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„Lieber Gott, du bist so groß!“

Was heißt denn „lind“ und „birgt“? fragt vielleicht ein Kind. Dann kann man es in die Arme schließen und sagen: So ist das, wenn man ein Kind in seinen Armen birgt. Und man kann es zart streicheln und sagen: dieses Zarte, Sanfte, Schöne beim Streicheln, das nennt der Dichter „lind“. Ganz selbstverständlich verwendet der Dichter für Gott ein mütterliches Bild.

Ich danke dem Bärenreiter-Verlag für die ausdrückliche Genehmigung, den Text des in der Predigt dieses Gottesdienstes ausgelegten Liedes aus dem Evangelischen Gesangbuch Nr. 408 auf meiner Homepage zu verwenden:

„Meinem Gott gehört die Welt“
Text: Arno Pötzsch
© Bärenreiter-Verlag, Kassel

Vervielfältigungen jeglicher Art sind ausdrücklich untersagt und nur mit der Erlaubnis des Bärenreiter-Verlages, Kassel zu beziehen.

Ein Vater hält sein Baby im Arm vor seiner Brust
Ein liebevoller Vater mit seinem Kind (Bild: jmarcochiPixabay)
#predigtGottesdienst am 12. August 2011 um 10.00 Uhr im Ensemble-Pflegeheim Gießen

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

Die meisten kennen mich inzwischen, ich bin Pfarrer Helmut Schütz aus der Paulusgemeinde, und wir feiern Gottesdienst miteinander. Ab Montag bin ich dann drei Monate in einem Studienurlaub; während dieser Zeit werden Pfarrer Rockel und Pfarrer Pötz einige Gottesdienste mit Ihnen feiern.

Beim vorletzten Mal habe ich eine Predigt über ein Kirchenlied gehalten; das hat Ihnen gefallen, und so habe ich gedacht, ich stelle heute auch wieder ein Lied in den Mittelpunkt unserer Gottesdienstfeier. „Lieber Gott, du bist so groß!“, unter diesem Motto will ich dieses Lied für Sie auslegen, denn in dem Lied geht es um den großen Gott, der alles umschließt: unser Leben und unseren Tod, unsere Zeit auf Erden und auch die Ewigkeit.

Lied 331, 1+5+11:

1. Großer Gott, wir loben dich, Herr, wir preisen deine Stärke. Vor dir neigt die Erde sich und bewundert deine Werke. Wie du warst vor aller Zeit, so bleibst du in Ewigkeit.

5. Dich, Gott Vater auf dem Thron, loben Große, loben Kleine. Deinem eingebornen Sohn singt die heilige Gemeinde, und sie ehrt den Heilgen Geist, der uns seinen Trost erweist.

11. Herr, erbarm, erbarme dich. Lass uns deine Güte schauen; deine Treue zeige sich, wie wir fest auf dich vertrauen. Auf dich hoffen wir allein: lass uns nicht verloren sein.

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Wir beten mit dem Psalm, den Jona betete, als er im Bauch des Fisches saß (Jona 2):

2 Und Jona betete zu dem HERRN, seinem Gott, im Leib des Fisches

3 und sprach: Ich rief zu dem HERRN in meiner Angst, und er antwortete mir. Ich schrie aus dem Rachen des Todes, und du hörtest meine Stimme.

4 Du warfst mich in die Tiefe, mitten ins Meer, dass die Fluten mich umgaben. Alle deine Wogen und Wellen gingen über mich,

5 dass ich dachte, ich würde von deinen Augen verstoßen…

7 … Aber du hast mein Leben aus dem Verderben geführt, HERR, mein Gott!

8 Als meine Seele in mir verzagte, gedachte ich an den HERRN, und mein Gebet kam zu dir…

Gott, unser Vater, schenke uns die Gewissheit, dass wir dir hier auf Erden vertrauen dürfen und dass wir auf ewig in deinem Buch des Lebens verzeichnet sind! Amen.

Lied 450:

1. Morgenglanz der Ewigkeit, Licht vom unerschaffnen Lichte, schick uns diese Morgenzeit deine Strahlen zu Gesichte und vertreib durch deine Macht unsre Nacht.

2. Deiner Güte Morgentau fall auf unser matt Gewissen; lass die dürre Lebens-Au lauter süßen Trost genießen und erquick uns, deine Schar, immerdar.

3. Gib, dass deiner Liebe Glut unsre kalten Werke töte, und erweck uns Herz und Mut bei entstandner Morgenröte, dass wir, eh wir gar vergehn, recht aufstehn.

