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Sünde macht uns krank

„Wenn meine Sünd‛ mich kränken…“, so beginnt das Lied 82. Nicht einen beleidigten Gott müssen wir besänftigen, wir Menschen haben Versöhnung nötig. Sünde macht uns krank, wenn wir uns ab-sondern von Gott und handeln, als seien wir des Teufels Ebenbild. Aber Jesu „teures Blut“ wird zum Symbol dafür, dass Gott den zerstörten Bund mit Israel und Menschen aller Völker erneuert.

Jesusdarsteller in Goldhaar und Goldkleidung und Dornenkrone, mit Blut im Gesicht
Was bedeutet Jesu teures Blut? (Bild: Michael de GrootPixabay)
direkt-predigtGottesdienst am Karfreitag, den 22. April 2011, um 10.00 Uhr in der evangelischen Pauluskirche Gießen

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

Ich begrüße alle herzlich im Gottesdienst am Karfreitag in der Pauluskirche.

Dieser Feiertag ist ein Tag der Traurigkeit, denn wir denken an den grausamen Tod Jesu am Kreuz. Dieser Tag ist aber auch der Tag des Sieges über die Sünde und den Tod, wie wir es im Evangelium nach Johannes 3, 16 hören:

„Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“

Karfreitag ist ein stiller Feiertag, darum haben wir heute die Glocken nicht geläutet. Karfreitag ist aber kein trostloser Feiertag, darum haben wir die Blumen vom Palmsonntag auf dem Altar stehen lassen, und auch die Kerzen in Erinnerung an die Liebe Gottes angezündet.

Nun stimmen wir das Lied 91 an und singen die Strophen 4 bis 6 und 9:

4. Gott ist gerecht, ein Rächer alles Bösen; Gott ist die Lieb und lässt die Welt erlösen. Dies kann mein Geist mit Schrecken und Entzücken am Kreuz erblicken.

5. Seh ich dein Kreuz den Klugen dieser Erden ein Ärgernis und eine Torheit werden: so sei’s doch mir, trotz allen frechen Spottes, die Weisheit Gottes.

6. Es schlägt den Stolz und mein Verdienst darnieder, es stürzt mich tief, und es erhebt mich wieder, lehrt mich mein Glück, macht mich aus Gottes Feinde zu Gottes Freunde.

9. Unendlich Glück! Du littest uns zugute. Ich bin versöhnt in deinem teuren Blute. Du hast mein Heil, da du für mich gestorben, am Kreuz erworben.

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

Kann der Karfreitag für uns ein Tag unendlichen Glücks sein, wie wir im Lied gesungen haben – Good Friday, wie die Engländer ihn nennen? Können wir uns auf das Kreuz Jesu zwar „mit Schrecken“, aber doch auch „mit Entzücken“ besinnen? Es ist schwer zu begreifen, wie Jesu Leiden uns zugute kam, in welcher Weise das „Blut Jesu“ unsere Versöhnung mit Gott bewirken konnte. Ich möchte mich einlassen auf diese schwierigen Fragen, möchte einen Weg bahnen, damit wir den Karfreitag wirklich als einen „Guten Freitag“ begreifen und feiern können.

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Gott, Vater Jesu Christi, sind wir zu klug im Sinne der Welt, um das Kreuz Jesu zu begreifen? Der Karfreitag scheint doch ein Feiertag zu sein, an dem es scheinbar nichts zu feiern gibt. Jesus fällt einem brutalen Justizmord zum Opfer. Seine eigenen Jünger verraten, verlassen, verleugnen ihn. War das alles dein wohlüberlegter Plan, damit Jesus die Strafe für unsere Sünde auf sich nimmt, statt dass wir sie tragen müssen? Mit Fragen kommen wir zu dir, Herr, unser Gott. Lass uns die Weisheit deiner Wege erkennen.

Herr, erbarme dich! „Herr, erbarme dich, Christe, erbarme dich, Herr, erbarm dich über uns!“

Gott, du befreist uns von falschem Stolz und richtest uns auf aus falscher Demut. Wo wir deine Wege unbegreiflich, ärgerlich, unsinnig finden, schenkst du uns neue Einsicht und Zuversicht. Wo wir denken, du hättest es nötig, deinen eigenen Sohn zu töten, lässt du uns erkennen, dass es ganz anders ist: aus Liebe ließ sich dein Sohn verstricken in unsere bösen menschlichen Wege, um uns aus diesen Stricken des Todes zu befreien. Wo wir befürchten, du könnest uns feindlich gegenüberstehen, da zeigst du dich als wahrer Freund. Darum lasst uns dir lobsingen:

„Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen. Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat; nun ist groß Fried ohn Unterlass, all Fehd hat nun ein Ende“.

