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Behütende Engel

Wenn Gottes Engel uns „auf allen unseren Wegen“ behüten, werden wir darauf achten, dass wir unsere Kinder nicht jeder Gefahr aussetzen, aber uns auch vor Überbehütung hüten. Denn Behütetsein und Freiheit schließen sich nicht aus. Wer von Engeln Gottes behütet ist, ist auf seinen Wegen nicht alleingelassen, auch wenn diese Wege nicht immer einfach zu bewältigen sind (aus der Taufansprache).

Statue eines Enges, der ein Kind begleitet
Statue eines Enges, der ein Kind begleitet (Bild: Martina Neugebauer-RennerPixabay)

#predigtTaufgottesdienst am Sonntag, 14. August 2011, um 10.00 Uhr in der evangelischen Pauluskirche Gießen
Orgelvorspiel und Einzug der Tauffamilien

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

Zum Taufgottesdienst begrüße ich alle herzlich mit dem Wort zur Woche aus dem Brief an die Epheser 5, 8-9:

Lebt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.

Zwei Jungen, …, und eine Patin des einen Jungen, …, werden wir heute im Gottesdienst taufen. Wir heißen sie alle, gemeinsam mit ihren Familien und den anderen Paten der Kinder besonders herzlich in der Pauluskirche willkommen!

Engel, die uns behüten und begleiten, stehen im Mittelpunkt unseres heutigen Gottesdienstes. In unserem ersten Lied kommen solche Engel in der siebten Strophe vor.

Lied 393, 6-8:

6. Kommt, Kinder, lasst uns gehen, der Vater gehet mit; er selbst will bei uns stehen bei jedem sauren Tritt; er will uns machen Mut, mit süßen Sonnenblicken uns locken und erquicken; ach ja, wir haben’s gut, ach ja, wir haben’s gut.

7. Kommt, Kinder, lasst uns wandern, wir gehen Hand in Hand; eins freuet sich am andern in diesem wilden Land. Kommt, lasst uns kindlich sein, uns auf dem Weg nicht streiten; die Engel selbst begleiten als Brüder unsre Reihn, als Brüder unsre Reihn.

8. Sollt wo ein Schwacher fallen, so greif der Stärkre zu; man trag, man helfe allen, man pflanze Lieb und Ruh. Kommt, bindet fester an; ein jeder sei der Kleinste, doch auch wohl gern der Reinste auf unsrer Liebesbahn, auf unsrer Liebesbahn.

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. „Amen.“

Wo wir als Kinder Gottes durchs Leben gehen und uns auf diesem Weg nicht bös in die Haare kriegen, da geht Gott, der Vater, mit uns mit, und seine Engel begleiten uns wie gute Geschwister, die auf uns aufpassen. Wer stärker ist, greift ein, wenn ein Schwächerer ins Stolpern kommt; gemeinsam pflanzen wir einen Garten des Lebens, in dem wunderschöne Blumen wachsen: Liebe und Ruhe, Frieden und Hoffnung. Wenn wir so als Kinder Gottes leben, haben wir es gut!

Kommt, lasst uns Gott anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Oft sehen wir uns weniger als Kinder Gottes, sondern mehr als menschliche Einzelgänger und Einzelkämpfer. Jeder muss für sich selber sorgen, keiner bekommt etwas geschenkt, ohne Ellbogen kommt man nicht durch im Leben. So kämpfen sich die einen durch, und die anderen bleiben auf der Strecke. Vergib uns, Gott, wenn wir vergessen, dass wir immer schon von dir beschenkt sind, dass wir unser Leben, unsere Begabungen, unsere Kräfte von dir haben. Hilf uns, dass wir uns deiner Liebe zu uns bewusst werden. Wir rufen zu dir, Gott:

Herr, erbarme dich! „Herr, erbarme dich, Christe, erbarme dich, Herr, erbarm dich über uns!“

Wir beten gemeinsam den Psalm 91. Er steht im Gesangbuch unter der Nummer 736. Ich lese die linksbündigen Verse, Sie bitte die nach rechts eingerückten Teile:

1 Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt,

2 der spricht zu dem HERRN: Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe.

3 Denn er errettet dich vom Strick des Jägers und von der verderblichen Pest.

4 Er wird dich mit seinen Fittichen decken, und Zuflucht wirst du haben unter seinen Flügeln. Seine Wahrheit ist Schirm und Schild,

5 dass du nicht erschrecken musst vor dem Grauen der Nacht, vor den Pfeilen, die des Tages fliegen,

6 vor der Pest, die im Finstern schleicht, vor der Seuche, die am Mittag Verderben bringt.

