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Finden und Gefundenwerden

Jesus findet Philippus. Philippus findet Nathanael und sagt dem, dass er Jesus gefunden habe, obwohl doch Jesus ihn gefunden hat. Sind das belanglose Wortspielereien? Geht es vielleicht um das Problem, wie wir überhaupt Gott finden können? Haben nicht viele moderne Menschen die Suche nach Gott sogar aufgegeben, weil er, wenn es ihn gäbe, sich doch mehr um uns kümmern müsste?

Eine Nadel im Heu- oder Strohhaufen
Die Nadel im Heuhaufen (Bild: S. Hermann & F. RichterPixabay)
direkt-predigtGottesdienst zwischen den Jahren mit Carolin Kalbhenn und Helmut Schütz am Sonntag nach Weihnachten, den 2. Januar 2011, um 10.00 Uhr im evangelischen Thomasgemeindezentrum Gießen

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

Am 1. Sonntag im Neuen Jahr heiße ich Sie herzlich willkommen zu einem gemeinsamen Gottesdienst der drei Gießener Nordgemeinden Michael, Paulus und Thomas. Es ist der zehnte Gottesdienst dieser Art, der sonst immer „zwischen den Jahren“ oder am 2. Weihnachtsfeiertag stattgefunden hat.

Besonders herzlich begrüße ich hier im Thomasgemeindezentrum die Mitglieder der Michaelsgemeinde mit ihrer Pfarrerin Carolin Kalbhenn und der Paulusgemeinde mit Pfarrer Helmut Schütz.

Wir singen aus dem Lied 41 die Strophen 1 bis 4:

1. Jauchzet, ihr Himmel, frohlocket, ihr Engel, in Chören, singet dem Herren, dem Heiland der Menschen, zu Ehren! Sehet doch da: Gott will so freundlich und nah zu den Verlornen sich kehren.

2. Jauchzet, ihr Himmel, frohlocket, ihr Enden der Erden! Gott und der Sünder, die sollen zu Freunden nun werden. Friede und Freud wird uns verkündiget heut; freuet euch, Hirten und Herden!

3. Sehet dies Wunder, wie tief sich der Höchste hier beuget; sehet die Liebe, die endlich als Liebe sich zeiget! Gott wird ein Kind, träget und hebet die Sünd; alles anbetet und schweiget.

4. Gott ist im Fleische: wer kann dies Geheimnis verstehen? Hier ist die Pforte des Lebens nun offen zu sehen. Gehet hinein, eins mit dem Kinde zu sein, die ihr zum Vater wollt gehen.

Helmut Schütz:
Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“
Der Herr sei mit euch „und mit deinem Geist.“

Wir beten mit Psalm 63; im Gesangbuch steht er unter der Nr. 729. Lesen Sie bitte die nach rechts eingerückten Verse:

2 Gott, du bist mein Gott, den ich suche. Es dürstet meine Seele nach dir, mein ganzer Mensch verlangt nach dir aus trockenem, dürrem Land, wo kein Wasser ist.

3 So schaue ich aus nach dir in deinem Heiligtum, wollte gerne sehen deine Macht und Herrlichkeit.

4 Denn deine Güte ist besser als Leben; meine Lippen preisen dich.

5 So will ich dich loben mein Leben lang und meine Hände in deinem Namen aufheben.

6 Das ist meines Herzens Freude und Wonne, wenn ich dich mit fröhlichem Munde loben kann;

7 wenn ich mich zu Bette lege, so denke ich an dich, wenn ich wach liege, sinne ich über dich nach.

8 Denn du bist mein Helfer, und unter dem Schatten deiner Flügel frohlocke ich.

9 Meine Seele hängt an dir; deine rechte Hand hält mich.

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Viele suchen dich vergeblich, Gott, in Trauer, in Angst, in Zeiten der Verzweiflung. Viele haben die Suche nach dir aufgegeben, im Zweifel, aus Gleichgültigkeit, aufgefressen von der Hektik des Alltags. Überwinde unsere Widerstände, dir zu begegnen. Wir rufen zu dir, Gott:

Herr, erbarme dich! „Herr, erbarme dich, Christe, erbarme dich, Herr, erbarm dich über uns!“

Weise Männer sehen einen Stern und suchen ein Königskind. Nicht im Palast der Hauptstadt finden sie es, sondern im Stall von Bethlehem. Gott, du lässt dich finden, wo wir es nicht erwarten.

