Bild: Helmut Schütz

Kindergeschrei zeugt von Gottes Macht

Kinder können den Erwachsenen das Lob Gottes mit ihrem Schreien vormachen. In ihrem Mund enthält es kein Eigenlob. Sie bringen nichts an Eigenleistung mit und sind auf Hilfe von außen angewiesen. Gott beruft Menschen ohne jede Bedingung zu sich. Wenn ich versuche, verantwortlich zu handeln, kann ich mir auf meine Leistungen nichts einbilden, denn meine Fähigkeiten hat mir Gott gegeben.

Text auf einer Bescheinigung für eine Patin bei der Taufe von Helmut Schütz: "Erinnerung zur heiligen Taufe"
Dieser Text stand auf einer Patenbescheinigung zu meiner eigenen Taufe

#predigtTaufgottesdienst am 17. April 1977 in der Friedenskirche Oelde
Lied EKG 231, 1+2+5 (EG 322):

1. Nun danket all und bringet Ehr, ihr Menschen in der Welt, dem, dessen Lob der Engel Heer im Himmel stets vermeld’t.

2. Ermuntert euch und singt mit Schall Gott, unserm höchsten Gut, der seine Wunder überall und große Dinge tut.

5. Er gebe uns ein fröhlich Herz, erfrische Geist und Sinn und werf all Angst, Furcht, Sorg und Schmerz ins Meeres Tiefe hin.

Der achte Psalm – ein Schöpfungslied

2 HERR, unser Herrscher, wie herrlich ist dein Name in allen Landen, der du zeigst deine Hoheit am Himmel!

3 Aus dem Munde der jungen Kinder und Säuglinge hast du eine Macht zugerichtet um deiner Feinde willen, dass du vertilgest den Feind und den Rachgierigen.

4 Wenn ich sehe die Himmel, deiner Finger Werk, den Mond und die Sterne, die du bereitet hast:

5 was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?

6 Du hast ihn wenig niedriger gemacht als Gott, mit Ehre und Herrlichkeit hast du ihn gekrönt.

7 Du hast ihn zum Herrn gemacht über deiner Hände Werk, alles hast du unter seine Füße getan:

8 Schafe und Rinder allzumal, dazu auch die wilden Tiere,

9 die Vögel unter dem Himmel und die Fische im Meer und alles, was die Meere durchzieht.

10 HERR, unser Herrscher, wie herrlich ist dein Name in allen Landen!

Evangelienlesung: Matthäus 21, 10-17 (GNB)

Als Jesus in Jerusalem einzog, geriet alles in große Aufregung. „Wer ist dieser Mann?“ fragten die Leute in der Stadt. Die Menge, die Jesus begleitete, rief: „Das ist der Prophet Jesus aus Nazareth in Galiläa!“

Jesus ging in den Tempel und trieb alle Händler und Käufer hinaus. Er stieß die Tische der Geldwechsler und die Stände der Taubenverkäufer um. Dazu sagte er ihnen: „In den heiligen Schriften steht doch, dass Gott erklärt hat: Mein Tempel soll eine Stätte sein, an der man zu mir beten kann! Ihr aber habt eine Räuberhöhle daraus gemacht!“

Danach kamen im Tempel Blinde und Gelähmte zu ihm, und er machte sie gesund. Als die führenden Priester und Gesetzeslehrer die Wunder sahen, die Jesus tat, wurden sie wütend. Sie ärgerten sich auch darüber, dass die Kinder im Tempel laut riefen: „Heil dem Sohn Davids!“ Sie fragten Jesus: „Hörst du, was die da rufen?“ Jesus sagte zu ihnen: „Gewiss! Habt ihr denn nie in den heiligen Schriften gelesen: Du sorgst dafür, dass sogar Unmündige und kleine Kinder dich preisen?

Dann ließ Jesus sie stehen, ging aus der Stadt hinaus und übernachtete in Betanien.

Lied EKG 80, 1+3+5 (EG 106):

1. Erschienen ist der herrlich Tag, dran niemand g’nug sich freuen mag: Christ, unser Herr, heut triumphiert, sein Feind er all gefangen führt. Halleluja.

3. Sein’ Raub der Tod musst geben her, das Leben siegt und ward ihm Herr, zerstöret ist nun all sein Macht. Christ hat das Leben wiederbracht. Halleluja.

5. Drum wollen wir auch fröhlich sein, das Halleluja singen fein und loben dich, Herr Jesu Christ; zu Trost du uns erstanden bist. Halleluja.

Liebe Gemeinde!