9 Denn der HERR ist deine Zuversicht, der Höchste ist deine Zuflucht.

10 Es wird dir kein Übel begegnen, und keine Plage wird sich deinem Hause nahen.

11 Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen,

12 dass sie dich auf den Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest.

13 Über Löwen und Ottern wirst du gehen und junge Löwen und Drachen niedertreten.

14 »Er liebt mich, darum will ich ihn erretten; er kennt meinen Namen, darum will ich ihn schützen.

15 Er ruft mich an, darum will ich ihn erhören; ich bin bei ihm in der Not, ich will ihn herausreißen und zu Ehren bringen.

16 Ich will ihn sättigen mit langem Leben und will ihm zeigen mein Heil.«

Lasst uns Gott lobsingen! „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen. Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat; nun ist gross Fried ohn Unterlass, all Fehd hat nun ein Ende.

Der Herr sei mit euch! „Und mit deinem Geist!“

Großer Gott, wir wünschen uns Zuflucht und Hilfe, wenn wir nicht mehr weiter wissen. Wir wünschen uns, dass unsere Kinder behütet sind auf allen ihren Wegen. Lass deine guten Engelmächte um uns sein, die Botschafter deiner Liebe, die uns auf guten Wegen leiten. Darum bitten wir dich im Namen Jesu Christi, unseres Herrn. „Amen.“

Im Taufevangelium nach Matthäus 28, 16-20, hören wir Jesu Einladung, uns auf ein Leben als Kinder Gottes einzulassen:

16 Die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte.

17 Und als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder; einige aber zweifelten.

18 Und Jesus trat herzu und sprach zu ihnen: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.

19 Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes

20 und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.

Herr, dein Wort ist unseres Fußes Leuchte und ein Licht auf unserem Wege. Halleluja. „Halleluja, Halleluja, Halleluja!“

Lied 620: Gottes Liebe ist wie die Sonne

Liebe Tauffamilien, liebe Gemeinde!

Drei Menschen taufen wir heute, eine junge Frau und zwei kleine Jungen, und alle drei bekommen denselben Taufspruch aus dem Psalm 91, den wir vorhin bereits gehört haben:

[Gott] hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen.

Nun könnten wir uns fragen: Wenn Gottes Liebe wie die Sonne ist, die immer und überall da ist, und wenn Jesus von Gott alle Macht im Himmel und auf der Erde übertragen bekommen hat und uns zeigt, wie die Liebe Gottes sich anfühlt, wenn sie in die Tat umgesetzt wird – wozu brauchen wir dann noch Engel? Sind sie nicht überflüssig? In der Tat ist die evangelische Kirche immer etwas skeptischer gegenüber dem Glauben an Engel gewesen als zum Beispiel die katholische, vielleicht weil man befürchtet hat, durch den Glauben an Engel würde der Glaube an Gott und den einzigen Mittler zwischen Gott und den Menschen, Jesus Christus, in den Hintergrund gedrängt.

Aber Engel spielen schon in der Bibel eine Rolle. An vielen Stellen und in vielfältiger Weise kommen sie vor. Sie kommen zu Menschen und sagen ihnen, was Gott von ihnen will oder was Gott mit ihnen vorhat. Das deutsche Wort Engel kommt ja von dem lateinischen Wort „angelos“, im englischen Wort „angel“ ist das noch deutlicher zu erkennen, und dieses Wort heißt „Bote“. Engel sind Botschafter Gottes, Dietrich Bonhoeffer hat sie die „guten Mächte“ Gottes genannt, von denen wir „wunderbar geborgen“ sind. Auch unser Vers aus Psalm 91 geht ganz selbstverständlich davon aus, dass die Engel ihren Auftrag allein von Gott erhalten: „Er hat seinen Engeln befohlen“, die Engel führen den Willen des allmächtigen und liebevollen Gottes aus.

Wie sieht der Auftrag der Engel in unserem Bibelvers aus? Sie sollen behüten, bewahren, bewachen. Und das sollen sie nicht etwa tun, indem sie einen Menschen einsperren, um zu verhindern, dass er überhaupt in Kontakt mit irgend etwas Bösem kommt, nein, sie sollen ihn behüten „auf allen Wegen“, die dieser Mensch selber geht.