4. Ach du Aufgang aus der Höh, gib, dass auch am Jüngsten Tage unser Leib verklärt ersteh und, entfernt von aller Plage, sich auf jener Freudenbahn freuen kann.

5. Leucht uns selbst in jener Welt, du verklärte Gnadensonne; führ uns durch das Tränenfeld in das Land der süßen Wonne, da die Lust, die uns erhöht, nie vergeht.

Gnade und Friede sei mit uns allen von Gott, unserem Vater, und Jesus Christus, unserem Herrn. Amen.

Liebe Gemeinde!

Ein Lied möchte ich Ihnen heute auslegen, das Arno Pötzsch in der Nachkriegszeit für Kinder und Erwachsene gedichtet hat.

Hören Sie die ersten beiden Strophen des Liedes 408:

1. Meinem Gott gehört die Welt,
meinem Gott das Himmelszelt,
ihm gehört der Raum, die Zeit,
sein ist auch die Ewigkeit.

2. Und sein Eigen bin auch ich.
Gottes Hände halten mich
gleich dem Sternlein in der Bahn;
keins fällt je aus Gottes Plan.

„Mein Gott!“ sagen wir oft so dahin, wenn uns etwas aufgeregt hat. „Mein Gott, wie kann man sich nur so anstellen!“ In unserem Lied wird aus diesem alltäglichen „Mein Gott!“ eine Glaubensaussage: „Meinem Gott gehört die Welt!“ „Mein Gott“, das ist ein Gott, der mir vertraut ist. Ein Gott, der für mich da ist. Ich kann ihn „meinen Gott“ nennen, nicht weil er mir gehört, sondern weil ich ihm gehöre: „Und sein eigen bin auch ich!“

Aber nicht nur ich gehöre diesem Gott, sondern: „Meinem Gott gehört die Welt.“ Ihm gehört alles, das Himmelszelt, Raum und Zeit und sogar die Ewigkeit. Kinder bauen sich ja gern Häuser unter einem Tisch mit einer Decke drüber, sie wohnen gern einmal in einem Zelt, eng, kuschelig, gemütlich ist. Wenn der Himmel wie ein Zelt beschrieben wird, das über uns ausgespannt ist, dann wohnen wir auch in unserer Welt geborgen wie in einem Zelt.

Ein Leben im Zelt ist allerdings etwas Vorläufiges, auch unter dem Himmelszelt sind wir auf unserer Erde nur Gäste. Gottes Gäste sind wir, denn ihm gehört alles, Raum und Zeit und sogar das, wo unser Verstand nicht hinreicht – die Ewigkeit, die Zeit und Raum umschließt und unendlich über alles hinausgeht, was für uns fassbar ist.

Wie schön ist es, von dem großen Gott, dem die Welt und die Ewigkeit gehören, im gleichen Atemzug sagen zu können: „Und sein eigen bin auch ich!“ Dem unendlich großen Gott sind wir winzig kleinen Menschen wichtig! Wir gehören ihm, wir gehören zu seinem Plan, wir stehen in seiner Hand genau wie alle die Sterne, die wir am Himmel sehen: „Gottes Hände halten mich gleich dem Sternlein in der Bahn; keins fällt je aus Gottes Plan.“ Es ist ein Wunder, dass sich unsere Erde auf einer immer gleichen Bahn um die Sonne bewegt. Sie kommt der Sonne nicht immer näher und muss nicht verbrennen. Sie fliegt auch nicht immer weiter von ihr weg und muss nicht in Eis erstarren. Sterne und Planeten behalten ihre Bahn, alles in Gottes Welt richtet sich nach Gesetzen, die Gott geschaffen hat.

Aber stimmt das wirklich? Kann man einfach voll Gottvertrauen sagen: Gott hat einen Plan mit der Welt, und nichts fällt aus Gottes Plan heraus, kein Stern, der in Jahrmillionen entsteht und vergeht, und auch kein Mensch, dessen Lebenszeit sich nur nach ein paar Jahrzehnten rechnet? Beweisen kann man das ja nicht. Aber trotzdem ist es möglich, so auf Gott zu vertrauen. Man kann um ein vertrauensvolles Herz bitten. Und wer Probleme mit dem Glauben hat, kann einen Seelsorger um Rat fragen: „Wenn ich nicht alles glauben kann, was in der Bibel steht, ist mein Glaube dann trotzdem richtig?“

In der nächsten Strophe geht es darum, wie Gott konkret für uns Menschen da ist:

3. Wo ich bin, hält Gott die Wacht,
führt und schirmt mich Tag und Nacht;
über Bitten und Verstehn
muss sein Wille mir geschehn.