Nach der Predigt soll in diesem Gottesdienst unser Sohn … getauft werden. Ein kleines Kind soll öffentlich als neues Glied der Gemeinde Jesu Christi begrüßt werden. Es kann noch nicht seinen eigenen Glauben bekennen, kann sich noch nicht selbst entscheiden, ob es der Gemeinde angehören will. Wir – als Gemeinde, als Paten, als Eltern – können jedoch bezeugen, dass Gott auch dieses Kind bedingungslos in seine Gemeinde beruft; und wir können ihm den Glauben an den Herrn der Kirche vorleben.

Was bedeutet es, dass Kinder in die Gemeinde berufen werden? Kinder in der Kirche – das scheint doch nicht recht zusammenzupassen. Kinder begreifen den Erwachsengottesdienst nicht; sie machen, wenn sie klein sind wie …, Geschrei; und wenn sie etwas älter werden, erfreuen sie ihre Umgebung mit kindlichen Kommentaren zum Gottesdienstgeschehen, die den Ernst und die Feierlichkeit durchbrechen und in Frage stellen.

Kindergeschrei kommt auch in der Bibel vor. In einem alten Lied der Bibel heißt es vom allmächtigen Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat (Psalm 8, 3):

Aus dem Munde der jungen Kinder und Säuglinge hast du eine Macht zugerichtet.

In neueres Deutsch hat jemand übersetzt: „Kindergeschrei zeugt von deiner Macht!“ Wir haben den Psalm vorhin im Ganzen gehört. Neben Mond und Sternen, neben den Tieren und der ganzen Erde erscheint das Schreien des Säuglings und der kleinen Kinder als Zeichen von der Macht Gottes. Das von anderen Menschen abhängige, ohnmächtige Kind ist Zeuge für die Macht, die der unabhängige, freie Gott ausübt.

Ich kann dem Psalmdichter nachfühlen. Es war ein wunderbarer Augenblick, den ersten Schrei unseres Kindes mitzuerleben. Ein neues, lebendiges Wesen ist uns da anvertraut worden, in unsere Verantwortung gegeben, dass aus ihm ein freier, liebender Mensch wird, der anderen zum Segen wird. Wir erleben täglich Neues mit diesem kleinen Menschen, Dinge, die uns Freude machen oder auch Anstrengungen und Sorgen bereiten, die uns zeigen, dass auch ein Kind schon seinen eigenen Willen hat und dass ein Menschenleben von Anfang an etwas im Letzten Unbegreifliches ist. Ich bin daran erinnert worden, dass auch wir einmal noch nicht waren, dass auch wir unser Leben geschenkt bekamen, um es in freier Verantwortung zu gestalten, bis wir einmal nicht mehr sein werden.

Kindergeschrei zeugt von Gottes Macht! Von seiner Macht, Leben zu schenken, diese Welt ins Leben zu rufen, in der immer wieder, durch die Generationen hindurch, Menschen geboren werden. Auch von Gottes Macht, Tote zum Leben zu erwecken, Leben zu schenken, das nicht mehr vom Tod durchkreuzt werden kann.

Von dieser Hoffnung, dieser Verheißung auf unvergängliches, erfülltes Leben können wir im Schreien des Säuglings etwas mithören. Er schreit – und es kommt die Mutter oder der Vater und gibt ihm, was er zum Leben braucht: Essen, eine frische Windel, den Schnuller oder einfach Zuwendung und Nähe, so viel die Eltern ihm geben können. Nach ewigem, erfüllten Leben ohne Schmerzen und ohne Langeweile können auch wir Erwachsene uns nur sehnen; wir können es nicht selbst schaffen. Doch wir können nach ihm schreien, es von Gott erhoffen.

Kindergeschrei zeugt von Gottes Macht! Diesen Satz hat Jesus einmal zitiert, als er im Jerusalemer Tempel war. Er war gerade in die Stadt gekommen, auf einem geliehenen Esel war er geritten, und Menschen an den Straßen hatten ihm zugejubelt. Er war in den Tempel gegangen und hatte sich über die Händler und Geldwechsler empört, die dort mit den religiösen Opfern ihre Geschäfte machten. Der Tempel soll ein Haus zum Beten sein, hatte er gesagt, keine Räuberhöhle, in der das Geld regiert. Und der Tempel soll ein Haus der Hilfe sein: Blinde und Lahme waren zu Jesus in den Tempel gekommen und waren von ihm geheilt worden.

Und nun wurde es laut im Tempel. Kinder waren da, die Jesus zujubelten: Hosanna dem Davidssohn! Das ist fröhliches Lärmen wie bei Kindern in einer Jugendgruppe, die sich bei einem Wettstreit gegenseitig anfeuern. Die Kinder im Tempel waren begeistert von Jesus, wie er Kranken half, vielleicht auch einem ihrer Kameraden, und wie er den geschäftstüchtigen Kaufleuten die Tische umgestoßen hatte.