Ich hörte einmal von einem Kind, das bekam von seinen Eltern alles verboten, was ihm Spaß machte, wenn sie es nur irgendwie für gefährlich hielten. Sie ließen den Jungen kaum draußen spielen, wenn er einen Freund hatte, musste er ihn immer zu sich einladen, nie durften die Kinder etwas allein unternehmen. Sie verboten dem Kind sogar, an jeder Klassenfahrt teilzunehmen. Der Junge spürte am Ende nichts mehr von der Liebe seiner Eltern, sondern empfand sie nur noch als Gefängniswärter, die ihm nichts Schönes gönnen wollten. Irgendwann war er so unglücklich und verzweifelt, dass er sich selbst das Leben nahm. Das ist ein krasses Beispiel, wie tragisch es enden kann, wenn Eltern ein Kind über-behüten.

Wenn wir uns bewusst sind, dass Gottes Engel uns „auf all unseren Wegen“ behüten, werden wir zwar auch darauf achten, dass wir unsere Kinder nicht jeder Gefahr aussetzen, aber wir werden uns auch vor Überbehütung hüten. Denn Behütetsein und Freiheit schließen sich nicht aus. Wo in der Bibel von den Wegen des Menschen die Rede ist, da ist von seiner Freiheit die Rede, aus seinem Leben das zu machen, was er will. Er kann auf den Wegen Gottes gehen, sich leiten lassen von den guten Engeln Gottes, er kann aber auch auf Abwege geraten und sich in Gefahren bringen, aus denen ihn auch Engel nur schwer retten können. Wer von Engeln Gottes behütet ist, hat also keine Versicherung abgeschlossen, dass er niemals in Not geraten kann, keine Schmerzen erleiden wird, auf jeden Fall hundert Jahre alt wird. Aber er darf gewiss sein, dass er auf seinen Wegen nicht alleingelassen ist. Er darf auf die Führung durch Gottes Engel vertrauen, wie auch immer sie ihm begegnen, und sich von ihnen dabei helfen lassen, auf den guten Wegen Gottes zu bleiben, auch wenn diese Wege nicht immer einfach zu bewältigen sind.

Wie uns Gottes Engel begegnen, das bleibt zunächst offen. In der Bibel gibt es die Engel in Menschengestalt, meistens sehen sie aus wie junge Männer mit hellen Gewändern; im Lied haben wir auch von den Engeln gesungen, die uns „als Brüder“ begleiten. Dann gibt es aber auch die Engel mit Flügeln, die Gott im Himmel umgeben, wie der Prophet Jesaja sie in einer Vision zu Gesicht bekommt; hier auf unserem Altarbild sind sie dargestellt, wie sie im Hintergrund behütend anwesend sind, bei allem, was auf Erden geschieht, ob es das Geschehen um Jesu Tod und Auferstehung ist oder die Umkehr des Paulus zum Glauben an Jesus Christus, oder die Predigt des Paulus vor den Philosophen in Athen. Heutzutage stellen wir uns Engel oft auch als weibliche Gestalten vor, die uns mütterlich oder wie eine große Schwester beistehen. Als Jesus einmal von den Engeln gesprochen hat, da hat er gesagt, dass man gar nicht sagen kann, ob Engel männlich oder weiblich sind, wenn wir im Himmel einmal wie die Engel sein werden, spielen solche Unterschiede gar keine Rolle mehr.

Für unsere beiden Taufkinder … und für Sie, liebe …, bedeutet das, dass jeder sich die Engel so vorstellen darf, wie er es möchte. Wichtig ist nicht, wie Engel aussehen, sondern dass wir uns von ihnen behüten und auf guten Wegen leiten lassen. Und manchmal können wir selber füreinander auch „ein wenig Engel sein“, zum Beispiel als Eltern und Paten, wenn wir Kindern ein gutes Vorbild sind, wenn wir mit ihnen spielen, ihnen Mut machen, ihnen zeigen, was Gut und Böse ist.

Nun lasst uns gemeinsam den Glauben an Gott bekennen, der seine Liebe in Jesus offenbart und dessen Geist uns führt und leitet, auch indem er uns seine Engel zur Seite stellt:

Glaubensbekenntnis und Taufen
Liedblatt: Jedes Kind braucht einen Engel
Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Liebe Gemeinde, eine junge Frau und zwei Kinder haben heute zu ihrer Taufe denselben Taufspruch mit auf ihren weiteren Lebensweg bekommen:

„Gott hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf all deinen Wegen.“

Ich finde, das ist Grund genug, einmal eine Predigt über den Psalm zu halten, in dem dieser Vers steht, den Psalm 91. Wir haben ihn vorhin bereits gemeinsam gebetet. Jetzt will ich auf die einzelnen Verse einmal genauer eingehen:

1 Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt,

2 der spricht zu dem Herrn: Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe.