Lasst uns Gott lobsingen! „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen.“

Am Anfang eines neuen Jahres suchen wir Orientierung, Kraft und Mut. Lass uns finden, was wir brauchen. Darum bitten wir dich im Namen Jesu Christi, unseres Herrn. „Amen.“

Wir hören als Lesung aus der Heiligen Schrift unseren heutigen Predigttext aus dem Evangelium nach Johannes 1, 43-51:

43 Am nächsten Tag wollte Jesus nach Galiläa gehen und findet Philippus und spricht zu ihm: Folge mir nach!

44 Philippus aber war aus Betsaida, der Stadt des Andreas und Petrus.

45 Philippus findet Nathanael und spricht zu ihm: Wir haben den gefunden, von dem Mose im Gesetz und die Propheten geschrieben haben, Jesus, Josefs Sohn, aus Nazareth.

46 Und Nathanael sprach zu ihm: Was kann aus Nazareth Gutes kommen! Philippus spricht zu ihm: Komm und sieh es!

47 Jesus sah Nathanael kommen und sagt von ihm: Siehe, ein rechter Israelit, in dem kein Falsch ist.

48 Nathanael spricht zu ihm: Woher kennst du mich? Jesus antwortete und sprach zu ihm: Bevor Philippus dich rief, als du unter dem Feigenbaum warst, sah ich dich.

49 Nathanael antwortete ihm: Rabbi, du bist Gottes Sohn, du bist der König von Israel!

50 Jesus antwortete und sprach zu ihm: Du glaubst, weil ich dir gesagt habe, dass ich dich gesehen habe unter dem Feigenbaum. Du wirst noch Größeres als das sehen.

51 Und er spricht zu ihm: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet den Himmel offen sehen und die Engel Gottes hinauf- und herabfahren über dem Menschensohn.

Herr, dein Wort ist unseres Fußes Leuchte und ein Licht auf unserem Wege. Halleluja. „Halleluja, Halleluja, Halleluja!“

Glaubensbekenntnis
Lied 72,1-6

1. O Jesu Christe, wahres Licht, erleuchte, die dich kennen nicht, und bringe sie zu deiner Herd, dass ihre Seel auch selig werd.

2. Erfülle mit dem Gnadenschein, die in Irrtum verführet sein, auch die, so heimlich ficht noch an in ihrem Sinn ein falscher Wahn;

3. und was sich sonst verlaufen hat von dir, das suche du mit Gnad und ihr verwund’t Gewissen heil, lass sie am Himmel haben teil.

4. Den Tauben öffne das Gehör, die Stummen richtig reden lehr, die nicht bekennen wollen frei, was ihres Herzens Glaube sei.

5. Erleuchte, die da sind verblend’t, bring her, die sich von uns getrennt, versammle, die zerstreuet gehn, mach feste, die im Zweifel stehn.

6. So werden sie mit uns zugleich auf Erden und im Himmelreich hier zeitlich und dort ewiglich für solche Gnade preisen dich.

Dialog-Predigt (Helmut Schütz und Carolin Kalbhenn)
Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Liebe Gemeinde, unsere Predigt heute ist eine echte Dialogpredigt. In drei Anläufen suche ich in unserem Bibeltext nach Ansätzen, um ihn zu verstehen und auszulegen, und du, liebe Carolin, wirst diese Ansätze aufnehmen und ganz konkret in unser heutiges Leben hineinsprechen lassen.

Aus drei Mal drei Versen besteht unser Predigttext aus dem Johannesevangelium. Das erste Dreierpäckchen ist von einem Verwirrspiel um das Wort Finden und Gefundenwerden bestimmt.