Menschen sehnen sich danach, in Sicherheit leben zu können, ohne von Gefahren bedroht zu sein. Kinder, die sich von ihren Eltern behütet wissen, kennen das Gefühl: Es mag draußen gewittern und stürmen, aber bei meinen Eltern bin ich trotzdem geborgen. Es mag etwas Schlimmes passieren, aber es ist jemand da, der mich in den Arm nimmt und tröstet. Unser Lied sagt ganz ähnlich von Gott: „Wo ich bin, hält Gott die Wacht, führt und schirmt mich Tag und Nacht.“

Hören wir genau hin: Gott räumt nicht alle Probleme aus dem Weg. Er verschafft uns kein Leben ohne Not und Schmerzen. Vielmehr hält er Nachtwache, er führt und schirmt uns, so wie auch wir Menschen füreinander sorgen und aufeinander achten. Gott wird mit einem Nachtwächter verglichen, der sorgsam auf uns achtgibt und vor Gefahren warnt. Er führt uns so, wie eine Mutter ihr Kind an der Hand nimmt, das laufen lernt, oder wie ein Vater seinem fast erwachsenen Sohn die ersten Fahrversuche auf dem Verkehrsübungsplatz ermöglicht. Er schirmt uns, so wie einer bei starkem Regen den Regenschirm über den andern hält. Mit einem Schirm kann man nicht erreichen, dass der Regen aufhört, aber der Schirm kann doch verhindern, dass man pitschnass wird.

Ich denke bei diesem Wachen, Führen und Schirmen an Jesus, der sich ganz menschlich um Menschen gekümmert hat, die sich ihm anvertrauten. Warum will Gott so menschlich und auch scheinbar so machtlos sein? Ich denke, weil Gott ein unendliches Vertrauen in die Liebe setzt! Gott will gar nicht nur der absolut Allmächtige sein, er ist die Liebe und will die Liebe sein; und in der Liebe steckt immer auch ein Stück Machtlosigkeit, die man selber annimmt; man liefert sich dem aus, den man liebt; besonders bei der Feindesliebe ist das so. Gott verzichtet auf scheinbar einfache Lösungen mit Gewalt oder mit übernatürlichen Mitteln.

Bei all dem kann es vorkommen, dass man zuweilen Gottes Willen nicht versteht. Das ist dem Hiob im Alten Testament so gegangen, der Gott ins Gesicht gesagt hat: Du hast mich ungerecht behandelt! Sogar Jesus war kurz vor seinem Tod dem Zweifel nahe, als er zu Gott schrie: Mein Gott, warum hast du mich verlassen?

Das Vertrauen zu Gott besteht also nicht darin, dass man nie zweifelt, sondern dass man auch im Zweifel in der Beziehung zu Gott drin bleibt. Gott hält es aus, dass wir ihn anzweifeln, ihn sogar anklagen. Wenn wir unser Herz vor ihm ausschütten, müssen wir nicht vorher sortieren, was wir ihm wohl zumuten können. Und durch viele Zweifel hindurch spüren wir dann doch immer wieder, dass uns passieren wird, was Gott wirklich mit uns vorhat: „Über Bitten und Verstehn muss sein Wille uns geschehn.“

Wir verstehen oft die Wege nicht, die Gott uns führt, warum er uns einen geliebten Angehörigen wegnimmt, warum ein misshandeltes Kind in seiner eigenen Familie viele Jahre lang leiden muss, warum durch Krieg, Hass oder Hunger Menschen aus ihrer Heimat vertrieben werden. Aber wir müssen trotzdem nicht aufhören, unsere Wünsche und unsere Klagen im Gebet vor Gott zu bringen.

Wie Gebete erhört oder erfüllt werden, das steht nicht in unserer Macht. Aber selbst in allerschlimmsten Zeiten haben Menschen die Erfahrung gemacht, dass Gott selbst aus dem Bösesten Gutes entstehen lassen kann. Es ist nicht leicht, immer daran zu glauben, dass der Wille Gottes das allerletzte Wort in der Welt haben wird. Aber es ist gut, einen solchen Glauben einzuüben.

Woran nun ist die tagtägliche Fürsorge Gottes für uns Menschen ablesbar? Wir hören davon etwas in der 4. Strophe:

4. Täglich gibt er mir das Brot,
täglich hilft er in der Not,
täglich schenkt er seine Huld
und vergibt mir meine Schuld.

