Bild: Helmut Schütz

Wie heißt der liebe Gott?

Gott ist nicht mit Hilfe eines Namens in den Griff zu bekommen. Gott geschieht, Gott befreit, Gott führt Menschen aus unwürdigen Verhältnissen heraus. Gott macht Geschichte mit uns, weil er es will, und nicht, weil wir wie mit einem Zauberspruch seine Hilfe heraufbeschwören könnten. Es ist nicht wie bei Rumpelstilzchen, den man bezwingen kann, wenn man seinen Namen kennt.

Die jüdische Sängerin Inta Serebro steuert Lieder zum Gottesdienst in der Pauluskirche bei
Die jüdische Sängerin Inta Serebro steuert Lieder zum Gottesdienst in der Pauluskirche bei

direkt-predigtGottesdienst um „halb 6 in Paulus“ am letzten Sonntag nach Epiphanias, den 28. Januar 2007, um 17.30 Uhr in der evangelischen Pauluskirche Gießen

Guten Abend, liebe Gemeinde!

Ich begrüße Sie und euch alle herzlich im Abendgottesdienst um „halb sechs in Paulus“ zum Thema: „Wie heißt der liebe Gott?“ Viele haben uns in den letzten Wochen gefragt: „Ja, wie heißt er denn?“, und wir haben gesagt: Darauf gibt es Antworten im Gottesdienst.

Besonders freuen wir uns, dass Frau Inta Serebro in diesem Gottesdienst drei Lieder für uns singt. Als erstes singt sie jetzt gleich am Anfang das Lied:

Hevenu schalom alejchem
Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Mit dem Namen Gottes beginnen wir jeden Gottesdienst. Heute konzentrieren wir uns besonders auf den Gottesnamen und beginnen mit Psalmgebeten, die den Namen Gottes preisen.

Mit Psalm 124 bekennen wir:

8 Unsre Hilfe steht im Namen des HERRN, der Himmel und Erde gemacht hat.

Mit Psalm 5 beten wir:

12 Lass sich freuen alle, die auf dich trauen; ewiglich lass sie rühmen, denn du beschirmest sie. Fröhlich lass sein in dir, die deinen Namen lieben!

13 Denn du, HERR, segnest die Gerechten, du deckest sie mit Gnade wie mit einem Schilde.

Mit Psalm 20 sprechen wir ein Gebet derer, die sich nicht auf eigene Kraft und Macht verlassen wollen, sondern auf Gottes Namen:

2 Der HERR erhöre dich in der Not, der Name des Gottes Jakobs schütze dich!

5 Er gebe dir, was dein Herz begehrt, und erfülle alles, was du vorhast!

6 Dann wollen wir jubeln, weil er dir hilft… Der HERR gewähre dir alle deine Bitten!

8 Jene verlassen sich auf Wagen und Rosse; wir aber denken an den Namen des HERRN, unsres Gottes.

9 Sie sind niedergestürzt und gefallen, wir aber stehen und halten stand.

Mit Psalm 44 stimmen wir in ein Gebet von Menschen ein, die sich nicht erklären können, warum Gott ihnen nicht hilft. Sie haben seinen Namen nicht vergessen und sie appellieren an den Gott, der ihnen vertraut war mit seiner Güte und seiner Hilfe:

21 Wenn wir den Namen unsres Gottes vergessen hätten und unsre Hände aufgehoben zum fremden Gott:

22 würde das Gott nicht erforschen? Er kennt ja unsres Herzens Grund.

23 Doch um deinetwillen werden wir täglich getötet und sind geachtet wie Schlachtschafe.

24 Wache auf, Herr! Warum schläfst du? Werde wach und verstoß uns nicht für immer!

25 Warum verbirgst du dein Antlitz, vergisst unser Elend und unsre Drangsal?

26 Denn unsre Seele ist gebeugt zum Staube, unser Leib liegt am Boden.

27 Mache dich auf, hilf uns und erlöse uns um deiner Güte willen!

Mit Psalm 86 rufen wir zu Gott, der seinen Namen über Israel hinaus allen Völkern offenbart hat, so dass auch wir in dieser Kirche seinen heiligen Namen anrufen können:

7 In der Not rufe ich dich an; du wollest mich erhören!

8 Herr, es ist dir keiner gleich unter den Göttern, und niemand kann tun, was du tust.

9 Alle Völker, die du gemacht hast, werden kommen und vor dir anbeten, Herr, und deinen Namen ehren,

10 dass du so groß bist und Wunder tust und du allein Gott bist.