Der Herr sei mit euch „und mit deinem Geist.“

Großer Gott, lass uns das Leiden deines Sohnes am Kreuz betrachten, nicht aus Lust am Schmerz, sondern im Erschrecken darüber, was wir Menschen einander antun: bis dahin, dass wir versuchen, dein Ebenbild im Menschen zu töten. Lass uns erkennen, wie wir selber beteiligt sind am Leiden deines Sohnes, nicht in neurotischer Verliebtheit in die eigene Sünde oder die eigene Minderwertigkeit, sondern im Erschrecken darüber, wie oft wir unserer wirklichen Verantwortung für die geringsten Brüder und Schwestern Jesu nicht gerecht werden. Wir bitten dich um Selbsterkenntnis und um dein Erbarmen im Namen Jesu Christi, unseren Herrn. „Amen.“

Wir hören am Karfreitag die Schriftlesung aus dem Evangelium nach Lukas 23, 32-48:

32 Es wurden aber auch andere hingeführt, zwei Übeltäter, dass sie mit ihm hingerichtet würden.

33 Und als sie kamen an die Stätte, die da heißt Schädelstätte, kreuzigten sie ihn dort und die Übeltäter mit ihm, einen zur Rechten und einen zur Linken.

34 Jesus aber sprach: Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun! Und sie verteilten seine Kleider und warfen das Los darum.

35 Und das Volk stand da und sah zu. Aber die Oberen spotteten und sprachen: Er hat andern geholfen; er helfe sich selber, ist er der Christus, der Auserwählte Gottes.

36 Es verspotteten ihn auch die Soldaten, traten herzu und brachten ihm Essig

37 und sprachen: Bist du der Juden König, so hilf dir selber!

38 Es war aber über ihm auch eine Aufschrift: Dies ist der Juden König.

39 Aber einer der Übeltäter, die am Kreuz hingen, lästerte ihn und sprach: Bist du nicht der Christus? Hilf dir selbst und uns!

40 Da wies ihn der andere zurecht und sprach: Und du fürchtest dich auch nicht vor Gott, der du doch in gleicher Verdammnis bist?

41 Wir sind es zwar mit Recht, denn wir empfangen, was unsre Taten verdienen; dieser aber hat nichts Unrechtes getan.

42 Und er sprach: Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst!

43 Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein.

44 Und es war schon um die sechste Stunde, und es kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde,

45 und die Sonne verlor ihren Schein, und der Vorhang des Tempels riss mitten entzwei.

46 Und Jesus rief laut: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände! Und als er das gesagt hatte, verschied er.

47 Als aber der Hauptmann sah, was da geschah, pries er Gott und sprach: Fürwahr, dieser ist ein frommer Mensch gewesen!

48 Und als alles Volk, das dabei war und zuschaute, sah, was da geschah, schlugen sie sich an ihre Brust und kehrten wieder um.

Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. Amen. „Amen.“

Glaubensbekenntnis

Wir singen aus dem Lied 85 die Strophen 1 bis 5:

1. O Haupt voll Blut und Wunden, voll Schmerz und voller Hohn, o Haupt, zum Spott gebunden mit einer Dornenkron, o Haupt, sonst schön gezieret mit höchster Ehr und Zier, jetzt aber hoch schimpfieret: gegrüßet seist du mir!

2. Du edles Angesichte, davor sonst schrickt und scheut das große Weltgewichte: wie bist du so bespeit, wie bist du so erbleichet! Wer hat dein Augenlicht, dem sonst kein Licht nicht gleichet, so schändlich zugericht‘?

3. Die Farbe deiner Wangen, der roten Lippen Pracht ist hin und ganz vergangen; des blassen Todes Macht hat alles hingenommen, hat alles hingerafft, und daher bist du kommen von deines Leibes Kraft.

4. Nun, was du, Herr, erduldet, ist alles meine Last; ich hab es selbst verschuldet, was du getragen hast. Schau her, hier steh ich Armer, der Zorn verdienet hat. Gib mir, o mein Erbarmer, den Anblick deiner Gnad.