Dass wir Brot bekommen, ist Gottes Wille. Dabei ist unter Brot alles zu verstehen, was wir zum Leben nötig brauchen, nicht nur Essen und Trinken, auch Kleidung und Wohnung, bis hin zu menschlicher Wärme und Anerkennung. Ebenso will Gott, dass wir täglich Hilfe in der Not erfahren, wie gesagt, meist auf ganz menschliche Weise, indem wir Begleitung erfahren, auch wenn eine Not nicht beseitigt werden kann. Das Wort „Huld“ ist ein alter Ausdruck für Gottes Liebe, die ganz umsonst einfach so jeden Tag für uns da ist. Und ein ganz wichtiger Ausdruck seiner Liebe ist die Sündenvergebung. Wir sind vor Gott für das verantwortlich, was wir tun und lassen, und wir brauchen die Vergebung für das, was wir falsch gemacht haben.

Kommen wir zur vorletzten Strophe unseres Liedes:

5. Lieber Gott, du bist so groß,
und ich lieg in deinem Schoß
wie im Mutterschoß ein Kind;
Liebe deckt und birgt mich lind.

Diese Strophe drückt am meisten das Gefühl der Geborgenheit aus, das ein Kind Gott gegenüber empfinden kann. Was heißt denn „lind“, was heißt denn „birgt“? fragt bei dieser Strophe vielleicht ein Kind. Und dann kann man es ganz fest in die Arme schließen und ihm sagen: So ist das, wenn man ein Kind in seinen Armen birgt. Und man kann es zart streicheln und sagen: dieses Zarte, Sanfte, Schöne beim Streicheln, das nennt der Dichter „lind“. Ganz selbstverständlich kann der Dichter für den Gott, der sonst doch meist der Vater genannt wird, auch ein mütterliches Bild verwenden.

Eine letzte Strophe handelt vom Letzten, das uns auf Erden erwartet:

6. Leb ich, Gott, bist du bei mir,
sterb ich, bleib ich auch bei dir,
und im Leben und im Tod
bin ich dein, du lieber Gott!

Unser kindgemäßes Lied klammert auch die harte Wirklichkeit des Todes nicht aus. Ein Gedanke des Paulus wird hier aufgegriffen: „Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn, darum, wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn.“ Viele sagen: Wenn ein Mensch stirbt, dann ist er bei Gott. Die Toten kommen zu Gott. Das ist richtig, aber nur halb. Gott ist nicht nur ein Gott der Toten. Gott ist schon jetzt in unserem Leben bei uns. Zwar ist er unsichtbar, aber er ist doch ganz wirklich mit seiner Liebe und Begleitung immer da. Diese Welt gehört ihm tatsächlich, und er ist nicht nur für den Himmel zuständig. Umgekehrt ist es: Der Himmel Gottes fängt hier bei uns überall da schon an, wo unter uns Liebe, Vertrauen und Hoffnung wachsen und gedeihen.

Und wenn wir wirklich sterben müssen, dann hält uns Gottes Liebe weiterhin fest. Wir bleiben bei Gott, auch im Tode. Mehr müssen wir über das ewige Leben nicht wissen. Das genügt, um getrost leben und irgendwann auch sterben zu können.

Im Leben und im Tod gehören wir Gott. Ohne Gott könnten wir nicht leben. Im Vertrauen auf ihn können wir dankbar leben. Er beschenkt uns mit Glauben, Liebe und Hoffnung. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

Großer Gott, wir bitten dich: Tröste uns, wenn wir traurig sind, begleite uns, wenn unsere Seele krank ist, gib uns Hoffnung und neuen Mut, wenn wir kraftlos geworden sind! Und für alles Gute wollen wir dir danken, alles, was du uns schenkst, unser Leben, deine Liebe, Menschen, die für uns da sind, die uns besuchen, die mit uns reden. Amen.

In der Stille bringen wir vor Gott, was wir außerdem persönlich auf dem Herzen haben:

Gebetsstille und Vater unser

Wir singen das Lied 611:

1. Harre, meine Seele, harre des Herrn! Alles ihm befehle, hilft er doch so gern. Sei unverzagt! Bald der Morgen tagt, und ein neuer Frühling folgt dem Winter nach. In allen Stürmen, in aller Not wird er dich beschirmen, der treue Gott.

2. Harre, meine Seele, harre des Herrn! Alles ihm befehle, hilft er doch so gern. Wenn alles bricht, Gott verlässt uns nicht; größer als der Helfer ist die Not ja nicht. Ewige Treue, Retter in Not, rett auch unsre Seele, du treuer Gott!

Gott segne dich und er behüte dich. Er lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir seinen Frieden. Amen.

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