11 Weise mir, HERR, deinen Weg, dass ich wandle in deiner Wahrheit; erhalte mein Herz bei dem einen, dass ich deinen Namen fürchte.

12 Ich danke dir, Herr, mein Gott, von ganzem Herzen und ehre deinen Namen ewiglich.

13 Denn deine Güte ist groß gegen mich, du hast mich errettet aus der Tiefe des Todes. Amen.

Gemeinsam singen wir das Lied 323, das den Psalmen Israels nachempfunden ist:

1. Man lobt dich in der Stille, du hocherhabner Zionsgott; des Rühmens ist die Fülle vor dir, o Herre Zebaoth. Du bist doch, Herr, auf Erden der Frommen Zuversicht, in Trübsal und Beschwerden lässt du die Deinen nicht. Drum soll dich stündlich ehren mein Mund vor jedermann und deinen Ruhm vermehren, solang er lallen kann.

2. Es müssen, Herr, sich freuen von ganzer Seel und jauchzen hell, die unaufhörlich schreien: »Gelobt sei der Gott Israel‘!« Sein Name sei gepriesen, der große Wunder tut und der auch mir erwiesen das, was mir nütz und gut. Nun, dies ist meine Freude, zu hangen fest an dir, dass nichts von dir mich scheide, solang ich lebe hier.

3. Herr, du hast deinen Namen sehr herrlich in der Welt gemacht; denn als die Schwachen kamen, hast du gar bald an sie gedacht. Du hast mir Gnad erzeiget; nun, wie vergelt ich’s dir? Ach bleibe mir geneiget, so will ich für und für den Kelch des Heils erheben und preisen weit und breit dich hier, mein Gott, im Leben und dort in Ewigkeit.

Liebe Gemeinde!

Die Psalmen Israels preisen Gottes Namen. Auch mit einem Lied aus dem Gesangbuch haben wir gesungen: „Sein Name sei gepriesen“ und: „Herr, du hast deinen Namen sehr herrlich in der Welt gemacht“. In der Bibelübersetzung von Martin Luther kommt 880 Mal das Wort „Name“ vor. Über 200 Mal ist vom Namen Gottes die Rede, zuerst im 1. Buch Mose – Genesis 4:

26 Und Set zeugte auch einen Sohn und nannte ihn Enosch. Zu der Zeit fing man an, den Namen des HERRN anzurufen.

Aber wie lautet denn nun dieser Name, den die Menschen im Volk Israel spätestens seit Abraham regelmäßig anrufen? Oder ganz kindlich gefragt, wie im Thema unseres Gottesdienstes: „Wie heißt der liebe Gott?“

Ich erinnere mich, wie ich einmal in der Alzeyer Landesnervenklinik auf einer Station für Langzeitpatienten mit den seelisch und geistig kranken Männern Lieder zur Gitarre sang. Da meldete sich plötzlich ein jüngerer Mann zu Wort, der an einem Nebentisch, abseits von der Gruppe der anderen saß, und meinte: „Ich weiß übrigens, wie Gott heißt. Ich habe ihn kennengelernt.“ Und, als sei es das Selbstverständlichste von der Welt, teilte er mir mit: „Gott heißt Karl.“ Es war mir klar, dass der Mann unter einer schizophrenen Psychose litt. Was ich ihm geantwortet habe, weiß ich nicht mehr. Aber er hat mir damals die Augen dafür geöffnet, was mit dem Namen Gottes nicht gemeint sein kann. Seinen heiligen Namen können wir niemals fassen wie einen unserer menschlichen Namen. Versuchen wir das, so wie dieser seelisch kranke Mann, dann grenzen wir Gott ein.

Nicht einmal von Jesus dürfen wir einfach sagen: Jesus = Gott. Wenn Jesus sagt, dass er und der Vater eins sind, dann meint er wesens-eins, vollkommen einig mit dem Willen des Vaters. Nicht einmal Jesus ist vollkommen identisch mit dem, den er seinen und unseren Vater im Himmel genannt hat.

Gottes Name ist nicht ein bestimmter Eigenname. Gott heißt nicht Karl und auch nicht einfach Jesus. Menschliche Namen bezeichnen immer ein Individuum, immer einen Menschen unter vielen anderen. Sie grenzen ab. Gott ist aber nicht einer von vielen, sondern DER EINE, der unvergleichlich und über allem ist.

