz leben, denken wir nicht mehr an das Unrecht, das Deutsche den Juden angetan haben. Aber unsere Sprache verrät uns noch immer als gedankenlose Mitläufer auf dem Weg, der uns zur Menschenverachtung führt; ob wir vom Krach „wie in der Judenschule“ reden oder uns Judenwitze anhören, ob wir von „Spastis“ reden und Behinderte meinen oder ob wir eine Sache „bis zur Vergasung“ betreiben. Solche Gedankenlosigkeit kann der Boden für neuen Hass sein – auf Juden, auf Ausländer, auf Behinderte. Diese Erkenntnis muss uns Angst machen. Herr, erbarme dich über unser Denken, Reden und Tun!

Herr, wir danken dir dafür, dass du uns dein Erbarmen zusagst. Dass unsere Sünde, die gedankenlose Menschenverachtung, nicht das letzte Wort behält. Dass du aus uns Menschen des Friedens und der Versöhnung machen willst. Amen.

Paulus deutet die Ablehnung Jesu durch einen Teil der Juden im Römerbrief 11, 25-32:

25 Ich will euch, liebe Brüder, dieses Geheimnis nicht verhehlen, damit ihr euch nicht selbst für klug haltet: Verstockung ist einem Teil Israels widerfahren, so lange bis die Fülle der Heiden zum Heil gelangt ist;

26 und so wird ganz Israel gerettet werden, wie geschrieben steht: »Es wird kommen aus Zion der Erlöser, der abwenden wird alle Gottlosigkeit von Jakob.

27 Und dies ist mein Bund mit ihnen, wenn ich ihre Sünden wegnehmen werde.«

28 Im Blick auf das Evangelium sind sie zwar Feinde um euretwillen; aber im Blick auf die Erwählung sind sie Geliebte um der Väter willen.

29 Denn Gottes Gaben und Berufung können ihn nicht gereuen.

30 Denn wie ihr zuvor Gott ungehorsam gewesen seid, nun aber Barmherzigkeit erlangt habt wegen ihres Ungehorsams,

31 so sind auch jene jetzt ungehorsam geworden wegen der Barmherzigkeit, die euch widerfahren ist, damit auch sie jetzt Barmherzigkeit erlangen.

32 Denn Gott hat alle eingeschlossen in den Ungehorsam, damit er sich aller erbarme.

Lied EKG 390, 1+3+9 (EG 145, 1-2+7):

1. Wach auf, wach auf, du deutsches Land! Du hast genug geschlafen. Bedenk, was Gott an dich gewandt, wozu er dich erschaffen. Bedenk, was Gott dir hat gesandt und dir vertraut sein höchstes Pfand, drum magst du wohl aufwachen.

2. Gott hat dir Christus, seinen Sohn, die Wahrheit und das Leben, sein liebes Evangelium aus lauter Gnad gegeben; denn Christus ist allein der Mann, der für der Welt Sünd g‘nug getan, kein Werk hilft sonst daneben.

7. Das helfe Gott uns allen gleich, dass wir von Sünden lassen, und führe uns zu seinem Reich, dass wir das Unrecht hassen. Herr Jesu Christe, hilf uns nun und gib uns deinen Geist dazu, dass wir dein Warnung fassen.

Der Friede Gottes und seine Versöhnung werde Wirklichkeit in unserer Welt. Amen.

Wir hören den Predigttext zum Israelsonntag aus dem Evangelium nach Lukas 19, 41-44. Es geht um Jesus und um die Stadt Jerusalem.

41 Und als er nahe hinzukam, sah er die Stadt und weinte über sie

42 und sprach: Wenn doch auch du erkenntest zu dieser Zeit, was zum Frieden dient! Aber nun ist‘s vor deinen Augen verborgen.

43 Denn es wird eine Zeit über dich kommen, da werden deine Feinde um dich einen Wall aufwerfen, dich belagern und von allen Seiten bedrängen,

44 und werden dich dem Erdboden gleichmachen samt deinen Kindern in dir und keinen Stein auf dem andern lassen in dir, weil du die Zeit nicht erkannt hast, in der du heimgesucht worden bist.