5. Erkenne mich, mein Hüter, mein Hirte, nimm mich an. Von dir, Quell aller Güter, ist mir viel Guts getan; dein Mund hat mich gelabet mit Milch und süßer Kost, dein Geist hat mich begabet mit mancher Himmelslust.

Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Liebe Gemeinde, inwiefern ist der Karfreitag für uns ein Guter Freitag? Darüber will ich nun mit Ihnen nachdenken, indem wir eins unserer Passionslieder betrachten, die wir in unserer Gemeinde eher selten singen. Es ist das Lied 82, und wir hören zuerst die erste Strophe:

1. Wenn meine Sünd‘ mich kränken,
o mein Herr Jesu Christ,
so lass mich wohl bedenken,
wie du gestorben bist
und alle meine Schuldenlast
am Stamm des heilgen Kreuzes
auf dich genommen hast.

Das Lied beginnt mit einem Halbsatz, der vieles klärt: „Wenn meine Sünd‛ mich kränken…“ Klar wird durch diesen Satz: nicht ein beleidigter Gott muss am Karfreitag mit uns versöhnt werden, wir Menschen haben Versöhnung nötig. Denn das, was die Bibel Sünde nennt, macht uns krank in dem, was unser innerstes Wesen als Menschen ausmacht: Wir sind nicht wir selbst, wenn wir uns ab-sondern von Gott und so handeln, als seien wir nicht das Ebenbild Gottes, sondern des Teufels.

Das Kreuz war ein barbarisches Folterinstrument im Dienst menschlicher Machtpolitik. Trotzdem wagen wir es als Christen, das Kreuz „heilig“ zu nennen. Indem die römischen Folterknechte Jesus zum Opfer menschlicher Gewalt und Sünde machen, wird Jesus zu einem „Sündenbock“ wie in den Opferritualen des Alten Testaments, dem symbolisch alle Verfehlungen des Volkes aufgeladen werden und der dann diese ganze Schuldenlast in die Wüste hinein wegträgt. Schuld und Sünde werden hier sehr ernst genommen; sie stellen eine erdrückende Last dar, unter der Menschen zerbrechen können, wenn sie sich ihr stellen. Jesus als der sündlose Sohn Gottes, der selber keiner Ver-Söhnung bedarf, ist stark genug, um die Last unserer Sünde zu tragen.

In der zweiten Strophe wird noch deutlicher unterstrichen, dass Gott es nicht nötig hat, durch ein Opfer versöhnt zu werden, dass Gott auch nicht Jesus sozusagen als sein wehrloses Kind zum Opfer darbringt. Nein, in Jesus lässt Gott sich selber das antun, was eher wir Menschen verdient hätten; er nimmt den Tod auf sich, damit wir nicht verloren gehen:

2. O Wunder ohne Maßen,
wenn man’s betrachtet recht:
es hat sich martern lassen
der Herr für seinen Knecht;
es hat sich selbst der wahre Gott
für mich verlornen Menschen
gegeben in den Tod.

Bei dieser Strophe fällt mir ein Hauptschüler ein, dem ich vor einigen Jahren in Reli eine 6 geben musste, weil er jede Leistung verweigerte und ständig den Unterricht störte. Die einzige Art, sich am Unterricht zu beteiligen, bestand darin, Gott und Jesus zu beleidigen. „Den sollte mal einer abknallen“, meinte er einmal über Jesus. Da sagte ich ihm: „Weißt du, das hat damals wirklich jemand getan. Abgeknallt hat man ihn nicht, aber an ein Kreuz genagelt, so dass er jämmerlich gestorben ist. Und er hat trotzdem gesagt: Gott, vergib ihnen, die das getan haben.“ Ich versuchte ihm zu zeigen: Gott gibt auch dich nicht auf, obwohl du so zornig auf ihn bist. Warum der Junge so zornig war auf Gott und Jesus? Vielleicht weil er als Kind in Südamerika miterlebt hatte, wie sein Onkel von der Drogenmafia umgebracht wurde. Was aus dem Jungen später geworden ist? Einige Jahre später traf ich ihn zufällig; er hatte seinen Schulabschluss nachgeholt und war dabei, eine Ausbildung zu machen, ein völlig veränderter Mensch. Hier ist konkret ein Wunder geschehen, dieser junge Mann konnte nun als versöhnter Mensch leben – mit sich selbst, seinem Schicksal, seinen Mitmenschen, mit Gott.

