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Offen für Gottes Liebe

Wenn wir die Liebe Gottes nicht kennen oder nicht annehmen wollen, fehlt uns viel zum Leben; und auf der Suche nach Ersatz werden wir egoistisch, neidisch, träge oder überheblich. Und selbst die natürliche Endlichkeit unseres Lebens erfahren wir als furchtbares Schicksal.

Ein Vorhängeschloss an einem Zaun mit der Aufschrift: "Jesus liebt mich"
Gottes Liebe ist für uns da, durch seinen Sohn Jesus Christus – sind wir offen für seine Liebe? (Bild: Miriam MüllerPixabay)

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Der auferstandene Christus spricht (Offenbarung 1, 17-18):

Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle.

Wir sind hier versammelt im Trauergottesdienst, um Abschied zu nehmen von Herrn H. der im Alter von [über 70] Jahren gestorben ist. Wir denken an das, was gewesen ist, wir fühlen, was uns bewegt. Fragen tauchen auf, wir suchen Antwort. Psalmen der Bibel können uns helfen, Worte zu finden für unser inneres Gebet. So hören und beten wir mit dem Psalm 90 (GNB):

1 Herr, seit Menschengedenken warst du unser Schutz.

2 Du, Gott, warst schon, bevor die Berge geboren wurden, ehe die Erde unter Wehen entstand, und du bleibst in alle Ewigkeit.

3 Du sagst zu dem Menschen: »Werde wieder Staub!« So bringst du ihn dorthin zurück, woher er gekommen ist.

4 Für dich sind tausend Jahre wie ein Tag, wie gestern – im Nu vergangen, so kurz wie eine Stunde Schlaf.

5 Du scheuchst die Menschen fort, sie verschwinden wie morgens früh ein Traum. Sie sind nicht mehr als das Gras:

6 Morgens blüht es und wächst auf, am Abend schon ist es verwelkt.

7 Weil du zornig bist und dich gegen uns stellst, sind wir verloren und müssen vergehen.

8 Denn du siehst die geheimsten Fehler; alle unsere Vergehen deckst du auf.

9 Dein Zorn liegt schwer auf unserem Leben, darum ist es so flüchtig wie ein Seufzer.

10 Vielleicht leben wir siebzig Jahre, vielleicht sogar achtzig – doch selbst die besten Jahre sind Mühe und Last! Wie schnell ist alles vorbei, und wir sind nicht mehr!

11 Doch wer begreift schon, wie furchtbar dein Zorn ist, und wer nimmt ihn sich zu Herzen?

12 Lass uns erkennen, wie kurz unser Leben ist, damit wir zur Einsicht kommen!

13 Herr, wie lange zürnst du uns noch? Hab doch Erbarmen mit uns und wende dich uns wieder zu!

14 Lass uns jeden Morgen spüren, dass du zu uns hältst, dann sind unsere Tage erfüllt von Jubel und Dank.

15 Viele Jahre hast du Not und Unglück über uns gebracht; gib uns nun ebenso viele Ereudenjahre!

16 Lass uns noch erleben, dass du eingreifst, lass unsere Kinder deine mächtigen Taten sehen!

17 Herr, unser Gott, sei freundlich zu uns! Lass unsere Arbeit nicht vergeblich sein! Ja, Herr, lass gelingen, was wir tun!

Liebe Trauergemeinde!

Fremd klingt der Psalm, den ich gelesen habe, und doch zugleich vertraut. Fremd, weil er aus längst vergangenen Tagen, vor mehreren Tausend Jahren, stammt. Fremd, weil er Dinge zusammenbringt, die wir nicht so einfach zusammen sehen: den Tod und den Zorn Gottes, unser Glück und Unglück und Gottes Eingreifen. Fremd klingt er vielleicht auch, weil ich eine moderne Übersetzung benutzt habe. Vertraut sind uns vielleicht einige Gedanken des Textes, die uns aus der Lutherübersetzung von unserem Konfirmandenunterricht her noch im Ohr sind (Psalm 90, 10 – Lutherbibel 1912):

Unser Leben währet siebzig Jahre, und wenn‘s hoch kommt, so sind‘s achtzig Jahre, und wenn‘s köstlich gewesen ist, so ist es Mühe und Arbeit gewesen.

Vertraut sind uns auch vielleicht die ganz verschiedenen Gefühlsregungen, die hier angesprochen werden – nur dass wir nicht so offen darüber sprechen, wie es damals die Psalmdichter taten.

Der da den Psalm 90 betet, fühlt sich einerseits geborgen in Gottes Schutz. Dann kommt er sich auch wieder verloren vor angesichts der Größe Gottes und der Winzigkeit und Flüchtigkeit der vielen Menschenleben. Er spürt, dass Gott Grund hat, zornig auf die Menschen zu sein, und er hofft zugleich auf Gottes Erbarmen. Er erlebt Jahre in Not und Unglück, die wie ein einziger Seufzer sind, und sehnt sich nach Freudenjahren. Er stöhnt unter der Mühe und Last der Arbeit, die die besten Jahre seines Lebens ausfüllt, und wünscht sich, die Arbeit möchte nicht vergeblich gewesen sein. Er hat erkannt, wie kurz ein Menschenleben ist, und ist zur Einsicht gekommen, dass es in diesem Leben nur auf eins ankommt: die Freundlichkeit Gottes in unser Leben hereinzulassen.

Lassen wir die Liebe Gottes nicht an uns heran, dann leben wir wie Feinde Gottes. Wir erleben dann unser Menschsein wie ein sinnloses Schicksal, ähnlich einem Traum, den man verscheucht, ähnlich dem Gras, das schnell blüht und verwelkt. Wenn wir die Liebe Gottes nicht kennen oder nicht annehmen wollen, fehlt uns viel zum Leben; und auf der Suche nach Ersatz werden wir egoistisch, neidisch, träge oder überheblich. Und selbst die natürliche Endlichkeit unseres Lebens erfahren wir als furchtbares Schicksal.