Herr, hilf uns, uns einzelnen und uns als Gemeinschaft, die wir die Zukunft verantworten müssen, aber die Vergangenheit nicht durchstreichen können, hilf uns, den Balken im eigenen Auge zu sehen, ehe wir den Splitter aus dem Auge des anderen ziehen wollen. Amen.

Liebe Gemeinde!

Lange Zeit wurde unser Predigttext als das gerechte Gerichtsurteil Gottes über das Volk Israel betrachtet. Weil es Jesus nicht als Messias anerkannt habe, sei es ihm recht geschehen, dass die heilige Stadt Jerusalem und der Tempel zerstört wurden. Und hatte Jesus es nicht auch so vorausgesagt? Lukas berichtet jedenfalls davon.

Sollte also Jesus den Grundstein für Judenfeindschaft gelegt haben? Sollte das, was christliche Völker den Juden angetan haben, als Strafe Gottes verstanden werden müssen?

Wenn man die Dinge so sieht, vergisst man dreierlei:

1. Lukas schreibt keine Reportage über das Leben Jesu. Ein knappes halbes Jahrhundert nach Jesu Tod verfasst er seinen Bericht, trägt Worte Jesu und Erzählungen über Jesu Taten zusammen, und alles bezieht er sogleich auch auf seine Zeit, fügt auch hier und da Ereignisse ein, die in seiner unmittelbaren Vergangenheit geschehen sind.

Lukas hat das Jahr 70 erlebt, die Zerstörung Jerusalems und die Versklavung seiner Einwohner durch die Römer. In seiner Erschütterung fragt er nach einem Warum, nach einem Sinn in dieser Zerstreuung des Volkes Israel unter alle Völker. Und Lukas bringt dieses Ereignis in Verbindung mit der Trauer Jesu über diejenigen Juden in Jerusalem, die blind waren für Gottes Nähe, für die Art von Frieden, die Jesus vorgelebt hatte.

Lukas will mit seiner Deutung seine Zeitgenossen zur Umkehr aufrufen: nicht Gott sollte wegen der Katastrophe in Jerusalem angeklagt werden, sondern nach der eigenen Verantwortung sollten die Menschen sich fragen. Es kann böse Folgen haben, wenn wir blind sind für das, was uns Frieden bringt.

Solch eine Deutung der Geschichte kann nur sinnvoll sein, wenn es um die EIGENE Geschichte geht, wenn wir nach unserer eigenen Verantwortung fragen. Wenn aber Deutsche heute noch in einem in dreihunderttausendfacher Auflage verbreiteten Heft schreiben: „Doch all das Geschehen“ – womit auch die Ermordung von 6 Millionen Juden gemeint ist – „hat offensichtlich diesen Hintergrund: Unser Gott straft die Schuld seines Volkes; denn sie haben ja ihren Messias gekreuzigt“ – dann versuchen sie Gottes Stelle einzunehmen, Richter über ein ganzes Volk zu spielen, als sei das Jüngste Gericht schon entschieden, und vor allem: als sei unser Volk von diesem Gericht nicht betroffen.

2. Man hat zweitens etwas anderes vergessen: Lukas wollte sicherlich nicht sagen, dass das ganze jüdische Volk von Gott verurteilt war.

Im Anschluss an unseren Predigttext heißt es zum Beispiel (Lukas 19, 47-48 – GNB)):

Die maßgebenden Männer des Volkes suchten nach einer Möglichkeit, ihn [Jesus] umzubringen, aber sie wussten nicht, wie sie es anfangen sollten. Denn das Volk war dauernd um ihn und wollte sich keines seiner Worte entgehen lassen.

Da gab es also auch Menschen, die auf Jesus gehört haben; jüdische Frauen haben später um Jesus geweint, als er zur Kreuzigung geführt wurde; die Jünger sind Juden wie Jesus selbst. Und über die, die ihn ans Kreuz brachten, findet Jesus selbst nur die Worte (Lukas 23, 34):

Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun!

Auch deshalb kann unser Predigttext keine Aufforderung sein, die Zerstörung Jerusalems als Triumph des Christentums über das Judentum und als Strafgericht Gottes zu feiern.