43 Am nächsten Tag wollte Jesus nach Galiläa gehen und findet Philippus und spricht zu ihm: Folge mir nach!

44 Philippus aber war aus Betsaida, der Stadt des Andreas und Petrus.

45 Philippus findet Nathanael und spricht zu ihm: Wir haben den gefunden, von dem Mose im Gesetz und die Propheten geschrieben haben, Jesus, Josefs Sohn, aus Nazareth.

Es ist verwirrend, liebe Gemeinde: Jesus findet Philippus und macht ihn zu seinem Nachfolger. Philippus findet Nathanael und sagt dem, dass er Jesus gefunden habe, obwohl doch Jesus ihn gefunden hat. Sind das belanglose Wortspielereien, oder geht es hier um einen tieferen Sinn? Geht es vielleicht um das Problem, wie wir überhaupt Gott finden können? Gibt es überhaupt einen Zugang zu Gott, der doch unsichtbar ist? Haben nicht viele moderne Menschen die Suche nach Gott sogar aufgegeben, weil er, wenn es ihn gäbe, sich doch mehr um uns kümmern müsste?

In unserem Johannestext ist am Anfang auch keiner auf der Suche nach Gott. Stattdessen ist Jesus in höchstem Auftrag, nämlich im Auftrag Gottes, auf der Suche nach Menschen. Und Philippus – indem er von Jesus gefunden wird, findet er Jesus, obwohl er ihn gar nicht gesucht hat.

Ich denke, das Johannesevangelium spielt hier ein Drama nach, von dem in der Bibel schon an vielen Stellen die Rede war. König Salomo wusste von seinem Vater, dem König David: Wir suchen und finden den Gott, der zuerst uns erforscht und findet (1. Chronik 28, 9):

„Und du, mein Sohn Salomo, erkenne den Gott deines Vaters und diene ihm mit ganzem Herzen und mit williger Seele. Denn der HERR erforscht alle Herzen und versteht alles Dichten und Trachten der Gedanken. Wirst du ihn suchen, so wirst du ihn finden; wirst du ihn aber verlassen, so wird er dich verwerfen ewiglich!“

Im Buch der Sprüche Salomos kommt Gottes Weisheit selbst zu Wort (Sprüche 1, 20):

„Die Weisheit ruft laut auf der Straße und lässt ihre Stimme hören auf den Plätzen.“

Sie ruft (Sprüche 8, 17):

„Ich liebe, die mich lieben, und die mich suchen, finden mich.“

Aber wenn die Menschen nicht auf diese Stimme Gottes hören mögen (Sprüche 1, 28)?

„Dann werden sie nach mir rufen, aber ich werde nicht antworten; sie werden mich suchen und nicht finden.“

Die Propheten Hosea, Amos und Hesekiel kündigen solche Zeiten an: Sie werden nach Amos 8, 12

„hin und her … laufen und des HERRN Wort suchen und doch nicht finden“.

Sie werden nach Hosea 5, 6

„kommen…, den HERRN zu suchen, aber ihn nicht finden; denn er hat sich von ihnen gewandt.“

Und im Prophetenbuch Hesekiel 7, 25 heißt es:

„Angst kommt; da werden sie Heil suchen, aber es wird nicht zu finden sein.“

Fast schon modern-skeptische Zeiten brechen an, als der altisraelitische Philosoph, den wir den Prediger Salomo nennen, sich resigniert damit abfindet, dass man Gott im Grunde nicht finden kann (Prediger 8, 17):

„Und ich sah alles Tun Gottes, dass ein Mensch das Tun nicht ergründen kann, das unter der Sonne geschieht. Und je mehr der Mensch sich müht, zu suchen, desto weniger findet er.“

Aber dem stehen andere Worte der Schrift gegenüber, die dazu aufrufen, die Suche nach Gott nicht aufzugeben, zum Beispiel beim Propheten Jeremia 29, 13-14a:

„Ihr werdet mich suchen und finden; denn wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, so will ich mich von euch finden lassen, spricht der HERR.“