Der Psalm beginnt mit einem Bild, das mich an den Urlaub erinnert, wenn man unter einem Sonnenschirm im Schatten sitzt und vor den glühendheißen Strahlen der Sonne geschützt bleibt. In diesem Sommer bisher noch nicht ganz so aktuell, aber es soll ja wieder wärmer werden.

Im Psalm betet ein Mensch, der nicht im Urlaub, sondern bei seiner Arbeit oder auf beschwerlichen Reisen den Schutz vor der Mittagshitze braucht. Wir können daran denken, dass auch wir im Vertrauen zu Gott bei allen Problemen eine sichere Zuflucht und einen festen Halt finden können.

3 Denn er errettet dich vom Strick des Jägers und von der verderblichen Pest.

Wir werden nicht buchstäblich von Jägern gejagt und leiden auch nicht mehr unter der Pest wie noch die Menschen auch in Deutschland vor einigen Hundert Jahren. Aber auch wir kennen die Erfahrung, von Terminen gejagt und von Ansprüchen vieler Menschen durch unseren Alltag gehetzt zu werden. Manchmal fühlen auch wir uns gefangen in Stricken, die aus Sachzwängen, Angewohnheiten oder gefährlichen Abhängigkeiten bestehen. Und vor mancherlei Krankheiten sind wir auch heute nicht gefeit.

Wenn wir krank werden, verlassen wir uns in der Regel auf Ärzte; aber jeder gute Arzt weiß, dass auch seine Macht begrenzt ist; ein guter Freund, der ein Landarzt war, hatte in seiner Praxis gleich am Eingang ein Bild von Jesus hängen, wie er Kranke heilt; er wollte darauf aufmerksam machen, dass jede Heilung ein Geschenk von oben ist; wenn Gott will, dass wir vor einer Krankheit bewahrt bleiben oder wieder gesund werden, nur dann kann die ärztliche Kunst etwas ausrichten.

Die Kehrseite dieses Glaubens an Gott, der uns von der verderblichen Pest rettet, ist allerdings, dass wir uns auch in Gottes Willen fügen müssen, wenn er uns ein Leiden auferlegt, mit dem wir leben müssen, oder unserem Leben ein Ende setzt. Das ist schwer, aber immer noch besser, als wenn wir annehmen müssten, dass alles dem Zufall überlassen ist, was wir erleben und erleiden.

4 Er wird dich mit seinen Fittichen decken, und Zuflucht wirst du haben unter seinen Flügeln.

Wie ein Adler wird Gott uns vor Augen gemalt, der seine Jungen unter seinen Fittichen vor allen Gefahren versteckt. Wir können auch an die Engel denken, die Gott uns sendet, damit sie uns unter ihren Flügeln Geborgenheit geben.

Seine Wahrheit ist Schirm und Schild,

5 dass du nicht erschrecken musst vor dem Grauen der Nacht, vor den Pfeilen, die des Tages fliegen,

6 vor der Pest, die im Finstern schleicht, vor der Seuche, die am Mittag Verderben bringt.

Ein Wort ist hier besonders wichtig, das Wort „Wahrheit“, das man auch mit „Treue“ übersetzen kann. Gott steht treu und fest zu uns Menschen, und das ist für uns Schild und Schutzwehr genug gegen alle Gefahren, die uns bedrohen. Solche Gefahren werden hier eindrücklich aufgezählt: Zuerst das Grauen der Nacht: also Alpträume, die Menschen verfolgen, Ängste und Sorgen, die einen nicht schlafen lassen. Dann die Pfeile, die des Tages fliegen: also sich den Angriffen anderer Menschen ausgesetzt und ausgeliefert zu fühlen. Noch einmal wird die Pest erwähnt, die im Finstern schleicht: also eine Krankheit, die man sich zuzieht, ohne sich dagegen wehren zu können; außerdem gibt es aber auch Seuchen, die am hellen Tage Verderben bringen, das heißt, die einen treffen können, obwohl man alles getan hat, um gesund zu leben. Es ist nicht selbstverständlich in unserer Welt, dass wir unser Leben erhalten, dass wir ohne Angst und Sorgen leben können. Wir leben aber trotzdem ein erfülltes Leben, wenn wir in all unseren Sorgen und Ängsten an der Treue Gottes festhalten und uns von ihm festhalten lassen.