Es ist allerdings gar nicht so einfach, die Liebe, die Freundlichkeit, das Erbarmen Gottes zu uns durchdringen zu lassen. Denn wir sind misstrauisch, wenn uns jemand etwas schenken will.

Kann das denn sein, dass wir etwas geschenkt bekommen, ohne zuvor etwas dafür leisten zu müssen? Ja, Gottes Liebe müssen wir uns nicht verdienen. Könnten wir auch gar nicht.

Kann das denn sein, dass unser Hunger nach Lebenssinn gestillt wird durch Gottes Liebe? Ja, wirklich, und auf keine andere Weise. Allerdings kann man das niemandem erklären oder beweisen, das kann jeder nur selber erfahren, oft auf einem langen und manchmal beschwerlichen Weg.

Und gilt diese Liebe Gottes wirklich jedem? Auch dem, der mir schwere Enttäuschungen zugefügt hat? Ja, vor Gottes Liebe hat kein Groll ewig Bestand, den ich gegen jemanden habe. Für Gott ist nicht unwichtig, was wir einander zufügen, über nichts geht er einfach hinweg, als wenn es nichts wäre. Doch die Strafe für alle unsere Sünden, für die Schuld von jedem einzelnen unter uns, hat schon ein anderer getragen: der Jesus, der am Kreuz über seine Peiniger sagte (Lukas 23, 34):

Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun!

Mit dem Wort der Bibel, zum Beispiel mit dem Psalm 90 oder mit der Botschaft vom gekreuzigten und auferstandenen Jesus, haben wir einen Rahmen für unser Nachdenken über Tod und Leben, für unsere Erinnerung an einen, der von uns genommen wurde, und für alles, was uns in dieser Stunde bewegt.

Wo unser Leben für die Liebe Gottes offen ist, da bekommen wir etwas von dem geschenkt, was die Bibel ewiges Leben nennt – das bleibt uns auch über den Tod hinaus und wird uns in noch viel herrlicherem Ausmaß zuteil. Inwieweit wir aber so oder so gelebt haben, offen waren für Gottes Liebe oder nicht, das bleibt ein Geheimnis für uns alle und geht nur jeden einzelnen selbst in seiner Beziehung zu Gott etwas an.

Was wir heute tun können und als Christen auch tun sollen, an dem Tage, an dem wir Herrn H. zu Grabe tragen, ist dreierlei:

  • Die Liebe, die wir für ihn empfunden haben, können wir ihm über den Tod hinaus bewahren.
  • Was er uns bedeutet und gegeben hat in seinem Leben, dafür können wir heute Gott dankbar sein.
  • Was er uns und wir ihm schuldig geblieben sind, was nicht mehr nachzuholen ist, was wir einander nachtragen, dafür können wir heute Gott um Vergebung bitten und selber zum Verzeihen bereit werden.

In dieser dreifachen Weise können wir im Frieden Abschied nehmen.

Jeder von uns hat seine eigene Beziehung zu Herrn H. gehabt, verschiedenste Erinnerungen werden wach. Mühe und Arbeit haben sein Leben geprägt.

Erinnerungen an das Leben des Verstorbenen

Abschied zu nehmen, fällt nicht leicht, und doch muss es sein. Wir tun es, indem wir für Herrn H. und für uns selbst die Gnade Gottes erbitten: „Der Herr, unser Gott, sei uns freundlich!“ Wir lassen ihn los und geben ihn in die Liebe Gottes hinein. Wir sind traurig und von vielen Gefühlen bewegt – und spüren damit, dass wir leben. Mit allem, was in uns ist, gehen wir gut um, wenn wir es vor Gott bringen und uns helfen lassen, damit zu leben. Leben ist sinnvoll, auch wenn es schmerz- oder angsterfüllt ist, sogar wenn es von Enttäuschungen geprägt ist – so lange wir uns das Vertrauen zu Gott bewahren oder es wieder gewinnen. Wenn wir jeden Morgen spüren, dass Gott zu uns hält, werden wir dankbar leben können, und unsere Arbeit wird nicht vergeblich sein; wir werden unseren Kindern und Enkeln ein Vorbild im Glauben sein und die Aufgaben erfüllen, die Gott in unserer kurzen Lebenszeit für uns vorgesehen hat. Amen.

Wir beten mit den Worten eines alten Gesangbuchliedes (EKG 312 – im EG 521 nur Strophe 1-3):

1. O Welt, ich muss dich lassen, ich fahr dahin mein Straßen ins ewig Vaterland. Mein’ Geist will ich aufgeben, dazu mein’ Leib und Leben legen in Gottes gnädig Hand.

3. Auf Gott steht mein Vertrauen, sein Antlitz will ich schauen wahrhaft durch Jesus Christ, der für mich ist gestorben, des Vaters Huld erworben und so mein Mittler worden ist.

4. Die Sünd mag mir nicht schaden, erlöst bin ich aus Gnaden umsonst durch Christi Blut. Kein Werk kommt mir zu Frommen; so will ich zu ihm kommen allein durch christlich Glauben gut.

5. Ich bin ein unnütz Knechte, mein Tun ist viel zu schlechte, denn dass ich ihm bezahl damit das ewig Leben; umsonst will er mirs geben und nicht nach meim Verdienst und Wahl.

7. Damit fahr ich von hinnen. O Welt, tu dich besinnen, denn du musst auch hernach; tu dich zu Gott bekehren und von ihm Gnad begehren, im Glauben sei auch du nicht schwach.

Amen.

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