Bild: Helmut Schütz

Barmherzigkeit statt Selbstquälerei

Wegweiser auf Juist 2010 - noch ohne Beschriftung
Wohin soll unser Lebensweg führen? (Das Bild zeigt einen Wegweiser auf Juist 2010 – bevor er beschriftet wurde…)

„Ist mein Glaube stark und entschieden genug?“ So quälte sich eine Frau mit der Frage, ob sie wirklich eine „wiedergeborene“ Christin sei. Leider gibt es Christen, die solche Selbstzweifel nähren und einem anderen das Christsein absprechen, weil er nicht sagen kann, wann genau er sich ganz entschieden zu Christus bekehrt hat.

Die wenigsten Mitglieder der evangelischen Landeskirche könnten ihr Bekehrungsdatum nennen. Ich auch nicht. Die meisten wurde als Kind getauft, weil ihre Eltern sie mit hineinnehmen wollten in den Segen Gottes und in die Gemeinschaft der Kirche, zu der sie gehören.

Aber muss man nicht doch irgendwann eine bewusste Entscheidung über den eigenen Glauben treffen? Die Konfirmandenzeit ist eine Chance für Mädchen und Jungen, sich mit Jesus, Gott und Kirche auseinanderzusetzen; ob die Erfahrungen mit dem Pfarrer und der Gemeinde im Gottesdienst ihnen helfen, den eigenen Glauben zu entwickeln, ist eine offene Frage. Interessant fand ich, dass eine ganze Reihe unserer jetzigen Konfirmanden den gleichen Spruch für ihre Konfirmation ausgesucht haben: „Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem“ (Römer 12, 21); das ist eine Entscheidung, mit der sie etwas anfangen können: für das Gute, gegen das Böse, vor allem gegen das Böse, das wir in uns selber besiegen müssen.

Diesen Sieg schaffen wir aber nicht aus eigener Kraft. Wir brauchen das Vertrauen auf Gott, der in Jesus Mensch wurde. Ohne Vergebung können wir uns nicht befreien aus der Verstrickung in Unrecht, Trägheit, Lüge, all das, was die Bibel Sünde nennt. Zum Kern christlichen Glaubens gehört Jesu Wort: „Niemand kommt zum Vater denn durch mich“ (Johannes 14, 6).

Aber was bedeutet das? Mein aus der muslimischen Kultur stammender Physiotherapeut fragte mich (ich lag gerade auf seiner Massageliege), was ich davon halte, wenn manche Christen sagen: „Wer nicht an Jesus glaubt, kommt in die Hölle.“ Mir fiel ein, was Jesus selber dazu gesagt hat. Wenn wir Hilfe brauchen, kann uns in einem Menschen, von dem wir es nicht erwarten, sogar einem Atheisten, ein barmherziger Samariter begegnen. Und in jedem Menschen, der auf unsere Hilfe angewiesen ist, begegnet uns Jesus selbst. Im Weltgericht werden wir nicht nach unserer Religion gefragt, sondern ob wir so für die Menschen da sind, wie Gott mit seiner Liebe uns beschenkt.

Pfarrer Helmut Schütz

Geistliches Wort März 2011 im Gießener Gemeindebrief „Evangelisch in der Nordstadt“

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