Die folgenden beiden Verse des Psalms haben wir vorhin nicht gebetet, weil sie in unserem Gesangbuch ausgelassen wurden:

7 Wenn auch tausend fallen zu deiner Seite und zehntausend zu deiner Rechten, so wird es doch dich nicht treffen.

8 Ja, du wirst es mit eigenen Augen sehen und schauen, wie den Gottlosen vergolten wird.

Ich verstehe, warum man diesen Text nicht ins Gesangbuch übernehmen wollte. Es klingt grausam, wenn man sich dafür bedankt, dass andere zu Tode kommen und man selbst gerettet wird. Und wenn man davon ausgeht, dass man selber gerettet wird, weil man auf Gott vertraut, und die anderen ihre gerechte Strafe bekommen, weil sie ein Leben führen, ohne Gott und seine Gebote zu beachten, dann fragen wir uns: Stimmt es denn, dass nur die Bösen in dieser Weise bestraft werden? Schon in der Bibel steht, dass oft genug auch Unschuldige ein Schicksal erleiden müssen, das sie nicht verdient haben, zum Beispiel Hiob oder Jesus. Also auch ich habe mit diesen Versen Probleme.

Richtig verstehen wir sie vielleicht dann, wenn wir sie als Äußerung eines Menschen auffassen, der sich in äußerster Not befindet oder in einem Kampf auf Leben und Tod von Feinden bedrängt ist. Der muss trotzdem nicht verzweifeln und denken, dass es überhaupt keine Hoffnung gibt. Wenn Gott will, kann er den einzelnen überleben lassen, auch wenn Tausende neben ihm sterben müssen. Solche Geschichten erzählen mir viele, die als Soldat im Krieg überlebt haben; sie wissen nicht, warum gerade sie ihr Leben bewahrt haben, während ihre Kameraden gefallen sind, aber sie sind dankbar, dass Gott ihnen noch einmal diese Chance zum Leben geschenkt hat.

Und die Sache mit der Vergeltung gegenüber den Gottlosen? Es ist ein Trost für jeden, der furchtbare Dinge erleidet, zum Beispiel Folter oder Missbrauch, dass Gott die Taten der Täter nicht vergisst, sondern jeden Unbarmherzigen auf seine Weise zur Rechenschaft zieht. Gott ist zwar ein vergebender Gott, aber „Vergebung ist bei ihm, dass man ihn fürchte“ (Psalm 130, 4); er lässt nicht zu, dass Unrecht verharmlost wird und stellt sich nicht auf die Seite der Täter gegen die Opfer.

9 Denn der Herr ist deine Zuversicht, der Höchste ist deine Zuflucht.

10 Es wird dir kein Übel begegnen, und keine Plage wird sich deinem Hause nahen.

Noch einmal wird betont: Gott ist unsere Zuversicht und unsere Zuflucht. Aber begegnet uns, wenn wir das beherzigen, wirklich kein Übel, haben wir keine Plage für unser Haus zu befürchten? Das Wort, das Luther mit „Übel“ übersetzt, meint eigentlich das Böse, das absolut Gott entgegensteht. Ich verstehe das so: Wer auf Gott seine Zuversicht setzt, ist vor dem Bösen gefeit, das von ihm selbst Besitz ergreifen will, und vor den Plagen, wie sie der Pharao von Ägypten auf sein Volk heraufbeschwor, als er sich dem Willen Gottes widersetzte und das Volk Israel nicht aus der Sklaverei entlassen wollte.

11 Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen,

12 dass sie dich auf den Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest.

Hier hören wir nun den Vers im Zusammenhang, den wir vorhin als dreifachen Taufspruch gehört haben. Ich erinnere daran, dass die Engel Gottes uns behüten, indem sie uns auf den guten Wegen Gottes führen und Orientierung geben.

