Bild: Pixabay

Die Bettlerin und die Rose des Dichters

Drei Teile hat die Predigt: 1. Vom geheilten Kranken, der danken konnte. 2. Sogar Menschen, denen es schlecht geht, finden Gründe, um Gott zu danken. 3. Wie es kam, dass eine Bettlerin dem Dichter Rilke von Herzen danken konnte.

Eine Bettlerin hockt in einer Fußgängerzone
Der Dichter Rilke schenkte einer Bettlerin einmal eine Rose (Bild: Sascha HändlePixabay)

#predigtFamiliengottesdienst am Sonntag Oculi, 2. März 1986, um 9.30 Uhr in Reichelsheim, um 10.30 Uhr in Heuchelheim und um 13.00 Uhr in Dorn-Assenheim
Vorspiel

Zum Familiengottesdienst in Reichelsheim begrüße ich euch Kinder und Sie als Erwachsene ganz herzlich im Gemeindesaal. Der Name dieses Sonntages heißt auf lateinisch Oculi; das heißt „Augen“. Woher kommt dieser Name? Er stammt aus einem Lied der Bibel, aus dem Psalm 25, und da betet einer: „Meine Augen sehen stets auf den Herrn!“ Das wollen wir in diesem Gottesdienst auch tun, auf den Herrn, auf Gott sehen. Wir wollen nämlich schauen, was Gott uns Gutes getan hat und wofür wir ihm danken können. Das Danken ist das Thema unseres Familiengottesdienstes. Wir wollen heute auch viel singen und fangen mit dem Lied an:

Lied Beiheft 729 (EG 334), 1-6: Danke für diesen gutem Morgen!
Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

Danket dem Herrn, denn er ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich. (Psalm 107, 1)

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen Geiste, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Gott, richtig sehen können wir dich nicht. Du bist unsichtbar für unsere Augen. Aber du kannst uns sehen und schaust uns an, auch wenn wir gar nicht an dich denken. Deine Liebe ist bei uns, wenn wir sie auch nicht immer spüren. Du hast uns schon viel Gutes getan und uns bei einem Unglück nicht allein gelassen.

Wir wissen, Gott, dass du uns lieb hast. Denn du bist so wie der Mensch Jesus, der auf der Erde gelebt hat. In Jesus bist du selbst auf unsere Erde gekommen. Dafür denken wir dir besonders, dass du uns Jesus gegeben hast, Jesus Christus, unseren Herrn. „Amen.“

Wir hören eine Geschichte von Jesus aus dem Evangelium nach Lukas 17,11-19:

Und es begab sich, als er nach Jerusalem wanderte, dass er durch Samarien und Galiläa hinzog. Und als er in ein Dorf kam, begegneten ihm zehn aussätzige Männer; die standen von ferne und erhoben ihre Stimme und sprachen: „Jesus, lieber Meister, erbarme dich unser!“ Und als er sie sah, sprach er zu ihnen: „Geht hin und zeigt euch den Priestern!“ Und es geschah, als sie hingingen, da wurden sie rein. Einer aber unter ihnen, als er sah, dass er gesund geworden war, kehrte er um und pries Gott mit lauter Stimme und fiel nieder auf sein Angesicht zu Jesu Füßen und dankte ihm. Und das war ein Samariter. Jesus aber antwortete und sprach: „Sind nicht die zehn rein geworden? Wo sind aber die neun? Hat sich sonst keiner gefunden, der wieder umkehrte, um Gott die Ehre zu geben, als nur dieser Fremde?“ Und er sprach zu ihm: „Steh auf, geh hin; dein Glaube hat dir geholfen.“

Glücklich, ja selig sind die, die auf die Worte der Bibel hören und nach ihnen handeln! Halleluja! „Halleluja, Halleluja, Halleluja.“

Lied EKG 231 (EG 322), 1+5-7:

1. Nun danket all und bringet Ehr, ihr Menschen in der Welt, dem, dessen Lob der Engel Heer im Himmel stets vermeld‘t.

5. Er gebe uns ein fröhlich Herz, erfrische Geist und Sinn und werf all Angst, Furcht, Sorg und Schmerz ins Meeres Tiefe hin.