3. Und schließlich hat man vergessen, dass Jesus auch nach dem, was Lukas in unserem Text schreibt, nicht aburteilt. Jesus weint, er trauert. Weinen kann nicht der, der hasst, sondern der, der liebt. Weinen kann nicht der, der nach Vergeltung ruft, sondern der, der zu vergeben fähig ist. Nicht der weint, dem Prinzipien heiliger sind als Menschen, sondern der, der mit den Menschen, auch den irrenden, fühlt.

Von Abraham heißt es im Alten Testament, dass er für die Stadt Sodom, die Gott wegen ihrer Sünden vernichten wollte, um Vergebung gebeten habe. Und Gott ließ mit sich handeln. Wenn nur zehn Gerechte in der Stadt leben würden, würde er sie verschonen.

In Jesus erkennen wir diesen Gott wieder, der kein kaltes Prinzip der Weltgeschichte ist, unveränderlich und starr, sondern dem es nicht gleichgültig ist, was Menschen an Unrecht verüben, der aus Liebe zornig ist und trauert über Menschen, die sich zum Bösen verführen ließen. Der Gott, der vergibt, ist nicht einer, der das Unrecht der Menschen übersieht. Aber nur, weil wir von ihm Vergebung erhoffen dürfen, können wir zugeben, dass auch wir Unrecht recht getan haben könnten – als Verführte oder Gedankenlose, als Unwissende oder Ängstliche.

Ich fasse die drei Punkte zusammen:

Jesus weint über die, die sich verfehlt haben, er urteilt sie nicht ab. Er schreibt vor allem kein ganzes Volk ab, nur weil es eben dieses Volk ist. Den Text, den Lukas unter dem Eindruck der Zerstörung Jerusalems geschrieben hat, sollten wir als Aufruf zur Umkehr auf uns beziehen.

„Wach auf, wach auf, du deutsches Land!“ Ja, wozu hat Gott unser Land erschaffen? Erkennen wir heute, was uns Frieden bringt? Erkennen wir den Tag, an dem Gott uns zu Hilfe kommen will?

Zu Beginn dieses Jahres hat eine Fernsehserie in Deutschland große Betroffenheit ausgelöst: Holocaust. Ein Bann schien gebrochen zu sein. Deutsche redeten wieder über eine Stück der Vergangenheit, an das lange Zeit nur in kleinen Gruppen oder an bestimmten Gedenktagen erinnert wurde. War das eine Eintagsfliege – oder der Beginn eines Umgangs mit der eigenen Vergangenheit, der nichts verdrängt, nichts beschönigt, und der versucht, daraus für die Zukunft zu lernen?

Nichts verdrängen, nichts beschönigen – geht das überhaupt? Brauchen wir nicht alle einen Selbstschutz vor Anschuldigungen? Die Verharmlosung, nicht alles sei schlecht gewesen, was Hitler gebracht hätte. Das Abschieben der Schuld auf anderes die seien ja nicht besser gewesen, die Amerikaner oder die Russen. Die Verleugnung: man hätte ja erst nach 45 gewusst, was wirklich geschehen sei. Die verständliche Ausflucht: man hätte ja doch nichts ändern können.

Und für uns, die damals noch nicht gelebt haben: Ist es nicht ungehörig, die ältere Generation nach der Vergangenheit befragen zu wollen, nach Herausforderungen und Zwängen, nach Verlockungen und Verführungen, nach Verantwortung und Schuld in der Zeit des Dritten Reiches?

Aber vielleicht ließe sich mancher junge Mensch heute eher ins Gewissen reden, wenn die Eltern offener über ihre eigene Vergangenheit sprechen könnten, als sie selber jung waren. Wenn Eltern zugeben könnten, dass auch sie nicht unfehlbar waren und sind.

Wenn wir von Schuld hören, dann denken wir oft: da will uns einer fertig machen, da ist einer fertig mit uns. Das Urteil ist gesprochen, das Gespräch ist vorbei. Und vielleicht will er nur von der eigenen Schuld ablenken. Wenn wir so von Schuld reden, brauchen wir den Selbstschutz. Dann haben auch wir, wie die Leute von Jerusalem im Bibeltext, nicht erkannt, was uns Frieden bringt, womit Gott uns zu Hilfe kommen will.