Außerdem wird hier noch ergänzt, dass die Engel uns auf Händen tragen und nicht zulassen, dass wir über einen Stein stolpern. Das ist natürlich dichterische Sprache. Wer uns auf Händen trägt, ist um unsere Sicherheit besorgt, aber er wird uns nicht die Selbständigkeit nehmen und uns schon auf unseren Wegen selber laufen lassen. Und ein Kind, das nicht mal hinfällt und sich ein Knie aufschlägt, hat es sicher auch noch nie gegeben; gemeint ist im Psalm, dass wir im Leben nicht an den großen Stolpersteinen zu Fall kommen, also dass wir nicht in Versuchung geraten, das Böse zu tun und die Liebe zu vergessen. Als Jesus vom Teufel versucht wurde, da hat der Teufel dieses Bibelwort zitiert und gemeint: Wenn dich die Engel tragen und verhindern, dass du dich verletzt, dann spring doch von der Tempelzinne herunter! Jesus wies das zurück: Das ist in dem Psalmwort nicht gemeint. Wir werden nicht aufgefordert, Gott auf die Probe zu stellen, sondern es geht darum, dass wir in guter Weise für uns sorgen und nach Gottes Geboten leben, weil wir von Gottes Engeln umgeben sind.

13 Über Löwen und Ottern wirst du gehen und junge Löwen und Drachen niedertreten.

Noch einmal wird in poetischer Sprache ausgedrückt, dass wir im Vertrauen auf Gott und seine Engel nicht zu viel Angst haben müssen. Löwen stehen für reale Gefahren dieser Welt, die zu bewältigen sind; bei den Schlangen und Drachen würde ich eher an Symbole für das absolut Böse denken, von dem wir uns nicht anstecken lassen, wenn wir im Gottvertrauen fest genug sind, das heißt, uns fest genug halten lassen.

Die letzten drei Verse sind in der Übersetzung Luthers in Anführungszeichen gesetzt. Hier redet Gott selbst:

14 »Er liebt mich, darum will ich ihn erretten; er kennt meinen Namen, darum will ich ihn schützen.«

„Er liebt mich, sie liebt mich“, so spricht Gott von uns, wenn wir auf ihn vertrauen. „Er kennt meinen Namen“, so freut sich Gott, wenn wir uns bewusst sind, dass er für uns da ist, denn sein Name, den er einmal dem Mose verraten hat und den die Juden niemals aussprechen, bedeutet ja: „Ich bin da, ich bin für euch da.“

15 »Er ruft mich an, darum will ich ihn erhören; ich bin bei ihm in der Not, ich will ihn herausreißen und zu Ehren bringen.«

„Er ruft mich an“, das sagt Gott von uns, wenn wir zu ihm beten, und er verspricht uns, in der Not bei uns zu sein, ja, uns sogar aus der Not zu befreien und uns aufzurichten, wenn wir gedemütigt worden waren.

16 »Ich will ihn sättigen mit langem Leben und will ihm zeigen mein Heil.«

Das letzte Versprechen hören wir wieder mit gemischten Gefühlen. Kann jeder, der auf Gott vertraut, ein langes Leben erwarten? Was ist das überhaupt, ein langes Leben? Im hebräischen Urtext steht wörtlich: „Länge der Tage gebe ich ihm genug.“ Ich denke, wer in seinem Leben davon etwas sieht und spürt, was ihn heil macht, was ihm Frieden gibt, was ihn zufrieden macht, der kann zu diesem Leben Ja sagen, ganz gleich, wie lang oder kurz es ist. Überdies dürfen wir darauf vertrauen, dass Gott uns mit ewigem Leben beschenkt, wenn unser Leben hier auf Erden zu Ende ist. Er lässt niemanden verlorengehen, darauf können wir bauen. Amen.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben. Amen.
Lied 143, 1-3+8:

1. Heut singt die liebe Christenheit Gott Lob und Dank in Ewigkeit für seine Engelscharen, die uns in Angst, Not und Gefahr auf viele Weisen wunderbar behüten und bewahren.

2. Sie glänzen wie der Sonnenschein, wie Feuerflammen hell und rein als Gottes gute Geister. Von überirdischer Natur sind sie die schönste Kreatur, und Christus ist ihr Meister.

3. Sie stehn vor Gottes Angesicht und spiegeln seiner Hoheit Licht als Helfer und Vertraute. Sie singen dir, Allherrscher du, ihr »Heilig, heilig, heilig!« zu, wie es Jesaja schaute.

8. Wir danken dir, Herr Jesu Christ, dass du der Herr der Engel bist und uns die Wächter sendest. Erhalte uns in deiner Hut und rette uns, Herr, durch dein Blut, wenn du den Streit beendest.

Fürbitten – Gebetsstille – Vater unser
Lied 559, 2-3: Welcher Engel wird uns zeigen, wie das Leben zu bestehn?
Abkündigungen

Der Herr segne dich und er behüte dich. Er lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig. Er wende sein Angesicht dir zu und gebe dir Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

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