3. Was kann mir denn nun schaden
der Sünden große Zahl?
Ich bin bei Gott in Gnaden,
die Schuld ist allzumal
bezahlt durch Christi teures Blut,
dass ich nicht mehr darf fürchten
der Hölle Qual und Glut.

Wer fürchtet heute noch die Hölle? Wer hat Angst, für seine Sünden verdammt zu werden? Wenn jemand das tut, ist er dann nicht eher ein Fall für den Psychiater oder den Psychologen? OK, manche Menschen fühlen sich tatsächlich übertrieben schuldig und sündig. Sie quälen sich mit kleinen Fehlern, die sie an sich entdecken und die ihnen übergroß erscheinen, und sie verzweifeln daran, dass sie es nicht schaffen, perfekt zu sein. Auf der anderen Seite scheinen gerade die Menschen, die schlimmste Verbrechen begehen, von keinerlei Gewissensnot geplagt zu sein: Wer „gewissenlos“ ist, wie wir sagen, empfindet nicht das Unrecht seiner Taten und wird wohl auch keine Angst vor der Hölle spüren. Aber kennen nicht auch wir „normalen“ Kirchgänger, die mit einem guten oder schlechten Gewissen ausgestattet sind, das Phänomen der Verdrängung von Schuld? Von wie viel Not erfahren wir und können oder wollen doch nicht jedem helfen? Wie viele Worte sagen wir unbedacht, die vielleicht bei anderen verletzend ankommen?

Unsere Liedstrophe will uns nun gerade nicht dazu ermuntern, die Zahl unserer Sünden genau auszurechnen. Wir haben es weder nötig, in unseren Sünden zu wühlen noch Fehler oder Schuld zu verdrängen. Wo wir bei Gott sozusagen „im Soll“ stehen, weil wir in puncto Nächstenliebe und mitmenschlicher Verantwortung zu wenig tun oder gegen die Zehn Gebote verstoßen, da springt Jesus mit einem besondern „Haben“ für uns ein. Sein „teures Blut“ bezahlt unsere Schuld, gleicht aus, was wir Gott und unserem Nächsten schuldig sind. Das finde ich nun besonders schwer zu verstehen.

Gemeint ist nicht, dass es auf unsere Taten überhaupt nicht ankommt, weil Jesus ja sowieso für alles gerade steht. Wichtig finde ich in dieser Liedstrophe das Wort „Gnade“. Die „bezahlte Schuld“ ist nur ein symbolischer Ausdruck dafür, dass Gott eben nicht aufrechnet, was wir für ihn leisten und wie oft wir versagen. Grundsätzlich stehen wir in der Gnade Gottes, das heißt, wir sind von ihm geliebt, und wenn wir das bewusst annehmen, bleiben wir nicht festgenagelt auf unserer früheren Sünde und Schuld, sondern können dankbar neu anfangen in unserem Leben. Für die Folgen dessen, was wir getan haben, müssen wir natürlich trotzdem geradestehen; auch das gehört zum Neuanfang nach einem Absturz dazu. Aber wir müssen keine Angst davor haben, verloren und völlig am Ende zu sein und in Furcht vor absoluter Verdammung zu leben.

Schwer zu verstehen ist auch das Bild vom „teuren Blut“ Jesu. Als ob Jesu Blut ein Zahlungsmittel wäre, mit dem man Schulden bezahlen könnte. Steht im Hintergrund die Vorstellung, dass Jesu Tod, den er freiwillig auf sich nimmt, jede Form von Blutrache beendet, die immer neues Leid hervorruft? Das wohl weniger. An das „Blut des Bundes, das für viele vergossen wird“, erinnern die Einsetzungsworte des Heiligen Abendmahls; ursprünglich hatte Mose mit dem „Blut des Bundes“ das Volk Israel besprengt, als es versprach, die Gebote Gottes zu befolgen. Mose hatte auch verschiedene Rituale eingesetzt, bei denen das Blut von Opfertieren eine Rolle spielte, um die Bitte um Schuldvergebung zu unterstreichen und den Bund mit Gott wiederherzustellen.