Im 5. Buch Mose – Deuteronomium 4, 29 bekommt das Volk Israel ausdrücklich eine Verheißung für die Zeit, in der sie in der Zerstreuung leben werden unter der Herrschaft fremder Völker, die andere Götter anbeten:

„Wenn du aber dort den HERRN, deinen Gott, suchen wirst, so wirst du ihn finden, wenn du ihn von ganzem Herzen und von ganzer Seele suchen wirst.“

Und das Prophetenbuch Jesaja 65, 1 enthält sogar Hoffnung für die, die ihre Hoffnung, Gott zu finden, aufgegeben haben:

„Ich ließ mich suchen von denen, die nicht nach mir fragten, ich ließ mich finden von denen, die mich nicht suchten. Zu einem Volk, das meinen Namen nicht anrief, sagte ich: Hier bin ich, hier bin ich!“

Genau das passiert nun hier im Johannesevangelium. Philippus gehört zu denen, die nicht nach Gott fragten, aber Gott sucht ihn auf, indem Jesus ihn findet, und Philippus findet Jesus, indem er Nathanael auf Jesus aufmerksam macht.

Suchen, finden, gefunden werden. – Lieber Helmut, das sind die Stichworte, die bei mir hängen geblieben sind. Als ich dir so zugehört habe, habe ich mich gefragt: haben diese Worte denn heute alle noch eine Bedeutung? Ich glaube: Ja, eine sehr große sogar.

Gestern Nacht haben wir angestoßen und uns ein gutes neues Jahr gewünscht. Wir hoffen, dass dieses Jahr ein glückliches und erfülltes wird:

– beruflicher Erfolg; vielleicht steht in diesem Jahr ein Schulabschluss oder ein Schulanfang bevor;

– privates Glück, vielleicht steht eine Hochzeit in der Familie an, vielleicht wird ein Kind geboren;

– Gesundheit wünschen wir uns.

Wir sind auf der Suche und hoffen, dass dieses Jahr 2011 glücklich wird, wir das Glück finden – und wir wissen doch, dass wir auch enttäuscht werden können. Wir wissen, dass das Glück wie Sand zwischen den Händen zerrinnen kann.

Aber auch mit dem Finden des Glücks ist es so eine Sache. Du hast das schon erwähnt. Die glücklichsten Momente sind die, die wir nicht gesucht haben, sondern die uns überraschen. Eine Begegnung mit einem Menschen, den wir lang nicht gesehen haben. Das Lachen eines Kindes. Ein mutmachendes Wort von der Nachbarin.

Dass und wie das Glück ganz unverhofft kommt, davon haben wir zu Weihnachten gehört. Ein Kind in der Krippe in dunkler, kalter Nacht. Gott selbst kam in die Welt. Sicher nicht unerwartet, aber doch überraschend.

Ist das nicht der Grund unserer Sehnsucht nach dem Glück und dem Gelingen in unserem Leben, auch im nächsten Jahr? Lassen uns nicht die vielen kleinen Momente, in denen wir dem Glück ganz unverhofft begegnet sind, hoffen?

Danke, liebe Carolin!

Kommen wir zum zweiten Dreierpäckchen unserer neun Bibelverse.

46 Und Nathanael sprach zu ihm: Was kann aus Nazareth Gutes kommen! Philippus spricht zu ihm: Komm und sieh es!

47 Jesus sah Nathanael kommen und sagt von ihm: Siehe, ein rechter Israelit, in dem kein Falsch ist.

48 Nathanael spricht zu ihm: Woher kennst du mich? Jesus antwortete und sprach zu ihm: Bevor Philippus dich rief, als du unter dem Feigenbaum warst, sah ich dich.