Aber gibt es nicht doch in der Bibel einen eigenen Namen für Gott? 6007 Mal wird Gott in der Bibel der Juden, in unserem Alten Testament, mit dem sogenannten Tetragramm näher bezeichnet, also mit den vier Buchstaben „JHWH“. Diesen Namen umgibt ein großes Geheimnis. Wir wissen nicht einmal, wie er korrekt ausgesprochen wird, denn in der hebräischen Schrift gibt es keine Buchstaben für die Selbstlaute. Bibelwissenschaftler sagen, man hätte JHWH eventuell wie „Jahwe“ ausgesprochen. Die christliche Sekte „Jehovas Zeugen“ nennt sich so, weil sie davon überzeugt ist, Gott werde allein mit dem Namen „Jehova“ richtig angeredet. Aber vielleicht sollen wir die richtige Aussprache gar nicht kennen, denn seit Menschengedenken sprechen Juden, die es am besten wissen müssen, diesen Namen gar nicht aus, sie sagen Adonaj, „mein Herr“, wo der heilige Gottesname steht, und Martin Luther hat sich in seiner Übersetzung des Alten Testaments diesem Brauch angeschlossen und für den Gottesnamen das Wort „HERR“ in Großbuchstaben eingesetzt.

Geheimnisse kann man nicht völlig erklären und auflösen. Aber man kann sich von ihnen ansprechen und anrühren lassen. Lassen wir uns in das Geheimnis des Gottesnamens hineinnehmen, indem wir in der Bibel die Stelle lesen, wo Mose nach dem Namen Gottes fragt.

Mose hütet Schafe am Gottesberg Horeb, da wird er auf einen merkwürdigen Busch aufmerksam: der brennt und verbrennt doch nicht. Aus dem Busch hört er eine Stimme (2. Buch Mose – Exodus 3):

5 Gott sprach: Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land!

6 Und er sprach weiter: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Und Mose verhüllte sein Angesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen.

7 Und der HERR sprach: Ich habe das Elend meines Volks in Ägypten gesehen und ihr Geschrei über ihre Bedränger gehört; ich habe ihre Leiden erkannt.

10 So geh nun hin, ich will dich zum Pharao senden, damit du mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten führst.

11 Mose sprach zu Gott: Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehe und führe die Israeliten aus Ägypten?

12 Er sprach: Ich will mit dir sein.

Gott spricht Mose an und stellt sich dem Mose vor als den Gott, den schon seine Eltern und alle Israeliten bis zurück zu Abraham und Sara, Isaak und Rebekka, Jakob, Rahel und Lea angebetet haben. Mose ist schon ein alter Mann, er hat sich offenbar lange Zeit nicht um Gott gekümmert. Auch das Volk Israel schien zu denken: „Was sollen wir uns um Gott kümmern, er kümmert sich auch nicht um uns!“ Aber jetzt erfährt Mose einen Gott, der sich kümmert, der hört und sieht, der die Leiden des Volkes Israel erkennt.

Die erste Reaktion des Mose auf die Rede dieses Gottes ist Furcht, und zwar die Furcht, Gott anzuschauen, eine heilige Scheu davor, dem Herrn über Leben und Tod direkt gegenüberzustehen.

Die zweite Reaktion ist Widerstand. Warum nimmt Gott die Befreiung Israels nicht einfach allein in die Hand? Warum muss er den Mose in die Höhle des Löwen, zum mächtigen Pharao schicken, um sein Volk aus dem Sklavenhaus herauszuholen? Dem Mose ist es nicht genug zu wissen, dass Gott schon der Gott seiner Vorfahren war und dass Gott mit ihm sein wird. Deshalb fragt Mose nach: „Gott, wie heißt du?“

13 Mose sprach zu Gott: Siehe, wenn ich zu den Israeliten komme und spreche zu ihnen: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt! und sie mir sagen werden: Wie ist sein Name?, was soll ich ihnen sagen?