Hier am Karfreitag wird Jesu Blut von Menschen vergossen, die diesen Bund mit Gott gerade nicht halten; Menschen aus dem Volk Israel sind daran genau so beteiligt wie Menschen aus den anderen Völkern; Feinde, Freunde, Gleichgültige wirken freiwillig und unfreiwillig mit bei diesem grausamen Blutritual. Und genau dieses unschuldig vergossene Blut Jesu wird nun zum Symbol dafür, dass Gott von sich aus den zerstörten Bund mit Israel und den Menschen aller Völker erneuert. Das ist gemeint, wenn es im ersten Lied hieß: „Ich bin versöhnt in deinem teuren Blute“, und wenn es hier heißt: „die Schuld ist allzumal bezahlt durch Christi teures Blut.“

Von der Dankbarkeit für Jesu Liebe und Treue, für Gottes Gnade, die uns vor dem Verlorengehen rettet, handelt die nächste Strophe:

4. Drum sag ich dir von Herzen
jetzt und mein Leben lang
für deine Pein und Schmerzen,
o Jesu, Lob und Dank,
für deine Not und Angstgeschrei,
für dein unschuldig Sterben,
für deine Lieb und Treu.

Dankbar können wir sein für einen Gott, der nicht unberührt blieb durch unser menschliches Leid, durch die Brutalitäten, die Menschen einander antun. Wo immer Menschen unschuldig Leid erfahren, da sitzen sie in einem Boot mit Jesus, sie bleiben von Gottes Liebe und Treue umfangen, gehalten und getragen.

5. Herr, lass dein heilig Leiden
mich reizen für und für,
mit allem Ernst zu meiden
die sündliche Begier,
dass mir nie komme aus dem Sinn,
wie viel es dich gekostet,
dass ich erlöset bin.

Heilig wird Jesu Leiden genannt im gleichen Sinne wie sein Kreuz heilig ist: nicht weil das Leiden als solches gut ist, sondern weil er ein von bösen Menschen auferlegtes Leiden aus Liebe auf sich nahm, um es zu überwinden. Wir sollen das Leid Jesu also nicht zum Anlass nehmen, nun ebenso wie er leiden zu wollen. Nein, wir sollen es zum Anlass nehmen, die Sünde zu meiden, denn die Sünde ist ja die Ursache dafür, dass Jesus ans Kreuz geschlagen wurde. Oft wird gefragt: Kann ein liebender Gott den Menschen nicht einfach so vergeben, muss unbedingt der Gottessohn sterben, damit die Menschen erlöst werden können? Ich sagte es vorhin schon: Gott braucht dieses Menschenopfer nicht. Er kann einfach so vergeben. Aber wie schrecklich unsere menschliche Sünde sich auswirkt, welche Folgen es hat, dass Menschen sich von Gott nichts sagen lassen wollen oder Gottes Namen für böse Taten missbrauchen, das zeigt sich am Kreuz. Unsere Verstrickung in die weltweit vernetzte Sünde kostet Jesus das Leben. Das ist auch so gemeint, dass Jesus wieder und wieder gekreuzigt wird, wenn zum Beispiel durch ungezügelte Profitgier die geringsten Geschwister Jesu um ihren Lebensunterhalt betrogen werden, oder wenn Waisenkinder aus Haiti in die Fänge internationaler Pädophilenringe geraten. Sündliche Begier zu meiden, das kann für uns auch bedeuten, zu überlegen, wie man der Gier nach immer mehr und dem Begehren ohne Liebe Einhalt gebieten kann.

6. Mein Kreuz und meine Plagen,
sollt‛s auch sein Schmach und Spott,
hilf mir geduldig tragen;
gib, o mein Herr und Gott,
dass ich verleugne diese Welt
und folge dem Exempel,
das du mir vorgestellt.

Allmählich wird das Lied ein wenig ungemütlich. Wir sollen unser Kreuz auf uns nehmen, eigenes Leiden geduldig ertragen, diese Welt verleugnen. Ist das nicht doch eine Leidensideologie, als ob das Leiden als solches etwas Gutes wäre?

Wichtig ist es zu begreifen: Hier geht es um unvermeidbares Leid. Oder um Spott und Erniedrigung, derer man sich nur erwehren könnte, indem man selber mit gleicher Münze zurückschlagen oder Gewalt anwenden würde. Genau das hat Jesus nicht getan, und diesem Beispiel Jesu sollen wir folgen.

Und was das unvermeidbare Leid angeht: es geht darum, sich nicht in Verbitterung und innerer Herzensverhärtung gegen das aufzulehnen, was uns letzten Endes von Gott auferlegt ist.