Jesus redet von Schuld, weil es hilfreich ist, sie zu erkennen. Er fordert auf, über Mitschuld, Mitverantwortung nachzudenken, weil wir für die erkannte Schuld auch die Vergebung erfahren können. Er will, dass wir alles tun, damit unsere Kinder nicht in ähnliche Schuld, ähnliches Unheil verstrickt werden.

Wie kam es denn damals zur Vernichtung von Millionen Juden und anderen Menschen? „Zwar hatten nur wenige Deutsche vollen Einblick in die gesamte Planung der Vernichtung“, heißt es in einer Studie der Evangelischen Kirche in Deutschland. „Aber die meisten erlebten die Gesetzgebung und die öffentliche Hetze gegen Juden seit 1933, die Synagogenbrände und Geschäftsplünderungen im November 1938, das plötzliche Verschwinden jüdischer Nachbarn und Schulkameraden… Nur wenige Menschen verhalfen unter eigener Lebensgefahr Juden zur Flucht oder versteckten sie.“

Für mich, der ich das alles nicht mitgemacht habe, ist es schwer zu begreifen, wie es so kommen konnte, dass die meisten die Verfolgung der Juden einfach so hingenommen haben. Es war doch nicht nur Hitler, der an allem schuld war. Es waren doch studierte Juristen, die die Gesetze gegen die Juden verfasst haben. Es waren doch Chemiker, die das Gas Zyklon B zur Judenvernichtung hergestellt haben. Es waren doch Ärzte, die medizinische Versuche an Juden und die „Aktion Gnadentod“ an behinderten Menschen durchgeführt haben. Es waren doch Industrielle, die beim Konzentrationslager Auschwitz eine Arbeitskräfteverwertungsfabrik betrieben haben. Es waren doch Lehrer, die den Nationalsozialismus in den Schulen verbreiteten. Es waren doch Christen, die das Alte Testament aus der Bibel werfen und den Glauben von allem Jüdischen reinigen wollten. Es waren doch die Menschen im Ausland, die vor Kriegsbeginn zu spät oder gar nicht auf die Vorgänge in Deutschland reagiert haben. So viele waren beteiligt. Aus all diesen Gruppen ist auch Widerstand geleistet worden, hat man zusammengehalten und Juden geholfen; aber nicht genug Leute waren dazu bereit.

Weshalb habe ich so lang und breit aufgezählt, wer an der Judenvernichtung beteiligt war? Weil ich kürzlich die folgenden Sätze las, die mir zu denken gaben: „Auschwitz ist eine bleibende Fähigkeit des Menschen, mit dem Menschen umzugehen… Auschwitz ist nicht in der Vergangenheit isolierbar als unwiederholbare geschichtliche Episode. Auschwitz hat eine Geschichte, und jede Situation und Gesellschaft enthält in sich die Möglichkeit, zur Vorgeschichte des nächsten Auschwitz zu gebären. Wie gesagt, nur die Möglichkeit, denn jede Situation und Gesellschaft kann auch zur Vorgeschichte von Frieden und Gerechtigkeit gehören. Und die beginnt überall dort, wo auch Auschwitz begonnen hat: in unserem Alltag“.

Heute wird uns in unserem Staat nicht befohlen, gegen unser Gewissen zu handeln. Um so größer ist unsere Verantwortung, unsere Freiheit auch wahrzunehmen und nicht später zu sagen: wir haben nichts gewusst. Nicht gewusst, wohin das alles führt: die Arbeitslosigkeit unter den Jugendlichen, der Bau der Atomkraftwerke, die Verschwendung des Öls, die ständige Aufrüstung, die Verelendung der armen Länder.

Es gibt eine deutsche Organisation, die versucht, an die Vergangenheit zu erinnern und Zeichen für die Zukunft zu setzen. „Aktion Sühnezeichen“ arbeitet in Israel und anderen vom Krieg mit Deutschland betroffenen Ländern und setzt Zeichen dafür, dass Jesus uns versöhnt hat, dass die Schuld der Vergangenheit zwar nicht ausgelöscht, dass aber um Vergebung gebeten werden kann. Vor allem, dass man in einer Welt voller Widersprüche an einer gemeinsamen, friedlichen und gerechten Zukunft bauen kann. Da arbeiten jugendliche Freiwillige in einem israelischen Kinderheim oder in einem holländischen Hospital für Menschen, die jetzt noch unter den Folgen des Aufenthalts im deutschen KZ leiden. Jugendliche, die selbst nicht die Zeit der Judenverfolgung mitgemacht haben, die aber durch ihre Arbeit zeigen wollen, dass wir uns mit unserer Vergangenheit auseinandersetzen müssen, um in der Zukunft in Frieden und Gerechtigkeit miteinander zu leben.