Mose will also, wenn er den Auftrag Gottes übernimmt, mehr in der Hand haben als nur die Erinnerung an das, was das Volk Israel in in der Vergangenheit mit Gott erlebt hat, und mehr als das Versprechen, dass Gott bei ihm sein wird. Er sieht voraus: Das Volk wird Sicherheiten wollen. Können wir das nicht gut verstehen? Wünschen wir uns nicht auch einen Gott, der berechenbar ist, der uns eine sichere und glückliche Zukunft garantiert, der nichts Böses zulässt, wenn er ein lieber Gott ist? So viele Menschen lesen Horoskope, im Fernsehen gibt es Sendeplätze für Wahrsager und Kartenlegerinnen. Wem Gottvertrauen fehlt, versucht vielleicht so, das Schicksal in den Griff zu bekommen. Die Israeliten damals hätten gern den Namen Gottes gewusst, um ihn wie einen Zauberspruch zu verwenden. Wenn ich den richtigen Namen des richtigen Gottes anrufe, dann kann ich ihn beschwören, und er muss mir helfen. Wenn wir das bedenken, verstehen wir die Antwort besser, die Mose von Gott auf seine Frage nach seinem Namen bekommt:

14 Gott sprach zu Mose: Ich werde sein, der ich sein werde. Und sprach: So sollst du zu den Israeliten sagen: „Ich werde sein“, der hat mich zu euch gesandt.

Wie heißt der liebe Gott? Auf hebräisch: „ähjäh aschär ähjäh“. Dieser kleine hebräische Satz hat es in sich. Wörtlich heißt das im Deutschen: „Ich bin, der ich bin.“ Aber im Hebräischen gibt es keine verschiedenen Zeitformen für Gegenwart und Zukunft, also könnte man auch übersetzen: „Ich werde sein, der ich sein werde“, so macht es Martin Luther. In der katholischen Einheitsübersetzung steht: „Ich bin der Ich-bin-da.“

Das Problem ist: Das hebräische Wort „hajah“ wird zwar auch im Sinne von „sein“ verwendet, „ich bin“, „du bist“, „er ist“. Aber es bedeutet eigentlich nicht „sein“ im Sinne von „das ist und das bleibt so“, sondern es bezeichnet ein Geschehen, ein Werden. Gott sagt also: „Ich geschehe, wie ich eben geschehe.” „Ihr erfahrt mich nur in den Geschichten, die ihr mit mir erlebt. Ihr erfahrt mich als die Kraft, die euch stärkt, als die Liebe, die in euch ist, als den Gott, der bei euch ist, oder ihr erfahrt mich eben nicht.” Dieses kleine Wörtchen „ähjäh“ = „ich bin“, „ich bin da“, „ich werde sein“, „ich geschehe“, wiederholt Gott noch einmal ausdrücklich: „So sollst du zu den Israeliten sagen: ‚ähjäh‘, der hat mich zu euch gesandt.“ Offenbar ist aus diesem Wörtchen „ähjäh“ das heilige Tetra­gramm JHWH geworden, mit dem, wie gesagt, über 6000 Mal in der Bibel Gott bezeichnet wird.

Inzwischen ist vielleicht klar geworden: ein Eigenname, wie wir ihn von uns Menschen kennen, ist das nicht. Im Gegenteil. Dem Mose und auch uns wird jede Möglichkeit aus der Hand genommen, Gott mit Hilfe eines Namens in den Griff zu bekommen. Gott ist ein Gott, der geschieht, der befreit, der Menschen aus unwürdigen Verhältnissen herausführt. Gott macht Geschichte mit uns, weil er es will, und nicht, weil wir wie mit einem Zauberspruch seine Hilfe heraufbeschwören könnten. Es ist nicht wie bei Rumpelstilzchen, wo man einen bösen Geist bezwingen kann, wenn man seinen Namen kennt.

Nein, wer Gottes Namen kennt, der erinnert sich an das Gute, das in diesem Namen schon früher geschehen ist:

15 Und Gott sprach weiter zu Mose: So sollst du zu den Israeliten sagen: Der HERR, der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks, der Gott Jakobs, hat mich zu euch gesandt. Das ist mein Name auf ewig, mit dem man mich anrufen soll von Geschlecht zu Geschlecht.