6. Er lasse seinen Frieden ruhn auf unserm Volk und Land; er gebe Glück zu unserm Tun und Heil zu allem Stand.

7. Er lasse seine Lieb und Güt um, bei und mit uns gehn, was aber ängstet und bemüht, gar ferne von uns stehn.

Gott lasse uns alle seine Liebe spüren. Amen.

Es folgt nun der erste Teil meiner Predigt zu der Geschichte von Jesus und den zehn Aussätzigen. Wir erinnern uns: Jesus hatte gesagt, als nur einer zurückkam, um sich zu bedanken: „Sind nicht die zehn gesund geworden? Wo sind aber die anderen neun?“ Und zu dem, der dankbar war, sagte er: „Dein Glaube hat dir geholfen.“

Liebe Kinder, liebe Jugendliche, liebe Erwachsene!

Das ist doch kaum zu begreifen. Zehn schwerkranke Leute werden durch Jesu Hilfe gesund, und nur einer bedankt sich! Sie können wieder zurück zu ihrer Familie, freuen sich, natürlich darüber und fast alle vergessen das Danken!

Wenn wir uns selber fragen: haben wir auch schon mal das Danken vergessen? Ihr Kinder, kommt es nicht manchmal vor, dass euch eure Mama oder euer Papa fragt: „Hast du dich auch für das Geschenk bedankt?“ Und dann werdet ihr ermahnt, das Dankeschön noch nachzuholen und auf jeden Fall beim nächsten Mal nicht zu vergessen.

Die Geschichte von Jesus und den zehn kranken Leuten will uns auch ermahnen. Wir sind nämlich oft auch so wie die neun Leute. Manchmal vergessen wir Gott beim Danken. Wir danken einem anderen Menschen, wenn er uns etwas geschenkt hat. Oder wenn er uns einen Gefallen getan hat. Oder wenn er uns beim Essen etwas herübergereicht hat. Aber wir haben auch viele Gründe, um Gott zu danken. Gleich werden wir davon noch reden.

Manchmal vergessen wir auch beim Beten das Danken. Wir denken meist zuerst ans Bitten. Wir sagen Gott, was wir uns wünschen, und hoffen, dass er unsere Bitten erfüllt. Wir freuen uns, wenn es wahr wird, und sind enttäuscht, wenn unser Wunsch nicht in Erfüllung geht. Aber denken wir auch ans Danken?

Manche Leute sagen: Mir schenkt keiner was! Aber das ist ein Irrtum! Jedem hat Gott etwas geschenkt. Zuerst einmal sein Leben, und dann noch vieles andere, dem einen mehr, dem anderen weniger. Und wenn der eine viel hat, kann er damit auch viel Gutes tun. Und ein anderer, der weniger hat, braucht nicht unzufrieden deswegen zu sein, er kann auch mit wenigem anderen Menschen viel Freude bereiten. Darauf kommt es an.

Die neun Aussätzigen, die gesund geworden waren und nicht zurück kehrten zum Danken, die haben gedacht: „Hauptsache, wir sind wieder gesund!“ Sie wollten so schnell wie möglich ihr altes Leben wieder weiterführen. Sie hatten ja wegen ihrer Krankheit schon so viel versäumt! Aber der eine, der zu Jesus zurückkam, dachte anders. Ohne Jesus wäre er ja gar nicht gesund geworden. Er wollte ihm wenigstens „Dankeschön“ sagen.

Und nur zu diesem Mann sagt Jesus: „Dir ist wirklich geholfen worden.“ Er sagt: „Dein Glaube hat dir geholfen.“ Glaube heißt so viel wie Vertrauen oder Liebe. Hier hat einer gemerkt, dass Jesus ihn liebhatte und ihm deshalb geholfen hat. Und er hat Jesus darum auch liebgewonnen. Deshalb musste er zu ihm zurücklaufen und ihm danken. Für ihn ist jetzt die Hauptsache im Leben, dass Gott ihn lieb hat und dass er dankbar sein kann.