Geduldig tragen heißt aber nicht unbedingt, dass man alles still und im landläufigen Sinne „gottergeben“ trägt: Jesus hat im Garten Gethsemane mit Gott gerungen und gestritten im Gebet, ob er seinen Leidenskelch wirklich austrinken müsse bis zum bitteren Grund (Lukas 22, 42):

„Vater, willst du, so nimm diesen Kelch von mir; doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe!“

7. Lass mich an andern üben,
was du an mir getan;
und meinen Nächsten lieben,
gern dienen jedermann
ohn Eigennutz und Heuchelschein
und, wie du mir erwiesen,
aus reiner Lieb allein.

Diese Strophe spricht in ihrem klaren Inhalt für sich selbst: Nächstenliebe ist die notwendige Folge des Glaubens an den gekreuzigten Jesus. Weil er für uns aus Liebe sogar sein Leben hingibt, sind wir aufgerufen, füreinander da zu sein, ohne Hintergedanken und ohne eigene Vorteile im Blick zu haben.

Die letzte Strophe des Liedes lässt uns an unser eigenes Lebensende denken:

8. Lass endlich deine Wunden
mich trösten kräftiglich
in meiner letzten Stunden
und des versichern mich:
weil ich auf dein Verdienst nur trau,
du werdest mich annehmen,
dass ich dich ewig schau.

Wie können Jesu Wunden uns trösten? Wenn wir selber einmal sterben, dürfen wir wissen, dass Jesus auch gestorben ist und dass er keinen leichten Tod hatte. Gott weiß, wie uns zumute ist, nicht einfach als der, der alles weiß, sondern als einer, der in Jesus unser menschliches Schicksal ertragen und durchlitten hat.

Jesus ließ sich Wunden schlagen von Menschen, die in Sünde verstrickt waren wie wir alle. Jesus vergab ihnen trotzdem. Das kann uns außerdem in unserer letzten Stunde die Gewissheit geben: Wir sind von ihm angenommen! Wegen eigener guter Taten oder Verdienste hätten wir darauf keinen Anspruch. Aus Liebe nimmt Gott uns an. Hier auf Erden können wir Gott nicht sehen, dort im Himmel können wir ihn ewig schauen. Mit unserem Tod ist nicht alles aus. Ein erfülltes Leben im Frieden Gottes wird uns geschenkt, wir werden niemals verlorengehen. Amen.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben. Amen.

Herr Jesus Christus, du teilst dein Leben aus, bist da für Schuldige und Unschuldige, teilst unser Los und teilst mit uns deinen Leib und deine Seele. Stellvertretend für alle, die schuldig wurden, trägst du eine furchtbare Strafe, wie nicht der Gott im Himmel, sondern grausame Menschen sie sich ausdenken. Du bist in deinem Leiden auch allen nahe, die unschuldig leiden, die sich gestraft fühlen, ohne schuldig zu sein.

Und wir bitten dich: Lass es uns aushalten, wenn wir ratlos sind angesichts von Krieg und Elend, Krankheit und Tod. Tröste uns, wenn wir traurig und in Angst sind. Lass uns da sein, wenn wir um Trost gebeten werden. Wir beten für alle von Bürgerkrieg und Katastrophen betroffenen Menschen, die den Karfreitag als grausame Realität am eigenen Leibe erleben. Lass sie spüren, dass du bei ihnen bist, wo Menschenrechte mit Füßen getreten werden, wo Menschen trotz aller Bemühungen nicht vermeiden können, schuldig zu werden, und wo Menschen Bewahrung finden mitten in Leid und Gewalt. Amen.

In der Stille bringen wir vor dich, Gott, was wir außerdem auf dem Herzen haben:

Gebetsstille und Vater unser

Wir singen das Lied 79:

1. Wir danken dir, Herr Jesu Christ, dass du für uns gestorben bist und hast uns durch dein teures Blut gemacht vor Gott gerecht und gut,

2. und bitten dich, wahr‘ Mensch und Gott, durch dein heilig fünf Wunden rot: erlös uns von dem ewgen Tod und tröst uns in der letzten Not.

3. Behüt uns auch vor Sünd und Schand und reich uns dein allmächtig Hand, dass wir im Kreuz geduldig sein, uns trösten deiner schweren Pein

4. und schöpfen draus die Zuversicht, dass du uns wirst verlassen nicht, sondern ganz treulich bei uns stehn, dass wir durchs Kreuz ins Leben gehn.

Abkündigungen

Geht mit Gottes Segen:

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

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