Das ist die Stelle, auf die sich Jehovas Zeugen berufen, wenn sie sagen: „Man muss Gott mit Jehova anreden, da steht es doch!“ Nein, genau das steht da gerade nicht! Es hat seinen Grund, dass Gott nicht nur einfach sagt: „Ich heiße Jahwe oder Jehova, redet mich gefälligst so an!“ Der Name Gottes ist zwar ein bestimmter Name für einen bestimmten Gott, nämlich für den EINEN und EINZIGEN Gott überhaupt. Aber dieser Name ist immer mit konkreten Erfahrungen verbunden, die konkrete Menschen machen. Darum erinnert er den Mose an die Erfahrungen seiner Vorfahren von Abraham bis Jakob, von Sara und Hagar bis Lea und Rahel. Mit ihnen war er, mit ihnen hat er Geschichte gemacht. Und darum kann Mose sich auch darauf verlassen, dass Gott jetzt mit ihm sein wird. Gott ist, indem er geschieht, mit dem Volk Israel Geschichte macht, Israel aus Ägypten befreit.

Dass Gott nicht Karl heißt, wissen wir, wenn wir nicht gerade einmal seelisch abgedreht sind, wie der Mann, von dem ich vorhin erzählt habe. Aber wir könnten den Namen Gottes auch dann missbrauchen, wenn wir darauf beharren würden, er müsse in jedem Gebet mit Jahwe oder Jehova angeredet werden. Darum wird Mose von Gott unter den Zehn Geboten auch dieses Gebot empfangen (2. Buch Mose – Exodus 20):

7 Du sollst den Namen des HERRN, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der HERR wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht.

Den Namen Gottes missbrauchen wir nämlich dann, wenn wir nicht bereit sind, uns in seine Geschichte mit uns hineinnehmen zu lassen, sondern ihn für unsere eigensüchtigen oder fanatischen oder kleinkarierten Ziele einzuspannen versuchen. Wenn wir Gottes heiligen Namen ernstnehmen, ist er der, der geschieht, der für uns da ist, der mit uns Geschichte macht, der uns anrührt und reinigt, befreit und verwandelt. Jesus sagt (Matthäus 5, 8):

Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.

Wir hören ein zweites Lied von Inta Serebro:

Reinige mein Herz

„Wie heißt der liebe Gott?“, so haben wir gefragt. In der jüdischen Bibel wird er über 6000 Mal JHWH genannt. Aber ist das der einzige Name Gottes? Darauf lautet die Antwort ganz klar: Nein. Wir haben ja schon gehört: Gott kann sich selber auch den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs nennen. Die Deutung des heiligen Gottesnamens aus dem hebräischen Wort „ähjäh“ = „ich bin“, „ich geschehe“ weist in die gleiche Richtung. Gott geschieht immer wieder anders. Bereits im Alten Testament gibt es viele Arten und Weisen, wie Gott sich verschiedenen Menschen offenbart. Denn so verschieden die Menschen sind, so unterschiedlich sind ja auch die Bedingungen, unter denen sie leben, und ihre Lebensgeschichten. So sagt Gott einmal zu Mose (2. Buch Mose – Exodus 6):

2 Ich bin der HERR

3 und bin erschienen Abraham, Isaak und Jakob als der allmächtige Gott, aber mit meinem Namen „HERR“ habe ich mich ihnen nicht offenbart.

„Der Allmächtige“ heißt auf Hebräisch „El-Schaddaj“, so haben die Stammeltern Israels Gott erfahren.

Ich möchte mit Ihnen aber noch ein Blick auf eine Person werfen, die scheinbar ganz am Rand der biblischen Geschichte steht. Sie kommt in der Geschichte Abrahams und Saras vor und ist in der Bibel die allererste Person, die eine konkret gefüllte Offenbarung des Namens Gottes erfährt. Es ist eine Frau, die ägyptische Sklavin Hagar. Da ihre Herrin Sara, die Frau Abrahams, lange Zeit keine Kinder bekommen konnte, sollte Hagar als Leihmutter einspringen und mit Abraham für den langersehnten Nachwuchs sorgen. Als Hagar wirklich schwanger wird, treibt Saras Eifersucht sie in die Flucht (1. Buch Mose – Genesis 16):

7 Aber der Engel des Herrn fand sie bei einer Wasserquelle in der Wüste.

Dieser Engel Gottes spricht zu Hagar, ganz ähnlich wie es später bei der Mutter des Richters Simson und noch später bei Maria, der Mutter Jesu, der Fall sein wird. Der kündigt ihr die Geburt ihres Sohnes Ismael an und bringt sie dazu, zurückzukehren und ihren Sohn in den Zelten Abrahams zur Welt zu bringen. Auf diese Verheißung des Engels Gottes antwortet Hagar, indem sie den Namen Gottes nennt:

13 Und sie nannte den Namen des HERRN, der mit ihr redete: Du bist ein Gott, der mich sieht.

14 Darum nannte man den Brunnen „Brunnen des Lebendigen, der mich sieht“.

Gott hat also viele Namen. Abraham erfährt Gott als den Allmächtigen, der ihm viele Nachkommen und denen ein eigenes Land verspricht. Hagar nennt Gott den „Gott, der mich sieht“, auf Hebräisch: „El-Roï“. Das ist kein Zufall, denn Gott ist in der Bibel genau der, der die Menschen am Rande nicht übersieht. Und wenn es die Stammmutter der Israeliten selbst ist, die ihre Sklavin demütigt, dann greift der Gott Israels korrigierend ein und gibt der Ägypterin ihre Würde zurück, die sie vor Gott auch als Sklavin hat.

Wir singen das Lied 631:
In Gottes Namen wolln wir finden, was verloren ist

Gott ist ein Gott, der geschieht. Der sieht und hört, Der befreit. Der erlöst. Der liebt. Der Menschen verändert. Aufruft, aufrüttelt. Gott lässt nicht alles mit sich machen, Gott lässt alles mit sich machen. Beides kann stimmen. Denn Gottes Liebe ist größer als unsere Gedanken über Gottes Liebe.

Kinder reden Gott an mit „lieber Gott“. Und das ist er auch. Aber wenn Menschen die Menschenwürde anderer mit Füßen treten, wenn sie zum Beispiel Kinder schänden, dann muss Gott, gerade weil er ein Gott der Liebe ist, manchmal auch ein zorniger Gott sein. Dem David in der Bibel hilft Gott gegen Goliath, als Herr der Heerscharen hilft er seinem Volk zur Gerechtigkeit. Gottes Zorn ist die Art, wie Gott denen seine Liebe zeigt, die seinen Namen missbrauchen, die seine Liebe mit Füßen treten.

Und wir Christen? Wenn wir unseren Gottesdienst im Namen Gottes feiern, dann berufen wir uns auch auf Geschichte, die der Gott Israels gemacht hat. Denn durch Jesus ist der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs auch unser Gott geworden. In dem Namen Jesus steckt der heilige Gottesname des Volkes Israel drin: „Je-schua“, „Der HERR befreit“. Das heißt: Auch wir Christen halten den Namen Gottes heilig, wenn wir ihn ernstnehmen, wenn wir ihn an uns arbeiten lassen, uns in seine Geschichte, in seine Pläne mit uns hineinnehmen lassen. Und seine Pläne haben mit Befreiung zu tun. Befreiung aus Demütigung, aus Abhängigkeit, Befreiung aber auch aus Sucht und Sünde und aus allem, was uns innerlich gefangen hält. Amen.

Wir singen das Lied 625 von den vielen Namen Gottes:
Wir strecken uns nach dir, in dir wohnt die Lebendigkeit

Bevor wir unser Schlussgebet und das Vaterunser sprechen, möchten wir heute über dieses Vaterunser noch einmal in einer kleinen Szene nachdenken. Denn gerade im Vaterunser folgen wir Christen ja der Aufforderung Jesu aus dem Matthäus 6, 9:

Darum sollt ihr so beten: Unser Vater im Himmel! Dein Name werde geheiligt.

Hören wir dazu die Spielszene „Das Vater unser mal anders“, gesprochen von Irena Burk und Ingrid Garth:

Unterbrich mich nicht, ich bete…

Wir hören ein drittes Lied, gesungen von Inta Serebro, ein Anbetungslied für Gott in hebräischer Sprache:

Elohenu

Lasst uns beten mit einem Gebet von Paul Roth:

Wie ist dein Name, Gott?

Soll ich dich Vater nennen oder Mutter…?
Oder bist du uns Bruder und Schwester, Freund und Gefährte…?
Oder darf ich ganz einfach nur „du“ sagen…?

Was wir auf dem Herzen haben, unsere Fürbitten für andere Menschen, für unsere Gemeinde und unsere Welt bringen wir in der Stille vor Gott:

Gebetsstille und Vater unser

Wir singen aus dem Lied 614 die Strophen 1 bis 3:

Lass uns in deinem Namen, Herr, die nötigen Schritte tun
Abkündigungen

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

Schreibe einen Kommentar

Mit dem Abschicken des Kommentars stimmen Sie seiner Veröffentlichung zu (siehe Datenschutzerklärung). Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.