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Wenn Jobel erschallt, ist „Heimholer“

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Die Thomasgemeinde Gießen ist 50 Jahre alt – Anlass für das Geistliche Wort von Pfarrer Helmut Schütz (Bild: Gerd AltmannPixabay)

Erklärt jedes „fünfzigste Jahr für heilig… Es gelte euch als Jubeljahr.“ So steht es im 3. Buch Mose (Levitikus 25, 10) nach der katholischen Einheitsübersetzung. Luther übersetzt „Erlassjahr“. Die Verwirrung steigt, wenn man in die Zürcher Bibel und in die Lutherbibel von 1912 schaut. Dort steht „Jobeljahr“ und „Halljahr“. Und in der Verdeutschung der Schrift von Martin Buber und Franz Rosenzweig heißt es: „Heimholerjahr“.

Was wir ein „Jubiläum“ nennen, hat seinen Namen von dem, was nach Gottes Willen im Volk Israel alle 50 Jahre durchgeführt werden sollte (Levitikus 25, 10, wieder nach der Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift © 1980 by Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart): „Jeder von euch soll zu seinem Grundbesitz zurückkehren, jeder soll zu seiner Sippe heimkehren.“ Wer sich so sehr verschuldet hatte, dass er Acker und Vieh verkaufen musste und am Ende noch sich selbst und seine Familie, der sollte die Aussicht auf Schuldenerlass haben, auf Wiederherstellung seines Besitzstandes, auf Befreiung aus dem Sklavendienst.

Wir wissen nicht, ob das jemals wirklich in die Tat umgesetzt wurde, aber der Gedanke ist lebendig geblieben, dass es alle Jubeljahre einmal die Möglichkeit geben sollte, Freiheit, Besitz und Würde wiederzugewinnen, aus Verarmung und Verzweiflung herauszukommen.

Am Versöhnungstag in jedem 50. Jahr sollte das Widderhorn, auf Hebräisch „Jobel“, erschallen und eine Freilassung im ganzen Land ausrufen. Vom Hall dieser „Posaune“ her, wie Luther übersetzte, machte er das Jobeljahr zum „Halljahr“, während das Wort „Erlassjahr“ auf das eingeht, was in ihm geschehen sollte: den Erlass von Schulden und Schuld. In der katholischen Kirche wurde das Jobeljahr über das lateinische „iubilare“ zum „Jubeljahr“, das seit 1300 regelmäßig als besonderes Ablassjahr für Sündenstrafen ausgerufen wurde.

Schöner noch finde ich persönlich Martin Bubers Übertragung: „Heimholer sei es, das Fünfzigerjahr, für euch. In diesem Heimholerjahr kehrt ihr zurück.“ Ja, ein Jubiläum kann Anlass zur Rückbesinnung sein, um uns „heimholen“ zu lassen. Heim zu dem, was am wichtigsten ist, heim zu Gott, der frei macht – auch für neue Aufbrüche. Nicht alles muss im selben Trott weitergehen. Aber Anfänge müssen nicht in Vergessenheit versinken. Aus Früherem kann neu gelernt werden. Doch manchmal ist es gut, wenn Altes von Neuem abgelöst wird.

Und wenn alle Jubeljahre mal das Gemeindezentrum und die Pfarrwohnung grundsaniert werden, ist auch dabei eine Art „Heimholung“ im Spiel: Es soll ja ein Gebäude wieder so wohnlich gemacht werden, dass sich in ihm eine Gemeinde und auch eine neue Pfarrerin oder ein neuer Pfarrer zu Hause fühlen können.

Ihr Pfarrer Helmut Schütz

Geistliches Wort September 2015 im Gießener Gemeindebrief „Evangelisch in der Nordstadt“

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