Lied Beiheft 823 (EG 408), 1-6: Meinem Gott gehört die Welt

Liebe Kinder, ihr habt in den letzten Wochen im Kindergottesdienst besonders ans Danken gedacht. Ihr habt sogar auf ein großes Tuch die Dinge gemalt und geklebt, für die ihr Gott besonders dankbar seid. Das wollen wir uns jetzt mal näher anschauen. Vielleicht könnte ihr mir auch mal helfen, die einzelnen Sachen zu erklären, wenn ich selber nicht gleich alles erkenne.

In Heuchelheim wurden gezeigt: Bäckerei, Kontra, Auto, Pferd, Regenbogen, Sonne, Wolken, Vögel, Hund, Gras, Baum, Freund, Hase, Osterhase, Ostereier, Kirche, Blumen…

Aber gibt es denn auch Sachen, für die ihr Gott nicht dankbar seid? Was ist mit der schlechten Note im Zeugnis, mit dem Beinbruch, mit dem Tod eines lieben Menschen? Es gibt nicht nur Dinge, für die wir Gott danken wollen, sondern es gibt auch Dinge, über die wir uns bei ihm beklagen.

Und Gott will beides: dass wir danken und dass wir klagen. Er hört sich auch unsere Klage an. Er macht sich Gedanken, wie uns am besten geholfen werden kann. Er lässt uns nie allein, auch wenn wir vom Unglück getroffen werden.

Und deshalb finden auch Leute, denen es ganz schlecht geht, immer noch Gründe, um Gott zu danken. Zum Beispiel, dass sie spüren: Gott hat mich immer noch lieb. Gott gibt mir Kraft, um Schmerzen auszuhalten. Gott schenkt mir Hoffnung, dass die Krankheit besser werden wird. Gott bleibt bei mir, auch wenn ich einmal sterben muss.

Manche Leute denken: Gott kann kein lieber Gott sein, wenn es so vielen Menschen so schlecht geht. Sie vergessen über dem Klagen das Danken. Sie vergessen auch, dass sie ja mithelfen können, damit es anderen Menschen besser geht. Das will Gott von uns. Dankbare Menschen sind bereit zum Helfen.

Lied + 65, 1-4: Dank für die Sonne

Als dritten Teil meiner Predigt möchte ich noch eine kleine Geschichte erzählen. Die Geschichte von einem deutschen Dichter, Rainer Maria Rilke, der jeden Tag bei einer Bettlerin vorbeikam. Ich weiß nicht, warum die Frau bettelte, vielleicht war sie blind, zu der damaligen Zeit gab es für Blinde noch keine Schulen und keine Versorgung wie heute.

Der Dichter gab ihr jeden Tag etwas Geld, eine kleine Münze. Und die Frau nahm das Geld ohne jede Bewegung entgegen, auch ohne „Danke“ zu sagen. Sie schien sich dessen zu schämen, dass sie betteln musste, und sah bitter und verschlossen aus.

Eines Tages aber kam der Dichter Rilke wieder an der Frau vorbei. Diesmal gab er der Frau kein Geld, sondern eine Rose in die ausgestreckte Hand. Sie fühlte die Blume, und dann erhob sie sich mühsam von der Erde, tastete nach der Hand des Mannes und küsste sie.

Für das Geld hatte sie nicht gedankt. Für die Rose dankte sie mit einem Kuss. Warum? Die Rose konnte sie doch nicht essen. Für die Rose konnte sie doch nichts kaufen. Aber die Rose zeigte ihr etwas anderes. Da wollte ihr jemand eine Freude machen. Ihr ganz persönlich. Dieser Mann hatte ihrem Herzen etwas geschenkt.