Da geht es weiter mit einem Verwirrspiel, liebe Gemeinde. Es fängt damit an, dass Nathanael, ein Mann mit traditionell jüdischem Namen, ausgerechnet von einem Mann mit Migrationshintergrund, dem griechisch-stämmigen Philippus auf den Messias Israels hingewiesen wird. Nathanael, auf Deutsch „Gottesgeschenk“, reagiert verständlicherweise skeptisch, als ihm Philippus, der „Pferdefreund“, von dem Messias Jesus aus Nazareth erzählt: „Was kann aus Nazareth Gutes kommen?“ Er als Jude weiß: Keine Prophezeiung der Bibel weist auf Nazareth als Geburtsort des Messias hin. Aber Philippus lässt nicht locker; es scheint, als würde er unseren modernen Spruch kennen: „Ich glaube nur, was ich sehe“, und fordert den Nathanael auf: „Komm und sieh es!“ Du musst keine Katze im Sack kaufen. Du musst nicht im Blindflug glauben. Du darfst sehen, bevor du glaubst.

Dann geschieht wieder eine Umkehrung: Nicht Nathanael kommt und sieht, sondern Jesus sieht ihn kommen. Nicht Nathanael erkennt etwas Besonderes an Jesus, sondern Jesus erkennt zuerst den Nathanael. Er ist nicht einfach nur ein Jude, sondern er ist israelitisch auf rechte Weise, ein Mann ohne Falsch, ohne Tücke, der es ernst meint mit seinem Glauben.

Erkennen und erkannt werden. – Lieber Helmut, das sind die beiden Stichworte dieses zweiten Abschnitts im Predigttext. Man kann erst richtig erkennen, wenn man erkannt wurde, wie man ist.

Mir fallen dabei Kinder in der Schule ein. Kinder sollen erkennen und verstehen, sie sollen lernen. Aber das geht doch dann besonders gut, wenn darauf geachtet wird, was sie betrifft, was aus ihrer Lebenswirklichkeit stammt. Dazu muss man sie irgendwie gut kennen und erkennen, anerkennen als die, die sie sind. Dann kann sieht man auch, was sie schon können und was ihnen Spaß macht. Und dann lernt es sich viel leichter.

Ein anderes Beispiel aus dem Alltag unserer Gemeinden: Wir wünschen uns, dass neue Leute mitarbeiten. Vielleicht im Kindergottesdienstteam oder im Seniorenkreis. Hier ist es wichtig, Menschen anzusprechen und zu fragen, welche Interessen sie haben, was ihnen liegt und was sie besonders gut können.

Wenn das in unserem Alltag schon so ist! Um wie viel mehr gilt das in Fragen des Glaubens?! Die Geschichte erinnert uns daran, dass jeder, der an Gott glaubt, das in seiner ganz eigenen Weise tut und auch tun soll. Er soll erkennen und glauben, wie er als ganz individueller Menschen erkannt und mit seiner Geschichte anerkannt ist.

So lassen sich gewiss auch Vorurteile, wie die des Nathanael abbauen: Was kann aus Nazareth denn Gutes kommen? Was kann ein Engagement in der Kirchengemeinde schon bringen? – Komm und sieh! Du wirst gebraucht, wie du bist.

Wir machen einen dritten Anlauf, um den Rest unseres Textes zu verstehen:

49 Nathanael antwortete ihm: Rabbi, du bist Gottes Sohn, du bist der König von Israel!

50 Jesus antwortete und sprach zu ihm: Du glaubst, weil ich dir gesagt habe, dass ich dich gesehen habe unter dem Feigenbaum. Du wirst noch Größeres als das sehen.

51 Und er spricht zu ihm: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet den Himmel offen sehen und die Engel Gottes hinauf- und herabfahren über dem Menschensohn.

Nathanael, der eigentlich gekommen war, um zu erkennen, wer Jesus ist, fragt zurück, woher Jesus ihn kennt, und Jesus antwortet geheimnisvoll:

Bevor Philippus dich rief, als du unter dem Feigenbaum warst, sah ich dich.

Auch dies ist eine Anspielung auf die Zeit des Königs Salomo, als

jeder unter seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum

im Frieden leben konnte (1. Könige 5, 5); wenn Jesus den Nathanael unter dem Feigenbaum sitzen sieht, erkennt er in ihm also einen Israeliten, der sich ernsthaft nach Frieden sehnt.