Ich hoffe auf Gespräche mit Ihnen über diese Predigt. Ich möchte mit Ihnen aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen, ohne Verurteilungen, aber mit dem Willen, unsere Verantwortung klar zu erkennen. Damit nicht auch über uns Jesus weinen muss: „Wenn du doch erkennen wolltest, was dir Frieden bringt! Aber du bist blind dafür.“ Amen.

Der Friede Gottes, der alles, was wir zur Sache des Friedens zu denken wagen, weit übersteigt, halte unseren Verstand wach und unsere Hoffnung groß. Amen.
Lied EKG 188 (EG 289), 1-2:

1. Nun lob, mein Seel, den Herren, was in mir ist, den Namen sein. Sein Wohltat tut er mehren, vergiss es nicht, o Herze mein. Hat dir dein Sünd vergeben und heilt dein Schwachheit groß, errett‘ dein armes Leben, nimmt dich in seinen Schoß, mit reichem Trost beschüttet, verjüngt, dem Adler gleich; der Herr schafft Recht, behütet, die leidn in seinem Reich.

2. Er hat uns wissen lassen sein herrlich Recht und sein Gericht, dazu sein Güt ohn Maßen, es mangelt an Erbarmung nicht; sein‘ Zorn lässt er wohl fahren, straft nicht nach unsrer Schuld, die Gnad tut er nicht sparen, den Schwachen ist er hold; sein Güt ist hoch erhaben ob den‘, die fürchten ihn; so fern der Ost vom Abend, ist unsre Sünd dahin.

Abkündigungen

Herr, unser Gott, wir beten zu dir in Gemeinschaft mit allen, die dich als Herrn und Vater anerkennen. Hab Dank für dein Wort, auch wenn es uns gegen den Strich geht und heimliche Schuld aufdeckt. Herr Jesus Christus, diese Welt ist dir so viel wert, dass du über Jerusalem geweint hast. Darum bitten wir dich: Erbarme dich auch der Wunden in der Welt von heute: Städte, die unbewohnbar werden, zersiedelte Landschaften, Menschen, die immer mehr haben und immer schneller sein wollen und deren Seele verkümmert. Wir sind dir so wichtig, Herr, dass du auch über uns weinst. Wenn wir an unserem Nächsten vorbeigehen, wenn wir nicht mit dem Fröhlichen fröhlich, mit dem Traurigen traurig sind, wenn wir uns selbst rechtfertigen, statt über Schuld nachzudenken und um Vergebung zu bitten. Wir bitten dich um deine Nähe, wenn wir uns freuen und wenn wir traurig sind, wenn wir begeistert und wenn wir in Sorge sind, wenn wir arbeiten und wenn wir ruhen, wenn wir an uns und wenn wir an andere Menschen denken. In unsere Fürbitte schließen wir ein: Herrn …, der im Alter von … Jahren gestorben und kirchlich beerdigt worden ist. Wir denken vor dir, o Herr, an die Angehörigen und bitten um deinen Trost, um die Stärke, durch den Schmer; hindurchgehen zu können. Wir bitten um Menschen, die einander beistehen. Amen.

Vaterunser

Der Herr segne und und behüte uns. Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf uns und gebe uns Frieden. Amen.

Liedvers EKG 188 (EG 289), 5:

5. Sei Lob und Preis mit Ehren Gott Vater, Sohn und Heilgem Geist! Der wolle in uns mehren, was er aus Gnaden uns verheißt, dass wir ihm fest vertrauen, uns gründen ganz auf ihn, von Herzen auf ihn bauen, dass unser Mut und Sinn ihm allezeit anhangen. Drauf singen wir zur Stund: Amen, wir werden‘s erlangen, glaubn wir von Herzensgrund.

Orgelnachspiel

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