Vielleicht hatte sie vorher gedacht: Ich will mir eigentlich gar nicht helfen lassen. Die anderen fühlen sich dann als was Besseres, bloß weil sie mehr haben als ich. Oder sie helfen nur, weil sie ein schlechtes Gewissen haben. Aber jetzt merkte sie: Dieser Mann war anders. Der hat mir was von sich geschenkt. Er hat sich für mich interessiert. Darum konnte sie ihm danken.

Der Dichter hätte sich auch sagen können: Jetzt habe ich ihr schon so viel Geld gegeben, jeden Tag etwas, und nie bedankt sie sich. So eine undankbare Person. Aber er merkte, dass die Frau noch etwas anderes viel nötiger brauchte als Geld und Brot. Sie war einsam und verlassen, enttäuscht und verbittert, und sie brauchte Liebe. Viel konnte er ihr nicht geben, nur ein kleines Zeichen, dass sie ihm wichtig war: eben diese Rose.

Die Kinder haben auch Rosen gebastelt. Sie wollen damit Ihnen und sich selbst eine kleine Freude bereiten. Wenn sie reichen, kann nachher jeder eine mit nach Hause nehmen. Damit sagen die Kinder Ihnen allen Danke dafür, dass Sie hier den Gottesdienst mitgefeiert haben, und die Kinder möchten, dass Sie ein Stück Freude und Liebe und Frieden mit nach Hause nehmen können. Die Rose als Zeichen für alles Schöne, für das wir dankbar sein können. Die Rose, die wächst und sich entfaltet, wenn wir sie pflegen und ihr den Lebensraum lassen, damit sie wachsen und gedeihen kann.

Zwei Kirchenlieder kenne ich, in denen eine Rose vorkommt. Das eine ist ein Weihnachtslied, „Es ist ein Ros entsprungen“, da wird Jesus, der uns von Gott geschenkt ist, mit einer Rose verglichen. Aber das passt jetzt nicht so in die Jahreszeit. Das andere ist ein neues Kirchenlied, das vom Frieden handelt. Und das wollen wir jetzt zusammen singen:

Lied Beiheft 785, 1-4: Vom Frieden reden hilft nicht viel

Lieber Gott, du bist wie ein Vater für uns. Du hast uns unser Leben geschenkt, unsere Eltern, unsere Geschwister, unsere Freunde. Du zeigst uns in der Bibel, wie Menschen an dich glauben, und du zeigst uns, was gut und böse ist. Du willst, dass wir untereinander Frieden halten, so schwer es uns auch fällt. Du willst, dass wir füreinander da sind, statt nur an uns zu denken, Du willst, dass wir all das Schöne, was es auf unserer Erde gibt, nicht kaputt gehen lassen, sondern es pflegen und bewahren: die Luft, das Wasser und die Erde, alles was wächst und alles, was lebt. Du vergibst uns, wenn wir es nicht geschafft haben, das Gute zu tun, und du lässt uns neu anfangen an jedem neuen Tag. Lass uns dankbar leben auch in der Woche, die heute beginnt! Schenke uns das, was wir brauchen, und gib uns auch die Kraft, für andere da zu sein! Amen.

Und jetzt sind wir noch einmal ganz still und denken an die Menschen, für die wir besonders beten wollen, z. B. an kranke oder traurige Menschen…

Vater unser
Lied EKG 228 (EG 321), 1-2:

1. Nun danket alle Gott mit Herzen, Mund und Händen, der große Dinge tut an uns und allen Enden, der uns von Mutterleib und Kindesbeinen an unzählig viel zugut bis hierher hat getan.

2. Der ewig reiche Gott woll uns bei unserm Leben ein immer fröhlich Herz und edlen Frieden geben und uns in seiner Gnad erhalten fort und fort und uns aus aller Not erlösen hier und dort.

Abkündigungen und Segen

Schreibe einen Kommentar

Mit dem Abschicken des Kommentars stimmen Sie seiner Veröffentlichung zu (siehe Datenschutzerklärung). Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.