Die Priester und Theologen, die ernsten Frommen im Tempel, waren über diese Begeisterung nicht erbaut. Sie hörten, wie Jesus der Respekt entgegengebracht wurde, den sie selbst mit ihrer Frömmigkeit beanspruchten. Die Kinder riefen: Hosanna dem Davidssohn! Ihre Eltern hatten seit langer Zeit den Nachkommen ihres großen Königs David erwartet, der als Botschafter Gottes das Reich des Friedens und des Glück bringen sollte. In Jesus, der Kranke heilte und Ausgestoßene in eine Gemeinschaft holt; sahen die Kinder diesen Abgesandten Gottes.

Doch die Priester und Schriftgelehrten dachten anders. Ein Botschafter Gottes – der müsste zunächst einmal die religiösen Bräuche achten. Der dürfte nicht den Opferbetrieb durcheinanderbringen, sollte sich nicht ausgerechnet im Tempel um Kranke kümmern und müsste die Kinder aus dem Tempel schicken, denn sie störten mit ihrem Lärm den Gottesdienst und die Stille am heiligen Ort. Und so fragten sie Jesus entrüstet: Hörst du, was diese sagen?

Da dachte Jesus an das Wort aus dem achten Psalm: Kindergeschrei zeugt von Gottes Macht! und antwortet: Habt ihr denn nie gelesen: Aus dem Munde der Kinder und Säuglinge hört man das Lob Gottes?

Unmündige Kinder können Gott loben. Nicht nur die Erwachsenen, die aus ganzem Herzen glauben, nicht nur die, die sich darum bemühen, gut und anständig zu leben. Kinder können den Erwachsenen das Lob Gottes mit ihrem Schreien vormachen. In ihrem Mund enthält es kein Eigenlob. Sie bringen nichts an Eigenleistung mit und sind auf Hilfe von außen angewiesen. Gott beruft Menschen ohne jede Bedingung zu sich – da hat ein Erwachsener nichts vor einem Kind voraus. Ich bedeute vor Gott nicht mehr als ein Kind, weil ich etwa glauben kann und das Kind noch nicht, weil ich verantwortlich handeln kann und das Kind noch nicht. Wenn ich glaube, kann ich diese Fähigkeit auch nur als Geschenk Gottes annehmen. Wenn ich versuche, verantwortlich zu handeln, kann ich mir auf meine Leistungen nichts einbilden, denn meine Fähigkeiten hat mir Gott gegeben.

Beide, Erwachsene und Kinder, sind unmittelbar Kinder Gottes. Beide gehören Gott, der die Freiheit und Selbständigkeit seiner Kinder will, der will, dass sie einander lieben und füreinander da sind. Kinder und Erwachsene gehören nebeneinander in die Gemeinde. Das Kind, das ohne die Eltern und ohne die Erwachsenen nicht leben kann, ist nicht der Besitz der Eltern, sondern ihnen nur anvertraut; es hat Rechte gegenüber den Erwachsenen, wie die Erwachsenen ihm gegenüber Rechte haben.

Wir Erwachsenen sind den Kindern in vielem überlegen. Wir können diese Überlegenheit einsetzen, um den Kindern zu helfen, selbst einmal freie, zur Liebe und Gemeinschaft fähige Erwachsene zu werden. Das fängt ja schon im ersten Lebensjahr an, wo der Grundstein für das Vertrauen des Kindes in die Eltern, die Welt und in Gott gelegt wird. Umgekehrt können Eltern und Paten an und mit den Kindern lernen, was es bedeutet, Gott zu loben. Wir können lernen vom Ernst der Kinder, der anders ist als der Ernst vieler frommer Bemühungen, vom fröhlichen Lärmen, hungrigen Schreien und vom bohrenden Fragen der Kinder. Amen.

„Kind, du bist uns anvertraut“ (Melodie: Liebster Jesu) aus: „Die Taufe unserer Kinder“ (EG 577)
Taufe
Text zur Taufe: Gotteslob 636 (EG 574): Segne dieses Kind und hilf uns, ihm zu helfen
EKG 75 (EG 99):

Christ ist erstanden von der Marter alle; des solln wir alle froh sein, Christ will unser Trost sein. Kyrieleis.

Wär er nicht erstanden, so wär die Welt vergangen; seit dass er erstanden ist, so lobn wir den Vater Jesu Christ’. Kyrieleis.

Halleluja, Halleluja, Halleluja! Des solln wir alle froh sein, Christ will unser Trost sein. Kyrieleis.

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