Als er so erkannt wird, kann Nathanael nun auch Jesus erkennen. Er ist überzeugt, in Jesus den Messias vor sich zu haben, den Gott zu senden versprochen hat. Er nennt ihn gut jüdisch „Gottes Sohn“ und „König Israels“. Das Volk Israel hatte Gott als erstgeborenen Sohn erwählt; auch der Messiaskönig, den Israel in der Zukunft erwartete, konnte so genannt werden: Sohn Gottes, von Gott gesalbt, gesandt und beauftragt.

Jesus akzeptiert diesen Glauben des Nathanael, und zugleich sagt er ihm: „Du wirst noch Größeres sehen“, nämlich noch Größeres als den Feigenbaum. Der ist das Symbol für den Frieden des Volkes Israel. Aber noch größer ist das, was Jesus abschließend ankündigt, und zwar nicht nur dem Juden Nathanael, sondern auch dem Griechen Philippus:

„Ihr werdet den Himmel offen sehen und die Engel Gottes hinauf- und herabfahren über dem Menschensohn.“

Israels Stammvater Jakob hatte in seinem Traum von der Himmelsleiter die Engel Gottes gesehen; auch der Prophet Hesekiel hatte Visionen vom offenen Himmel Gottes. Jesus verbindet hier beides mit einer dritten Vision, die der Prophet Daniel 7, 13-14, schaut:

„Ich sah in diesem Gesicht in der Nacht, und siehe, es kam einer mit den Wolken des Himmels wie eines Menschen Sohn und gelangte zu dem, der uralt war, und wurde vor ihn gebracht. Der gab ihm Macht, Ehre und Reich, dass ihm alle Völker und Leute aus so vielen verschiedenen Sprachen dienen sollten. Seine Macht ist ewig und vergeht nicht, und sein Reich hat kein Ende.“

Jesus ist also wirklich der Messiaskönig Israels, der das eigene Volk friedlich unter seinem Feigenbaum leben lässt, zugleich ist er aber größer: er ist der Menschensohn, der aller Welt Frieden bringt.

Lieber Helmut, ich verstehe deinen letzten Abschnitt als eine Zusammenfassung. Es geht um Perspektivwechsel. Es geht darum, neue Wege zu gehen. Gerade der Jahresanfang ist eine gute Gelegenheit.

Es geht darum, neu zu erkennen, anzufangen. Aber eben als Menschen, die wir sind. Im Rahmen unserer Möglichkeiten und unserer Kräfte.

Jesus verheißt, dass sie den Himmel offen sehen werden. Im Vertrauen auf Gott können wir in dieses neue Jahr gehen. Es werden sich gewiss glückliche Momente einstellen. Vielleicht wird uns auch Leid nicht erspart bleiben. Aber auf der Suche nach dem Glück wissen wir, dass das Finden nicht allein in unserer Hand liegt und liegen muss.

Im Vertrauen auf Gott steht uns der Himmel offen – und auch die Welt.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben. Amen.
Lied 56, 1-5: Weil Gott in tiefster Nacht erschienen, kann unsre Nacht nicht traurig sein!
Carolin Kalbhenn: Fürbitte, Gebetsstille und Vater unser
Lied 61, 1+2+5:

1. Hilf, Herr Jesu, lass gelingen, hilf, das neue Jahr geht an; lass es neue Kräfte bringen, dass aufs neu ich wandeln kann. Neues Glück und neues Leben wollest du aus Gnaden geben.

2. Was ich sinne, was ich mache, das gescheh in dir allein; wenn ich schlafe, wenn ich wache, wollest du, Herr, bei mir sein; geh ich aus, wollst du mich leiten; komm ich heim, steh mir zur Seiten.

5. Jesus richte mein Beginnen, Jesus bleibe stets bei mir, Jesus zäume mir die Sinnen, Jesus sei nur mein Begier, Jesus sei mir in Gedanken, Jesus lasse nie mich wanken!

Abkündigungen
Helmut Schütz: Segen

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